Ajax in der Praxis

Wie Ajax die Praxis verändert, hat Hendrike Heydenreich, Frontend-Spezialistin bei SinnerSchrader Neue Informatik, in einem Gastbeitrag für die Computerwoche beschrieben. Ein Auszug:

Ajax ist bisher vor allem in Verbindung mit Web-2.0-Websites intensiv eingesetzt worden. Vorreiter beim Einsatz dieser Technik sind (häufig sehr kleine) innovative Internet-Unternehmen und Startups. Die Entwicklung der entsprechenden Anwendungen ist durch Geschwindigkeit und Pragmatismus in einem kleinen Team von Spezialisten geprägt, die sich schnell und informell austauschen können. Häufig sind es sogar dieselben Personen, die die fachlichen Anforderungen definieren und diese auch umsetzen. In der Literatur werden solche Entwicklungsprozesse als „agile Programmierung“ bezeichnet: Iterative Entwicklungsmethoden werden verwendet, um schnell prototypische Ergebnisse zu schaffen und diese kontinuierlich zu verbessern. Es ist auffällig, dass viele Web-2.0-Anwendungen das Betastadium bewusst nicht verlassen.
So wirkungsvoll diese Arbeitsmethoden für den oben beschriebenen Einsatz auch sein mögen, für die Entwicklung von unternehmensinternen Anwendungen oder Internet-Präsenzen großer Unternehmen sind sie nicht ohne weiteres geeignet. Hier gilt es neben der Einführung neuer Funktionen auch Sicherheit in Bezug auf die Erfüllung fachlicher Anforderungen sowie auf die Einhaltung von Kostenrahmen und Zeitplänen zu gewährleisten. Nicht selten müssen Funktionen und Technik auch mit verschiedenen Stakeholdern abgestimmt werden. An der Erstellung eines – zumindest groben – Konzepts führt daher kein Weg vorbei, auch wenn das klassische Wasserfallmodell mit Grobkonzept, Feinspezifikation und Implementierung sicher nicht optimal zur Entwicklung von Ajax-Anwendungen geeignet ist.
Wie kann nun Ajax unter Nutzung eines konventionellen Entwicklungsprozesses, wie er in den meisten Projekten im professionellen Umfeld vorgegeben ist, eingesetzt werden? Bei Ajax handelt es sich um eine Technik, bei der die technischen und fachlichen Aspekte eng und beinahe untrennbar miteinander verbunden werden. Bei der Konzeption wird daher weder ein allein fachlich getriebener Berater noch ein reiner Techniker zu den gewünschten Ergebnissen kommen. Stattdessen ist eine neue Rolle gefordert: der User-Interface-Designer. Dabei handelt es sich um eine Person, die die fachlichen Aspekte der Nutzerführung ebenso versteht wie die Aspekte der technischen Umsetzung.
Idealerweise ist diese Person auch in der Lage, einfache Anwendungen selbst zu entwickeln und somit während der Konzeption kleinere Prototypen zu erstellen. Solche Prototypen haben sich als extrem wichtig und hilfreich erwiesen. Sie schaffen nicht nur Sicherheit in Bezug auf die Erfüllung der fachlichen Anforderungen, sondern gestatten auch erste Tests bezüglich des Verhaltens der Anwendung unter verschiedenen Bedingungen, zum Beispiel bei verschiedenen Bandbreiten oder Bildschirmauflösungen. Diese Prototypen lassen sich dann entweder direkt als Teil der Anforderungsdefinition verwenden (fachlich und technisch), oder die Eigenschaften des Prototyps werden noch einmal, wie gewohnt, schriftlich dokumentiert. Dabei folgt hier die formale Dokumentation dem getesteten und funktionierenden Konzept und nicht umgekehrt – eine Erfahrung aus dem fulminanten Erfolg der Web-2.0-Projekte.

Den ganzen Artikel gibt es in Heft 33/2006, erschienen am 18. August.

