Mobile Commerce: Google überholt Apple

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Android für E-Commerce auf Smartphones wichtiger als iOS
Die Bedeutung des mobilen Commerce wächst. Bereits jetzt werden 6% aller Online-Käufe von Smartphones oder Tablets getätigt – mit stark wachsender Tendenz. Bislang galten iPhone-Nutzer dabei als attraktivste Zielgruppe. Tatsächlich jedoch sorgen Android-Geräte für signifikant mehr Käufe. 29 Prozent der im Mobile Commerce getätigten Kaufakte stammen inzwischen von Telefonen mit Googles Betriebssystem – lediglich 24 Prozent von iPhones.
Das ergab die Untersuchung „Status Mobile Commerce“ von SinnerSchrader. Die Digitalagentur wertete dafür Webanalytics-Daten ihrer größten E-Commerce-Kunden aus und kombinierte diese mit frei verfügbaren Quellen, wie Google AdPlanner, comScore und Alexa.
Beim Umfang der mobilen Nutzung von Smartphones sind iOS und Android mit 51 bzw. 49 Prozent nahezu gleich auf. Bei Tablets hingegen dominiert weiter Apples Betriebssystem – sowohl in Bezug auf Nutzung als auch getätigter Onlinekäufe. Die Untersuchung ergab zudem: Die Nutzung von Tablets findet mit einem Anteil von 90% derzeit fast ausschließlich aus dem WIFI statt.

iPhone 5: Prächtige Hardware, veraltetes Interface und verschlechterte Services?

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Heute ist der alljährliche iPhone-Gedenktag. Millionen von Menschen weltweit bekommen ihre neuen, glänzenden Geräte. Designed by Apple in California, assembled in China. Der Verkaufsstart eines neuen iPhones hat sich zu einem Phänomen der Popkultur ausgewachsen.
Doch worum geht es bei dem ganzen Getöse? Ist immer noch die Hardware das Wichtigste? Nein, sagt Chris Gardner:

What Apple has failed to understand, but its competitors have banked on, is that the smartphone market is not about swish hardware any more, but the device’s software and how easy it is to both use and customise to make the phone yours.

Die Hardware des iPhones folgt offensichtlich dem Trend zu leichteren, dünneren und schnelleren Geräten – infinitesimal werden all diese Gadgets irgendwann unsichtbar. Doch der Schlüssel dafür, diesem Ziel so nah wie möglich zu kommen, ist längst nicht mehr die Hardware, sondern die Software, das Interface.
iOS 6, die jüngste Iteration von Apples mobilem Betriebssystem, startete diese Woche, brachte aber nicht sehr viel Innovation auf diesem Gebiet – das Interface sieht immer noch mehr oder weniger genauso aus wie damals im Jahre 2007, als das erste iPhone auf den Markt kam. Die Nutzer haben nur wenige Möglichkeiten, das Interface zu personalisieren, beklagt Owen Williams:

Apple has not addressed the one thing that’s always bothered me about iOS. The iPhone just isn’t personal. It doesn’t know me and allow me to adjust it to make it my personal phone. I don’t think they understand that their end users aren’t a big faceless group of people.

Owen propagiert Windows Phone 8 und dessen Interface („Live Tiles“) als aktuelles Musterbeispiel.

The thing is, Microsoft gets it. They’re completely right. Live tiles actually do make the technology disappear.

