Schlangenlinienfahren

Spiegel Online
Wenn Deutschlands wichtigste Nachrichten-Site ihr Erscheinungsbild erneuert, nach Spiegel-eigener Zählung zum sechsten Mal seit 1994, dann ist das schon eine kleine Notiz wert. Und entsprechend rauscht es im Bloggerwald. Doch auch dieses Rauschen bereitet Spiegel Online gleich selbst für seine Leser auf.
Bemerkenswert ist die Rezension bei netzausfall, die zunächst höchstes Lob zollt („Gereifte Schönheit“), aber dann die Fehler im Detail bemängelt:

Links wird die Hauptnews angeteasert, mit mehr Text als bisher, ich bezweifele, dass das jemand lesen wird. Rechts folgen die weiteren Meldungen in einfacher Linkform, sie standen bisher unter dem Hauptteaser. Dieser Aufbau hat zur Folge, dass das Auge nun Schlangenlinien fährt. Links zum Teaser, dort ein Stück runter, um den Namen des Autors zu lesen, dann das Stück wieder hoch und nach rechts, um die Links zu scannen, dann wieder runter in die nächste Content-Box, um dort (wieder links) die Überschrift des Hauptteasers zu lesen. Und so weiter.

Aber das ist noch nicht alles:

Auf den ersten Blick präsentiert Spiegel Online weniger Links pro Content-Box: einen Hauptteaser plus drei Links. Erst wenn man auf den winzigen Link “Blättern” klickt, erscheinen zwei weitere Links. Das ist wie Schlangenlinienfahren mit zusätzlichem Touchieren der Leitplanke. Entweder werde ich mich in Zukunft mit weniger Links zufrieden geben und somit den einen oder anderen Artikel verpassen, oder ich werde mehr Zeit brauchen. Beides sollte nicht im Interesse von Spiegel Online sein.

Christiane Link schaut auf dem Behindertenparkplatz nach der Barrierefreiheit – mit eher gemischtem Ergebnis. Mit Webstandards, bemängelt medienrauschen, hat man es an der Brandstwiete nicht so.

HTML 4.0, Tabellen und massenweise Fehler im Quelltext interessieren zwar nur Nerds, sind aber irgendwie auch so 1999.

* Wer gehofft hätte, mit dem neuen Gesicht und Anspruch wird Spiegel endlich auch seine angebotenen RSS-Feeds etwas aufbohren: Pech gehabt! Spiegel versäumt es leider Verständnis für RSS-Nutzer aufzubringen und so bleiben die RSS-Feeds wie seither: Für wahre RSS-Nutzer leider unbrauchbar.

Dem ist nichts hinzuzufügen.

Gestern hott, heute hüh?

Ist das manager magazin eine gespaltene Persönlichkeit? Im gedruckten Heft musste es vor kurzem die Sorge um eine Bubble 2.0 schüren. Die Botschaft dort: Web 2.0 = Bubble 2.0, der ernsthafte Manager von heute lässt die Finger davon.

Auf der Website hingegen schafft es das gleiche Blatt, ein differenziertes Portrait des gleichen Themas zu zeichnen. Andreas Neef und Willi Schroll schreiben dort unter der Überschrift „Waffe der Verbraucher“:

Web 2.0 ist vor allem eins: Eine Revolution in den Köpfen.

Microwork, Netzwerkeffekt, Community, Gift Economy oder Crowdsourcing lauten einige der Buzzwords, die dort durchaus zu einem kohärenten Ganzen verbunden werden. Hier lautet die Botschaft: Liebe Manager, da braut sich etwas zusammen. Seid dabei, bevor es zu spät ist.

Die Erklärung ist relativ einfach und findet sich unter den Fotos der beiden Autoren:

Andreas Neef ist geschäftsführender Gesellschafter des Think Tanks Z_punkt. Der Zukunftsforscher und Innovationsberater verantwortet seit Anfang der 90er Jahre Innovations-Projekte für namhafte Großunternehmen. Willi Schroll ist Research Analyst mit Schwerpunkt Emerging Technologies und Internetentwicklung bei Z_punkt.