Die OMD rückt näher

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Wenn sich im September die Branche wieder einmal zur OMD versammelt, dann dürfte die Stimmung wohl noch besser sein als vor einem Jahr. Online-Marketing boomt. Und dennoch hat sich in den letzten zwölf Monaten einiges verändert.
Das zeigt schon die Eröffnungskeynote von Andreas Weigend: „Von Targeting zu Discovery: Transparenz und Konvergenz im Web 2.0“. Wer hätte vor einem Jahr prognostiziert, dass die OMD über Web 2.0 spricht?
Weigend hält nicht nur die Keynote, sondern muss in einem Streitgespräch („Web 2.0: Revolution des Digitalen Marketings oder Seifenblase?“) mit Matthias Kurwig, Geschäftsführer von Planetactive, auch noch seine Thesen verteidigen.
Wer es dagegen etwas praxisnäher mag, dem sei der Workshop ans Herz gelegt, den Malte Blumenthal, Geschäftsführer der SinnerSchrader Studios, zum Thema „Kreativstrategien im Netz: Auf dem Weg zur interaktiven Marke“ hält. Termin: 20. September, 12 Uhr. (Hier der Mitschnitt seines Referates auf der Next 10 Years.)
Spreadshirt ist übrigens auch da.

Stadtplan 2.0

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Mit einem webzwonulligen Stadtplan ist seit einigen Tagen hamburg.de am Start. Und was dort bislang zu sehen ist, gibt nur einen kleinen Vorgeschmack auf das, was in den nächsten Wochen sukzessive kommen wird.

Die Grundidee ist einfach: Die Nutzer können je nach aktuellem Interesse verschiedene Informationsebenen ein- oder ausblenden. Damit bleibt der Stadtplan schön übersichtlich und kann trotzdem alle gewünschten Informationen anzeigen.

In der aktuellen Ausbaustufe können Haupt- und Nebenstraßennamen getrennt ein- und ausgeschaltet werden. Außerdem sind vier touristisch orientierte Zusatzinformationen wählbar:

  • Museen und Ausstellungen
  • Musik- und Liveclubs
  • Theater, Oper, Musical
  • Hotels

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Zu jedem Objekt gibt es per Mouseover angezeigte Zusatzinformationen, die – gegen Geld, versteht sich – werblich zur Visitenkarte erweitert werden können. Von dort geht es dann direkt zur Buchung oder auf die jeweilige Website.

Der neue Stadtplan ist handwerklich solide gemacht, kommt aber in Sachen Usability nicht an Google Maps heran. Dazu trägt auch die mitgeschleppte Portalnavigation von hamburg.de bei, die an dieser Stelle überhaupt nicht gebraucht wird, aber eine Menge Platz kostet. Die Anwendung ist nicht so flott wie Google Maps, nicht ganz so intuitiv zu bedienen, und an einigen Stellen hakt es noch – wenn zum Beispiel die Skalierung zu pixeligem Bildaufbau führt.

Der Stadtplan war schon bisher ein stark frequentiertes Feature von hamburg.de. Stark nachgefragt waren aber auch die thematischen Spezialkarten im Bereich Tourismus, die bislang aufwendig und relativ starr in Flash gebaut und gepflegt wurden. Diese Spezialkarten werden nun durch den neuen Stadtplan abgelöst.

Richtig spannend wird die Sache, wenn künftig auch Einkaufsmöglichkeiten über diesen Stadtplan navigierbar sind. Für den stationären Einzelhandel bieten sich damit neue werbliche Möglichkeiten. Denkbar sind aber durchaus auch Immobilienanzeigen. Ein weites Feld. Und das bleibt keineswegs auf Hamburg beschränkt. Das Kartenmaterial reicht bis Flensburg im Norden bis Hannover im Süden, von Emden im Westen bis Greifswald im Osten.