Das heißt, wenn wir Owen folgen wollen, dass es ein Beispiel für ein Interface gibt, das dem hübschen Ziel einer unsichtbaren Technologie zumindest nahekommt. Und es stammt nicht von Apple.
Fügen wir nun noch das Desaster mit dem Umstieg von Google Maps auf Apples eigene Landkarten hinzu. Jetzt haben wir ein Bild mit prächtiger Hardware, einem zunehmend veralteten Interface und einem Serviceerlebnis, das sogar schlechter wird.
Allerdings denke ich, dass dies die Sicht der Technologieexperten ist. Auf Seiten der Konsumenten sehen die Dinge völlig anders aus. Heutzutage sehen Konsumenten Apple-Produkte als klaren Kauf an, mit der Gewissheit, keinen Fehler zu machen.
Der durchschnittliche Konsument vertraut darauf, dass Apple für ihn die Dinge ins Reine bringt. Er erwartet aus Cupertino ein aktualisiertes Interface und bessere Services erst dann, wenn sie fertig sind, und keine Minute früher. Oder, im Falle von Services, überlässt er das Problem dem (App-)Markt.
Google Maps dürfte schon bald wieder auf das iPhone zurückkehren.
Foto: Blake Patterson, Lizenz

Google+ ist eine Wette auf den Großtrend Social

Google+ hat in dieser Woche ein aufgefrischtes Design bekommen. Auf dem Hype-Zyklus steckt das Produkt derzeit tief im Tal der Enttäuschungen, und es bleibt abzuwarten, ob und wie schnell es sich daraus auf den Pfad der Erleuchtung begeben kann, um dann irgendwann das Plateau der Produktivität zu erreichen.
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Google+ ist des öfteren als Facebook-Killer apostrophiert worden. Dabei geht es auch strategisch für Google gar nicht in erster Linie um den Angriff auf Facebook. Google+ ist ein defensiver Schritt gegen die von Facebook ausgehende Gefahr für Googles Geschäftsmodell, so wie Android ein defensiver Schritt gegen Apple und die Gefahr war, die das iPhone für Googles Geschäftsmodell darstellt.
Im Falle von Android ging die Rechnung auf. Google kontrolliert heute eine der beiden großen mobilen Plattformen und hat damit die Gefahr, beim Großtrend Mobile abgehängt zu werden, vorerst erfolgreich gebannt.
Anders sah es bis Mitte 2011 beim zweiten Großtrend Social aus. Hier dominiert Facebook unangefochten. Da wir hier nicht über Hardware und Betriebssysteme reden, musste Google eine andere Strategie wählen – und setzte das gesamte Unternehmen auf eine Karte: Google+.
Google+ steht letztlich nur dafür, alle Google-Produkte mit einer einheitlichen sozialen Schicht (social layer) zu verknüpfen, um damit die Gefahr der Marginalisierung abzuwehren, die von Facebook ausgeht. Der Weg dahin ist noch weit, aber das jüngste Redesign ist ein weiterer Schritt in diese Richtung. Wie bei Android wird es einige Zeit dauern, bis sich sagen lässt, ob die Wette aufgeht oder nicht.
Auch beim Thema Social wird langfristig Platz für zwei konkurrierende Plattformen sein, wie es die Branche schon bei Betriebssystemen (PC/Mac und iOS/Android) gewohnt ist. Ein Wettbewerber für Facebook kann hier nicht schaden.
Bild: Idotter, Lizenz

Ob der Bürgermeister Zeit hat für Digitales – egal!

