Spenden sammeln via Twitter mit pledgedrive

„Dieser Tweet spendet 50Cent an die AIDS Hilfe Hamburg #watsa“ – Wer Twitter benutzt, hat diesen Eintrag Anfang Dezember in seiner Timeline des Öfteren gelesen. Eine Spendenaktion via Twitter, die von sich reden machte und es sogar auf Trending-Topic-Platz 3 schaffte – knapp hinter Stuttgart 21. Technologischer Vater des Erfolgs ist Sven Kräuter, Senior Consultant IT bei SinnerSchrader. Er hat das Tool entwickelt und stellt es ab heute unter pledgedrive.in zur freien Verfügung. Auf dem Fischmarkt schildert er, wie aus einer fixen Idee innerhalb weniger Tage ein erfolgreiches Fundraising-Tool wurde:
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Gehen wir ein paar Wochen zurück: 17.11.2010, 3. Gadgetnight Hamburg. Der Gastgeber Sven Wiesner hat eine Frage: „Wir wollen im Rahmen der Twittnite eine Spendenaktion starten. Wir spenden 0,50 Euro pro Tweet, der am Welt-AIDS-Tag einen bestimmten Satz enthält. Ist das machbar, und wenn ja: kannst Du das übernehmen?“. Die Idee ist glasklar und einfach. Dazu noch für einen guten Zweck. Sie überzeugt mich. Zeitlich mehr als knapp, denn Livegang ist der 1. Dezember und das Ganze wird komplett in der Freizeit stattfinden. „Technisch kein Thema“, denke ich. Bezahlung natürlich auch nicht – immerhin geht es um eine Spendenaktion.
Daraus entsteht ein wilder Ritt: Zusage meinerseits + Konzepterstellung am 21.11., kurzes Kick-Off zum Aufbau des Frontends mit zwei Scribbles, der Klärung einiger Detailfragen und der Synchronisierung der Abstimmungstermine des Projektplans als Ergebnis am folgenden Dienstag. Danach liegt es an mir, die Idee Wirklichkeit werden zu lassen. Schnell steht der erste Prototyp. Unter der Haube läuft eine schlanke, flexible Ruby-Webanwendung, die Twitterdaten in Echtzeit sammelt, auswertet und in eine Datenbank schreibt. Das ganze auf zwei hochskalierbare Cloudhoster verteilt, die das Schnurren bei Bedarf in ein sattes Röhren verwandeln können. Das Feedback: „Super, können wir unverändert nutzen. Geiles Teil!“
In der Nacht zum 01.12.2010 ist es dann soweit: watsa.de ist live und wartet darauf, ab 00:01 alle Tweets mit der vereinbarten Phrase zu tracken. Ich starte durch Anklicken des Tweet-Buttons auf der Landingpage. Der Teil meiner Timelinie, der noch wach ist, macht mit. Mit diesem beruhigendem Ergebnis gehe ich dann entspannt schlafen. Alles funktioniert wie geplant, und der Spendenzähler steht auf 2,00 €.
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Am nächsten Morgen weiter relativ entspannter Traffic in Sachen Spendenaktion. Meine Freundin verabschiedet sich gegen 8 Uhr mit den Worten „Ich mache dann die 10 € voll, wenn ich in der Agentur angekommen bin.“ Was Ihr nicht gelingen wird, denn zwischen 8 und 9 Uhr werden über 100 Teilnehmer gezählt. Pro Tweet werden 50 Cent gespendet, so dass wir schon über der 50€-Grenze liegen. Wow! Aber es sollte noch besser weitergehen – hier der Tagesverlauf in Zahlen:
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Die Obergrenze von 1000 € ist bis zur Mittagspause geknackt, unglaublich! Der gemessene Teilnahme-Peak liegt bei knapp über 800 Tweets pro Stunde. Insgesamt werden 3846 gültige Twitternachrichten gezählt. A propos Zahlen: Wenn ich auf meinen Stundenzettel in Basecamp gucke, sehe ich knapp 40 auf das Projekt gebuchte Stunden. Mit einem Ergebnis, das die Mühe absolut Wert war. Unterm Strich eine „Just figure out what’s useful, and the techies will make it happen“-Situation. Grandiose Idee trifft auf IT-Know-How und Innovationslust, die das Ganze Wirklichkeit werden lässt. So ergibt sich eine schöne Lösung, der man den dahintersteckenden Aufwand nicht ansieht. So muss es laufen.
Wie geht es weiter? Auf pledgedrive.in kann die entstandene Plattform als White-Label-Lösung für gebrandete Kampagnen genutzt werden. Launch des Services ist… jetzt! Viel Spaß damit!

