Schrader meinte gestern, dass eBay in Deutschland erfolgreicher als anderswo ist, weil sich nur hier die Marken auf breiter Front dem Direktvertrieb verweigern. Ist es den Herstellern wirklich lieber, Powerseller Nr. 5.314 verkauft ihre Produkte online, als sie selbst? Mehr Mut, meine Herren.
Februar 2005
Warum Fischmarkt?
Wir hatten die Domain schon. 😉 Aber das ist nur ein Teil der Wahrheit. Als Hamburger denken wir natürlich an den Fischmarkt in Altona, der jeden Sonntag in aller Frühe die Besucher in Massen anlockt. Mit seiner unglaublichen Anziehungskraft ist der Fischmarkt eine Metapher für die Märkte, über die wir hier schreiben wollen. Der elektronische Handel über das Internet hat in den letzten Jahren trotz Krise sehr stark zugelegt – und es wird höchste Zeit für die Hersteller, diesen Markt nicht länger den Powersellern bei Ebay zu überlassen.
Der Name Fischmarkt ist indes auch eine Referenz an Stephen C. Lundin, der in seinem Buch "fish!" dem Fischmarkt Pike Place in Seattle ein Denkmal setzte. Auch auf diesem Markt sind es die Verkäufer mit ihrer Energie, Leidenschaft und positiven Grundeinstellung, die das Erfolgsgeheimnis ausmachen. Wir werden uns also damit befassen, wie Käufer und Verkäufer an einen Tisch kommen können – auf dem Fischmarkt und anderen Märkten.
Zehn Thesen zur Renaissance des E-Commerce
Zeitungsverlage starten Medienshops
Die großen Zeitungsverlage suchen mit allerlei Nebengeschäften ihren Weg aus der Krise. Trendsetter war die Süddeutsche Zeitung (SZ), die im vergangenen Jahr ihre unglaublich erfolgreiche "SZ-Bibliothek" startete. In dieser Woche berichtet der Spiegel, was in der vergangenen Woche bereits in der w&v stand: Am 5. März beginnt die SZ nun auch mit dem Verkauf von DVDs.
DVDs vertickt schon seit vergangener Woche die Zeit, wenn auch in Kooperation mit Amazon. Und der Stern bewirbt bereits seit Monaten eine eigene DVD-Edition. Heute nun schlägt die FAZ zurück und startet einen Buchshop, der ein enger Verwandter von Libri.de ist. Das Konzept: Im FAZ-Feuilleton besprochene Bücher können gleich im eigenen Shop bestellt werden. Die Umsetzung: Naja. Der Shop selbst ziemlich lieblos adaptiert, völlig anderes Look & Feel als faz.net, der Link von der Rezension zum Shop reichlich zurückhaltend in der rechten Spalte versteckt.
Ein kommunistisches Medium
Vilim Vasata, langjährige BBDO-Führungskraft und nun Unternehmensberater in Sachen Marke, nutzt das Fachblatt Horizont, um der Werbewirtschaft ins Gewissen zu reden. Erst mit einer Anzeige, Ende 2004 geschaltet und nur aus einer Reihe knapper Sätze in großen, fetten Lettern bestehend. Nun mit einem Interview (6/2005). "Unser Wirtschaften arrangiert sich doch vollkommen neu", meint Vasata. Kommunikation müsse sich auf die daraus resultierende existenzielle Verunsicherung einstellen. Nachlassende Markenkraft und mangelnde Werbewirkung haben für den Werber Vasata auch mit dem Einfluss des Internet zu tun.
"Werte wie Einzigartigkeit und Prestige erodieren – nicht zuletzt durch das Internet. Wenn du genau hinsiehst, ist das Internet ja praktisch ein kommunistisches Medium. Das macht aus Konsumenten Marketingexperten und sogar Händler und bietet eben eine vorher unbekannte Vergleichbarkeit von Produkten und Dienstleistungen. Aber wenn die Alleinstellung einer Marke dem Vergleich ausgesetzt wird, dann ist sie nahezu bereits austauschbar. Ihre Einzigartigkeit ist perdu."