Wenn Google in Paris sein neues Hauptquartier für Frankreich, Südeuropa, Afrika und den Nahen Osten eröffnet, dann ist selbstverständlich Präsident Sarkozy dabei. So geschehen im vergangenen Dezember. Wenn in Hannover die CeBIT eröffnet wird, dann sprechen Kanzlerin Angela Merkel und Google-Chairman Eric Schmidt.
Wenn in Hamburg die Social Media Week stattfindet, dann begrüßt selbstverständlich Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz die Teilnehmer. Und in Berlin, dem Mekka der deutschen und womöglich auch europäischen Startup-Szene? Dort hat der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit keine Zeit, wenn ihn einige Protagonisten jener Szene sprechen möchten, um ihm einen Einblick in diese florierende Branche zu geben. Typisch Berlin?
Klar scheint jedenfalls: Berlin hat seinen kometenhaften Aufstieg zur Startup-Hauptstadt nicht dem emsigen Wirken der Standortpolitik zu verdanken. Der Erfolg kam eher trotz denn wegen der Politik. Städte wie Hamburg mühen sich hingegen redlich, ihr Bild aufzupolieren. So verweist die gut geölte Standort-PR via Welt nicht zu Unrecht auf die in Hamburg ansässigen Deutschlandzentralen von Google, Facebook und Airbnb – und auf Twitter, das Gerüchten zufolge bald folgen soll. Gut, Airbnb zählt eigentlich nicht so richtig, weil das im vergangenen Jahr übernommene Startup Accoleo nun einmal in Hamburg ansässig war.
Dieser Standortwettbewerb ist typisch deutsch und eine Folgeerscheinung des Föderalismus wie auch der deutschen Teilung. Jahrzehntelang musste die alte Republik ohne echtes politisches und wirtschaftliches Zentrum auskommen. Berlin ist wirtschaftlich schwach und wächst nur langsam in seine Hauptstadtrolle hinein. Doch im Wettbewerb um digitale Neugründungen gereicht dieser Nachteil zum Vorteil. Mietflächen sind zahlreich und vielfach günstig, die Lebenshaltungskosten niedrig, der Unterhaltungswert hoch. Dagegen ist mit den Mitteln der klassischen Standortpolitik wenig auszurichten, egal ob der Bürgermeister Zeit für Digitales hat oder nicht.
Von Hamburg aus betrachtet bin ich geneigt, mit einem herzhaften „sowohl als auch“ zu schließen. Deutschland wird ein föderales Land bleiben, die Bundesländer werden sich weiterhin in standortpolitischen Scharmützeln beharken, Berlin wird ein attraktiver Standort für Start-ups bleiben. Und auch für Agenturen. Als Hamburger Agentur haben wir inzwischen auch einen Ableger in Berlin. Und nicht zu vergessen: die NEXT Berlin. Die Zentrale bleibt einstweilen in Hamburg.

Was aus meinen Prognosen für 2011 wurde

Anfang Januar hatte ich neun Prognosen für das nun fast abgelaufene Jahr aufgestellt. Zeit für einen Rückblick: Was ist aus meinen Prognosen geworden?

