Was ist Web 2.0?

„Wenn in Deutschland irgendein neuer Dienst aufpoppt, dann kann man sich sicher sein, dass dies ein Klon eines amerikanischen Dienstes ist und mangels Alleinstellungsmerkmal auch recht flott wieder von der Bildfläche verschwindet“, stellte Nico Lumma im Dezember lakonisch fest. „So sieht es derzeit in Deutschland in Sachen Web 2.0 aus.“

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Vor diesem düsteren Hintergrund betritt demnächst Qype die Bühne. „Qype ist der ideale Ort, um die besten Adressen, Dienstleister und Treffpunkte einer Stadt zu finden, zu empfehlen und andere Menschen zu treffen.“ Soweit die Selbstdarstellung. Beispiele für ähnliche Ansätze sind Yelp oder Insider Pages.

Bis Qype den Vorhang hochzieht, bleibt einstweilen das frisch freigeschaltete Blog als Hilfe zur Meinungsbildung. Gründer Stephan Uhrenbacher schreibt dort just über die Bedeutung von Web 2.0. Sein Fazit:

Web 2.0 = Cheap Technology + Social Web + Ubiquity

Erstens sind viele Techniken gereift, die die Erstellung von faszinierenden Websites schnell und günstig machen. Die Kultur des Teilens hat da viel beigetragen.

Zweitens werden wir demnächst viele praktische Beispiele sehen, wie viel Spaß „social networking“ machen kann.

Drittens kann dank DSL Flatrate und Firefox fast jeder Anwender diese neuen Systeme auch tatsächlich nutzen.

Dem ist nichts hinzuzufügen. (Außer vielleicht, dass sich Links in einem Blog immer ganz gut machen würden.)

Craigslist auf deutsch

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„Wie übersetzt man Craigslist auf Deutsch?“ Fragt Kai Pahl. Und gibt gleich selbst die Antwort: „Mit Heisetreff. Nur echt mit den Trollen.“

Mehr dazu bei Heise selbst.
Nachtrag: Eine Kurzrezension von Wolfgang Sommergut:

Es gibt keine RSS-Feeds. Wenn ich beispielsweise alle Wohnungsangebote in München beobachten will, muss ich regelmäßig auf heisetreff vorbeischauen – eine andere Möglichkeit wie etwa Alerts ist mir nicht aufgefallen. Erstaunlich finde ich zudem, dass man sich über Veranstaltungen nur per E-Mail benachrichtigen lassen kann, ein Import in einen Desktop-Client mittels iCalendar wird nicht angeboten. Auch sonst sind keine Einflüsse vom Web 2.0 zu sehen: Bei Veranstaltungen bieten sich Mashups mit Kartendiensten an (wie das etwa upcoming.org macht, das Gleiche gilt für Immobilienangebote (Craigslist zeigt wie das geht). Ja, und schließlich fehlt der Schriftzug „Beta“ 🙂 Was aber nicht heißen muss, dass keine neuen Features mehr kommen.

Sind Suchmaschinen Blutsauger?

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Ohne Suchmaschinenmarketing ist Erfolg im E-Commerce nicht mehr möglich. Und die Suchmaschinen profitieren ohne eigenes Zutun von höheren Konversionsraten, die durch verbesserte Usability erreicht werden. Diese These vertritt Jakob Nielsen in seiner Alertbox mit der provokanten Überschrift „Suchmaschinen sind die Blutsauger des Web“.
Er argumentiert, dass E-Commerce-Unternehmen im Zweifel fast den gesamten Bruttogewinn in Suchmaschinenmarketing investieren können, solange steigende Nutzerzahlen zu höheren Umsätzen führen. Auf der anderen Seite führen Investitionen in Usability zu höheren Konversionsraten und damit – bei gleichbleibenden Ausgaben für Suchmaschinenmarketing – zu höheren Gewinnen.
Höhere Gewinne treiben jedoch die Preise im Suchmaschinenmarketing nach oben, weil dort nach wie vor fast der gesamte Gewinn reinvestiert werden kann. Unter dem Strich profitieren somit die Suchmaschinen ohne eigenes Zutun von den Anstrengungen der E-Commerce-Unternehmen.
Nielsen wäre nicht Nielsen, hätte er nicht Anregungen für seine Leser, wie sie dieser Problematik entkommen können. Was er vorschlägt, ist nicht neu oder originell, aber dennoch richtig: E-Mail-Marketing, Request-Marketing, Communities, Affiliate-Marketing, RSS-Feeds (dazu heute mehr bei Exciting Commerce), URL auf allen Produkten, Hardware (iPod!) und Mobile Marketing. Fazit:

The real goal is to make users come back, and to have them come directly to your site instead of clicking on expensive ads.

