Luxus per Mausklick

VuittonLouis Vuitton nimmt den Kampf mit Ebay auf. Der Luxusmodehersteller will, so kündete gestern die FTD, künftig seine Produkte selbst über das Internet verkaufen. Das ist natürlich Wasser auf die Gebetsmühlen des Fischmarktes. Denn diese absehbare Entwicklung hat Matthias Schrader als eine treibende Kraft für den neuen Rock’n’Roll-Faktor des E-Commerce ausgemacht. Seine These:

Weil die stationären Vertriebsformen in Deutschland mächtiger
als anderswo erscheinen, zögern viele Hersteller in den Direktvertrieb
einzusteigen. Ein folgenschwerer Fehler. Der mündige Konsument von
heute will direkt kaufen, kann er dieses nicht, weicht er aus – zum
Beispiel auf Ebay. Die Hersteller treiben durch ihre Angst vor dem
Direktvertrieb Ebay die Kunden in Scharen zu. In keinem Land weltweit
gibt es eine so hohe Penetration von Ebay-Accounts wie in Deutschland.
Und über keinen anderen Mittler gerät die Marke so unter die Räder.

Auch Louis Vuitton verkauft schon seit fünf Jahren online – aber nur in den USA. Und das hat die Edelmarke mit vielen ihrer Wettbewerber gemeinsam. Insofern könnte von dieser Ankündigung eine Signalwirkung ausgehen. Also, liebe Dienstleister: Geht auf die Straße Roadshow! Verkündet die frohe Botschaft allen Markenartiklern. Wer glaubt und sich gute und edle Shops bauen lässt, wird gerettet; wer aber nicht glaubt, wird von den Konsumenten verdammt werden…

Graumarkt

JoopOffensichtlich ist es im Internet einfacher, gefälschte Markenprodukte zu kaufen als echte. Oder gibt es irgendwo im Netz die Kollektionen, Parfums und Accessoires von Joop! in einer Auswahl, die auch nur annähernd mit Ebay konkurrieren kann?

Dort standen heute morgen 4022 Artikel zum Kauf bereit. Zum Vergleich: Galeria Kaufhof hat 21 Joop-Duftwässerchen im Angebot.
Conley’s liefert 23 Treffer aus dem Bereich Mode, und bei Peter Hahn – der immerhin das Google-Adword "Joop" gebucht hat – zeigt der Klick auf die Google-Anzeige gerade einmal fünf Joop-Produkte.

Wo gibt es das komplette Sortiment? Die Website ist, für die Modebranche typisch, design-lastig und informationsarm. Verkauft wird anderswo. Joop arbeitet mit Franchise-Nehmern, betreibt Flagship-Stores in Düsseldorf, Hamburg und Kampen auf Sylt und setzt ansonsten auf den Handel. Keine Spur von Direktvertrieb via Internet.

Ordnung schaffen

Als "das SZ-Phänomen" würdigt guillemets.de den Erfolg der Buch-, CD- und DVD-Reihen aus dem Hause der Süddeutschen Zeitung.

Die Unübersichtlichkeit des Buchmarktes (speziell auch des
Lexikon-Marktes) und das Fehlen von aussage- und medienkräftigen
Markennamen haben bei vielen Buchkunden zu einer Art Frust geführt,
weil sie von der Vielzahl der Bücher und deren Verlage so überfordert
sind. Selbst die Buchhändler können die einfachsten Fragen wie »Ich
wollte noch dieses süsse kleine gelbe Büchlein haben, den Sie letzte
Woche zum Sonderpreis verkauft haben? Haben Sie es noch?«
nicht beantworten.

Diesem Frust wirkt auch die SZ-Mediathek entgegen, in der nicht nur die hauseigene Biblio-, Cinema- und Diskothek zu haben ist, sondern das gesamte lieferbare Mediensortiment. Und zwar strukturiert durch die Brille der SZ-Redaktion: Dort rezensierte Bücher erscheinen als relevante Suchtreffer ganz oben, die Rezensionen sind im Volltext nachlesbar (und als RSS-Feed erhältlich).