  1. Prognose: Die Generation Internet bleibt auch in diesem Jahr draußen vor der Tür. Die Geburtsjahrgänge ab 1991 sind zahlenmäßig zu schwach, um sich in einer alternden Gesellschaft durchzusetzen, in der Rentner, Pensionäre und Sozialleistungsempfänger den Ton angeben. Realität: Während die Generation Internet nach wie vor keine Rolle spielt, ist die Generation C64 in Gestalt der Piratenpartei ins Berliner Abgeordnetenhaus eingezogen und hat sich mit D64 eine eigene, SPD-nahe Lobbyorganisation geschaffen.
  2. Prognose: Das Leistungsschutzrecht für verlegerische Leistungen, bereits 2009 im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und FDP verankert, steht auch 2011 noch auf der Agenda. Realität: Die Bundesregierung arbeitete im Herbst an einem Gesetzentwurf zum Leistungsschutzrecht, der jedoch bis dato nicht vorliegt.
  3. Prognose: Datenschutz und digitale Privatsphäre sind das große Thema des Jahres. Eine neue Generation von Start-ups wie MyCube und Personal bringt konstruktive Lösungen für das Dilemma zwischen digitaler Privatsphäre und Social (the animal formerly known as Social Media). Realität: Datenschutz und die digitale Privatsphäre waren eines der großen Themen des Jahres, das Stichwort lautete Post-Privacy. Von MyCube und Personal war wenig zu hören, dafür umso mehr von der datenschutzkritischen Spackeria, die indes nicht über ein Blog und ein paar kleinere Wellen im Medienteich hinauskam.
  4. Prognose: Das nächste Buch von Jeff Jarvis (Public Parts) gibt dieser Debatte erst richtig Schwung. Es erscheint in diesem Jahr, die deutsche Ausgabe wird unter dem Titel Das Deutsche Paradoxon publiziert. Realität: Das Buch ist erschienen, hatte wenig Einfluss auf die Debatte, entspann aber eine interessante Kontroverse mit Evgeny Morozov.
  5. Prognose: Der Werbemarkt wächst auch 2011 leicht. Die Gewinner sind Online- und TV-Werbung, nicht zuletzt wegen der zunehmenden Konvergenz ihrer Technologien. Realität: Der Werbemarkt wuchs um 2,7 Prozent, was in etwa dem allgemeinen Wirtschaftswachstum entspricht. Für Internetwerbung wurden 13,2 Prozent mehr ausgegeben als im Vorjahr, TV-Werbung legte um etwa drei Prozent zu. Die einzige Verlierergattung waren die Zeitungen.
  6. Prognose: Apple TV bekommt noch in diesem Jahr einen App Store. Damit überträgt Steve Jobs das Erfolgsmodell von iTunes, iPhone, iPad und Mac App Store auf das Fernsehen. Google TV nimmt einen zweiten Anlauf im Weihnachtsgeschäft 2011. Realität: Der App Store für Apple TV ist ausgeblieben, stattdessen verdichten sich Gerüchte um ein vollwertiges Fernsehgerät aus dem Hause Apple. Steve Jobs starb im Herbst nach langer Krankheit, nachdem er im Sommer seinen Posten als CEO an Tim Cook übergeben hatte. Google TV war auch im zweiten Anlauf kein Erfolg, Eric Schmidt kündigte Anfang Dezember jedoch an, dass im schon im Sommer 2012 die Mehrzahl aller neuen Fernsehgeräte mit Google TV ausgestattet sein sollen.
  7. Prognose: Das App-Fieber des vergangenen Jahres klingt weiter ab, aber das neue Paradigma setzt sich durch. Mac App Store, Chrome OS – alles wird App. Sogar Microsoft kündigt einen App Store für Windows an, der aber nicht vor 2013 starten wird. Realität: Das App-Paradigma hat sich durchgesetzt. Der App Store für Windows soll als Beta-Version schon im Februar 2012 verfügbar sein.
  8. Prognose: Das digitale Buch hebt endgültig ab. Amazon bringt den Kindle Store nach Deutschland, Google Books lässt noch auf sich warten, die Sortimente der übrigen Anbieter werden größer. Realität: Erstmals werden ausreichend Bestsellertitel und günstige Hardware angeboten. Der Kindle Store ging schon im April an den Start. E-Reader gehörten zu den Topsellern im Weihnachtsgeschäft. Auf der Frankfurter Buchmesse kündigte Google zwar den Launch seines deutschen E-Book-Angebots noch in diesem Jahr an. Der blieb bislang aber aus.
  9. Prognose: Facebook geht 2011 an die Börse. Der Börsengang schlägt alles, was im digitalen Bereich bis jetzt da war. Es ist ein Meilenstein wie die IPOs von Netscape und Google. Realität: Facebook schob den Börsengang um ein weiteres Jahr hinaus. Die jüngste PR-Offensive lässt einen IPO für das zeitige Frühjahr 2012 erwarten. Statt Facebook gingen 2011 u.a. LinkedIn, Groupon, Pandora und Zynga an die Börse. Die meisten Börsengänge waren zwar eher eine Enttäuschung, dennoch ist es von Vorteil für den Markt, dass der Exit über die Börse möglich bleibt.

Soweit die Rückschau. Was den Ausblick auf 2012 betrifft: In den Kommentaren ist Platz für Anregungen.