Jon Lebkowsky liest zwischen den Zeilen und kommt zu folgendem Schluss:

Nielsen’s complaint is not about search engines per se, but about “Web 2.0″ and the evolving semantic web. If I’m right, his concern is also applicable to RSS (which he notes that he hasn’t researched yet) and tagging… we’re moving away from “site” and “page” as controlling metaphors, and focusing more on information, less on presentation. Nielsen’s been so focused on web page and site usability that he’s only just beginning to get the message.

Dazu passt ein Einzeiler von Tom Coates, Yahoo!, vorgetragen in der letzten Woche bei The Future of Web Apps (Carson Workshops):

Start designing with data, not with pages

Oliver Wagner vom Agenturblog war dort und berichtet ausführlich.
Via Wolfgang Sommergut.

Sensation: Web 2.0 begann schon im Herbst 2001

FAZ: Grafik vom 18. Oktober 2001
Wie jedes Jahr in der Zeit um den Jahreswechsel werfe ich den einen oder anderen Blick in diverse Aktenordner mit abgelegten Materialien. So fiel mir heute ein FAZ-Artikel vom 18. Oktober 2001 mit dieser nachgerade prophetischen Grafik in die Hände.

Zwar dauerte die Konsolidierungsphase noch etwas länger als seinerzeit antizipiert. Doch die für 2004 prognostizierte Verlagerung von Einkauf und Vertrieb ins Internet fand in der Tat statt. Dieses Thema hat uns, jedenfalls was die Vertriebsseite angeht, hier auf dem Fischmarkt intensiv beschäftigt.

Was steht nun für 2006 an? "E-Business wird in die Struktur der Unternehmen eingebaut" und "Nachhaltige Geschäftsmodelle" (sofern es sie nicht bereits gibt). Hört sich doch gut an. Am Ende des Prognosezeitraums, so etwa 2007, steht dann die "Netzwerk-Ökonomie".

Web 2.0 rules.

Ebay 2.0

Etsy
Etsy is Ebay 2.0, meint Michael Arrington. Oder auch: P2P-Commerce with Tagging. Schade, dass P2P-Commerce dem an deutsche Sprache gewöhnten Ohr etwas seltsam klingt. Sonst hätte der Begriff die Chance, im nächsten Jahr Karriere zu machen.

Etsy ist bis jetzt eine Plattform für Handgemachtes, agiert also in einem Nischenmarkt. Aber denken wir uns diese Einschränkung einmal kurz weg, dann ist Etsy tatsächlich so etwas wie Ebay meets Web 2.0.

Tagging löst elegant das Problem der bei Ebay an allen Ecken knarzenden Ontologie. Natürlich gibt es trotzdem die gewohnten Kategorien und Powerseller-Shops. Sehr nett, wenn auch nur begrenzt nützlich ist die Zeitmaschine – sie zeigt an, was gerade aktuell eingestellt wurde.

E-Commerce 2006 wird viel mit Design und User Experience zu tun haben. Oder wie Robert Basic es formuliert

Was Flickr.com gestern war, wird Etsy.com morgen sein.

Was war 2005 (2): Tags

Da wir gerade von Etiketten sprachen: Auch Tags sind ein Phänomen, das in diesem Jahr das Web prägte, auch wenn die Idee schon älter ist. Gene Smith repetiert The Year in Tags. Erst im Januar war es, als Technorati Tags einführte? Sein Fazit:

2005 has proven that tags are both big (in the financial sense) and useful. Whether or not tagging is a game-changer will, I think, depend on what Yahoo, Amazon and Google do with tags in 2006.

Was war 2005 (1): Ajax

Auf jeden Fall ein Beispiel für die Macht eines schicken Etiketts. Denn die Technik – heute kurz und populär in der FTD erklärt, u.a. am Beispiel von writely.com – war ja nicht neu, als Jesse James Garrett im Februar den Begriff Ajax prägte. Schon bis Mai wuchs Ajax zum formidablen Buzzword heran. Den Entwicklern sei 10 Places You Must Use Ajax von Alex Bosworth ins Stammbuch geschrieben:

It’s been well over a year now since GMail changed the way everyone thought about web apps.

It’s now officially annoying to use web apps that haven’t replaced clunky html functionality with peppy Ajax goodness.

  Sic!