Desintegration revisited

Max Zorno stellt die Frage, was eigentlich einen Markenartikel, der in Fernost produziert wird, noch unterscheidet von einem No-Name-Artikel, der in Fernost produziert wird.

Wie glaubwürdig kann eine Marke sein, wenn sie ihre Produkte dort
fertigen lässt, wo alle anderen auch fertigen lassen? Wie lange können
es Marken durchhalten, dass der wesentliche Differenzierungsfaktor zum
Wettbewerb in der Marketing-Show liegt, die sie abliefern?

Interessant ist, dass diese Diskussion sich ausgerechnet an den Markenschuhen von Adidas, Puma und Co. entzündet, die uns neulich auch schon auf dem Fischmarkt beschäftigt hatten. Es lohnt sich, die Debatte bei Max Zorno nachzulesen.

Ich möchte dazu nur ein Beispiel aus einer anderen Branche beitragen, das eventuell illustrieren kann, wo der Unterschied liegt: Apple-Rechner werden heutzutage überwiegend in Fernost hergestellt – genau wie PCs. Trotzdem käme wohl niemand auf die Idee, nach dem Unterschied zwischen Apple und PC zu fragen – er liegt auf der Hand.

Beim Sportschuh verhalten sich die Dinge ähnlich. Die industrielle Fertigung hat einen Standard erreicht, der sie quasi zur commodity macht wie Strom und Wasser. Der Unterschied wird bei Produktentwicklung, Design, Materialeinsatz – und eben Marke, Marketing und Vertrieb gemacht.

Desintegration

Gibt es, einmal von der Automobilindustrie abgesehen, eigentlich noch Markenhersteller? Oder haben sich die beiden Wortbestandteile längst separiert, sprich: die Marken ihre Herstellung ausgelagert an Produzenten in anderen Erdteilen? Und die Logistik demzufolge gleich mit, denn warum sollten sie sich mit diesen Feinheiten der Distribution noch befassen?

Gestern habe ich im Radio ein Feature gehört, dass sich zufällig mit unseren alten Freunden aus Herzogenaurach befasste. Der globalisierungs- und konsumkritische Tenor der Geschichte interessiert jetzt nur am Rande. Für den Fischmarkt ist spannender, was es eigentlich bedeutet, wenn ein Markenartikler sich allein auf Entwicklung und Marketing (plus Vertrieb) konzentriert.

Denn diese Fokussierung eröffnet unserem Steckenpferd Direktvertrieb neue Chancen. Die Marke rückt ja näher an den Kunden, wenn die eigentliche Produktion nicht mehr zur Unternehmenstätigkeit eines Markenartiklers gehört – mit allem, was daran hängt, vom Einkauf bis zur Auslieferung. Die Corporate World von Adidas, die der preisgekrönte Feature-Autor Jens Jarisch so köstlich portraitiert, ist eine reine Markenwelt. In Herzogenaurach wird kein einziger Schuh mehr produziert, auch nicht von Puma. Dort werden jetzt globale Marken gemacht.

Der gebeutelte Einzelhandel steht also auch deshalb so unter Druck, weil sich Markenartikler heute viel stärker auf ihre Präsenz beim Verbraucher konzentrieren, nachdem sie den Ballast ihrer eigenen Produktion abgeworfen haben. Das zerrt am Kräfteparallelogramm. Und zwar gewaltig.

Open Source Marketing

Ob der Begriff den Kern der Idee trifft, weiß ich noch nicht – aber der Ansatz ist interessant. Vieles von dem, was jetzt als Open Source Marketing bezeichnet wird, stand schon im Cluetrain Manifesto (das übrigens derzeit eine erstaunliche zweite Karriere erlebt – es war wohl seinerzeit, im Jahr 1999, einfach etwas zu früh dran).

