Lustlos und peinlich

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Der Hamburger Dialog, der eigentlich das norddeutsche Gegenstück zu Medienforum NRW und Münchner Medientagen sein will, erlebt ein PR-Debakel. „Lustloser Auftakt“ schreibt die Welt in die Unterzeile des Kongressberichts von Martin Ax. Der Schweizer Verleger Michael Ringier sprach demnach vor gerade einmal 40 Zuhörern über Strategie und Schröder, „lau und lustlos“ habe sich die Medienstadt Hamburg präsentiert.

Statt 1500 wie in den vergangenen Jahren hatten sich nur 1200 Teilnehmer angemeldet, und auch die gingen offenbar nur sporadisch ins CCH. In den Lounge-Bereichen herrschte zum Teil gähnende Leere, auch bei attraktiven Fachthemen blieben manche Säle halb leer. Eine Hamburger Agenturchefin faßte den Eindruck vieler Teilnehmer so zusammen: „Das Programm ist fachlich besser als vor einem Jahr. Aber die Atmosphäre ist deprimierend.“

Die Suche nach den Ursachen fördert eine angebliche „Kongressmüdigkeit“ zu Tage, induziert durch ein Überangebot an Tagungen und Kongressen. Puh, da haben wir ja noch mal Glück gehabt, dass diese Müdigkeit nicht schon drei Wochen früher ausgebrochen ist.

Andere Organisatoren warfen sich gegenseitig vor, daß der Hamburger Dialog zu nüchtern, zu emotionslos, zu wenig inszeniert sei.

Wer weiß?

Oberpeinlich allerdings Ole von Beust, der den Kongress eröffnen durfte:

Unverblümt gab von Beust zu erkennen, daß er sich nicht mehr ganz sicher sei, ob Hamburg wirklich noch die deutsche Medienhauptstadt sei. „Bei den elektronischen Medien sind wir es ja leider nicht mehr“, sagte er vor 400 Zuhörern.

Ein Hammer! Bloß gut, dass Martin Ax aufgepasst hat:

Das stimmt so nicht, Herr Bürgermeister. Nur im TV-Bereich ist Hamburgs Rolle fraglich. In den Wirtschaftszweigen Internet, Hörfunk, Filmproduktion und Videospiele ist Hamburg ebenso führend in Deutschland wie bei den traditionellen Print-Medien.

Und im Kongressbereich wird Hamburg spätestens 2007 die Führungsrolle zurückerobern – mit „Next 10 Years 2007″. Das sind wir Hamburg, unserer Perle einfach schuldig.

Kabelsalat

Was bisher geschah: Telekom und Premiere wollen das schnelle DSL (auch als V-DSL bekannt) mit Hilfe der Bundesliga befeuern. Und die Telekom möchte V-DSL als Monopolprodukt in den Markt einführen und fordert deshalb Regulierungsferien.

Nun fragt Captain Cord nicht zu Unrecht:

und wat is mit kabel?
könnten die kabelnetz anbieter nicht für die nötige konkurrenz sorgen?

Antwort von Radio Eriwan: Im Prinzip ja.

Nun ist es aber so, dass der deutsche Kabelmarkt im Vergleich mit anderen Ländern deutlich im Rückstand liegt. Das hat im Wesentlichen zwei Gründe:

  1. Das Netz wurde Anfang der 80er Jahre aus politischen Gründen und auf dem Wege des Kompromisses nicht als technische Einheit errichtet, sondern aufgetrennt. Das Verteilernetz bis zur sogenannten Netzebene 3 (NE 3) baute die staatliche Bundespost, auf der Netzebene 4 kam hingegen die private Wirtschaft zum Zuge und schloss die einzelnen Haushalte, aber auch ganze Wohnblöcke ans Netz an. Die Grundstücksgrenze schied den Hoheitsbereich der Post vom Wirken der ungezügelten Kräfte des Kapitalismus. (Hinzu kam, dass die Post auch auf NE 4 aktiv war – Wettbewerb halt.)
  2. Die Telekom hat dieses Erbe lange Zeit mehr schlecht als recht verwaltet. Sie sah im Kabelnetz zu Recht eine Konkurrenz für ihr Festnetz, für ISDN und später DSL. Zudem stand sie seit der Liberalisierung der Telekommunikation in der zweiten Hälfte der 90er Jahre unter enormem Druck, die Kabelnetze zu verkaufen, um eben diesen Wettbewerb möglich zu machen. Der Verkauf zog sich am Ende bis zum Jahr 2003 hin – und in all den Jahren tat die Telekom selbstverständlich nichts für die technische Weiterentwicklung der Kabelnetze.

