„Facebook macht alles richtig“

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Universität Mannheim, 19 Uhr, der Hörsaal ist voll, 200 Studenten warten auf Ehssan Dariani, Gründer und Ex-Chef von StudiVZ, Deutschlands mitgliederstärkstem Social Network. Dariani ist über die Webszene hinaus bekannt, 2006 sorgte nicht nur sein Unternehmen, sondern auch er persönlich, für einige Aufmerksamkeit mit einer … sagen wir … etwas ungeschickten Außendarstellung. Doch das ist lange her, Dariani längst nicht mehr bei StudiVZ aktiv und aus der Öffentlichkeit verschwunden.

„Ehssan hat seinen Flug verpasst und wird frühestens in einer halben Stunde hier sein.“ Unruhe im Saal, die ersten stehen auf und gehen. Um mich herum eine latente Abneigung gegen StudiVZ und den noch nicht eingetroffenen Redner.

Als er um halb acht kommt, ist der Hörsaal wieder bis auf den letzten Platz gefüllt und er legt gleich los – überraschend witzig, authentisch, selbstironisch, sympathisch. Er erzählt von den Anfängen bei StudiVZ, wie er in Berlin auf dem Sofa eines Bekannten die Nächte und in Cafes mit freiem WLAN die Tage verbringt. Mit einem Versuch, Kosmetik für Männer an den Mann zu bringen, sei er gnadenlos gescheitert und von StudiVZ wollte auch niemand was wissen. Doch dann hätten ihm Lukasz Gadowski und Matthias Spieß, die beiden Spreadshirt-Gründer, 10.000 Euro für einen Zehn-Prozent-Anteil an StudiVZ gegeben.

Erheiterung im Saal, als er berichtet, dass er zwar in den zwei Jahren bei StudiVZ mehr Geld verdient habe, als die meisten in ihrem ganzen Leben, aber immer noch kein Auto besitze – und wieder, als er erzählt, dass er nicht mit Excel umgehen könne, völlig unstrukturiert sei, „ein typischer ADHS-Fall, total hyperaktiv, aber auch sehr kreativ.“

Man merkt, dass er es eilig hat, er springt geradezu von einem Punkt zum nächsten: SchülerVZ, das „StudiVZ für Schüler“ habe den großen Bruder zwar an Page Impressions mittlerweile überholt, aber nicht an Visits: „Da sind halt die ganzen Teenies und klicken den ganzen Tag rum.“ Oder: „Leute in großen Konzernen sind alles Bürokraten.“ Später: „Wenn man ein gewisses Geltungsbedürfnis hat, so wie ich …“

Er lüftet das Geheimnis, wie die Farben der Plattformen zustande kamen: das Rot von StudiVZ sei dem Zufall und der Rot-Grün-Blindheit eines Bekannten geschuldet, das Magenta Pink bei SchülerVZ habe man bewusst gewählt, in der Hoffnung von einem großen deutschen Konzern verklagt zu werden und damit Aufmerksamkeit zu erregen. Aber die Konzerne bewegen sich halt sehr langsam, fügt er enttäuscht hinzu. Seinen Missmut über das derzeitige Management bei StudiVZ kann er immer wieder nur schwer unterdrücken – so auch als er bezweifelt, dass MeinVZ Erfolg haben wird („Ich hätte das so nicht gemacht.“)

Später wird er gefragt, warum Holtzbrinck so viel Geld für StudiVZ ausgegeben habe und kommt zu der steilen These: „Bevor die StudiVZ gekauft haben, kannte doch niemand Holtzbrinck.“ Was er zur Öffnung von Social Networks meine, so wie „zum Beispiel Facebook Anwendungen von Drittanbietern ermöglicht, StudiVZ da aber noch zögert“ wird er gefragt. Dazu hat er eine überraschend klare Meinung, für die er nicht nachdenken muss: „Facebook macht alles richtig. StudiVZ …“ – er kommt ins Stocken – „… noch jemand eine Frage?“

Nach fünfzig Minuten muss er los, „den letzten Flieger nach Berlin kriegen“ – das Auditorium applaudiert, die Mädels in der Reihe hinter mir, die am Anfang noch über Dariani lästerten, sind sich einig: „Der ist ja eigentlich total nett.“

Fünf Mythen über Facebook und StudiVZ

Dieser Tage werden jede Menge Fakten über Facebook und StudiVZ bekannt. Mark Zuckerberg selbst sprach gestern über den für 2008 geplanten Umsatz (300 bis 350 Mio. US-Dollar), das erwartete Ergebnis (50 Mio. EBITDA) und die vorgesehenen Investitionen (200 Mio.). Anlass genug, einige der gängigen Mythen auf ihren Realitätsgehalt hin zu untersuchen.