Herrschaften! (Um einmal mit Vasata zu sprechen.) Da hat der große alte Mann – Jahrgang 1930 – nicht ganz Unrecht.
Über fischmarkt.de
Märkte sind Gespräche.
(Cluetrain Manifesto)
Willkommen bei fischmarkt.de! Wie jeder Fischmarkt lebt auch dieser von seinen gut gelaunten und motivierten Verkäufern. Was wir unseren geneigten Marktbesuchern verkaufen wollen, sind Fakten und Meinungen, die sich aus unserer täglichen Arbeit am Thema E-Commerce ergeben.
Wir treten auf dem Fischmarkt aber nicht nur als Meinungsverkäufer auf, sondern wollen auch Ihre Meinung hören und mit Ihnen diskutieren. Und wenn es sich daraus ergibt, dann werden wir auch Gastautoren einladen, hier ihre Beiträge zu veröffentlichen.
Der Handel über das Internet, zuerst hochgejubelt und dann verdammt, erfreut sich nicht nur immer größerer Umsätze. Er erlebt derzeit eine echte Renaissance, zu deren wichtigsten Treibern die Hersteller und Markenartikler gehören. Sie verkaufen über das Internet mehr und mehr direkt an den Endkunden, vorbei am klassischen Einzelhandel.
Davon und vom wirtschaftlichen Umfeld, in dem dieser Wandel stattfindet, handelt diese Plattform. Herausgeber von fischmarkt.de ist Matthias Schrader, Vorstandschef der SinnerSchrader Aktiengesellschaft.
Mail an den Fischmarkt: fischmarkt@sinnerschrader.com
Impressum
SinnerSchrader Aktiengesellschaft
Völckersstraße 38
D-22765 Hamburg
T +49.40.39 88 55-0
F +49.40.39 88 55-55
www.sinnerschrader.de
info@sinnerschrader.de
Vorstand:
Matthias Schrader, Thomas Dyckhoff
Handelsregister:
Amtsgericht Hamburg
HRB 74455
Umsatzsteueridentifikationsnummer nach §27a Umsatzsteuergesetz:
DE 81294649
Das lange Ende der Nachfragekurve
Wired-Herausgeber Chris Anderson hat die Formel The Long Tail in einem Wired-Artikel vom Oktober 2004 geprägt. Eine wörtliche Übersetzung bietet sich nicht so recht an. 😉 Was Anderson meint, ist das lange Ende einer typischen Nachfragekurve, die von relativ wenigen sehr häufig verkauften Hits bis zu sehr vielen Produkten reicht, die sehr selten verkauft werden. In dem kleinen Schaubild links ist dieses Ende gelb eingezeichnet.
Andersons These ist, dass in vielen Märkten das lange Ende in der Summe heute größer ist als der durch Hits getriebene Marktanteil. So macht beispielsweise Amazon inzwischen mehr Umsatz mit Büchern, die niemals Hits waren, als mit Bestsellern. Das Internet hat den Konsumenten bequemen Zugang zu den großen Katalogen verschafft – die Selektionsfunktion des Handels entfällt.
Anderson schreibt nun ein Buch über das Thema und hofft vermutlich, dass sich sein Werk möglichst weit links auf der Nachfragekurve ansiedeln kann. Parallel dazu führt er ein Blog, um den Recherche- und Schreibprozess zu begleiten – und natürlich so früh wie möglich mit der Buchpromotion zu beginnen.
Hat Ebay überzogen?
Nach Protesten vor allem von Powersellern macht Ebay in den USA die jüngste Preiserhöhung teilweise wieder rückgängig. Die Ausgangsfrage ist damit jedoch nicht beantwortet: Wieviel Prozent vom Umsatz kann Ebay kassieren, ohne sein Geschäftsmodell zu beschädigen? Fünf Prozent (bei Ebay.de) bzw. 5,25 Prozent (bei Ebay.com) sind kein Pappenstiel, sondern knabbern gewaltig an ohnehin knappen Handelsmargen. Auf mittlere Sicht könnte das dazu führen, dass Ebay sehr viel stärker von Herstellern direkt – unter Ausschaltung des Handels – genutzt wird, quasi als virtuelles Factory Outlet.
