Manuela Hoffmann machte dieser Tage darauf aufmerksam, dass Jeffrey Veen seinen 2000er Klassiker über zeitgemäßes Web-Design nun als kostenloses E-Book zum freien Download anbietet. Konsequent, denn Jeffrey berichtet heute lieber davon, wie sich durch die neuen Tools wie Blogs, Wikis, Social Software, RSS, open APIs das Web dramatisch verändert – und mithin auch das Design. Trotzdem lohnt ein Blick in TAaSoWD auch heute noch. Insbesondere die Schwierigkeit, konsistente Benutzeroberflächen in offenen Umgebungen zu schaffen, bleibt ein Dauerbrenner (Kapitel 2). Ein Beispiel? Nehmen wir den "Wunschzettel" bei Amazon: Handelt es sich hierbei um einen persönlichen Merkzettel oder um ein öffentliches Schwarzes Brett? Amazon meint letzteres, doch viele Nutzer (und auch alte Netzpioniere wie Peter und Paulus) interpretieren dieses Feature anders und teilen der Welt unbekümmert mit, was sie bewegt. Jeff, lese Jeffrey.
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Im Sommer nach Sylt
Wie sich kurzfristig ein Zusatzgeschäft realisieren lässt, das zugleich die eigene Marke stärkt, zeigt Hapag-Lloyd Express (HLX) gerade am Beispiel seiner neuen Sylt-Verbindung. Das Timing war äußerst eng: Am 21. Juni erfuhr die Welt erstmals davon, dass der TUI-Billigflieger im Sommer zweimal wöchentlich von Köln/Bonn aus die Nordsee-Insel anfliegt. Wichtigste Kommunikationsmittel: eine Pressemitteilung und der wöchentliche Newsletter, der inzwischen an über 600.000 Abonnenten geht. Buchungsstart war sofort, der Flugbetrieb beginnt am 8. Juli (und endet am 29. August).
Das Ergebnis überzeugt: Binnen 48 Stunden waren fast 20 Prozent der Kapazität verkauft. Über 60 Prozent der Buchungen kamen aus dem Newsletter. Der durchschnittlich erzielte Ticketpreis übertraf die Erwartungen. Mit klassischen Medien wäre diese Aktion völlig unmöglich gewesen, lautet das Fazit, das Kerstin Aberle, Onlinemarketingleiterin bei HLX, letzte Woche auf dem Deutschen Multimedia Kongress in Berlin zog. HLX verkauft 80 Prozent seiner Tickets über das Web, 15 Prozent über Reisebüros (die ebenfalls über das Web buchen) und 5 Prozent via Call-Center.
Ohne Filter
"A Long Tail without good filters is just noise", schreibt treffend
Interessanterweise liegt die SZ-Mediathek etwas quer zu dieser Unterscheidung. Sie nutzt die redaktionelle Selektionskompetenz des Feuilletons einer großen Qualitätszeitung (und damit einen klassischen Pre-Filter): Alle Rezensionen der vergangenen Jahre sind online.
Zugleich erscheinen aber in der SZ besprochene Bücher in den Suchergebnislisten ganz oben. Also dienen die Rezensionen auch als Post-Filter, der am langen Ende der Nachfragekurve für Orientierung sorgt.
Die Süddeutsche positioniert sich also, wie der berühmte Igel im Wettlauf mit dem Hasen, an beiden Enden zugleich. Geschickt.