Mit dem neuen Stadtplan schließt hamburg.de zum ewigen Rivalen berlin.de auf, der bereits ähnliche Möglichkeiten bietet. Dagegen binden koeln.de und muenchen.de schlicht stadtplandienst.de ein.

Der falsche Mythos des Einfachen

Usability dreht sich seit Jahrmillionen um Fragen wie: was hilft, was verwirrt? Meistens einigt man sich projektintern auf „Viel hilft viel“. Was dann durch die Usability-Tests durchgeht, gilt. Empfindlichere Geister gucken jetzt angestrengt und fragen: Muß man jeden Hebel ziehen, nur weil man den Hebel ziehen kann?
An dieser Stelle spätestens taucht als Idealbild dann Apple im allgemeinen oder iTunes im speziellen auf. Und das Totschlag-Argument: „Konzentration auf das Wesentliche. Wer das nicht kann, weiß eigentlich nicht, was er will!“ Und flugs gerät jede Projektbesprechung zur Grundsatzfrage, ob man Apple-Jünger ist oder nicht.
Ich möchte an dieser Stelle mit dem Mythos aufräumen, Apples Wesen sei EINFACH. Auch wenn ich mich bis zum Eintritt ins Rentenalter desavouiere: Weder der iPod noch iTunes sind einfach zu bedienen. Ja, ich bekenne hiermit, daß ich bei „meinem ersten Mal iPod“ das Ding zwar zum Laufen gebracht habe. Aber wo geht er leiser, lauter oder aus? Wo ist der Regler, wo ein Knopf? Die Apple-Software mag schön, innovativ und konzentriert sein, alles. Aber sie ist nicht einfach. Einfach ist ein dahergelaufener Windows-Player: Installieren, auf Play drücken, fertig. Egal, wie viele Funktionen hinter der Button-Leiste lauern, das interessiert mich nicht. Ich sehe sie nicht, ich nutze sie nicht.
iTunes ist nicht einfach, sondern integrativ. iTunes führt den Hörer zu seiner Musik. Die Software macht beide zu Komplizen. Das ist Dialog, also ein hochkomplizierter Prozeß, der eben nicht mit einer simplen, sondern nur mit einer komplexen, sprich flexiblen Software zu bewältigen ist. Schon, wie vielfältig nur die Playlisten sortierbar sind – das ist doch nicht einfach! Aber es macht Spaß.
Zurück zum Thema. Wie einfach müssen denn nun dialogorientierte Interfaces sein? Ich behaupte: Gar nicht. Es gibt keine erfolgreiche „einfache“ Anwendung. Alles, was derzeit in Scharen Nutzer zieht, sieht aus wie von Bill Gates persönlich entworfen. Myspace ist ein Horror an Usability und die Klickzahlen nur dadurch zu erklären, daß die Wege auf Myspace viel länger als anderswo sind. Facebook, StudiVZ und wie auch immer sie heißen: Alle gehen unter in einer Fülle von Features. Interessiert das jemanden? Nein. Nicht, daß man sich nicht eine bessere Usability wünscht. Aber Usability ist einfach kein Erfolgsfaktor!
Was denn dann? Erfolgreiche Software vermittelt das Gefühl, daß dieses Stück Software für mich gemacht ist. Wer es schafft, die Sehnsüchte einer klar umrissenen Zielgruppe anzusprechen, ist dem Erfolg viel näher als mit einer guten Usability in einem unverbindlichen Umfeld.
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Auch das ist Myspace: Einstieg in die Foren
Myspace, Technorati, YouTube, Flickr leben davon, daß sie einen Sogeffekt erzeugen, der von einer klar umrissenen Zielgruppe ausgeht (Schüler, Studenten, Musker, Fotografen, Video-Fans, wer auch immer) und konzentrisch seine Kreise zieht.
Epilog:
Gerade darübergestolpert: Sevenload-Gründer Ibrahim Evsan stellt die Usability-Entwicklungsschritte seiner Site vor und benennt die Design- und Funktionsprioritäten:
• Ganzheitlichkeit (Video und Bild),
• Interaktionsmöglichkeiten (interne Nachrichten, Kommunikationsfunktionen, Bewertungen, Gästebucheinträge, Kommentare etc.),
• Kompatibilität (neueste Technik auf allen Browsern gleich -> wir arbeiten daran),
• Unterstützungsmöglichkeiten (technisch sowie inhaltliche Angebote),
• Flexibilität (offen für alle neuen Bereiche -> Podcast, Flash TV etc.),
• Individualisierung (Alben, Passwort geschützte Alben, Musikhinterlegte Diashows etc.)
• Partizipation (Mashup – also APIs, die eine Einbindung in Blogs und Homepages erlauben, etc.)
Irgendwie alles andere als einfach. Das hindert Sevenload aber nicht daran, zu den hochwertigsten Web-2.0-Anwendungen in Deutschland zu zählen und beachtliche Wachstumsraten vorzuweisen.