  1. Ist Facebook 15 Mrd. US-Dollar wert? Schon möglich, aber worauf stützt sich diese Bewertung? Microsoft hat im Oktober 2007 zwar zu dieser Bewertung einen Minderheitsanteil erworben, wurde aber gleichzeitig exklusiver Werbevermarktungspartner für Facebook, und zwar weltweit. Diese Tatsache dürfte bei der Preisfindung eine Rolle gespielt haben.

    Der Handel sieht in etwa so aus: Microsoft stellt große Teile des für die weitere Expansion nötigen Kapitals bereit und sorgt gleichzeitig für zusätzliche Einnahmen, an denen Microsoft wiederum direkt (aus der Vermarktung) und indirekt (als Miteigentümer von Facebook) partizipiert. Ob sich das Geschäft für Microsoft lohnt, hängt viel stärker von den direkten Mittelrückflüssen ab als von den indirekten.

    Mit anderen Worten: Die Bewertung von Facebook kann Microsoft weitgehend kalt lassen. Als exklusiver Werbevermarktungspartner sitzt Steve Ballmer am Drücker. Alles andere ist eine Wette für den Fall eines Börsengangs, der nicht vor 2009 zu erwarten ist. Hier winken Microsoft weitere Erlöschancen. Ob Facebook also 15 Mrd. US-Dollar wert ist, wird sich erst beim Börsengang zeigen. In diesem Punkt hat WPP-Chef Martin Sorrell völlig Recht.

  2. Mögen die Nutzer keine Werbung? Schon möglich, aber welche Rolle spielt das? Es gibt in der ganzen Medienlandschaft ja nur zweieinhalb Finanzierungsmodelle: Werbung oder Abonnements, letztere auch in Form von Gebühren für öffentlich-rechtliche Anstalten. Im Web hat sich das Abomodell bis jetzt nur in Nischen (Xing, Singlebörsen, Porno) durchsetzen können. Bleibt also Werbung als Geschäftsmodell, und dagegen ist in einer kapitalistischen Marktwirtschaft auch nur wenig einzuwenden.

    Die Nutzer werden im Zweifel mit den Füßen abstimmen, aber mir ist bis jetzt kein Fall bekannt, in dem dies tatsächlich zu Schwierigkeiten geführt hätte. Der übliche ZwergenNutzeraufstand anlässlich der Einführung irgendwelcher neuer Features gehört zum Ritual und muss durchgestanden werden. Wir haben ihn bei der Einführung des Newsfeed gesehen (bei Facebook wie auch bei Xing) oder bei der Einführung neuer Werbeformen, -formate und -bedingungen (bei Facebook, StudiVZ und Xing).

    Am Ende wird etwas modifiziert, reformuliert, hier und da ein neuer Konfigurationsknopf eingeführt oder die Voreinstellungen angepasst – und am Ende läuft die Sache. Plattformbetreiber haben nur die Wahl, sich etwas geschickter (Facebook), weniger geschickt (Xing) oder total ungeschickt (StudiVZ) anzustellen. Der Rest wird im weltweiten Dialog entschieden, und die Presse hat was zu schreiben. In diesem Punkt hat GWP-Chef Harald Wahls völlig Recht, wenn er in Horizont 5/2008 feststellt:

    Die Frage ist, wie groß die Protestwelle der Mitglieder wirklich war. Kritik an einem so großen Portal, das Studenten als Zielgruppe hat, ist anscheinend vor allem für die Journalisten interessant.

  3. Erfindet Facebook die Werbung neu? Schon möglich, aber bislang spielt das keine große Rolle. Facebook Beacon hat seine Bedeutung innerhalb der Eigenvermarktung von Facebook. Microsoft setzt für die Vermarktung zunächst einmal auf herkömmliche Instrumente. Targeting wird erst nach dem Abschluss der aQuantive-Übernahme durch Microsoft relevant, wenn Atlas zum Einsatz kommt. Wie ernst es Microsoft mit dem Thema Webwerbung ist, zeigt nach aQuantive und Facebook der dritte Schritt – Yahoo.

