Desintegration

Gibt es, einmal von der Automobilindustrie abgesehen, eigentlich noch Markenhersteller? Oder haben sich die beiden Wortbestandteile längst separiert, sprich: die Marken ihre Herstellung ausgelagert an Produzenten in anderen Erdteilen? Und die Logistik demzufolge gleich mit, denn warum sollten sie sich mit diesen Feinheiten der Distribution noch befassen?

Gestern habe ich im Radio ein Feature gehört, dass sich zufällig mit unseren alten Freunden aus Herzogenaurach befasste. Der globalisierungs- und konsumkritische Tenor der Geschichte interessiert jetzt nur am Rande. Für den Fischmarkt ist spannender, was es eigentlich bedeutet, wenn ein Markenartikler sich allein auf Entwicklung und Marketing (plus Vertrieb) konzentriert.

Denn diese Fokussierung eröffnet unserem Steckenpferd Direktvertrieb neue Chancen. Die Marke rückt ja näher an den Kunden, wenn die eigentliche Produktion nicht mehr zur Unternehmenstätigkeit eines Markenartiklers gehört – mit allem, was daran hängt, vom Einkauf bis zur Auslieferung. Die Corporate World von Adidas, die der preisgekrönte Feature-Autor Jens Jarisch so köstlich portraitiert, ist eine reine Markenwelt. In Herzogenaurach wird kein einziger Schuh mehr produziert, auch nicht von Puma. Dort werden jetzt globale Marken gemacht.

Der gebeutelte Einzelhandel steht also auch deshalb so unter Druck, weil sich Markenartikler heute viel stärker auf ihre Präsenz beim Verbraucher konzentrieren, nachdem sie den Ballast ihrer eigenen Produktion abgeworfen haben. Das zerrt am Kräfteparallelogramm. Und zwar gewaltig.

Mit dem Logo gewinnen

Wwtlpcam_1Seit gestern ist nun die neue "Winning with the Logo"-Kampagne der Deutschen Bank gern gesehener Gast im Werbeblock. Wie ich finde, ein sehr schönes Beispiel für den Trend, dass Marken immer direkter werden. Auch wenn dieses vielleicht nicht primär mit der Kampagne beabsichtigt war: Marke und Kunde sind die eigentlichen Heros des neuen Auftritts; die Mittler verschwinden. Als typischer Kunde der Blauen nutze ich dreimal die Woche die Website, einmal den SB-Automaten – und meine Heimatfiliale habe ich seit Jahren nicht mehr gesehen.

Warum verkaufen Autohersteller nicht direkt?

Warum sind die Websites von Automobilherstellern, obwohl aufwendig und teuer gemacht, letztlich austauschbar und überflüssig? Weil sie nicht verkaufen sollen, sondern zum Marketing gehören. Das hat nämlich eine ganze Reihe von Konsequenzen: So fallen sie in die Verantwortung von Führungskräften, die sich ansonsten mit TV- oder Printwerbung befassen – und deren von der Massenkommunikation bestimmte Maßstäbe mehr oder weniger unzureichend auf das Web übertragen.

Diese Leute beauftragen wiederum mehrheitlich Agenturen, die zu den Werbenetzwerken gehören – und also ebenfalls einer klassischen Werberdenke unterliegen, was völlig im Einklang mit ihren Auftraggebern steht. Dabei entstehen durchaus kreative Dinge, wie jüngst das Project Fox: Volkswagen richtet in Kopenhagen ein Hotel Fox ein und bewirbt damit den Europa-Start des gleichnamigen Kleinwagens. (Hat aber natürlich mit dem Web auch wieder nur am Rande zu tun.)

Wollten die Hersteller mit Hilfe ihrer Websites wirklich Autos verkaufen und nicht vor allem Marketing oder Kundenbindung betreiben, würden sie völlig anders aussehen. Und ich denke, das wird auch geschehen. Bislang überlassen die Hersteller den Internetvertrieb weitgehend ihren Händlern. Doch die setzten schon 2003 6,9 Prozent aller Neu- und Gebrauchtwagen über das Internet ab. Für 2005 wird eine Verdoppelung erwartet.

Für Neuwagen sind Ebay Motors/mobile.de, autoscout24, Euro Car Market oder pkw.de aber schlicht nicht das richtige Umfeld. Früher oder später sind die Hersteller gezwungen, mit eigenen Flagship-Stores im Web dagegen zu halten, wenn sie ihre Marke nicht beschädigen wollen. Dem stationären Handel machen sie schließlich auch Beine.