Warum wir Google+ für Google Apps wieder abschalten – und Google das auch tun sollte

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Gleich vorweg: wir bei SinnerSchrader lieben Google Apps!
Daher haben wir uns auch gefreut, als Google vor rund drei Wochen Google+ für Google Apps freigeschaltet hat. Die gute Integration von Google+ macht wirklich Spaß und ist durch das Circlen von Domain-Nutzern eine sehr schöne Ergänzung unseres Intranets. Auf den ersten Blick. Allerdings beschlich mich schon bei der Einführung ein seltsames Gefühl.
Nach drei Wochen ausführlichen Testens werden wir diese Woche unseren 400 Kollegen die Google+ Accounts wieder entziehen. Google hat mit der überstürzten Einführung von G+ für Google Apps nach meiner Meinung massive Architekturfehler macht, die eine Nutzung unmöglich machen:

  1. Durch die Klarnamen-Policy sind Nutzer quasi gezwungen, ihre privaten Google+ Accounts aufzugeben. Tun sie es nicht, gibt es doppelte Geister-Accounts, die zur kompletten Verwirrung führen und ein persönliches Netzwerk in die Schizophrenie treiben. Beispiel: Mein Profil und das meines alter ego – oder war es umgekehrt?
  2. Der Admin einer Google App Domain (zum Beispiel auch sinnerschrader.com) hat vollen Zugriff auf alle G+ Profile, damit ist eine private Nutzung von G+ für alle unsere Kollegen faktisch ausgeschlossen (umgekehrt: man stelle sich vor, unsere Admins hätten Zugriff auf alle Facebook-Accounts unserer Mitarbeiter…)

Zudem ist noch völlig unklar, wie ein angekündigtes Migrations-Tool funktionieren soll. Wie und welchen Content kann und darf der Nutzer, wenn er beispielsweise das Unternehmen wechselt, in einen privaten Google oder neuen Domain-Account transferieren? Gar keinen? Alles? Wie werden „private“ und „berufliche“ Inhalte unterschieden? Meine Vermutung: an diesem Problem beisst sich Google gerade selbst die Zähne aus. Das Problem scheint mir nicht lösbar.
Fazit: Google+ für Google Apps ist undurchdacht und die Einführung durch Google, wohlwollend formuliert, schlecht kommuniziert. Man könnte auch sagen: wer so ein Produkt für 30+ Millionen Google Apps Nutzer freischaltet handelt leichtsinnig und gefährlich. Beim aktuellen Stand des Produktes, sollte Google G+ für GApps besser heute denn morgen wieder abschalten.