Erst mit dem Verkauf der Telekom-Kabelnetze war der Weg frei für eine Wiedervereinigung der Netzebenen 3 und 4 – die Voraussetzung für den Ausbau der alten, analogen Verteilernetze ohne Rückkanal zu interaktiven, digitalen Breitbandnetzen.

Und hier kommt wieder Unity Media ins Spiel. Ihr gehören die NE-3-Netze in NRW und Hessen sowie mit Tele Columbus der größte NE-4-Betreiber in Deutschland. Und arena. Damit ist die kritische Masse aus Netzen, Kundenbeziehungen und Programm beisammen, um das Thema vorantreiben zu können.

In fast allen übrigen Regionen außer NRW und Hessen ist Kabel Deutschland unterwegs. Deren Hauptgesellschafter ist seit Anfang 2006 die britische Investmentgesellschaft Providence Equity Partners. Auch sie investiert (und verhandelt mit arena um die Verbreitung der Bundesliga in ihren Netzen).

Das Kabel holt zwar auf, ist aber beim schnellen Internetzugang hoffnungslos im Hintertreffen gegenüber DSL. Hier ist die Strategie der Telekom, beim Kabel auf Zeit zu spielen und gleichzeitig mit Hochdruck DSL aufzubauen, voll aufgegangen.

Und nun schickt sie sich an, das gleiche Spiel zu wiederholen. Bei V-DSL. 

Regulierungsferien

Diese Geschichte ist in gewisser Weise die Fortsetzung der Telekom-Premiere-Story, in der ein gewisses V-DSL-Netz eine wichtige Rolle spielt. Dieses Netz – sozusagen DSL 2.0 – plant die Telekom zu errichten und mittels der Premiere-Bundesliga-Combo zu vermarkten.

Sie fordert dafür allerdings einen Verzicht auf Regulierung seitens der Bundesnetzagentur. Das hört sich harmlos an, würde aber bedeuten, dass V-DSL für die nächsten Jahre ein Monopolprodukt der Telekom bleibt. Die bis dato bekannte DSL-Angebotsvielfalt, die fraglos enorm zur wachsenden Verbreitung schneller Internetanschlüsse in Privathaushalten beigetragen hat, würde es für V-DSL vorerst nicht geben.

Ironischerweise erinnert dieser Plan an die zu Recht gescheiterten Versuche von Leo Kirch, das digitale Fernsehen vollständig unter seine Kontrolle zu bringen. Kirch war damals Eigentümer von Premiere und investierte Milliarden in Technik, Verschlüsselung, Decoder, Verbreitung und Programm.

Kirch wollte die Bedingungen bestimmen, unter denen digitales Fernsehen in Deutschland stattfinden würde. Und er hat sich verzockt. Denn das Milliardengrab Pay-TV war letztlich die Ursache für die spektakuläre Pleite seines ganzen Konzerns.

Das wird der Telekom nicht passieren, aber für die Entwicklung des DSL-Marktes könnte die Monopolpolitik des Ex-Monopolisten, abgesichert durch den Koalitionsvertrag der Regierungsparteien, ähnliche Folgen haben.

Zu diesem Ergebnis kommt jedenfalls eine in dieser Woche veröffentlichte Studie im Auftrag des VATM (mehr dazu im Handelsblatt). Sie prognostiziert für das Jahr 2010 nur 20,7 Millionen Breitbandanschlüsse in Deutschland, falls der geforderte Regulierungsverzicht tatsächlich beschlossen würde. Im Falle eines freien Zugangs für Wettbewerber hingegen erwarten die Gutachter 23 Millionen Anschlüsse. Zum Vergleich: Ende 2005 gab es in Deutschland 10,8 Millionen Breitbandanschlüsse.

