Kaffee 2.0

Normalerweise, also ohne den notorischen Münte-Gips am Bein, wäre ich am Dienstag zum media coffee von news aktuell gegangen. Scheint so, als ob ich eine großartige Show verpasst habe. Diesen Schluss lässt jedenfalls der ausführliche Rapport von Felix „wirres“ Schwenzel zu. Dringende Leseempfehlung!

OMD: Ein erster Zwischenbericht

Falls sich der eine oder andere Leser wundert, warum die Blog-Coverage der OMD so schlecht gering ist – das liegt am fehlenden W-LAN. Oder auch am Unwillen des bloggenden Publikums, an die Messe Düsseldorf satt zweistellige Eurobeträge pro Tag zu entrichten, um den Hotspot in den Hallen zu nutzen.
Mein Messetag begann am Flughafen mit dem kollektiven Warten auf den Messebus 896, der zwar in den Messeunterlagen angekündigt und auch in der Fahrplanauskunft des VRR aufgeführt war – aber schlicht und einfach nicht kam. Nach und nach nahmen sich verschiedene Grüppchen dann ein Taxi zur Messe. Auch kein Problem.
Lange Schlangen am Eingang zur Halle 1 machten auch dem Letzten klar, dass die OMD in diesem Jahr so richtig brummt. Wer noch Zweifel hatte, den überzeugte spätestens das üppige Catering auf den großen Messeständen. Essen gut, Wetter gut, Stimmung gut. Die Messe meldet für den ersten Tag schon 4.000 Besucher.
Des Andrangs wegen beginnt die Keynote von Andreas Weigend mit Verspätung. Der Mann hat es geschafft: Er darf ein paar seiner Standardfolien präsentieren, zum Teil mit chinesischen Schriftzeichen, und das Ergebnis „Keynote“ nennen. Aber warum auch nicht? Der Neuigkeitswert seiner Rede ist allem Anschein nach ungebrochen hoch.
So hoben sich auf die Frage, wer aus dem Publikum del.icio.us nutzt, gerade einmal acht Hände. Selbst unter der Annahme, dass weitere zwanzig del.icio.us-Nutzer einfach keine Lust hatten, die Hand zu heben, ist das OMD-Publikum offenkundig nicht übermäßig web-2.0-affin (um mal im Marketingdeutsch zu sprechen).
Das zeigte sich auch beim Workshop, den Malte Blumenthal zum Thema „Kreativstrategien im Netz“ hielt. Seine provokative Frage: Warum baut Coca-Cola, die wertvollste Marke der Welt, nicht einfach selbst für relativ kleines Geld eine Plattform wie MySpace, statt erheblich größere Summen in Onlinewerbedruck zu investieren – um damit erheblich geringere Web-Relevanz zu ernten und auch noch jene Aufsteigermarken wie Google oder Ebay zu fördern, die früher oder später Coke den Rang ablaufen werden?
Die Antworten aus dem Auditorium waren klar: Das passt nicht zur Marke, es verwässert sie oder es wäre nicht glaubwürdig und würde deshalb nicht funktionieren. Doch Malte hatte mit solchen Einwänden gerechnet. Seine Replik: Vielleicht passt die Marke auch nicht zum Internet? Oder nicht zum Nutzer? Ist der massive Werbedruck, den Coke ja auch offline ausübt, womöglich schlecht investiert?
Die Fragen mussten offen bleiben, aber das Nachdenken über den Weg zur interaktiven Marke geht natürlich weiter.
Was war noch? Der OMD-Fischmarkt, eine Menge Leute, der eine oder andere Blogger und das neueste Projekt aus dem Hause Sixtus Handelsblatt. Aber dazu morgen mehr.
Nein, ich bin natürlich nicht auf der Party, sondern wieder zurück im Norden. Mit meinem Münte-Gips am Bein hatte ich keine Partyambitionen. Ich muss jetzt Schluss machen, Harald Schmidt wartet…

Was ist authentisch?

Die digitale Revolution frisst ihre Kinder. Dieser abgegriffene Satz liegt nahe angesichts der allgemeinen Aufregung über einen YouTube-Fake namens lonelygirl15.
Diese Aufregung speist sich aus einer gewissen Naivität im Umgang mit digitalen Medien – aus der unausgesprochenen Voraussetzung, die dort präsentierten Menschen und Geschichten seien authentisch. Warum sollten sie das sein?
Seit der Erfindung des Buchdrucks mussten wir lernen, dass nicht alles wahr, gut und schön ist, nur weil es gedruckt oder gesendet wird. Wir wissen, dass ein Roman oder eine tägliche Seifenoper fiktiv sind.
Wir können auch wissen, dass journalistische Nachrichtengebung und Hintergrundberichterstattung nicht die Realität im Verhältnis 1:1 abbilden – und das auch gar nicht können, denn jedenfalls ist die abgebildete Realität größer als der im Medium zur Verfügung stehende Raum.
Das Internet hat an dieser Diskrepanz nichts geändert. Auch das Web bildet eine größere Realität ab und schafft selbst eine neue (aber das hat auch schon der Roman geleistet, ist insofern also nichts Neues). Warum sollte das im nutzergenerierten Web 2.0 nicht gelten? Im Prinzip ist jeder Blogger eine Kunstfigur, selbst wenn er sich nicht als solche versteht.
Insofern schlage ich vor, die Beweislast umzukehren und bis zum Beweis des Gegenteils keine Authentizität zu unterstellen. Zuallererst ist es Unterhaltung, die das Web antreibt. Ob uns etwas gefällt, uns bei Laune hält und also unterhält – das jedenfalls können wir sofort erkennen. Ob es echt ist oder nicht, das hingegen wird im Web nicht mehr so leicht zu unterscheiden sein wie in den alten Medien.