Internet ist bewohnbar geworden

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Das derzeit führende deutsche Organ für Web 2.0, früher mal bekannt als Tante FAZ, gibt keine Ruhe, bis auch der letzte arglose Leser zum Web-Experten mutiert ist. Heute gibt das Feuilleton seinen Aufmacher und damit rund 2/3 der ersten Seite her. Der Artikel ist stilistisch wunderschön, aber eirig in der Argumentation, was uns denn nun ein bewohnbares Internet bringt. Es überwiegt, wie in dieser Intellektuellen-Gewichtsklasse üblich, eine leichte Abscheu gegen die Trivialität des alltäglich Produzierten. Dabei geht es doch ausdrücklich und schon im Titel um Alltäglichkeiten. (Online nutzt die FAZ einen anderen Titel als im Blatt. Im Print lautet der Titel: „Mein Schwager kennt sich da aus. Wer revolutioniert hier wen? Wie der Alltag das Internet und das Internet den Alltag verändert“. Auf FAZ.net: „Das Internet ist bewohnbar geworden“. Der Zwang zu kürzeren Titeln durch eine geringere Laufweite der Texte in der Online-Ausgabe entstellt also gleich die eigentliche Intention des Autors mit. Oder des Ressortchefs. Oder CvDs.)
Wie auch immer. Eine bessere PR kann sich OpenBC jedenfalls nicht wünschen, als in den Kreis der in Feuilletons Diskutierten aufzusteigen. Herzlichen Glückwunsch!

MySpace.com: deutsche Communities wachsen schneller

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Die Story ist bekannt. Murdoch, der bislang nie in Verdacht stand Web-bullish zu sein, kaufte vor wenigen Monaten die US-Teenie-Community MySpace.com für rund $580 Mio und wurde fortan von nicht Wenigen der Alterssenilität bezichtigt. Das dauerte bis ungefähr diesen Montag. Mit einem befristeten Werbedeal in Höhe von rund $900 Mio schaffte er es, durch Google sein Investment mit einem Schlag zu refinanzieren. Ein weiterer Beleg wie rasant sich zur Zeit das Advertising-Business ändert.
Interessanter als die Dollars finde ich allerdings den Blick auf die Clicks. Laut ComScore generierte MySpace.com in den Monaten April bis Juni diesen Jahres rund 30 Mrd PageViews, das y-t-y Wachstum betrug fast 400%. Also, was tut sich hierzulande? Werfen wir einen Blick auf die Alexa-Zahlen von einigen deutschen Web2.0-Communities: OpenBC, lokalisten.de und studiVZ. Das Wachstum von studiVZ ist atemberaubend und mit jeweils rund 5 Mrd. PageViews im Quartal besitzen studiVZ und die Lokalisten bereits ein nettes Polster für die Vermarktung. Hut ab!