Die Kirche des Mac

Ich gebe zu, dass ich nicht aus freien Stücken in die Kirche des Mac eingetreten bin. Mein Äpfelchen ist gar nicht meins, sondern ein Arbeitsgerät, das mir mein Arbeitgeber zur Verfügung stellt. Cuius regio, eius religio.
Trotzdem wäre mein Arbeitsleben auch als Windows-Protestant irgendwie weitergegangen. Und der freundliche Macverwalter hat sogar schon mit einem Windows-Rechner gedroht, nachdem ich das MacBook in kürzester Zeit in die Knie gezwungen hatte und über mangelnde Leistung klagte. Vielleicht sollte ich doch nicht gleichzeitig Outlook unter VMware, Entourage und Firefox oder Flock betreiben.
Firefox und Flock sind ziemlich lahm – jedenfalls dann, wenn man wie ich gern mal zwanzig bis sechzig Tabs offen hält. Safari sei der Browser der Wahl auf dem Mac, höre ich überall. Das mag ja richtig sein, aber ich bin seit Jahren mit Firefox unterwegs. Und in gewisser Weise eingesperrt, weil der Fuchs vermutlich um die hundert Kennwörter für alle möglichen Websites gespeichert hat, an die ich mich kaum noch erinnern kann.
Entourage ist gar nicht so schlecht, wenn man wie ich fast acht Jahre lang Outlook benutzt hat. Es hat ein paar nette Funktionen, die Outlook nicht hat. Entourage kann zum Beispiel Projekte verwalten. Das könnte nützlich sein. Entourage zeigt mit einem Klick Mail an, die Bezug zur gerade gelesenen Mail hat. So genügt ein Klick, um zu sehen, auf welche Mail sich eine Antwort bezogen hat. Entourage 2008 soll noch viel besser sein.
Für einen Umstieg auf Apple Mail, Adressbuch und iCal müsste irgendwie das Problem der Synchronisation mit Exchange gelöst werden. Da gab es zwar schon ein paar freundliche Hinweise in den Kommentaren, aber noch keine fertige Lösung. Seit heute synchronisiert Entourage das Adressbuch und den Kalender. Funktioniert.
Womit wir beim entscheidenden Unterschied zwischen Windows und Mac wären: dem Markenversprechen von Apple.

Es lautet: It just works. If it doesn’t, it’s your fault.
Ich bin durchaus begeistert von der freundlichen Aufnahme in die Gemeinde der Apple-Jünger. Von allen Seiten kommen nützliche Hinweise. Jeder freut sich, wie sich der Hirte freut über das verlorene und wiedergefundene Schaf.
Der Punkt ist nur der: Apple erfüllt nicht einmal annähernd sein Markenversprechen. Der Mac funktioniert eben nicht immer und überall. Bei Windows haben wir uns daran gewöhnt. Aber Windows verspricht auch nichts dergleichen. Sein Markenversprechen lautet eher: Windows ist der Standard und gut genug für die meisten von uns.
Bei Apple ist eine gewisse Arroganz eingebaut, wie die berühmte Vorfahrt im Mercedes. Und die Freundlichkeit dem Konvertiten gegenüber wandelt sich schnell in Hass auf den Dissidenten, der es wagt, am Denkmal zu kratzen. (Ich hoffe, diesem Schicksal zu entgehen. Ich finde das Äpfelchen schick, auch wenn mich stört, dass ich mich seinen Regeln unterwerfen muss.)
Wo ist das Problem? Ich könnte es nicht besser sagen als Dave Winer:

The problem isn’t with Microsoft or Apple as a culture, the problem is with the tech industry.

Google has it too. They will break us, I’m sure of it. If I told you how, they’d unleash a storm of hate at me very much like what you get when you criticize Apple. Even Microsoft used to have its anonymous assholes on the net who would make you feel pain for questioning their competence or integrity. [Winer’s point is] the hypocrisy of Apple’s marketing, the lack of humility that guarantees that everything we care about, as users, will eventually break if we trust the tech industry to take care of our needs.

The only way this is going to change, and the signs are good, is if the users take over from the press at telling the truth about these products.

Focus on people

My advice – focus on people. The tech empowers people and it will change. Sites come and go. Excuse me while I update my Tripod page.

Edelman-Blogger Steve Rubel auf Twitter

Nebenbei bemerkt: Mindestens die Marke Tripod gibt es immer noch. Was die These bestätigt, dass auch im Internet das Rieplsche Gesetz gilt: Kein neues, höher entwickeltes Medium verdrängt ein altes vollständig, es verändert lediglich dessen Funktion.