Crossmedia revisited
Das Wort Crossmedia begegnet dem unvoreingenommenen Leser vor allem in der Kommunikationsfachpresse (zum Beispiel hier oder hier). Im Kern verbirgt sich dahinter die Idee klassischer Werbevermarkter, neben ihrem Stammgeschäft im Bereich Print oder TV auch noch ein wenig Onlinewerbung verkaufen zu können, um damit Umsatz und Deckungsbeitrag zu verbessern.
Es bleibt dann den Kreativen Agenturen überlassen, wie sie diese crossmedialen Werbeflächen bespielen wollen. Das Resultat sind oft Kampagnen, bei deren Anblick es der Sau graust. Eine Erklärung für dieses Phänomen bietet Andreas Göldi in seinem Blog mit dem etwas sperrigen Titel Beobachtungen zur Medienkonvergenz:
Ganz offensichtlich fehlt in der zersplitterten Kommunikationsbranche sehr viel Wissen über die Möglichkeiten der jeweils anderen Werbemedien. Selbst die grossen Werbekonzerne, die eigentlich alle Disziplinen in sich vereinen, haben es bisher kaum geschafft, ernstzunehmende Synergien hinzukriegen.Als Ausrede wird gern der „dumme Kunde“ vorgeschoben, der ja leider nicht kapiert, was man mit Cross-Media alles machen könnte. Tatsächlich sind die Wissenslücken auf Kundenseite ebenfalls gross, aber sollte es nicht gerade die Aufgabe der Kommunikationsberater sein, das zu ändern?Ich glaube sehr viel eher, dass die Werber genau den Fehler begehen, den sie ihren Kunden immer gerne vorwerfen: Sie konzentrieren sich auf das, was ihr Produkt kann und nicht darauf, was der Kunde braucht.
Lebt denn der deutsche Einzelhandel noch?
War wohl nix mit dem vergangenen Weihnachtsgeschäft, trotz wochenlanger Gesundbeterei in allen Kanälen. Das Statistische Bundesamt macht allen Blütenträumen den Garaus: Trotz eines Verkaufstages mehr als im Vorjahresmonat sank der Umsatz um nominal 2,3 und real 2,7 Prozent gegenüber Dezember 2003.
Damit wurde im Dezember 2004 nominal und real ein Umsatzergebnis erzielt, das in den letzten zehn Jahren noch nie so niedrig ausfiel (bezogen auf die jeweiligen Messzahlen).
Die Financial Times zitiert allerdings Analysten mit der Warnung vor einer Statistik, die sie nicht selbst gefälscht haben:
"Die Einzelhandelsumsätze verliefen viel schwächer als von uns erwartet. Diese Entwicklung steht nicht im Einklang mit den überaus positiven Meldungen, die man vom Einzelhandelsverband über den Verlauf des Weihnachtsgeschäfts bekommen hat", sagte Stefan Bielmeier von der Deutschen Bank. Bei der Interpretation der jüngsten Daten solle man allerdings vorsichtig sein, da die Einzelhandelsdaten oft deutlich revidiert würden.
Der Einzelhandelsverband schweigt dazu vornehm (jedenfalls im Web). In der FAZ versucht Verbandschef Hubertus Pellengahr, butterweich seinen noch im Dezember verbreiteten Zweckoptimismus zu rechtfertigen. Das Geschäft sei in der zweiten Monatshälfte eingebrochen.
Leider scheint niemand die eigentlich spannende Frage zu stellen, wie sich die Online-Umsätze dazu verhalten haben. Das Online-Weihnachtsgeschäft kommt, so scheint’s, in der Presse zu diesem Anlass nicht vor.