    Google ist so groß und so wertvoll geworden, weil Google die Onlinewerbung um eine bis dahin praktisch unbekannte Dimension erweitert hat – höchst zielgerichtet eingespielte Textanzeigen. Werbung wird besser, je genauer sie gezielt wird. Perfekt gezielte Werbung ist gar keine Werbung mehr, sondern Information.

    Facebook könnte die Onlinewerbung um eine weitere Dimension erweitern, wie auch immer das im Detail aussehen wird. Auf diese Möglichkeit stützt sich die oben diskutierte Unternehmensbewertung. Da sie die Zukunft betrifft, bleibt uns nur abzuwarten, wie weit Facebook kommt.

  4. Wird das deutschsprachige Facebook zuerst StudiVZ angreifen? Schon möglich, aber wozu sollte das gut sein? Facebook ist längst viel breiter positioniert als zu jener Zeit, da StudiVZ eine billige Kopie vom großen Original zog. Studenten stehen nicht mehr im Vordergrund. Erst recht nicht in Deutschland, da unter den 600.000 hiesigen Nutzern nur relativ wenig Studenten zu finden sind. Und siehe da: Facebook setzt vor allem auf die vielen viralen Effekte seiner Plattform. (Mit Viren kenne ich mich jetzt aus, die können ganz schon hartnäckig sein.)

  5. Wird Facebook StudiVZ kaufen? Schon möglich, aber wozu sollte das gut sein? Um die Investition Holtzbrincks am Ende doch noch mit einem schönen Ausstieg zu krönen? Um eine Zielgruppe an Land zu ziehen, die Facebook gar nicht braucht? Um eine Plattform zu übernehmen, die sich nach allen Regeln der Kunst selbst demontiert hat? Um Geld auszugeben, dass Facebook anderswo viel besser investieren kann?

Möglich wär’s

„It’s certainly possible“, bestätigte Matt Cohler, Vice President von Facebook, heute auf der DLD-Konferenz in München die mögliche Übernahme von StudiVZ. Gefragt hatte ihn danach FAZ-Netzökonom Holger Schmidt, der allerdings eine solche Übernahme für höchst unwahrscheinlich hält. Facebook hat auch ohne StudiVZ und ohne deutschsprachige Version bereits ein solches Momentum erreicht, dass es aus eigener Kraft groß werden kann.
Allen Webkommunikationswerkzeugen zum Trotz (oder gerade deswegen?) haben sich hier in München die digitalen Massen versammelt. Voll ist’s, die Location platzt aus allen Nähten, und mancherlei Unannehmlichkeit lässt sich offensichtlich nicht vermeiden.
Ein paar Bilder vom heutigen Tag:
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Was könnte besser als Werbung sein?

It's all about relationships
Über die Zukunft der Werbung toben dieser Tage heftige Debatten allenthalben. Facebook-Gründer Marc Zuckerberg hat mit der neuen Facebook-Werbeplattform einen nicht unbescheidenen Anspruch erhoben:

For the last hundred years media has been pushed out to people, but now marketers are going to be a part of the conversation.

Der Economist befasst sich mit den Details dieser Transformation, so es denn eine ist. Falsche Frage, meint Doc Searls, einer der Autoren des Cluetrain Manifesto. Die richtige Frage wäre demnach:

Can we equip customers to become independent of sellers and their controlling intentions — Including the unwanted crap that constitutes far too much of the world’s advertising?

Was er dann skizziert, kam mir irgendwie bekannt vor:

The problem we still have is a conceptual default. We think, talk and design „solutions“ that work entirely on the sell side. We have CRM (customer relationship management) systems that are less about helping real customers than about „managing“ them. What we need is VRM (vendor relationship management), by which customers get to manage vendors as well. With CRM+VRM, both sides can truly relate on mutually beneficial terms.

Until CRM meets VRM and starts working out real relationships, we’ll keep thinking the only answers come from the sell side and keep putting old crap in new wrappers.