Ob 20,7 oder 23 Millionen – was macht das schon? Könnte man meinen. Die zunehmende Verbreitung schneller Internetanschlüsse ist aber eine der Säulen, auf denen das Wachstum des Online-Handels und der Online-Werbung ruhen. Wenn diese Entwicklung gebremst wird, könnte das sehr viel größere Folgen haben als ein paar entgangene Monopolgewinne bei der Telekom.

Und der Deal mit Premiere verschärft die Lage, weil die Telekom damit ein zugkräftiges Vermarktungsinstrument für V-DSL bekommt. Nun gibt es zwar erstmals ernsthaften Wettbewerb bei Bezahlfernsehen (Premiere vs. arena) und TV-Kabel (DVB vs. IPTV, Koaxial vs. Telefondraht) – doch dafür drohen monopolähnliche Strukturen beim DSL. Die VATM-Studie prognostiziert für Telekom/T-Online einen Marktanteil von fast 60 Prozent im Jahr 2010, falls die Regulierung tatsächlich bis dahin in Ferien gehen sollte.

Was bedeutet der Telekom-Premiere-Deal?

Es war ein angekündigter und erwarteter Paukenschlag, als die Telekom und Premiere am letzten Freitag ihre Partnerschaft in Sachen Bundesliga annoncierten. Aus der Not der an arena verlorenen Pay-TV-Rechte will Premiere-Chef Georg Kofler eine Tugend machen und die Internet-Rechte der Telekom zum Wohl seiner gebeutelten Aktionäre nutzen: Premiere-Programm plus Bundesliga via Internetfernsehen. Was bedeutet dieser Deal?

Alles steuert auf einen Wettbewerb zweier Infrastrukturen zu. Auf der einen Seite tritt der weltweit etablierte Standard DVB an, schon leicht in die Jahre gekommen und entwickelt unter den Auspizien des klassischen  Broadcast-Modells der Massenmedien. Digitales Fernsehen war bislang vor allem DVB, und DVB gibt es via Satellit, Kabel und auch Antenne (DVB-T). Auf der Gegenseite rüstet sich IPTV, was zunächst nichts anderes bedeutet als Fernsehübertragung per Internet Protocol (IP) – nicht unbedingt per Internet. Die Telekom hat hier ihr neues V-DSL-Netz auf dem Zettel.

Hinter arena steht mit Unity Media die Muttergesellschaft der Kabelnetzbetreiber iesy, ish und Tele Columbus. Deren strategisches Ziel ist es, mit Hilfe der Bundesliga das digitale Fernsehen – hier: DVB – im Kabel voranzubringen und damit ein neues Geschäftsmodell zu installieren, das sich in anderen Ländern seit Jahrzehnten bewährt hat, aber in Deutschland (aus politischen Gründen, die Anfang der 80er Jahre zu lokalisieren wären) bislang nicht zum Zuge kam.

Dieses besagte Modell sieht vor, dass

  1. Kabelnetzbetreiber unterschiedliche Programmpakete zu unterschiedlichen Preisen anbieten und
  2. TV-Sender einen Teil der Einnahmen erhalten (in Deutschland müssen sie an Kabelnetzbetreiber zahlen!).

Es bekommt also nicht jeder Zuschauer jedes Programm zum Einheitspreis, sondern es gibt Unterschiede. Dieser Ansatz zielt auf breite Zuschauerschichten, die mit verschiedenen Angeboten erreicht werden sollen. Die Bundesliga ist in diesem Szenario (nennen wir es das arena-Modell) ein Marketingwerkzeug für die Einführung eines neuen Geschäftsmodells im TV-Kabel.