iSnack 2.0 oder Was Crowdsourcing so bewegen kann

vegemite_iSnack_20.jpgDas hatte sich der Konsumgüterriese Kraft Foods fein ausgedacht. Zur Markteinführung einer neuen Variante des australischen Nationalbrotaufstrichs Vegemite sollten die Konsumenten über den Namen entscheiden. So wie bereits 1923 beim Original. Doch als die Stimmen ausgezählt waren, hieß das zuvor monatelang namenlos in den Supermärkten vertriebene neue Produkt iSnack 2.0 – so wie in iPod und Web 2.0.
Doch was in good old Europe bestenfalls ein Schmunzeln entlockt hätte, führte Down Under zu einer mittelschweren Revolte. Zwar mögen die Konsumenten das Produkt, doch hassen sie geradezu den völlig unpassenden Namen. Dazu muss man wissen, dass ein Markenprodukt wie Nutella im Vergleich zu Vegemite („proudly made in Australia“) und Marmite ein Nichts ist. Ein Name wie iSnack 2.0 ist geradezu ein Anschlag auf die australische Seele.
isuck20ladiesthumb.jpgDeshalb dauerte es nur wenige Tage, bis Kraft Foods einlenkte, den gerade erst verkündeten Namen wieder kassierte – und die Konsumenten erneut um ihr Votum bat. Morgen soll nun der nächste, möglicherweise endgültige Name annonciert werden.
In der Zwischenzeit lohnt sich ein Blick auf die kreativen Unmutsäußerungen, zum Beispiel auf jenes T-Shirt (links), dass der Epic Fail Store feilbietet [via]. Oder das unvermeidliche Hitler-Video, das in einer von zwei Versionen auf YouTube bis jetzt 72.000 Aufrufe generierte, was noch verhältnismäßig wenig ist. Kraft wehrt sich übrigens nach Kräften gegen die Unterstellung, die ganze Affaire sei nicht mehr als ein genialer PR-Stunt gewesen.

Ist die Aktion nun ein Argument gegen Crowdsourcing? Wohl kaum. Mehr Aufmerksamkeit hätte ein Produktstart kaum bekommen können. Und Kraft hat sicher nicht falsch gehandelt, als sie den Namen binnen weniger Tage zurückzogen und eine neue öffentliche Namenssuche starteten. So kann’s gehen, wenn Konsumgüterhersteller auf den Konsumenten hören, der schließlich am Ende die Rechnung bezahlt. [via]

Don Alphonso heuert bei achtung! an

Das berichtet heute horizont.net auf Twitter. Oder doch nicht?
Tatsächlich ist es Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach (39), der nach über drei Jahren bei Edelman zur Hamburger Agentur achtung! wechselt. Er wird dort ab 1. Dezember als Director Digital Strategy oder vielmehr Managing Supervisor Digitale Strategie für alle Einheiten (Werbung, PR, Event etc.) arbeiten.
Bei Edelman löst ihn Marshall Manson (35) als neuer Head of Social Media Europe ab, die Position des Head of Social Media Deutschland soll von außen neu besetzt werden.
Glückwunsch und alles Gute für den neuen Job!

PR-Manager gesucht

Bevor ich noch ein Video drehen muss, versuche ich es mal auf diesem Wege: SinnerSchrader braucht einen PR-Manager (m/w).
Es genügt nämlich nicht, einmal im Jahr die ganze Branche in Hamburg zu versammeln und von morgens bis spät zu bespaßen. Twitter ist gut, Facebook auch nicht schlecht, Blogs sind fein und Xing nicht mehr wegzudenken.
Nein, wir brauchen auch jemanden, der das klassische PR-Handwerk beherrscht, SinnerSchrader in die Presse bringt und gewaltige Mengen Text in kurzer Zeit produziert. Außerdem sollte er oder sie von den im vorigen Absatz genannten Themen mindestens schon mal gehört haben, besser aber dort präsent sein.
Die Sache ist eilig, also bitte jetzt bewerben. Vielen Dank!

Wozu wir noch Journalisten brauchen

Meine leicht polemisch gefärbte Analyse, warum Journalisten das Web nicht mögen, hat eine Reihe von interessanten Repliken erzeugt. Eines der wiederkehrenden Gegenargumente ist der Glaube, dass wir Journalisten auch weiterhin brauchen. Das stimmt wahrscheinlich sogar. Die Frage ist aber, wozu eigentlich.

Die Einordnung und „Reduktion von Komplexität“, wie die Medienwissenschaftler sagen, kann durchaus auch eine Aufgabe für Journalisten im Web darstellen. Hunderte abonnierter Feeds, aber keiner sagt mir, welcher wichtig ist.

Doch. Allerdings sind es keine Journalisten, die mir das sagen. Es sind Techmeme, Rivva, Digg, Friendfeed und Twitter (z.B. Twitlinks). Es sind Maschinen, die von Menschen gefüttert werden, wie immer, wenn wir von Medien sprechen. Sie sind dabei, den Journalisten ihre Selektionsfunktion abzunehmen. Es wird noch dauern, bis es flächendeckend soweit ist. Aber der Trend ist klar.