Echte Beziehungen? Wow! VRM? Man könnte es auch CRM 2.0 nennen:

Die Konsolidierung der Kundendaten
seitens des Unternehmens im Sinne eines einheitlichen Managements der Kundenbeziehung (CRM) ist nur ein erster Schritt. Denn durch die interaktiven Kanäle wird der Kunde zum aktiven Partner in
der Beziehung. Vormals ausschließlich interne Unternehmensprozesse werden bis zum Kunden hinaus
verlängert und müssen hinsichtlich Nutzen und Gestaltung Akzeptanz finden. Kunden streben danach,
Produkte und Prozesse nach eigenen Wünschen maßzuschneidern. Gelingt dieses, gehen Kunden und
Unternehmen ein beinahe symbiotisches Verhältnis
ein – der Kunde wird durch seine Einbindung in die
Service- und Transaktionsprozesse des Unternehmens
zum Manager seiner Unternehmensbeziehungen.
Customer Relationship Management wird so zu Company Relationship Management (CRM 2.0).

Diese Passage stammt aus der Feder von Matthias Schrader und ist gedruckt worden im Geschäftsbericht 2000/2001 von SinnerSchrader. Daran kann ich mich noch erinnern, denn es war der erste, an dem ich seinerzeit beteiligt war.
Doch zurück zum Thema. Was ist Werbung, was kann Werbung und was kann Werbung nicht? Doc Searls:

Advertising is about supply finding and „creating“ demand. Nothing wrong with that. At its best it’s good and necessary stuff. But think about what will happen when demand can find and create supply. That’s the real holy grail here. And it’s one that will take fresh development effort on both the supply and demand sides. The difference between those two right now is that the supply side has been working on targeting, creating and controlling demand for the duration, and the demand side is still getting started.

Die Angebotsseite hat 100 Jahre Vorsprung, aber die Nachfrageseite beginnt aufzuholen.

OpenSocial in Deutschland?

„Facebooks FBML/FQL wird der Standard für Social Networks werden“, prophezeite Nico Lumma im Sommer. So kann man sich irren. Mit einem über Monate hinweg vorbereiteten Coup hat Google die Networkingbranche geeint und mit OpenSocial einen anbieterübergreifenden Standard etabliert. Oder wenigstens ins Leben gerufen. Ob zum Schaden für Facebook, darüber sind die Auguren noch uneins.

Aus Deutschland sind immerhin zwei Anbieter gleich zum Start dabei. Mit Xing war zu rechnen, kündigt doch Lars Hinrichs seit Jahren Monaten eine Programmierschnittstelle an, mit der Dritte kontrolliert auf Xing-Daten zugreifen können. Bezeichnend ist jedoch für den traurigen Zustand des Reichweitenkönigs StudiVZ, dass dort weder das Vorbild Facebook kopiert noch OpenSocial adaptiert wird.

Stattdessen ist der Eventplattform amiando eine echte Überraschung gelungen: Das Münchner Startup ist beim Start dabei. „In wenigen Wochen“ will amiando eine eigene Anwendung vorstellen. Für die Eventorganisation bietet OpenSocial einiges Potential. Denn das Thema Events ist für die meisten Nutzer zu schmal, um dafür ein Profil auf einer separaten Plattform zu pflegen.

Mit OpenSocial bieten sich nun zwei Wege für die weitere Expansion an: amiando kann sich Präsenz auf anderen Plattformen verschaffen oder Daten von anderswo integrieren, zum Beispiel um die Nutzerprofile aufzuhübschen. Zunächst geht amiando den ersten Weg, aber prinzipiell sind beide Wege sind möglich und sinnvoll.

In der neuen Welt von OpenSocial zeichnet sich eine gewisse Arbeitsteilung ab. Auf der einen Seite stehen die großen Plattformen, auf denen sich die Nutzer registriert haben. Hier liegen die Profildaten und die Adressbücher mit den Kontakten der Nutzer. Auf der anderen Seite befinden sich die Anwendungsentwickler. Dort liegt der Fokus bei Funktionen, Unterhaltung oder Information.

OpenSocial ist der Marktplatz, auf dem sich beide Gruppen treffen. Hier tauschen sie Profil- und Kontaktdaten gegen Funktionen, Unterhaltungs- und Informationsformate. Plattformen wie MySpace oder Xing bereichern sich nach dem erfolgreichen Vorbild von Facebook um zusätzliche Funktionen, ohne sie selbst entwickeln zu müssen. Entwickler bekommen Zugang zu großen Nutzergruppen, ohne sie selbst rekrutieren zu müssen.