Attacke, Amazon – ein Buchhändler kämpft Judo mit Google

Kindle Fire
„Amazon bringt ‚Volks-Tablet’… Kampfpreis 200 Dollar… Erster richtiger iPad-Rivale“ – so oder ähnlich liest man es hunderfach, seit Jeff Bezos den Kindle Fire vorstellte. Solche Analysen sind nicht falsch, gehen aber am Kern vorbei. Denn mit seinem Tablet wagt Amazon eine ambitionierte Kampfansage: Das Unternehmen will nicht weniger als den gesamten Internetverkehr seiner Kunden in seiner Cloud EC2 zwischenspeichern. Damit erklärt Amazon nicht nur Apple den Krieg, sondern auch Google, Facebook und vielen mehr.
Warum?
Zweifellos hat Amazon mit dem Fire eine Duftmarke gesetzt. Konkurrenzfähige Hardware, günstiger Preis und – zumindest in den USA – attraktive Inhalte: von Büchern, Musik bis zu Filmen und TV-Serien. Samsung und Blackberry, denen es ohne iTunes-Store oder Amazons Angebot „Prime“ an Content mangelt, sollten angesichts dieser Konkurrenz warme Schutzhüllen überstreifen.
Im Vergleich dazu kann Apple (noch) gelassen bleiben. Wie bei Mobiltelefonen setzt es auf das Hochpreissegment mit entsprechenden Margen. „Hat’s den Papst gestört, dass Luther kam?“ sagte Harald Schmidt mal über die Konkurrenz mit Stefan Raab. Das gilt vorerst auch für das Verhältnis iPad und Fire.
Bei Google sieht es da schon anders. Um im Luther-Bild zu bleiben, schlägt Amazon hier nicht nur Thesen an die Tür, sondern tritt sie kurzerhand einfach ein. Der weltgrößte Versandhändler greift den Werbe- und Suchmaschinenkonzern gleich auf mehreren Fronten an.
Zunächst einmal betreibt Amazon kostenschonendes Cherrypicking. Als Betriebssystem für den Fire setzt es auf Android. Konkret: auf den kostenlosen Open-Source-Kern ohne die Komponenten Browser und Mail, für die Abgaben an Google gezahlt werden müssten.
Stattdessen vertraut Amazon beim Browser auf die Eigenentwicklung „Silk“. Dieser erlaube Surfen mit nie gesehenen Geschwindigkeiten, egal mit welchem Gerät, egal mit welcher Bandbreite, reklamieren seine Entwickler. Das möglich machen soll die „Split Browser“-Technologie, die den gesamten Internetverkehr über die Amazon-Cloud EC2 abwickelt. Sie lädt die Website (vorausschauend) und liefert diese dann neu-gerendert und ressourcenschonend an den Nutzer aus.
Kindle Fire
EC2 geht also viel weiter als ein Proxyserver. Dahinter steht zudem die extrem robuste Netz-Infrastruktur Amazons, auf der bereits jetzt viele Unternehmen ihre gesamten Online-Aktivitäten hosten.
Wollte man bislang herausfinden, was die Nutzer im Netz tun, musste man ihr Verhalten mühsam über Webanalytics-Tools tracken. Etabliert sich das Surfen via EC2, kommt quasi der permanente Blick über die Schulter. Amazon weiß so, was Silk-Nutzer online tun, was sie klicken, was sie suchen und was sie kaufen. Kombiniert mit den persönlichen Informationen – Amazon ist angeblich der größte Inhaber von Kreditkarten-Daten – wird daraus pures Gold.
Auf einen Schlag wäre Amazon in der Lage, besser zielgerichtete Werbung zu schalten als die bisherigen Platzhirschen Google und Facebook. Bislang kamen Werbungtreibende um die beiden nicht herum.
Nun macht Amazon „Meta-Werbung“ möglich: die Werbung um die Werbung. Schon einmal gab es einen solchen Versuch, der schon ein Jahrzehnt zurückliegt: germany.net. Als das Internet laufen lernte, bot der Call-by-Call-Provider Internetzugänge an, die bis auf die Telefongebühren kostenlos waren – finanziert durch eingeblendete Werbeanzeigen. Ein Modell, das sich nie so richtig durchsetzte.
Damals jedoch waren die Analyticsmethoden noch nicht entwickelt, Targeting so gut wie unmöglich. Aktuelle Technologien erlauben jedoch die Bildung trennschärfster Segmente.
Google und Facebook könnten hier ihre Dominanz eines Tages einbüßen, weil ihr Informationsvorsprung in Gefahr ist. Setzt sich „Split-Browsing“ durch, gäbe es nichts, was Amazon nicht wüsste – ein mächtiges Drohmittel. Es könnte seiner Konkurrenz wichtige Daten vorenthalten, indem sie beim Weg durch die Amazon-Cloud herausgefiltert würden.
Im Gegenzug wäre es natürlich denkbar, dass Webseitenbetreiber das Caching durch Amazon untersagen, um den direkten Draht zum Surfer nicht zu verlieren.
Noch ist das alles nicht entschieden. Fest jedoch steht: Im Spiel der Giganten hat sich Amazon machtvoll zu Wort gemeldet.
Das Internet kann dadurch nur noch besser werden.

Sind Amazon, Apple, Facebook und Google die neuen Banken?

