Pitch Fever

Böse Zungen behaupten, der Pitch sei eine Unart, die unsere Branche von den Werbern übernommen hat. (Dem branchenfremden Leser sei zunächst kurz erklärt, dass ein Pitch eine Wettbewerbspräsentation ist, zu der potentielle Auftraggeber mehrere Agenturen einladen, um am Ende mit einer von ihnen eine mehr oder weniger dauerhafte Zusammenarbeit zu beginnen.)
Erik Spiekermann, einer der ganz Großen, ist kein Freund solcher Veranstaltungen. Er schreibt:

Das englische Verb bezeichnet das Werfen mit dem Baseball, das englische Substantiv bedeutet schlicht Pech, und zwar das Zeug, das mit Schwefel untrennbar zusammenhält. Pech haben auch die Teilnehmer eines solchen Zufallswurfes, die leer ausgehen. Wer zum Pitch einlädt, bei dem es gewöhnlich ein Anerkennungshonorar gibt, das kaum die Kosten für die Farbdrucke deckt, meint Entscheidungshilfen zu bekommen für eine Kommunikationsaufgabe. In Wirklichkeit ist es aber so, als ginge der Auftraggeber nacheinander in mehrere Restaurants, esse von jedem Tellerchen ein wenig und erkläre anschließend, er habe jetzt keinen Hunger mehr und bezahle nichts, weil ja kein Gericht seinem Geschmack entsprach.

Besser lässt sich das alte Problem nicht auf den Punkt bringen. Gescheitert sind alle Versuche, mit Hilfe von Regularien wenigstens die schlimmsten Übel abzustellen. Die Agenturen fügen sich ins Unvermeidliche und werfen weiter ihren Baseball, um die Chance auf einen Treffer zu wahren. Noch einmal Spiekermann:

Warum meinen aber immer mehr Auftraggeber, sie müssten „pitchen“ lassen und viele Designer, sie müssten teilnehmen? Weil Dummheit, Faulheit, Eitelkeit und Feigheit – die vier apokalyptischen Reiter des Gewerbes – so heftig mit den Hufen trampeln, dass der Vernunft schwarz vor Augen wird, pechschwarz.

So schwarz sehen wir hier nicht. Matt Balara aus den SinnerSchrader Studios sieht die Dinge eher pragmatisch:

There’s no point in complaining about the pitch process. It’s the standard way to win new clients in our industry, as well as in advertising, architecture and others. However, since I’ve been pitching quite a lot in the last couple of years, I’d like to take a look at how they work, and how they could work better.

Matt hat eine Reihe von Lehren aus seiner jahrelangen Pitcherfahrung gezogen. Hier seine Empfehlungen an Unternehmen, die zum Pitch einladen.

Übrigens

  • Die Netzpiloten wollen im September Blogpiloten.de starten, „eine zentrale Umschau über die wichtigsten deutschen Weblogs“. Die Kreation der Website übernimmt Fork Unstable Media.
  • Die Website arena.tv hat es in den Netzfrühling geschafft. Was bedeutet, dass sie standardkonform ist (worauf die Studios generell größten Wert legen).
  • Aus ibusiness – inklusive Joachim Graf wirklich ein Urgestein der Branche – wird im September ibusiness 3.0, „ein Wissenportal und Trendscouting für New Media Manager“. Und webzwonullig wird’s auch. Wir sind gespannt.

Mit diesen drei Informationshäppchen entlässt der Fischmarkt seine geneigte Leserschaft ins verdiente Wochenende.

Eilmeldung: Pixelpark und Elephant Seven wollen fusionieren

Gerade kam die Ad-hoc rein.

Die Vorstände der Pixelpark AG, Berlin, und der
Elephant Seven AG, Unterhaching/München, haben heute mit Zustimmung
der jeweiligen Aufsichtsräte eine gemeinsame Grundsatzvereinbarung –
Memorandum of Understanding – für einen partnerschaftlichen
Zusammenschluss („Merger of Equals“) der beiden Unternehmen
unterzeichnet.

Ziel des Zusammenschlusses ist es, beide Unternehmen, die in den
Bereichen der Kommunikation, Multimedia und Systemtechnologie tätig
sind, zusammenzuführen und somit wirtschaftlich und strategisch auf
dem deutschen Markt der Interaktivdienstleistungen eine verbesserte
Position einzunehmen.

Nach Angaben beider Unternehmen soll die Umsetzung im dritten und
vierten Quartal 2006 erfolgen.

JvM ohne Kabel

Peter Kabel und Jung von Matt trennen sich. Das meldet new business. Und der Kontakter auch. Inklusive Dementi:

„Ich habe nicht
gekündigt, ich bin nicht gekündigt worden, ich habe mich nicht
beworben und führe keine Gespräche mit anderen Agenturen“, sagt Peter
Kabel gegenüber dem Kontakter. Agenturchef Holger Jung auf Anfrage:
„Wenn wir meinten, Peter Kabels Abgang jetzt melden zu müssen, würden
wir es tun. Wir machen es aber nicht.“

Hört sich so ein glasklares Dementi an?