Premiere hingegen hat von Anfang an einen Premium-Ansatz verfolgt, also eine kleinere Zielgruppe angesprochen und demzufolge sehr lange für den Aufbau seiner Kundenbasis gebraucht. Partner Telekom, früher selbst im Kabelgeschäft unterwegs, will die Bundesliga nebst Premiere als Marketingwerkzeug für den Vertrieb der nächsten DSL-Generation einsetzen. V-DSL soll neben Kabel, Satellit und Antenne der vierte Übertragungsweg für digitales Fernsehen werden.

Etwas kompliziert wird die Angelegenheit dadurch, dass IPTV keinesfalls an V-DSL gebunden ist. Denkbar wäre durchaus auch IPTV via Kabel oder Satellit (sofern das Thema Rückkanal gelöst werden kann und soweit das nötig ist). Und genau darum tobt der Streit zwischen DFL und arena auf der einen sowie Premiere und Telekom auf der anderen Seite: Erlauben die von der Telekom erworbenen „Internet-Rechte“ an der Bundesliga auch die Verbreitung via Kabel oder Satellit?

Falls ja, dann wäre eine erheblich größere technische Reichweite für das Premiere-Bundesliga-Telekom-IPTV denkbar. Denn V-DSL wird zum Start im August nur etwa drei von 37 Millionen Fernsehhaushalten erreichen können. Und das bisherige DSL soll erst später für die Bundesliga erschlossen werden.

Was ist also letzte Woche geschehen? Nicht viel, meint Kai Pahl (allesaussersport.de):

Die Neuigkeit vom Freitag ist keine Neuigkeit, sondern
zurrt nur das Minimum fest, was nach Gerüchtelage eh schon Stand der
Dinge war. Unterschriften auf Papier. mehr ist nicht passiert.

Sehr viel, schreibt hingegen Alexander Endl im Zielpublikum Weblog:

Bisher galt es doch immer so: Interaktives Fernsehen scheiterte am
Rückkanal, weswegen sich Kabelnetzbetreiber ja nun auch als
Daten-Anbieter gerieren. Doch bei allem Bemühen: Es fehlte am Angebot,
weil die Nachfrage fehlte, die fehlte, weil es kein Angebot gab.
Staatlich subventionieren durfte man nicht und so blieb alles im Grunde
wie es war.

Nun aber zwingt man die Telekom (die wohl eher freiwillig und mit
Kalkül) und PREMIERE (unfreiwillig und mit Wasser bis zum Hals) zur
Geburt des interaktiven Fernsehens, mit dem die Medienlandschaft lange
schwanger trug.

Sollte es Telekom und PREMIERE gelingen, das Konzept tatsächlich
umzusetzen und nur halbwegs an den Mann zu bringen, dann dürfte das die
Fernseh- und Medienlandschaft auf den Kopf stellen. Man wird kaum
gucken können, bis andere auch auf die Box wollen, ganz vorne die
Shopping-, Lebensberater- und Erotik-Sender. Es wird davon abhängen, ob
die Telekom zwanghaft eine Monopolstellung anstrebt und ob sie anderen
Daten-Carriers ermöglicht (und zu welchen Konditionen) die neue Box mit
zu bedienen. Denn ohne einen Standard, auf den andere aufspringen
können und eine einheitliche Box wird das Unternehmen scheitern.

Nur
wenn auch die öffentlich rechtlichen Sender und die Privatsender über
kurz oder lang mit aufspringen und die Übertragung via DSL
unterstützen, wird sich die Box auch in Haushalten verbreiten. Hier
wird sich zeigen, ob die Interessen der Telekom (die gern an
Verdrängung statt Kooperation interessiert zu sein scheint –
verständlich aus deren Sicht im Übrigen) und die Interessen von
PREMIERE im Widerstreit zu einem vernünftigen Ergebnis kommen.

Aber wenn man mich fragt: Aus der Not geboren haben wir gerade die Geburt des interaktiven Fernsehens erlebt.

Weltreise

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Eine Episode muss ich unbedingt noch loswerden. Es war am 11. Mai 2006, vormittags um halb zehn. Ein paar Stunden, bevor 500 Kongressbesucher in unsere Halle strömen sollten.