Das Web 2.0 steht vor einer Konsolidierungswelle. Wenn ich heute meinen Firefox starte, gehören die ersten zehn bis 15 Karteireiter nur den sozialen Netzwerken, angefangen von Google Mail und Reader über Twitter, Jaiku, Pownce und Brabblr bis zu Facebook, StudiVZ, Plaxo und Xing sowie upcoming.org und wevent. Einige davon sind bereits auf Facebook präsent, auch wenn die Einbindung im Detail häufig noch zu wünschen übrig lässt.

Meine Adressbücher sind heute auf diversen Systemen verteilt, von Outlook und Mobiltelefon über Google Mail und Xing bis zu Facebook, Twitter und Plaxo. Auf keinem einzigen System habe ich ein wirklich vollständiges Adressbuch.

Mit OpenSocial beginnt nun eine neue Runde, die das Gesicht des Web stark verändern wird. Was TCP/IP für Computernetze und XML/RSS für Nachrichten, Informationen und Konversationen waren, kann OpenSocial für Profildaten, Kontakte und Funktionen werden – ein universelles Austauschformat. OpenSocial kann es dem Nutzer ersparen, die immer gleichen oder wenigstens ähnlichen Daten über Profil und Kontakte wieder und wieder in neue Umgebungen einzupflegen, nur um sich für einfachste Funktionen bei der hundertfünfzigsten Plattform zu registrieren.

In dieser Konsolidierungswelle werden wir weniger spektakuläre Unternehmensübernahmen sehen als vielmehr fluide Nutzungsszenarien auf den großen Plattformen und schnelle Karrieren kleiner, aber wendiger Startups mit lustigen Nischenthemen.

Doch zuvor muss OpenSocial erst einmal ausgerollt werden. Derzeit scheint es da noch ein paar kleinere Sicherheitsprobleme zu geben.

In der Zwischenzeit interessiert mich eine Frage, auf die ich noch keine Antwort gefunden habe: Wer ist, neben Xing und amiando, in Deutschland sonst noch an Bord? Welche Pläne gibt es? Wer kündigt was an? Bitte Kommentar oder Trackback hinterlassen.

Bubble 2.0? Who cares?

Befinden wir uns zum zweiten Mal in einer Blase aus überhitzten Erwartungen, überzogenen Bewertungen und übertriebenen Investitionen? Der jüngste Microsoft-Facebook-Deal hat die Debatte über diese Frage wieder einmal angeheizt.

Die Frage selbst ist nicht neu. Sie begleitet den zweiten Aufschwung der Internetwirtschaft mindestens schon seit Anfang 2006. Heute hat nun Edelmanblogger und Aufschwungsprophet Steve Rubel in einer Philippika der gesamten Branche starke Trunkenheit bescheinigt. Eines seiner Alkoholmessgeräte ist die Menge an blödsinnigen Pressemitteilungen in seinem Posteingang.

Die von Rubel angezettelte Debatte kommt rechtzeitig zur Web 2.0 Expo, die übernächste Woche in Berlin stattfindet. Die Frage wird, so viel scheint sicher, auf den Podien und in den Gängen heiß diskutiert werden.

Möglicherweise ist es tatsächlich eine Blase. Warum das, jedenfalls aus der Sicht des Silicon Valley, gar nicht so schlimm wäre, erklärt John Heilemann im New York Magazine. Und der New Yorker Venture Capitalist Fred Wilson beschreibt in diesen knappen Sätzen die wesentlichen Trends:

We have the following opportunity in front of us; the web is going mobile, programmable, social, and semantic all at the same time. And this is happening on a global scale in real time. In ten years, we will have a completely different world wide web and I am not going to miss out on the fun of helping to build a few parts of it.

In der Tat: Selbst wenn es eine Blase sein sollte, ist Stillhalten keine sinnvolle Option. Denn die grundlegenden Trends des Internetaufschwungs sind sämtlich seit mehr als zehn Jahren intakt. Es gibt Zeiten, in denen zu viel investiert wird, und Zeiten, in denen zu wenig investiert wird. Aber die knappste Ressource bleibt die Zeit. Verlorene Zeit lässt sich im Internet nur schwer aufholen.

Google kauft Jaiku

Blogs habe ich erstmals entdeckt, als Google seinerzeit Blogger.com übernahm. Jetzt kauft Google Jaiku. Falls noch jemand Zweifel hatte, dass Micropublishing eines der next big things ist – jetzt bitte die Zweifel ablegen. (Twitter war vermutlich zu teuer oder nicht zu haben.)

