Wer macht denn so was?

Wer…

  • …schaltet mit enormem Mediaaufwand Anzeigen und TV-Spots ohne Absender?
  • …kommuniziert die Webadresse der Kampagne nur in Print?
  • …baut eine Flash-Site, für die ich zuerst den neuesten Flash-Player installieren musste?
  • …veranstaltet dort ein wenig originelles Quiz mit einer nervtötenden Würfelanimation?
  • …stellt zuletzt eine Frage, die kaum jemand beantworten kann, der nicht schon vorher weiß, wer der Absender ist?
  • …bereitet auf diese Weise einen Börsengang vor?

Richtig, es ist die RAG. Ein Unternehmen, das dessen Tochter DSK nach wie vor vom Steuerzahler subventioniert wird.

Es handelt sich um die Teaserkampagne für den neuen Namen der RAG, der am 12. September annonciert werden soll.

So was soll wohl eine innovative Multikanalkampagne sein. Seufz.

Cannes Cyberlions zu wenig interaktiv

Natürlich habe ich am Donnerstag nach der Bekanntgabe sofort alle Gewinner angeschaut. Nike Plus und Dove Evolution kannte ich schon und haben mich wieder extrem begeistert.

Aber schon bei den Gold- und Silberprämierten war ich ein wenig enttäuscht. Warum? Nun, keine Frage, die Kreativideen sind inhaltlich äußerst passend und stimmig, nur die Umsetzung ist mir, wie bei reversa, Shiseido oder Ikea, häufig zu wenig interaktiv. Abgesehen von irre langen Ladezeiten (ja, ich weiss, in Japan haben sie alle dicke Breitbandleitungen) gestaltet sich die User Experience eher so: Klick-Klick-30-Sek.-Video-Klick-Video-Klick-Video… Ja, sind wir denn im Fernsehen?

Stattdessen stachen die Banner mit ihren witzigen Ideen, die dem gelangweilten oder gestressten Surfer kurzweilige Abwechslung bieten, positiv heraus. Zum Beispiel Impossible is Nothing von Adidas: Ich ließ das Männchen minutenlang über die Website laufen und freute mich über immer neue kleine Illustrationen.

Oder Tissue für Mantecorp Coristina d Flu: Die Taschentücher erzählen eine kleine Geschichte, mit der man sich sofort identifiziert – und die Tücher flogen immer wieder, weil’s so schön aussah. Absolut genial nimmt Squeeze für Coca-Cola Japan Bezug auf die alltäglich-banalen Aktionen des Nutzers mit dem Browser. Schade, dass es nur Bronze dafür gab.

Friede, Freude, Kräuterlimo


Seit Wochen unterhält Bionade, „das offizielle Getränk einer besseren Welt“, uns mit Radiospots, in denen Menschen sich bei der Bahn dafür bedanken, nie zu spät zur Arbeit zu kommen. Jetzt lässt Bionade („Gebt Früchten mehr lustige Namen. Wie Litschi.“) den vielen Worten im Netz auch Taten folgen: Stille Taten. Auf der Webseite erfährt man von hilfsbereiten Menschen, die heimlich fremder Leute Autos waschen oder Taxifahrer mit einem ausgiebigen Frühstück verwöhnen.
Reinschauen lohnt sich.

Schluss mit dem Geiz!

Es gibt tatsächlich Entwicklungen, die der Aldisierung entgegenlaufen: Der wachsende Erfolg des E-Commerce und der Bioläden, die zunehmende Verbreitung von Convenience-Stores. Aufgehalten hat das den Aufschwung der Discounter aber bisher nicht entscheidend. Gleichwohl gibt es seit einiger Zeit Anhaltspunkte dafür, dass die Qualitätsorientierung des Käuferverhaltens wächst. Jüngere Marktforschungsstudien deuten darauf hin, dass sich der «Geiz ist geil»-Trend der vergangenen Jahre abschwächt.

Das erkannte Professor Wolfgang Fritz, Marketingprofessor aus Braunschweig und Autor von „Aldisierung. Ist Geiz geil?“, bereits im letzten Sommer. Diese Woche überraschte Saturn (nicht wirklich) mit der Ankündigung, seinen „Geiz ist geil“-Slogan aufzugeben. In Zeiten eines beständig steigenden Konsumklimaindexes ist es mit der Knauserigkeit vorbei – der Geldbeutel sitzt wieder lockerer.

Gute Nachrichten für den E-Commerce, denn das Netz besteht nicht nur aus Preissuchmaschinen. Im Gegenteil – gerade dem qualitätsbewussten Konsumenten bietet das Web unbegrenzte Möglichkeiten, sich über Produkte zu informieren und dem Unternehmen den idealen Kanal, dem Kunden den Service zu bieten, den er sucht.

Markenführung wird demokratischer

Die Markenführung wird demokratischer, deshalb gewinnt das Fernsehen an Bedeutung. Im Internet lehnt sich eine neue Generation von „68ern“ gegen die Autorität von Marken auf. Sie werden ein Stück weit zerfasert, teilweise auch verunglimpft. Nur wer seinen Marken über die klassischen Medien genügend Authentizität und Relevanz verleiht, wird im Web 2.0 nicht untergehen.

Peter Christmann, Vorstand Sales & Marketing bei ProSiebenSat.1 und Geschäftsführer von SevenOne Media, in der Horizont vom 24. Mai 2007