Ich brauchte einen Artikel aus der Welt vom gleichen Tag im Original. Und ich dachte an das famose Ganzseitenarchiv der Welt. Der Haken war nur: Die tagesaktuelle Ausgabe gibt es dort nicht, sondern nur bei newsstand.de, und zwar für den überschaubaren Preis von 1 EUR.

Kein Problem, dachte ich. Kollege Themenblogger warnte mich sofort: Das dauere mindestens eine Stunde und sei furchtbar umständlich. Aber ok – Probleme sind dazu da, gelöst zu werden. Dachte ich.

Eine Recherche auf dem Desktop brachte einen alten Newsstand-Account zutage, den besagter Kollege vor Jahren angesichts ähnlicher Bedarfslage angelegt hatte. Auch das Kennwort war aufzutreiben. Also alles bestens?

Weit gefehlt. Um den einen Euro loszuwerden, brauchte ich bei Newsstand einen Click&Buy-Zugang von FirstGate. Kein Problem, dachte ich. Hatte ich doch vor ein paar Monaten einen solchen eingerichtet, um damit einen renommierten Branchendienst zu abonnieren.

Die Zugangsdaten waren leicht zu finden. Also flugs angemeldet und zu bezahlen versucht. Doch der Klick&Kauf-Zugang vom ErstenTor war nicht ganz der richtige, sondern musste noch erweitert werden. Kein Problem. Fehlende Daten eingegeben und fertig.

Dachte ich. Doch die Kreditkartennummer war schon für ein anderes Konto in Verwendung. Kein Wunder, schließlich handelte es sich um eine Firmenkreditkarte. FirstGate hat für diesen Fall einen Anruf im Kölner Callcenter vorgesehen.

Den ich also tätigte. Der freundliche Telefonist schickte mir ein Formular per Mail, das auszudrucken, auszufüllen
und zusammen mit Kopien meiner Ausweispapiere zurückzufaxen wäre. An dieser Stelle wollte ich schon abbrechen. Zuviel ist zuviel.

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Aber die Kollegin, die das andere Konto angelegt hatte, konnte sich sogar noch an das Kennwort erinnern. Und das funktionierte auch. Tatsächlich hielt ich einige Zeit später die digitale Welt-Ausgabe vom 11. Mai in Händen. (Davon, wie hundsmiserabel die Newsstand-Software ist, die zum Glück schon installiert war, warum auch immer, möchte ich jetzt lieber schweigen.)

Leider fehlt in der Newsstand-Ausgabe der Hamburger Lokalteil. Ein Euro und eine Stunde Zeit für nix.

Mir klungen die weisen Worte von Matthias Döpfner in den Ohren:

Die Zukunft der Zeitung ist digital. […] Wir Verlagsmanager müssen uns deshalb noch bewußter werden, daß unser Geschäft nicht das Bedrucken von Papier ist, sondern Journalismus. Journalismus im Internet und Zeitungsjournalismus. Und beide folgen unterschiedlichen Gesetzen. […] Wir müssen allerdings aufpassen, daß wir es auf dem Weg zu mehr Leserfreundlichkeit nicht übertreiben und aus Kundenorientierung Orientierungslosigkeit und Charismaverlust wird.

Web 2.0 ist keine Schnecke

Weil es so schön ist, was Jürgen Ahting da ausgegraben hat, hier in voller Länge:

On the subject of broadcast vs broadband, Tom writes:

There’s nothing rapid about this transition at all. It’s been happening in the background for fifteen years. So let me rephrase it in ways that I understand. Shock revelation! A new set of technologies has started to displace older technologies and will continue to do so at a fairly slow rate over the next ten to thirty years!

My sense of these media organisations that use this argument of incredibly rapid technology change is that they’re screaming that they’re being pursued by a snail and yet they cannot get away! ‚The snail! The snail!‘, they cry. ‚How can we possibly escape!?‘. The problem being that the snail’s been moving closer for the last twenty years one way or another and they just weren’t paying attention.