Eine erste Einschätzung hat der Scobleizer: „a major move against Facebook“. Steve Rubel prognostiziert: „I give Twitter 45 days to be sold. My pick? Yahoo. Reason – Yahoo is focusing on developers and Twitter’s API is attractive.“ Der Haltungsturner macht sich Sorgen: „Should I be scared that another service I use since a long time is sacked by one of the two monoliths?“ Und Dave Winer hebt das Kennedyhafte des Moments hervor: „In any case, our world changed today, while we were in a cab on our way to lunch.“

Mein Jaiku ist hier und ich kann gerne einladen.

Via Loic le Meur

Multiple Posteingangskörbe

E-Mail verliert an Bedeutung im Kommunikationsmix, weil ihr Nutzen im Verhältnis zum Aufwand immer geringer wird. In der kleinen Reihe aus der E-Mail-Hölle beschäftigen wir uns heute mit den Alternativen – und dem Problem multipler Posteingangskörbe.

E-Mail ist etwas für Eltern, die 12- bis 24-Jährigen nutzen stattdessen Instant Messaging. Zu diesem und anderen aufregenden Ergebnissen kommt eine Studie des University of Southern California’s Center for the Digital Future. Die jüngste Generation nutzt Mail nur noch für den unvermeidlichen Kontakt mit Älteren. Mail ist für sie ein Arbeitsmittel, das ihnen aufgezwungen wird wie früheren Generationen das Telefon, die Schreibmaschine, das Fax oder der PC.

Fischmarkt: Die E-Mail-Hölle

Die Musik spielt hingegen in Social Networks wie MySpace, Facebook, Xing oder auch StudiVZ. Sie alle haben mehr oder weniger entwickelte Nachrichtenfunktionen, die sich in einem wesentlichen Punkt von Mail unterscheiden: Niemand muss dort Nachrichten von Unbekannten annehmen, denn zuerst muss ein Kontakt hergestellt sein.

Nachrichten in solchen Netzwerken sind per definitionem einer persönlichen geschlossenen Benutzergruppe vorbehalten. Dadurch ist das Signal-Stör-Verhältnis von vornherein sehr viel günstiger als bei herkömmlicher Mail.

Allerdings finden sich bislang nicht alle relevanten Kontakte auf genau einer solchen Plattform ein. Bei Xing habe ich mehr und andere Kontakte als bei Facebook und StudiVZ. Und gerade unter Journalisten gibt es nach wie vor Totalverweigerer, für die klassische Mail das höchste der digitalen Gefühle ist.

So entsteht das Problem multipler Posteingangskörbe. Statt einer Outlook-Inbox gibt es plötzlich Nachrichten bei Xing, eine Inbox bei Facebook und den Nachrichtendienst von StudiVZ. Und diese neuen Körbe fangen auch noch an, Mail zu schicken, um mich auf neue Nachrichten hinzuweisen. Was nicht schlecht ist, denn sonst müsste ich dort ziemlich oft nachschauen.

Ganz zu schweigen von Instant Messaging. Ich nutze Skype und Google Talk – mit jeweils unterschiedlichen Buddylists. Und die neuen hybriden Dienste Twitter, Jaiku und Pownce, mehr oder weniger intensiv. Die meisten von ihnen schicken Mail, um mich auf Kommunikationsereignisse aufmerksam zu machen.

Die Fragmentierung der Kommunikation ist also paradox: Sie verringert die relative Bedeutung der Mail als Kommunikationswerkzeug, aber erhöht zugleich die Bedeutung der Mail als Alert-Box. Jedenfalls solange, bis neue, integrative Werkzeuge über verschiedene Plattformen hinweg den gleichen Zweck erfüllen.

Interessante Integrationsansätze sind zum Beispiel der Brabblr (für Twitter & Co.) oder auch Plaxo, dessen Outlook-Integration derjenigen von Xing haushoch überlegen ist. Doch dazu morgen mehr an dieser Stelle.

Context is King, auch beim Micropublishing

Micropublishing in Theorie und Praxis. Heute: Wo sind meine Kumpanen?

Micropublishing unterscheidet sich vom Bloggen nicht nur durch die Kürze. Ohne Kontext ist alles nichts. Und der Kontext sind die Followers, um es in der Terminologie von Twitter zu sagen. Früher hießen sie Friends, aber das war missverständlich, denn schließlich ist nicht jeder Kontakt auch gleich ein Freund.