Einen guten Überblick gibt ein Artikel von James Cherkoff (jetzt bei Companice als deutsche Übersetzung), in dem er auch acht Prinzipien des Open Source Marketing benennt. Ein Beispiel:

4. SEI EIN MARKEN-MODERATOR
Marken-Moderatoren wissen, dass die Zeit der "Markenwächter" vorbei ist
und diese für den Markt nicht länger von Bedeutung sind. Der
Verbraucher von heute will von großen, aufregenden und attraktiven
Marken involviert werden, in ein Gespräch verwickelt, aber auf seine
Weise. Marken können die Party schmeißen und versuchen, sie für die
Verbraucher attraktiv zu gestalten, aber sie müssen erkennen, dass der
neue Verbraucher einen vollen Terminkalender und viele Angebote hat.

Tatsächlich entstehen und leben Marken im Dialog mit dem Verbraucher (für den wahrscheinlich auch noch ein anderer Begriff gefunden werden muss, denn die klassische Arbeitsteilung zwischen Hersteller und Verbraucher weicht ja gerade auf). So ganz neu ist das auch nicht, denn viele der großen Marken sind erst groß geworden, weil sie im Gespräch waren und da auch blieben. Früher waren sie dafür auf den Handel angewiesen – aber der Handel hat letztlich an seiner eigenen Abschaffung gearbeitet, indem er den Dialog, weil zu teuer, konsequent wegrationalisiert hat, wo es nur ging.

Marken in Bedrängnis

Was Flagship-Stores für Adidas & Co. sind, das ist die Autostadt für Volkswagen und – neuerdings – die Dr. Oetker Welt für das westfälische Puddingimperium (das längst, wie Markus Breuer weiß, sein Geld mit anderen Dingen verdient). "Haben die das nötig?", fragt der Ex-Geschäftsführer von Elephant Seven. Ich würde sagen: ja.

Denn da der Handel für mehr und mehr Marken als adäquater Präsentator ausfällt, sind sie zum Gegensteuern gezwungen. Und da bleiben einer Marke wie Oetker nicht viele Optionen – denn eigene Läden aufzubauen wird wohl kaum möglich sein.

Zuerst die Idee!

Viele Marken sind eng mit ihren Erfindern verbunden – oft Unternehmensgründern – und stehen für eine Idee: eine (auch, aber nicht nur) wirtschaftlich erfolgreiche Idee. Gründerpersönlichkeit und Markenidee bilden sozusagen die Seele eines Unternehmens, die verloren geht, sobald besoldete Manager das Ruder übernehmen. Hans Domizlaff brachte diese Einsicht schon vor über 30 Jahren zu Papier:

"Alle schöpferisch entstandenen Großunternehmungen sind von ihren Schöpfern in der Entstehungszeit keineswegs ausschließlich zum reinen Gelderwerb erdacht worden. Selbstverständlich wollte man wie Siemens und Reemtsma u.s.w. damit
einen wirtschaftlichen Erfolg erreichen, aber zuerst war die Idee
maßgebend, in irgendeiner Art immer erfinderisch, und stets so
maßgebend, dass andere Wirtschaftsziele nicht mehr interessant genug
waren, um mit konjunkturellen Chancen abzulenken."

Das komplette Zitat hat Karl-Heinz von Lackum in seinem WerbeBlog veröffentlicht.

Mit dem Logo gewinnen

Wwtlpcam_1Seit gestern ist nun die neue "Winning with the Logo"-Kampagne der Deutschen Bank gern gesehener Gast im Werbeblock. Wie ich finde, ein sehr schönes Beispiel für den Trend, dass Marken immer direkter werden. Auch wenn dieses vielleicht nicht primär mit der Kampagne beabsichtigt war: Marke und Kunde sind die eigentlichen Heros des neuen Auftritts; die Mittler verschwinden. Als typischer Kunde der Blauen nutze ich dreimal die Woche die Website, einmal den SB-Automaten – und meine Heimatfiliale habe ich seit Jahren nicht mehr gesehen.