Nils Jacobsen erzählt die (ganze?) Geschichte von lonelygirl15 nach.
Nachtrag: Lonelygirl 15 is Jessica Rose

Gestern hott, heute hüh?

Ist das manager magazin eine gespaltene Persönlichkeit? Im gedruckten Heft musste es vor kurzem die Sorge um eine Bubble 2.0 schüren. Die Botschaft dort: Web 2.0 = Bubble 2.0, der ernsthafte Manager von heute lässt die Finger davon.

Auf der Website hingegen schafft es das gleiche Blatt, ein differenziertes Portrait des gleichen Themas zu zeichnen. Andreas Neef und Willi Schroll schreiben dort unter der Überschrift „Waffe der Verbraucher“:

Web 2.0 ist vor allem eins: Eine Revolution in den Köpfen.

Microwork, Netzwerkeffekt, Community, Gift Economy oder Crowdsourcing lauten einige der Buzzwords, die dort durchaus zu einem kohärenten Ganzen verbunden werden. Hier lautet die Botschaft: Liebe Manager, da braut sich etwas zusammen. Seid dabei, bevor es zu spät ist.

Die Erklärung ist relativ einfach und findet sich unter den Fotos der beiden Autoren:

Andreas Neef ist geschäftsführender Gesellschafter des Think Tanks Z_punkt. Der Zukunftsforscher und Innovationsberater verantwortet seit Anfang der 90er Jahre Innovations-Projekte für namhafte Großunternehmen. Willi Schroll ist Research Analyst mit Schwerpunkt Emerging Technologies und Internetentwicklung bei Z_punkt.

Dieser Artikel hat also einen völlig anderen Zweck – Marketing für eine Beratungsfirma. Das gedruckte manager magazin pflegt derweil den Nimbus des kritischen Presseorgans.

Also alles in schönster Ordnung. Keine Bewusstseinsspaltung. Und die Frage von Björn Ognibeni kann man jetzt auch beantworten:

Jetzt bin ich mal gespannt, wann es so ein Artikel von der Web- in die Print-Ausgabe schafft…

Wohl nie.

Perspektivumkehr

Es wird immer schwerer, das Leben. Muss am vorgerückten Alter liegen. Oder ist es nur ein postfrakturelles Trauma? Wie auch immer: Auch Medienschaffende müssen immer mehr kämpfen. Jüngste Beispiele:

  • Thomas N. Burg, gerade frisch zusammen mit dem Fischmarkt auf einer Liste, bekommt einen Satz Fragen per Mail, beantwortet sie schön brav – und stellt die Antworten prompt ins Netz. Exklusivität war gestern. (Es geht übrigens um Medien und Web 2.0, aber das nur nebenbei. Diese ungefilterte Vorabveröffentlichung ist dann gleich ein Schnellkurs für den fragenden Journalisten.)
  • Harald Schmidt, bekennender Internet-Anfänger („Ich google meinen Namen einmal pro Stunde“), wird von Tita von Hardenberg in seiner Show mit einer Handkamera gefilmt (oder so ähnlich). Die Polylux-Frontfrau bewirbt damit ihr heute startendes polyblog polylog, wo das Video dann auftauchen soll.
  • Handelsblatt-Journalist Thomas Knüwer, selbst Blogger, sieht sich plötzlich der gezückten Kamera von Lukasz Gadowski gegenüber. Der Spreadshirt-Frontmann führt damit ein Interview für sein Blog Gründerszene.

Und das ist sicher noch nicht alles.

Übrigens

  • Die Netzpiloten wollen im September Blogpiloten.de starten, „eine zentrale Umschau über die wichtigsten deutschen Weblogs“. Die Kreation der Website übernimmt Fork Unstable Media.
  • Die Website arena.tv hat es in den Netzfrühling geschafft. Was bedeutet, dass sie standardkonform ist (worauf die Studios generell größten Wert legen).
  • Aus ibusiness – inklusive Joachim Graf wirklich ein Urgestein der Branche – wird im September ibusiness 3.0, „ein Wissenportal und Trendscouting für New Media Manager“. Und webzwonullig wird’s auch. Wir sind gespannt.

Mit diesen drei Informationshäppchen entlässt der Fischmarkt seine geneigte Leserschaft ins verdiente Wochenende.