Dieser Artikel hat also einen völlig anderen Zweck – Marketing für eine Beratungsfirma. Das gedruckte manager magazin pflegt derweil den Nimbus des kritischen Presseorgans.

Also alles in schönster Ordnung. Keine Bewusstseinsspaltung. Und die Frage von Björn Ognibeni kann man jetzt auch beantworten:

Jetzt bin ich mal gespannt, wann es so ein Artikel von der Web- in die Print-Ausgabe schafft…

Wohl nie.

Multichannel? Oh!

Multichannel war gestern. Konvergenz ist angesagt. Die Konsumenten sind längst soweit. Nur die Multichannel-Händler nicht. Forrester-Analyst Nikki Baird schreibt:

I’m asked all the time about which retailers are leading the way in true multichannel processes. Unfortunately, at this point, that’s like asking me who was leading the way in converged mobile phones back when they had to be bolted into your car: We’re so far away from real retail convergence, it’s hard to see who’s at the forefront.

Baird nennt ein paar Punkte, die der Retail-Konvergenz im Wege stehen:

  • In-store inventory management: Online kaufen, im Laden abholen. Das funktioniert nur, wenn Händler wissen, was sie tatsächlich im Inventar haben. Heißt die Antwort RFID?
  • Cross-channel fulfillment workflows: Der Prozess muss automatisiert werden. Was ist, wenn ich mehrere Waren einkaufe? Wie wird der richtige Laden ausgewählt? Wie wird der Kunde benachrichtigt, falls die Ware erst später im Laden steht? Fragen über Fragen.
  • One-stop loyalty and promotions: Der Kunde wird von mehreren Promotion-Maschinen beschossen – mindestens vom POS-System und von der E-Commerce-Plattform. Nichts passt zusammen. Schlimmstenfalls erhalten Kunden ein Sonderangebot per Mail für eine Ware, die sie gerade zum Normalpreis im Laden gekauft haben. Markenversprechen?

Dies sind nur drei von vielen offenen Fragen. Und dies betrifft nur einen Aspekt (online kaufen, offline abholen). Multichannel-Retailer haben noch viel Arbeit vor sich. Und Probleme, die reine Online-Versender nie haben werden.

MySpace schlägt MSN Search

Sind Social Commerce, Me-Commerce oder Empfehlungsmarketing mehr als Schlagworte und schöne Ideen? Es gibt neue Indizien dafür: Zahlen der Marktforscher von Hitwise zeigen, dass Retail-Sites inzwischen mehr Traffic von MySpace bekommen als von MSN Search. MySpace liegt damit hinter Marktführer Google und Yahoo auf Platz 3. Techcrunch schreibt:

That’s big news, as it’s tangible evidence that youth oriented online social networking is a market driver of serious proportions.

Laut Hitwise kam in der 34. Kalenderwoche 4,69 Prozent des Traffics der Online-Retailer in den USA von Yahoo, 2,53 Prozent von MySpace und 2,33 Prozent von MSN Search. Google lag mit 14,93 Prozent vorn.
Diese Zahlen sind besonders interessant, weil Google vor wenigen Wochen einen 900-Millionen-Deal mit MySpace geschlossen hat. Die Google-Suche und -Werbung bei MySpace, bis jetzt noch nicht implementiert, werden das Bild wohl etwas verändern.
Die Zahlen belegen eindrucksvoll den Einfluss von Social Networks auf den E-Commerce. Noch einmal TechCrunch:

Perhaps more important to our readers, the numbers go some distance towards proving that young people using social networking sites are interested in shopping through links on those sites. In fact, they’re more of a force to reckon with than MSN searchers apparently. And social networking sites can profit from on site advertising just like search engines can. All those startup social networking sites hoping to monetize their traffic with AdSense? Maybe it’s more realistic than we thought.