Social war gestern. Jetzt geht es um die Identität der Konsumenten, und morgen um ihre Bankkonten. Die vier apokalyptischen Reiter des Internets – Amazon, Apple, Facebook und Google – liefern sich derzeit eine Schlacht um die Nutzerkonten, die bald schon in einen Kampf um die Girokonten münden könnte.
Deshalb sind bei Google+ keine anonymen Nutzerkonten möglich – wie bei Amazon und Apple übrigens, und auch Facebook erlaubt keine Pseudonyme oder anonyme Accounts (obwohl das in der Praxis bis jetzt nicht strikt durchgesetzt wird). Google+ ist mehr als nur ein Social Network oder die Antwort auf Facebook – es ist Googles Identitätsdienst, künftig Personalausweis und Kreditkarte zugleich.
Wie wir künftig im Netz – und nicht nur dort, sondern auch in der physischen Welt – bezahlen, hinter dieser Frage steckt buchstäblich jede Menge Geld. Wenn ich mein Girokonto erst einmal bei Amazon, Apple, Facebook oder Google habe, dann können Bezahlvorgänge im Netz ohne Beteiligung des herkömmlichen Bankensystems stattfinden.
Recht weit vorne in diesem Rennen liegt übrigens Paypal, das in Europa bereits eine Bank ist und über ein Jahrzehnt Erfahrung mit Zahlungsprozessen hat. Interessanterweise gehört Paypal nicht zu einem der Großen Vier, sondern zu Ebay, und ist deshalb etwas aus dem Fokus geraten. Holger Spielberg von Paypal hat auf der NEXT11 einen guten Überblick über diesen spannenden Markt gegeben.
Amazon hat von je her Zahlungsdaten seiner Kunden, bietet schon länger eine eigene Kreditkarte an und führt bereits Guthaben, bis jetzt in Form von Gutscheinen. Jüngstes Beispiel ist das Trade-In-Programm für den Ankauf gebrauchter Ware gegen Amazon-Guthaben.
Apple nimmt sich im Vergleich dazu recht spartanisch aus: Ohne Kredit- oder Guthabenkarte geht nichts. Was umgekehrt aber bedeutet, dass mit jedem Apple-Konto ein Zahlungsweg verbunden ist. Und Facebook hat längst eine eigene Währung, mit der ich früher oder später auch anderswo im Netz (oder gar in der physischen Welt, mit meinem Facebook Phone) werde bezahlen können.
Eins ist klar: Google Wallet ist nur der Anfang. Die vier Musketiere werden sich früher oder später im Wettbewerb mit den etablierten, krisengeschüttelten Banken wiederfinden. Die Finanzbranche ist längst reif für die digitale Revolution. Chris Skinner sieht die Reformation im Bankensektor bereits am Horizont.
Chris Skinner hält nächste Woche die Keynote auf der ersten NEXT Finance in Frankfurt/Main. Sein Thema: Why Banking Will Disappear But Banks Will Not … Well, Not All of Them. Übrigens die Antithese zu einer berühmten Sentenz von Bill Gates: Banking is necessary, banks are not.
[via]
Nachtrag: Thilo Specht schreibt heute praktisch gleichzeitig (und als Antwort auf Wolfgang Lünenbürger-Reidenbachs Todesprognose für Facebook):

Facebook hat nicht nur über 700 Millionen Datensätze, sondern über 700 Millionen Kunden. Man stelle sich vor, das Unternehmen erwirbt eine Banklizenz und bietet seinen Bestandskunden (Online-)Banking- und Investment-Produkte an. Auf der Grundlage von Markt- UND Netzwerkeigenen Daten. Inklusive sicherer Bezahlmöglichkeiten in den großen Shops wie Amazon, eBay und Co. (Tschüss Paypal, ich kann mir Deine Passwörter sowieso nie merken). Direktüberweisungen direkt aus dem Profil heraus, an das Profil eines anderen Mitglieds. Mobile Payment. Hört ihr sie rascheln, die Scheinchen? Die Facebook International Bank kann global agieren, weil sie schon überall vor Ort ist. Weil die Kunden schon alle an Bord sind. Weil die Investmentprojekte schon alle Facebook-Seiten haben. Weil die Infrastruktur schon steht.