Der menschliche Faktor ist das, was den Journalismus interessant macht.

Wenn ich mich recht entsinne, dann hatte der Journalismus einst einen Objektivitätsanspruch – an dem er freilich vielfach scheiterte, was verständlich ist, da Menschen involviert sind. Im Unterschied zum Journalismus war das Blogging mit einem Subjektivitätsanspruch angetreten – und auch damit oftmals grandios gescheitert.
Objektivität ist veraltet. Sie wird nur in Medien gebraucht, die den Gesetzen der physischen Knappheit unterworfen sind. Wenn es nur ein Fernsehprogramm gibt, muss das furchtbar objektiv sein, weil es ja außerhalb des eigenen Kanals keine Gegenstimme gibt.
Schon der Versuch, die Regelungsmechanismen aus öffentlich-rechtlichen Monopolzeiten auf das privat-kommerzielle Fernsehen zu übertragen, ist völlig zu Recht weitgehend gescheitert. Stefan Niggemeier schreibt Romane darüber. Wenn er nicht gerade im Urlaub ist.
Im Web können wir uns Subjektivität leisten, weil Objektivität, sofern sie gebraucht wird, aus der Summe der Subjektivitäten entsteht. Wie in der Wikipedia. Habermas müsste jubeln, aber er versteht das Web nicht.
Das journalistische Produktionsmonopol ist aufgebrochen, heute kann jeder publizieren. Das Selektionsmonopol bricht jetzt ebenfalls auf, Maschinen und kollaborative Systeme sind heute schon besser als es Journalisten je waren. Was bleibt dann noch? Ganz zu schweigen davon, dass die Zahlungsbereitschaft für journalistische Produkte sowohl bei den Konsumenten als auch bei den Werbungtreibenden dramatisch gesunken ist.
Es bleiben PR und Corporate Publishing. Journalisten werden sich als Kommunikatoren und Lohnschreiber für Unternehmen verdingen.
Selbstverständlich werden die klassischen Medien überleben. Sie bewegen sich aber längst in einem schrumpfenden Markt, und dort gelten andere Gesetze als in Wachstumsmärkten. Medienobjekte werden zu Melkkühen umgebaut und auf Rendite getrimmt, Stellen gestrichen und das gesamte Niveau abgesenkt.
Dagegen ist kein Kraut gewachsen. Dass eine Redaktion wie die der Berliner Zeitung nur im Web und ohne gedrucktes Blatt überleben könnte, ist eine wohlfeile Illusion.

Mehr Dialog in Echtzeit

Die next08 lässt uns hier so schnell noch nicht los. Inzwischen sind fast alle Videos online und damit auch die Session von Mario Neurath, activeGATE und Frank Böttcher, interRent. activeGATE hat auf der next08 neue Funktionen vorgestellt:

Mit der automatisierten Erstellung von detaillierten Profilen noch während
des Nutzersitzung können Website-Betreiber Angebote und
Kommunikation künftig noch zielgenauer steuern. So kann jetzt zum
Beispiel ein Kundenbetreuer in einem Online-Shop aus einem über activeGATE
initiierten, textbasierten Dialog mit einem potenziellen Käufer direkt eine
Webkonferenz starten, in der weitreichende audio-visuelle Möglichkeiten für
eine ausführliche Produktpräsentation genutzt werden können.

Für Timo Lommatzsch, Social Media PReview, war die Session einer der spannendsten Vorträge auf der next08. Für die neueste Ausgabe seines Podcasts hat er mit Frank Böttcher gesprochen. (Mit mir übrigens auch.)

activeGATE ist eine Beteiligung von SinnerSchrader, interRent.com wurde von uns entwickelt.

Mehr Liebe für Microsoft

Auf der next ging es erwartet geschäftig zu. Panel folgte auf Panel. Kaum Zeit zum Nachfragen. Wirft ein Podiums-Interview dann ein unerwartetes und spannendes Licht ausgerechnet auf Microsoft, lohnt es sich, der Sache nochmal auf den Grund zu gehen.
Wir haben im Nachgang mit Nicole Simon telefoniert über ihr „Customer First“ betiteltes Gespräch mit Kris Hoet, EMEA Marketing Manager der „Microsoft Online Services Group“ (OSG).
Die OSG sind das msn-Onlineportal, die Suchmaschine „Windows Live“ und Microsofts Werbe-Unit „Digital Advertising Solutions“. Letztere gewann 2007 mit dem Online-Clip „Bring the Love Back.“ internationale Preise:

Angestossen vom Clip ging es um Microsofts Umgang mit Blogs, bloggenden Microsoft-Mitarbeitern und deren Einbeziehung in aktuelle Unternehmenskommunikation. „Bring the Love back“ hat es vor allem geschafft wegen des Blogs des Clip-Schöpfers Geert Desager.
Frei bloggende Top-Microsofter sind seit Scott Guthrie und vormals Robert Scoble keine Seltenheit. Anders als in manch ghost-geschriebenem, PR-wiederkäuenden CEO-Blog sind die MS-Blogger tief mit ihren Communities verbunden. Der gegenseitige offene Austausch wird vom Unternehmen aufgegriffen und hilft bei Weiterentwicklungen.
Spätestens hier wundert sich der durschnittliche europäische Microsoft-Beobachter. Doch dem Bild vom monolithischen, verschlossenen, streng-reglementierenden Software-Giganten widerspricht Hoet im Interview. Microsoft sei offener als vermutet, „blog smart“ die auf Vertrauen aufbauende blogging policy. Den Mitarbeitern werde vertraut anstatt eine miteinander kommunizierende Außenwelt per Unternehmensorder zu ignorieren.
Mittlerweile macht sich für MS bemerkbar, dass es bei dieser Haltung um mehr geht, als nur Goodwill – Der Internet Explorer 8 wäre ohne die Anbindung an eine Entwickler-Community eben so wenig zustande gekommen wie der „Surface“ Table oder, etwas banaler, bestimmte XBOX-360-Infopages.

Sendepause

Loch in der Statistik
Heute waren unsere Blogs mal für ein paar Stunden nicht am Netz, weil wir die Technik erneuert haben. Da sieht man mal, was uns ohne sie fehlen würde.

Wie fördert man eine Rollifahrer-Website?

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Diese Frage stelle ich mir schon lange, und jetzt stelle ich sie mal laut. Hallo Fachpublikum! Es gibt da eine Website, die heißt Startrampe.net und ist eine Informations- und Kommunikations-Plattform für Rollstuhlfahrer und Querschnittgelähmte. Und sie ist wirklich ein Phänomen – seit 1999 (!) läuft sie und läuft und läuft. Bis 2001 von einer Agentur betreut, seit Agentur-Crash ging es ehrenamtlich weiter, sogar ein Komplett-Relaunch wurde 2005 irgendwie gewuppt. Dennoch können die Macher von Startrampe.net Rat gebrauchen, doch dazu später.
Herzstück ist die Community, quasi das Lebenselixier vieler Rollifahrer, die dort Tipps austauschen, Freundschaften schließen, Hochzeiten gabs auch schon. Und alle Ups and Downs, die eine Community in der langen Zeit so haben kann. Das Ganze hat die kritische Masse von aktuell 4.350 virtuellen Mitgliedern erreicht, jeden Tag melden sich neue Leute an. Im zweiten Quartal 2007 gab es ca. 180.000 Visits bei ca. 1,4 Mio. Page-Impressions, und damit ist Startrampe.net das erfolgreichste Internet-Angebot für Querschnittgelähmte im deutschsprachigen Raum.
Es gibt ehrgeizige Ausbaupläne und gute Kontakte in die Querschnitt-Szene, z.B. sollen unter dem Namen „Arbeitsgemeinschaft Querschnittlähmung“ alle wichtigen Organisationen unter einer Internetadresse auffindbar sein. Bisher sind der Deutsche Rollstuhl-Sportverband, die Fördergemeinschaft der Querschnittgelähmten und die Deutschsprachige Medizinische Gesellschaft für Paraplegie (neu) dabei.
Und wo liegt jetzt das Problem? Das Projekt läuft, aber bei genauerer Betrachtung wird doch nur das Notwendigste geschafft, um es am Leben zu halten. Wachsen kann es nicht ohne weitere redaktionelle/communitymanagende/technische Manpower. Wie finanziert man die? Und wir reden hier nicht von Spenden, sondern von Zusammenarbeit.
Hat das Projekt Potenzial? Wie findet man geneigte Sponsoren oder Werbe-Kooperationen für Startrampe.net? Es kann doch nicht sein, dass da gar nichts geht. Rollstuhlfahrer sind eine attraktive, weil äußerst internetaffine und aktive Zielgruppe. Sie sind zwar oft auf fremde Hilfe angewiesen, soziale Kontakte sind bei vielen rar – aber sie können am Computer arbeiten, und das gilt auch für hochgelähmte und beatmungspflichtige Leute, die mit Sprachsteuerung, behindertenfreundlicher Soft- und Hardware und einem bunten Strauß an Hilfsmitteln unterwegs sind.
So, und jetzt mal Butter bei die Fische. Die Fischmarkt-Leserschaft ist vom Fach, also wer fühlt sich inspiriert, Ratschläge zu erteilen?