Treten wir gedanklich kurz einen Schritt zurück. Bloggen unterscheidet sich vom herkömmlichen Publizieren im Netz durch die Möglichkeit zu kommentieren. (Ausnahmen bestätigen die Regel.) Die wesentliche Innovation des Bloggens war, das starre Modell der 1:n-Kommunikation aufzubrechen. Blogger haben einen eingebauten Rückkanal von ihren Lesern. (Ja, ich weiß, Leserbriefe gab es auch früher schon.)

Beim Bloggen bleibt das Kommunikationsverhältnis trotzdem asymmetrisch. Einer legt vor, viele geben ihren Senf dazu. Twitter und Konsorten tendieren zu symmetrischen Kommunikationsverhältnissen. Einer der drei führenden Twitterer liest nahezu alle derer, die ihn lesen. Und das sind mehr als 5.000 (!). Auch hier gibt es Ausnahmen, insbesondere am oberen Ende der Twittercharts.

Micropublishing

Es ist also wichtig, wo die Leute mikropublizieren, die ich lesen möchte und gern als meine Leser hätte. Das ist wichtiger als die technischen Möglichkeiten der jeweiligen Micropublishing-Plattform. Denn was nutzt mir die schönste Software, wenn dort kein Mensch publiziert, der mich interessiert und der sich für mich interessieren würde?

Früher oder später wird dieses Problem an Bedeutung verlieren. Man vergleiche die heutige Situation mit der Frühphase des Bloggens, kurz nach der Jahrtausendwende, als unterschiedliche Blogplattformen völlig inkompatibel waren, RSS ein Nischenphänomen und der Trackback noch nicht erfunden war. Noch heute gibt es plattformgebundene Communities (Antville, LiveJournal, Blogger.com etc.), die ihre Wurzeln in jenen Tagen schlugen.

Welche Alternativen gibt es zu Twitter? Recht verheißungsvoll ist Jaiku. Dort kann ich sehr elegant diverse RSS-Feeds importieren und damit für mehr Ausstoß sorgen. Jaiku könnte ein Drehkreuz für sämtliche digitale Lebensäußerungen sein. Allerdings habe ich dort erst 14 Freunde und mich bis jetzt nicht so recht darum gekümmert.

Ähnlich schaut es bei Pownce aus. Pownce kann nicht nur Kurznachrichten, sondern auch längere Texte, Dateien verschicken und Termine verwalten. Außerdem ist Pownce feingliedriger als Twitter bei der Auswahl der Adressaten jeder einzelnen Nachricht: Sie kann öffentlich, nur für meine sogenannten Freunde bestimmt oder auch an einzelne Leute adressiert sein.

Bei Pownce habe Brabblr. Dort zähle ich momentan ganze zwei Freunde und kann derzeit keine Einladungen verteilen.

Der Brabblr brabbelt meine Kurznachrichten auch gleich an verschiedene andere Microbloggingdienste. Momentan wären das neben Twitter und Jaiku auch Frazr, Wamadu und Mambler, die ich allerdings bis jetzt nicht benutze. Aber warum nicht? In Kombination mit dem Brabblr würde das meine Microblogging-Reichweite sicher dramatisch erhöhen.

Zum Universum des Micropublishing gehören auch die Statusnachrichten von Facebook oder StudiVZ. Auch wenn das auf den ersten Blick vielleicht nicht so aussieht. Weitere Alternativen hat Mashable.

Woher weiß ich, wer was nutzt? Das ist eines der ungelösten Probleme der heutigen Microbloggingwelt. Ansatzpunkte zur Lösung bieten die RSS-Importmöglichkeiten von Jaiku oder auch Plaxo Pulse, Metadienste wie der Brabblr und nicht zuletzt Facebook, wo viele Microbloggingdienste schon mit Anwendungen präsent und damit sichtbar sind.

Dennoch bleibt viel Handarbeit dabei. Und war es im Zeitalter des Macrobloggings nur der RSS-Reader, der gefüttert werden wollte, so sind es jetzt gleich ein paar Dutzend verschiedener Microbloggingdienste. Ist mein sozialer Kontext vielleicht transportabel zu machen?

Das bleibt abzuwarten. In der Zwischenzeit werde ich mich etwas näher mit dem Brabblr befassen und mich bei Frazr, Wamadu und Mambler registrieren. Dazu demnächst mehr an dieser Stelle.