Google, Motorola und der unaufhaltsame Aufstieg der geschlossenen Systeme

Hardware ist plötzlich wieder sexy. Steve Jobs wusste immer, dass erfolgreiche Produkte die Kontrolle über den gesamten Stapel aus Hardware, Software, User Experience, Ökosystem und geistigem Eigentum brauchen. Google hat diese Lektion auf die harte Tour lernen müssen, der Erwerb von Motorola spricht Bände.
Android ist an mehreren Fronten an seine Grenzen gestoßen: Die große Gerätevielfalt, zwar Wachstumstreiber, bringt inkonsistente Nutzererlebnisse und langwierige Aktualisierungszyklen mit sich. Die Offenheit erlaubt den Mobilfunkbetreibern, die Geräte mit eigener Müllsoftware zu verstopfen. Und Patentstreitigkeiten bedrohen das gesamte Projekt.
In dieser Lage ist der Schritt hin zu einem integrierten Modell nach dem großen Vorbild Apple, immerhin an der Börse die teuerste Firma der Welt, ein Befreiungsschlag. Der Kauf von Motorola, gegen den die bisher größten Akquisitionen wie Doubleclick und Youtube eher übersichtlich erscheinen, ist auch eine Wette darauf, dass Google das bessere iPhone bauen kann. In der Hoffnung, dass sie es dann auch in den Markt bekommen.
Damit sind drei der vier apokalyptischen Reiter des Internets jetzt auch im Bereich Hardware engagiert. Google ist der dritte im Bunde, nach Apple und Amazon, das mit dem Kindle bereits ein Hardware-Standbein hat und Spekulationen zufolge mit einem Tablet für unschlagbare 249 Dollar bald ein weiteres haben könnte.
Momentan scheint nur der vierte Reiter Facebook von Hardware noch weit entfernt zu sein. Doch auch das könnte sich schnell ändern, ist doch Facebook mit Microsoft liiert, und Microsoft wiederum gehört nicht nur Skype, sondern womöglich bald auch Nokia. Jedenfalls dann, wenn Steve Ballmer und seine Mannen an das integrierte Modell glauben, das sie mit der Xbox schon einmal realisiert haben.
Das Szenario könnte so aussehen: Microsoft kauft nach Skype auch Nokia und baut aus den drei Komponenten Hardware, Betriebssystem und Skype ein integriertes Windows Phone, möglicherweise unter einer neuen Marke. Hier käme dann Facebook als Messenger und Social Graph ins Spiel. Ein Facebook Phone mit eingebautem Skype auf Hardware von Nokia und Betriebssystem von Microsoft?
Im Smartphonemarkt bleiben noch RIM/Blackberry, HP/webOS und Samsung/Bada übrig – alle drei kontrollieren Hardware wie Software und auch den übrigen Stapel. Kaum zu glauben, aber nach dem Kauf von Motorola ist Microsoft Windows Phone die offenste mobile Plattform – solange Nokia noch nicht eingemeindet ist.
Im säkularen Krieg zwischen offenen und geschlossenen Systemen schwingt das Pendel jedenfalls derzeit stark in Richtung totale Kontrolle. Und der Kampf um die führende mobile Plattform, der bis jetzt zwischen iOS und Android tobte, geht in eine neue Runde.

Google ist plötzlich wieder cool, und Facebook sieht aus wie MySpace

Faszinierend, wie schnell sich die Wahrnehmung ändern kann. Noch vor kurzem war Google der Suchmaschinengigant, der das Social Web wohl niemals verstehen wird. Und Facebook galt trotz seiner inzwischen 750 Millionen Nutzer immer noch als cool.
Auftritt Google+. Jetzt sehen wir das genaue Gegenteil. Google hat mindestens die Zuneigung der Digerati zurückgewonnen, und Facebook sieht plötzlich so alt aus wie seinerzeit MySpace, als es immer noch größer war als Facebook, der jugendfrische Wettbewerber, der zügig seinen Rückstand aufholte.
Was das bedeutet und wie es dazu kam, steht im NEXT-Blog (englisch).