In comments, Will writes:

If one person is claiming that the world is moving fairly slowly, and has some sound advice on what this might look like (as you are doing here), and another person is claiming that the world is moving extraordinarily quickly, but offers some quickfire measures through which to cope with this, the sense of emergency will win purely because it is present. From here, it almost becomes *risky* not to then adopt the quickfire measures suggested by the second person. Panic becomes a safer strategy than calmness. Which explains management consultancy…

and John asks:

does web2.0 count as a snail too?

But Web 2.0 is not a snail.

Web 2.0 is the people pointing and shouting ‚The snail! The snail!‘

Web 2.0 is also the people who overhear the first group and join in, shouting ‚The whale! The whale!‘ and pointing vaguely upwards and towards the nearest ocean.

Web 2.0 is also the people who hear the second group and panic about the approaching whale, or is it a land-whale? what is a land-whale anyway? whatever it is, there’s one coming and we’d all better… well, we’d better tell someone about it, anyway – I mean, there’s a land-whale coming, how often does something like that happen?

Web 2.0 is also the people who hear the third group and improvise a land-whale parade, with floats and dancers and drummers and at its centre a giant paper land-whale held aloft by fifteen people, because, I don’t know, but everyone was talking about land-whales and it just seemed like a good idea, you know?

And Web 2.0 is the people who come along halfway through the parade and sell the roadside spectators standing-room tickets.

Man beachte auch den Kommentar von Dharmesh Shah:

Absolutely brilliant.

I’d thought I’d read all the possible variations of definitions on Web 2.0 that there could be.

This is by far, one of the most insightful. I have a master’s thesis I’m working on that covers „Web 2.0 Business Models — An Oxymoron“. This might be a good fit.

Media 2.0: Wo sind die Profite?

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Scott Karp schreibt in Publishing 2.0 unablässig spannende Dinge über The Business of Publishing in the Digital Age (so die Unterzeile). So jüngst eine konzise Abhandlung über die Frage, wie profitabel Media 2.0 tatsächlich ist. Scott macht die Rechnung am Beispiel von MySpace auf, das mit 28 Mrd. Seitenabrufen im März 2006 (was 366 Mrd. auf Jahresbasis ergeben würde) nach Schätzungen auf gerade mal 200 Millionen Dollar Jahresumsatz kommt:

Do the math — that’s a CPM of $0.06 $0.55!

Nun versucht zwar MySpace auf allerlei mehr oder weniger innovative Art, zusätzlichen Werbeplatz zu verkaufen – doch wozu brauchen große Marken eigentlich Werbung auf MySpace, wenn sie genauso gut oder eher noch besser die MySpace-Community nützen können, ohne dort selbst präsent zu sein? Dann nämlich, wenn ihr Branded Entertainment (siehe Pirellifilm, auch wenn das sicher kein übermäßig brilliantes Beispiel ist) seinen Zweck erfüllt und auf MySpace von den Nutzern selbst verbreitet wird?

Es könnte also sein, meint Scott, dass die Effizienzgewinne des Marketing 2.0 zum größten Teil direkt an die Werbungtreibenden gehen – und nicht an die Medien:

I’m speculating that in a 2.0 future, total spending on marketing and advertising will shrink as marketing 2.0 proves to be far more cost efficient than marketing 1.0 — and big advertisers start pocketing that half of their advertising costs that were previously wasted.

Schlechte Nachrichten für Rupert Murdoch und Georg von Holtzbrinck?

Holtzbrinck lässt bloggen

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Da braucht es doch glatt den gedruckten kress und einen aufmerksamen Kollegen, um mich (und vermutlich auch Heiko Hebig) auf germanblogs aufmerksam zu machen. Robert hatte die Plattform schon im März entdeckt und ein erstes Urteil abgegeben, das sich aufs Schönste mit meinem ersten Eindruck von heute trifft:

Ist mir insgesamt zu künstlich, kaum Faces, wenig bis gar keine Bloglinks (keine via-Links, was bei mir ziemlich sauer aufstößt), die Stories sind mE auch zu sehr auf bloggisch gemacht, schauts nach einem Versuch aus, Mainstream-Themen in Blogmagazin Form einzukapseln, mit dem Ziel, sich über Werbung finanzieren zu wollen. Die Ladezeiten sind urig langsam.