Neues von Neusta

Der Bremer Technologie-Dienstleister Neusta, der Anfang des Jahres mit Interwall zur zehntgrößten Agentur des Landes fusionieren wollte, hat jetzt klargestellt, warum aus der Sache nichts werden konnte:

NEUSTA hat mit der Firma Interwall Gesellschaft für digitale Medien GmbH seit Anfang 2006 Fusionsgespräche geführt. Diese wurden von NEUSTA Anfang Juni 2006 abgebrochen, da zu diesem Zeitpunkt die für die mögliche Fusion vereinbarten Voraussetzungen von Interwall nicht mehr erbracht werden konnten.
Die Firma Interwall Gesellschaft für digitale Medien GmbH hat NEUSTA mitgeteilt, dass Sie in Liquiditätsschwierigkeiten größerem Umfangs geraten ist und beim Amtsgericht Bremen vorläufige Insolvenz anmelden mußte. Nach Angaben von Interwall ist die Tochterfirma Interwall Merchandising GmbH von der vorläufigen Insolvenz nicht betroffen.
Aufgrund dieser Sachlage sind die Voraussetzungen für die zwischen Interwall und NEUSTA beabsichtigte Fusion nicht mehr gegeben und NEUSTA hat die Fusionsverhandlungen abgebrochen. NEUSTA bedauert dies, da die mit der Fusion beabsichtigte Vereinigung von hoher technologischer Kompetenz und den Kompetenzfeldern einer Internet-Agentur strategisch sinnvoll gewesen wäre.

Neusta hat aktuell 77 Mitarbeiter (72 feste Mitarbeiter und 5 Auszubildende) und erwartet für 2006 einen Umsatz von 6,2 Mio. Euro (Umsatz 2005: 5,2 Mio. Euro). Das 1. Quartal 2006 sei mit der Gewinnung von drei Neukunden und einem Umsatz von 1,6 Mio. Euro das erfolgreichste Quartal der Firmengeschichte gewesen.

Kontrollierte Vorläufige Insolvenz

Eine Erklärung für die Ungereimtheiten in Sachen Fusion zwischen Interwall und Neusta erreichte den Fischmarkt inzwischen per Telefon. Demnach sei Interwall zwischenzeitlich durch Zahlungsausfall von Seiten eines bedeutenden Kunden in Schwierigkeiten geraten und befinde sich nun in einer „kontrollierten vorläufigen Insolvenz“. Per Umstrukturierung – was in diesem Fall wohl „Entlassungen“ heißt – soll die Firma wieder flott gemacht und fortgeführt werden. Das Thema Fusion habe sich demnach erledigt.
Den Rest der Geschichte hatte gestern ibusiness.de:

„Im Rahmen der Fusionsverhandlungen hat Interwall uns mitgeteilt, dass sie Liquiditätsprobleme eines Betrages in bedeutender Höhe haben und gegebenenfalls einen vorläufigen Insolvenzantrag stellen müssen“, erklärt Neusta-Chef Dirk Schwampe auf iBusiness-Nachfrage. Darauf hin habe Neusta die Fusionsverhandlungen abgebrochen.
Inzwischen habe Interwall laut einer von Neusta veröffentlichten Stellungnahme beim Amtsgericht Bremen vorläufige Insolvenz angemeldet.

Fusion und Diffusion

Interwall und Neusta

„Interwall und NEUSTA wachsen zusammen“, verkündete am 10. Januar 2006 eine Pressemitteilung der Bremer Agentur Interwall. „Durch die Fusion der Unternehmen Interwall und NEUSTA entsteht in Bremen eine der größten und weiter am stärksten wachsenden Internetagenturen.“

Das neue Unternehmen verbinde die Kompetenzen Multimedia, Online-Marketing, Merchandising-Shops und Softwareentwicklung, hieß es. Es beschäftige 115 Mitarbeiter und habe im Jahr 2005 einen kumulierten Umsatz von mehr als 9 Mio. Euro erzielt. Interwall wäre damit an Hanke hmmh Multimediahaus Bremen vorbeigezogen, das (laut New Media Service Ranking) 8,93 Mio. Euro umsetzte und damit Platz 10 belegte.

Doch knapp sechs Monate später will von der Fusion niemand mehr etwas wissen. Die Pressemitteilung ist stillschweigend von der Website verschwunden, und der verhinderte Fusionspartner Neusta hat seinen über lange Jahre bewährten Webauftritt reaktiviert.

Das aktuelle New Media Ranking weist Interwall mit 4,5 Mio. Euro Umsatz im Jahr 2005 aus – und 98 (!) Mitarbeitern zu Beginn des Jahres 2006. Neusta müsste demnach ebenfalls 4,5 Mio. Euro umgesetzt haben und hat laut Website 77 Mitarbeiter. Macht zusammen 175 – und nicht 115, wie es in der Pressemitteilung hieß, in der Neusta-Geschäftsführer Carsten Meyer-Heder wie folgt zitiert wird:

„Wie hoch der Grad der gegenseitigen Ergänzung ist, zeigt die Tatsache, dass keine Schnittmengen bei Funktionen und Personal existieren. Konkret heißt dies, dass wir auf keinen einzigen Mitarbeiter verzichten. Im Gegenteil nehmen wir uns vor, weiter zu wachsen und in diesem Jahr etwa zehn zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen.“

Irgendetwas kann da nicht stimmen.