Frühstücksadministration

Wenn Systemadministratoren das Agenturfrühstück organisieren. Folgende Einladung zu eben jenem erreichte letzthin die Kollegen:

Bitte loesen sie selbstaendig und ohne Hilfsmittel folgende Klausuraufgabe:
WHEN DATE == „04. Juli 2007 08.30 (MESZ)“ THEN
GOTO VOELCKERSSTR. 38;
SELECT * FROM TABLE „LECKEREIEN“ ORDER BY „TASTE“; WHILE NOT SATT DO
EAT „ALL_YOU_CAN“;
RETURN „GESCHIRR“; // Ordentlich!!
Klausureinsicht ist am 4. Juli 2007 in der Zeit von 08.30 bis 09.30 Uhr in den Raeumen der Cafeteria moeglich.

Das Frühstück war dann aber sehr analog, untechnisch und außerordentlich lecker…

Multitouch von Microsoft

Microsoft Surface (Demovideo)

Bis gestern dachte ich, große Multitouchscreens seien von der Marktreife noch ein gutes Stück entfernt. Doch nun hat Microsoft auf der D5: All Things Digital eine Art Multitouch-Tisch („Microsoft Surface“) vorgestellt.

Die Maschinen sollen noch in diesem Jahr käuflich zu haben sein, preislich allerdings etwa um den Faktor 10 teurer als herkömmliche Rechner. Larry Larsen zeigt ein zehnminütiges Demovideo. Heise tickert eine Zusammenfassung der Pressemitteilung von Microsoft.

Doch am besten zeigt dieser Vierminüter von PopularMechanics, was in Microsofts neuem Tisch steckt:

Robert ist schon ziemlich aufgeregt.

Beyond the browser

Adobe Apollo ist auf meinem Radarschirm, seit es Daniel Scheerer in einem Kommentar als so etwa die beste Erfindung seit aufgeschnittenem Brot darstellte. Es steht für einen Trend zum Offline-Web und zu Web-Anwendungen, die sich vom Browser und damit vom klassischen Paradigma einer Seite im Web lösen.

Für den fälligen Grundsatzartikel auf dem Fischmarkt hat es bis jetzt nicht gereicht. Freundlicherweise hat sich nun Markus Breuer gründlich mit der Materie befasst.

Apollo macht es möglich, mit web-typischen Entwicklungswerkzeugen wie HMTL, JavaScript und Flash, Anwendungen zu entwickeln, die unabhängig von einem Browser (und sogar unabhängig von einer Internet-Verbindung) funktionieren.

Nach ausführlichem Tech-Talk kommt er zu diesem Schluss:

Spannend! Apollo hat m.E. wirklich das Zeug, quasi ein Acrobat für Anwendungen zu werden. Abwarten muss man natürlich, inwieweit sich Microsoft das gefallen läßt. Denn, wenn es nach MS geht, sollen die coolen Anwendungen natürlich unter Vista laufen, und zwar nur unter Vista!

Was schreiben die Anderen?

Mike Chambers, führender Apollo-Apologet (oder kurz: Apolloget), erläutert ausführlich die Daseinsberechtigung von Apollo und schließt mit der Feststellung: „Apollo applications complement web applications in the browser. They do not replace them.“

Eine Grundsatzdebatte führen John Milan und Richard MacManus bei Read/WriteWeb über die Frage, ob eine Offline-Webanwendung oder eine Online-Desktopanwendung besser ist (und wo genau eigentlich der Unterschied liegt). Dem war ein Bericht von Alex Iskold über die Apollo-Präsentation auf der ETech 2007 vorausgegangen.

Umwerfend

In Monterey hat gestern die TED2007 begonnen. Bruno Guissani liefert wieder exzellentes Liveblogging für alle, die nicht dabei sein können. (TED2008 ist übrigens auch schon ausverkauft.)

Jeff Han, regelmäßige Leser mögen sich an ihn erinnern, ist nach 2006 (siehe Video oben) nun zum zweiten Mal auf der TED. Diesmal zeigt er seine interaction wall (siehe Foto unten), ein noch größerer Multitouchscreen mit noch mehr Möglichkeiten. Giussani berichtet:

It’s an amazing thing: enlarging a picture requires only touching it with two fingers and moving them apart — with the file following their movements and spreading on the screen. There is basically no structured interface to his device: they just “ navigates“ in the information, zooming in and out of maps or tilting them or adding graphic elements or redistributing images on the screen just by moving their fingers on them.  They add layers of images — a map on top of a map, for example, where the one on top acts as a „lens“. They have built in dozens of applications, and functionalities that make it even more effective: drawing a circle for example initiates a menu, etc.

Jeff Han und Phil Davidson zeigen die interaction wall (Bild: Bruno Giussani)

Und klar, Giussani bringt auch die Usability-ProblemeHerausforderungen zur Sprache, die neulich schon auf dem Fischmarkt Thema waren (siehe dort in den Kommentaren):

„The most interesting thing is that when people first use this, they tend to go with one finger, then retract it: we basically have to un-teach people what they have learned so far about computing, and convince them that they can use several fingers, that several people can work on the screen at once, that you can actually use a random number of touchpoints, etc“. The Apple iPhone, when it comes out, may help: it will also come with a multitouch screen, although it’s so small that it won’t make for a very interesting multitouch device (Jeff’s „wall“ is 8 feet wide). This is a mindboggling breakthrough technology.