Der Restbestand der Woche

Schon wieder Freitag. Also schnell weg mit allem, was weg muss hier auf dem Fischmarkt. Was habe ich da in meiner Kiste?

  • The End of Shopping The End of Shopping beschwor Walter Kirn am vergangenen Wochenende im Magazin der New York Times. Er beschreibt die denkbaren Konsequenzen einer einfachen Technologie: Mobilfunkgeräte mit eingebauten Barcode-Scannern, die einen Echtzeit-Preisvergleich via Internet erlauben. Das wahrscheinliche Resultat: Preisunterschiede und damit die Jagd nach dem Schnäppchen gehören der Vergangenheit an. Händler müssen andere Differenzierungsmerkmale suchen – oder gnadenlos den billigsten Preis anbieten. [Exciting Commerce]
  • Keyword Prices Tumble
    Um satte elf Prozent sind die Keyword-Preise im Suchmaschinenmarketing im November gegenüber dem Vorjahresmonat gefallen. Sagen jedenfalls die Zahlen von Fathom Online und berichtet Online Media Daily. Am stärksten gesunken sind die Preise in den Sparten Einzelhandel, Dienstleistungen für private Verbraucher und Finanzen. [Adverblog]
  • Combots
    "Bloß keine alten Pappen verbrennen!" So spottet Andreas Rodenheber über eine Präsentation von Combots, die ihn stark an die späten 90er erinnert. Bubble 2.0? [Werbeblogger]
  • Milliondollarhomepage
    Man kann es aber auch untertreiben. Meint Wolfgang Sommergut und liest der "trostlosen deutschen Debatte über Web 2.0" die Leviten. Als Anlass und abschreckendes Beispiel dient ihm ein Spiegel-Online-Stück mit dem programmatischen Titel "Ich wär so gern Pixelmillionär". Sein Fazit, trocken aber wahr: "Während in den USA grundlegende Aufsätze wie jener von O’Reilly, zu AJAX oder Folksonomies den Boden für das Social Web bereiteten, gab es bei uns keine eigenständige Auseinandersetzung mit den neuen Entwicklungen im Web. Mit einiger Verspätung wurde schließlich hier die amerikanische Diskussion bruchstückhaft rezipiert. Um sich Vorurteile bilden zu können, reicht das aber offenbar." [Wolfgang Sommergut]

Und nächste Woche erzähle ich, wie ich Snarf finde, den Social Network and Relationship Finder von Microsoft Research. Gerade installiert.

Shoposphere besucht

ShoposphereHoch hängen die Erwartungen an die Shoposphere. Und eines muss man Yahoo lassen: Unter PR-Gesichtspunkten war der Start optimal eingefädelt. Der Scoop blieb einem Blog namens Techcrunch vorbehalten, das vor dem amtlichen Start ins Beta-Dasein berichten durfte. Und mit der Ankündigung kommender Features wie Tagging, vor allem aber dem Plan, die fleißigen Listenbastler am Shopping-Umsatz zu beteiligen, hat Yahoo der an sich wenig spektakulären Geschichte den richtigen Dreh verpasst.

Was geht jetzt schon? Überall, wo bei Yahoo Produkte auftauchen, gibt es kleine Links ("Save to My Lists"), um das Produkt auf einer nutzereigenen Liste zu speichern. Wer sich an Amazon und dessen Wishlists erinnert fühlt, liegt nicht ganz falsch. Schön ist die Option, eine kleine Erläuterung zu schreiben. Was ganz klar fehlt, ist die Möglichkeit, Links zu setzen. Alles bewegt sich im walled garden von Yahoo. 360 Grad, sozusagen.

Andere Nutzer können Listen bewerten ("Was this list helpful?") und Kommentare hinterlassen. Alles schön gemacht, keine Frage, aber das Rad des E-Commerce ist damit nicht gerade neu erfunden. Auch mit Umsatzbeteiligung bewegen wir uns hier eher im Bereich Marketing, Media und Publishing.

Die Shoposphere ist insofern mit Adsense vergleichbar: Yahoo gibt künftig einen Teil der Erlöse an Nutzer weiter, die es irgendwie, aber nachweisbar geschafft haben, am Weg eines Käufers zu seinem Wunschprodukt zu sitzen. Im Unterschied zu Adsense kann die Shoposphere allerdings nur den Kauf vergüten, nicht den Klick. CPO statt CPC. Ball flachhalten, liebe Kollegen!

Ach ja, fehlt noch der Link zur Fischmarkt-Liste.