Die News vom Freitag ist: Hinter Germanblogs verbirgt sich Holtzbrinck. Und auch das hätte man schon am 14. April bei Oliver Gassner lesen können, der dort – für Geld – u.a. den blogwatch betreut. Die Bezahlung ist „regionalpresseüblich“  (Oliver) oder auch „ganz kleines Geld“ (kress), aber das wird niemanden überraschen, der schon einmal gegen Zeilenhonorar Texte bei Verlagen abgeliefert hat.

Die Technik kommt von 21Publish (Stefan Wiskemann), und Boogie Medien ist ebenfalls dabei.

Was hier nicht steht

Relevantes aus den Feiertagen:

Abgesang, die zweite

Peter Turi eröffnet sein (schon nebenan gewürdigtes) Branchendienstblog turi2 mit einem Abgesang auf die Printbranche. Etwas Ähnliches hatten wir erst neulich bei Martin Röll. Dort ging es um die klassische Werbung, mithin den wirtschaftlichen Antrieb der klassischen Medien, hier um die melancholischen Aussichten für das Verlagsgeschäft.

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Zum Glück für ihn und die allgemeine Debattierlust formuliert Turi seine Thesen hinreichend interpretationsoffen. Am Beispiel der ersten These:

Das etablierte Printgeschäft wird den Zeitschriften- und Zeitungs-Verlagen in den nächsten zehn Jahren um die Ohren fliegen.

Was heißt das genau? Es wird schrumpfen? Es wird explodieren? Soviel steht fest: Es wird sich verändern. Und zwar dramatisch. Ungefähr so, wie sich das Buchgeschäft durch die Erfindung der Tageszeitung verändert hat, die Tageszeitung durch das Radio und das Radio durch das Fernsehen. Wird es verschwinden? Nein. Das wäre ein absolutes Novum.

Aber weiter im Text:

Wer jetzt nicht den Einstiegs in die digitalen Media-Communities schafft, verspielt seine Zukunft.

Was heißt das jetzt wieder? Was sind digitale Media-Communities? Und was haben Verlage damit zu schaffen? Muss ich mir das ungefähr so vorstellen wie die Dominanz der Verlagshäuser über das private Radio in Deutschland – das vor allem deshalb so schlecht ist, weil es die Verlage als cash cow bar jeglichen publizistischen Anspruchs missbrauchen und so ihre gedruckten Pfründe verteidigen?

Oder These 3:

Die nachwachsende Generation, die erste, die mit dem Internet aufwächst, hat sich längst von Zeitungen und Zeitschriften verabschiedet.

Die ma 2005 Radio II kommt zu einem anderen Ergebnis: Demnach sagen 52 Prozent der 14- bis 19-Jährigen, sie läsen mehrmals in der Woche Zeitung, und 29 Prozent bekennen sich zur Zeitschriftenlektüre. Das ist zwar signifikant weniger als in den älteren Zielgruppen – aber vom Abschied zu reden, ist doch etwas verfrüht.

Die Tageszeitungen verlieren schon seit 1980 kontinuierlich an Tagesreichweite (laut ARD/ZDF-Langzeitstudie Massenkommunikation), aber das dürfte ebenso auf das Konto der gestiegenen Reichweite von TV und Hörfunk gehen wie auf das seit 2000 an Relevanz zunehmende Internet.

Das muss man sich auch mal auf der Zunge zergehen lassen, bevor Untergangsszenarien für das gute, alte Fernsehen an die Wand gepinselt werden: Von 2000 bis 2005 ist die Tagesreichweite des Fernsehens von 73 auf 74 Prozent gestiegen, die Sehdauer von 190 auf 211 Minuten und die Verweildauer von 259 auf 283 Minuten (laut AGF/GfK Fernsehforschung). Sehdauer und Verweildauer sind auch bei den 14- bis 29-Jährigen gestiegen, nur die Tagesreichweite sank um einen Prozentpunkt.

Also bitte nicht von den Nutzungsgewohnheiten einiger, weniger Geeks auf die Gesamtbevölkerung schließen – das kann nur schiefgehen.