Schön sein
Cyrus Khazaeli ist Dozent an der FH Wedel und Autor einiger Standardwerke zu digitalem Design. Sein jüngstes Buch heißt "Systemisches Design. Intelligente Oberflächen für Information und Interaktion" und erscheint im Juli. Auf seiner Promotion-Tour kommt der Autor bei medienhandbuch.de zum Interview vorbei. Auszug:
Amazon und eBay wollen nicht schön sein. Schönheit will immer auch die
Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und das kann störend wirken. Die
Neutralität und Schmucklosigkeit dieser Sites ist gewollt. Sie ist
funktional und alles was in diesem Sinne funktional ist, kann
zumindestens nicht hässlich sein. Aber wenn jemand Funktionalität mit
Einfachheit oder sogar Einfallslosigkeit verwechselt, wie Jacob Nielsen
das getan hat, und wenn er diese Meinung zum kategorischen Imperativ
erhebt, dann kommt man auf diesen unnötigen Antagonismus: Einfaches
funktionales Design kontra visuell orientiertem, unfunktionalem Design.
Yubnub: sind Kommandozeilen sexy?
Jon Aquino hat für den aktuellen Ruby on Rails Programming Contest am letzten Sonnabend ein erstaunliches Stück Software veröffentlicht. Jon bezeichnet yubnub als (soziale) Kommandozeile fürs Web. "gim 911" kramt alle Porsche 911er Bilder aus Google Image hervor, während "am 911" die Literatur über das Ende der Twin Towers dokumentiert. Der Clou: im Handumdrehen lässt sich der Befehlssatz jederzeit erweitern. Gedacht, getan. "sz 911" listet nun alle aktuellen 911er-Bücher auf, während "tcm 911" leider nichts findet. Doch die Freiheit hat auch ihre Tücken. Denn in meinem kleinen Beispiel, findet "tcm 911" zwar zunächst keine Treffer, schleust aber (m)einen Affiliate-Code in die Session ein, spätere Bestellungen bei Tchibo.de werden also provisioniert (und gespendet, is klar). Was kommt als nächstes? Meine Favoriten: "| (pipe):
sz <keyword> | babel <sprache>" und "camera (D20) | shopping".
Es lebe die Shell!
New Amazon
Der Relaunch vom Amazon.com (wir berichteten) scheint eher work in progress zu sein. Aktuell sehe ich zwar wieder den neuen Kopf – zwischenzeitlich erschien auch wieder der alte. Aber die neuen Produktseiten lassen noch auf sich warten. Oder vielleicht kommen sie auch gar nicht in der seinerzeit getesteten Version?
Nachzutragen wären noch der ausführliche Beitrag bei ebullshit und die Geschichte der Tab-Navigation von Amazon bei Functioning Form.
Klicks, Blogs und Tags
Anfang Juni findet in Berlin der Jubiläumskongress der Deutschen Marktforschung (mit Gala!) statt. Auch an dieser noblen (und nicht ganz billigen) Veranstaltung ist das Internet nicht spurlos vorübergegangen. So widmen sich am zweiten Kongresstag nach der Mittagspause gleich zwei Vorträge dem Konsumenten im Informations- und Internetzeitalter:
Keynote-Speech:
Klicks, Blogs und Tags: Perspektiven für die Marktforschung
Ph.D. Andreas S. Weigend, Shanghai/Stanford
Interaktive Medien: Konsequenzen für Konsum und Forschung
Dr. Margit Kling, eBay GmbH, Berlin
Insbesondere der Vortrag von Andreas Weigend dürfte spannend werden. Weigend war bis 2004 Chief Scientist von Amazon.com und ist heute Berater. Aus einem Focus-Interview vom Herbst 2004:
"Die stärkste Kompression unseres Lebens ist in unseren Suchabfragen im Web verschlüsselt. Denn ich sehe ja stets nach Dingen, die ich noch nicht weiß, aber wissen will. Wir sind die Suchabfragen, die wir gemacht haben. Quaero, ergo sum."