Multichannel, nächste Runde

n2N Commerce / Victoria's Secret

Multichannel ist ein altes, noch immer uneingelöstes Versprechen und eine Aufgabe für jeden Versender – Fluch und Verheißung zugleich. Es ist eine Schlacht an vielen Fronten, und eine davon ist die technische Seite.

Nun schickt sich ein neuer Spieler an, aufs Feld zu laufen. Sein Name, ganz programmatisch, lautet n2N Commerce. Der erste Kunde, kein Zufall, heißt Victoria’s Secret. Der Versender wird sein gesamtes, 1,3 Milliarden Dollar schweres E-Commerce- und Kataloggeschäft auf einer einzigen Plattform betreiben.

n2N Commerce ist ein Spin-off von Limited Brands, der Muttergesellschaft von Victoria’s Secret. Trotzdem hält Jeff Barry die Nachricht für signifikant:

It’s a sure sign of changing times when a $1.3 billion direct-to-customer, multichannel business decides to switch to a software-as-a-service platform. The big news related to the n2N model is the scale involved. Prior to this, only small- to medium-sized companies have used on-demand solutions. N2N’s goal is to be the first cross-channel, on-demand, e-commerce software solution designed for large multichannel retailers.

Tamara Mendelsohn von Forrester ist vorsichtiger:

The company is targeting only the very largest of retailers (top 50), so it has the advantage of a highly targeted audience, however with such a small market they have limited opportunities and a limited timeframe. Its first challenge is putting this platform together — it has chosen the technologies pretty wisely to speed up the development process, but despite a very aggressive time frame with Victoria Secret and by the time it brings the full solution to market, it may have missed the boat – there are several other vendors who have come to me recently with plans to do the same thing, and many retailers are beginning the replatforming process — choosing vendors and creating a strategy — NOW.

Scharfsinnige Pixel

Berührungslose Interfaces mit Berührungseingabe sind nicht erst seit dem iPhone ein spannendes Thema. Jeff Han hat kürzlich Perceptive Pixel gegründet, um das logische Gegenstück zum iPhone zu vermarkten – riesige Multitouchscreens. Die jüngste Demo (siehe oben) lässt, meint Gerrit van Aaken, das Wasser im Munde zusammenlaufen:

Science-Fiction pur, aber das Fiction können wir bald streichen, das sieht schon unfassbar fertig aus! Über das iPhone kann man da nur noch lachen!

Warum Endlosterminserien böse sind

Serientermine bei Outlook

Ist Outlook eigentlich schon Web 1.0? Oder eher noch Web 0.5? Wie dem auch sei – vor sechs Jahren war Outlook/Exchange ein echter Fortschritt. Heute ist es ein echtes Produktivitätshindernis.

Ohne diese These jetzt näher begründen zu wollen, möchte ich ein Problem brandmarken, das vermutlich nicht einmal outlookspezifisch ist, sondern viele digitale Kalender teilen – die Terminserien ohne definiertes Ende.

Die sind nämlich böse. Und ich sage auch, warum. In meinem Kalender finde ich eine Reihe solcher Terminserienleichen. Irgendwann habe ich den Fehler gemacht, einer Einladung zuzusagen, und jetzt habe ich den Salat. Es gibt genau drei Möglichkeiten:

  1. Ich kann die verwaiste Terminserie löschen. Damit sind dann aber auch alle vergangenen Termine im digitalen Orkus, und das ist nicht unbedingt erwünscht. Das ist so, als ob ich aus meinem Moleskinekalender die zurückliegenden Termine herausschneiden müsste, nur um künftige Termine zu streichen.
  2. Ähnliches gilt, wenn ich selbst ein Enddatum einsetze. Dann meldet Outlook:

    Alle zu dieser Terminserie gehörenden Ausnahmen gehen verloren. Falls es sich bei Ausnahmen um Besprechungen handelt, werden die Teilnehmer nicht benachrichtigt. Sind Sie damit einverstanden?

    Nein, bin ich nicht. Ich will auch die Ausnahmen behalten. Dafür habe ich einen Kalender.

  3. Bleibt nur, alle künftigen Termine von Hand zu löschen. Oder den ganzen Kalender zu archivieren, einen neuen zu beginnen und dort nur noch neue Termine einzutragen. Mit anderen Worten: Mehraufwand.

Kein Wunder, dass im Kanzleramt ein elektronischer und ein papierner Kalender parallel geführt werden.

Conclusio: Endlosterminserien sollten gar nicht erst erlaubt werden. Bitte in allen digitalen Kalendern abschaffen. Danke.