H&M: TV statt Plakat
H&M storniert seine berühmte Plakatwerbung und setzt künftig auf das Medium TV, meldet heute die FTD. Für das Werbemedium Plakat ist diese Entscheidung recht unerfreulich. Es gehört traditionell zu den Schlusslichtern unter den Werbeträgern, auch wenn es immerhin die Online-Werbung noch hinter sich lassen kann (jedenfalls laut Nielsen). Mit dem Schritt in Richtung Fernsehen liegt H&M im Trend, wie die FTD diagnostiziert:
Zahlreiche Handelskonzerne haben sich wegen der Absatzkrise für mehr
TV-Präsenz entschieden, in Deutschland etwa die Metro-Töchter Real und
Media Markt, Edeka und demnächst wohl auch Lidl.
Doch was bedeutet dieser Trend für das Medium Internet? Auf den ersten Blick nicht viel, denn dass die Supermarktketten keinen Grund sehen, stärker in Online-Werbung und -Vertrieb zu investieren, leuchtet unmittelbar ein. H&M hingegen will in diese Reihe nicht so recht passen, denn dessen Sortiment eignet sich durchaus für den Vertrieb via Internet.
Schlecht gepflegt
Der Shopblogger beschwert sich mal wieder, dass er ein neues Produkt im Laden stehen hat, über das sich der Produzent im Web beredt ausschweigt. In diesem Fall allerdings trifft er den falschen, denn die im März eingeführte Creme Jogò ist auf der Oetker-Website durchaus zu finden. Die Suche ergibt fünf Fundstellen.
Dennoch: Warum halten so viele Konsumgüterhersteller ihre Websites nicht so recht auf dem Laufenden? Ich vermute, da sind verschiedene Gründe im Spiel – angefangen von überkomplexen Content-Management-Systemen über unklare Prozesse (wer hat wann wen über was zu informieren) bis hin zu falschen Prioritäten: Möglicherweise sind vertriebliche Produkteinführung und klassische Werbung den Verantwortlichen einfach wichtiger als die Kommunikation in Echtzeit. Sie reservieren den großen Auftritt für die althergebrachten Kanäle und behandeln das Web als nachgeordnet.
Warum auch nicht, olange daraus kein Wettbewerbsnachteil entsteht? Der Hersteller, der sich zuerst bewegt, könnte sich hier einen Vorsprung verschaffen.
Click and Mortar – Die nächste Generation
Erinnert sich jemand an die Zeiten, als libri.de noch eine Innovation war? Damals ging es darum, dem stationären Buchhandel ein Fenster zum E-Commerce zu öffnen. Und nach wie vor bietet Libri die Möglichkeit, bestellte Bücher beim lokalen Buchhändler abzuholen und so die sonst vielfach fälligen Versandkosten zu sparen (was natürlich unattraktiv ist, solange Amazon Bücher kostenfrei versendet).
Nun gibt es aber tatsächlich einen Vorteil des Buchladens, den kein Online-Shop bieten kann: Er hält stets ein Sortiment vorrätig. Ist mein gewünschtes Buch im Laden vorhanden, kann ich es sofort kaufen, abholen und lesen. Es gibt durchaus Buchkäufer, die dies zu schätzen wissen.
Was wäre nun, wenn ich im Internet recherchieren könnte, ob mein gesuchtes Buch in einem nahe gelegenen Buchladen im Regal steht? Ich würde den Laden aufsuchen und dort kaufen! Jedenfalls, wenn es eilig wäre. Genau diesen Service bietet die US-Buchkette Borders, die ironischerweise eine Partnerschaft mit Amazon unterhält. Leider ist die Inventory Search auf der Website praktisch nicht aufzufinden, wie Eric G. Myers zu Recht beklagt.
Was Myers, der sich hauptberuflich mit Web-Strategie, -Management und -Design befasst, über sein Buchkonsumverhalten schreibt, ist Pflichtlektüre für jeden E-Commerce-Verantwortlichen im Buchhandel. In Deutschland kenne ich etwas mit der Inventory Search Vergleichbares bislang nur im antiquarischen Bereich: bei zvab.com (das übrigens von Mediantis betrieben wird, ehemals buecher.de) und abebooks.de. Aber das ist ja ein völlig anderes Geschäft.