Gutes Timing

Amazon
Inmitten der nachrichtenarmen Zeit zwischen Weihnachten und Silvester lechzen die Medien nach Stoff. Und da in diesem Jahr kein Erdbeben die Lücke gefüllt hat, dürfen es gute Nachrichten aus dem Netzgeschäft tun. Genau zur richtigen Zeit kam da am zweiten Feiertag die Pressemitteilung von Amazon zwecks Feier des guten Weihnachtsgeschäfts. Und die frohe Botschaft lief auf allen Kanälen: Google News findet ungefähr 202 Ergebnisse zum Thema.

Mit dem Geschenkezähler hatte Amazon das Thema schon im November, genau einen Monat vor dem Fest, bestens vorbereitet. Der Zähler zeigte schlicht die Zahl sämtlicher seit dem 1. November bestellter Produkte an. Einfach, aber wirkungsvoll.

In der Summe zählte er bis Weihnachten weltweit über 108 Millionen bestellte Artikel. Läge der Durchschnittspreis pro Artikel bei 20 Euro, dann ergäbe das 2,1 Mrd. Euro Umsatz. Im dritten Quartal 2005 betrug der Umsatz 1,86 Mrd. US-Dollar. Für das vierte Quartal hatte Amazon im Oktober 2,86 bis 3,16 Mrd. US-Dollar angekündigt, für das Gesamtjahr 8,37 bis 8,67 Mrd. US-Dollar. Was seinerzeit für Enttäuschung sorgte.

Der Restbestand der Woche

Es ist Freitag. Und damit höchste Zeit, ein paar Dinge wegzubloggen, die mir hier den Firefox verstopfen.

  • Sony_bmg
    Schon etwas älter ist das Welt-Interview mit Maarten Steinkamp, dem Europachef von Sony BMG, und der dringenden Aufforderung an die Musikindustrie, endlich das Jammern einzustellen und statt Rechtsanwälten wieder die Entrepreneure nach vorn zu schieben. [Exciting Commerce]
  • Adsense
    Google hat sein Adsense-Programm um eine Kleinigkeit ergänzt, die erkennen lässt, wohin die Reise geht – zum Abschied von lieb gewonnenen, aber ineffizienten Mediagepflogenheiten und hin zu einem von A bis Z in Echtzeit optimierbaren Werbegeschäft. Erst die Abschaffung der AE, dann Google Analytics und jetzt die  Promotion von TKP-Anzeigen in Adsense ("Auf dieser Website werben"). Was kommt als nächstes? [Zielpublikum]
  • Productwiki
    Vernünftige Produktbeschreibungen sind ein knappes Gut. Amazon musste die stetige Sortimentserweiterung mit abnehmender Qualität der Produkttexte bezahlen. Auch die legendären Kundenrezensionen halfen da nicht unbedingt. Doch jetzt kommt Hilfe: Das ProductWiki ist gestartet (selbstverständlich beta), und Amazon selbst experimentiert seit kurzem ebenfalls mit einem gleichnamigen neuen Feature. [Companice]
  • Nano
    Ebay ist gut für die Marke. Oder nicht? Kommt auf die Marke an. Starke Marken werden durch Ebay stärker, schwache Marken schwächer. Zu erkennen, wie so oft, am Preis: Wer kann seine Preise durch alle Kanäle drücken? Na, wer wohl? Apple natürlich. [Companice]
  • Sellonfroogle
    Je nach Grad der Phantasie kann sich der eine mehr, der andere weniger darunter vorstellen, was Google Base in Kombination mit Froogle und Google Local eigentlich soll, kann und wird. Dazu gibt es jetzt einen neuen Hinweis: Sell on Froogle. Man nehme Google Base als Backend, um über Froogle zu verkaufen. Ebay und Amazon Marketplace waren gestern? [Basic Thinking]
  • Tuifly
    Wer wie die TUI mehr als ein halbes Dutzend Fluglinien betreibt, der schafft gewisse Unübersichtlichkeit im eigenen Angebot. Etwas Linderung verschafft seit dieser Woche TUIfly.com. Dort sind alle Airlines unter einer Adresse vereint. Schlichter Mechanismus: Start- und Zielflughafen eingeben – und weg. Zwar keine Offenbarung, aber ein nettes Werkzeug.

Shoposphere besucht

ShoposphereHoch hängen die Erwartungen an die Shoposphere. Und eines muss man Yahoo lassen: Unter PR-Gesichtspunkten war der Start optimal eingefädelt. Der Scoop blieb einem Blog namens Techcrunch vorbehalten, das vor dem amtlichen Start ins Beta-Dasein berichten durfte. Und mit der Ankündigung kommender Features wie Tagging, vor allem aber dem Plan, die fleißigen Listenbastler am Shopping-Umsatz zu beteiligen, hat Yahoo der an sich wenig spektakulären Geschichte den richtigen Dreh verpasst.

Was geht jetzt schon? Überall, wo bei Yahoo Produkte auftauchen, gibt es kleine Links ("Save to My Lists"), um das Produkt auf einer nutzereigenen Liste zu speichern. Wer sich an Amazon und dessen Wishlists erinnert fühlt, liegt nicht ganz falsch. Schön ist die Option, eine kleine Erläuterung zu schreiben. Was ganz klar fehlt, ist die Möglichkeit, Links zu setzen. Alles bewegt sich im walled garden von Yahoo. 360 Grad, sozusagen.

Andere Nutzer können Listen bewerten ("Was this list helpful?") und Kommentare hinterlassen. Alles schön gemacht, keine Frage, aber das Rad des E-Commerce ist damit nicht gerade neu erfunden. Auch mit Umsatzbeteiligung bewegen wir uns hier eher im Bereich Marketing, Media und Publishing.

Die Shoposphere ist insofern mit Adsense vergleichbar: Yahoo gibt künftig einen Teil der Erlöse an Nutzer weiter, die es irgendwie, aber nachweisbar geschafft haben, am Weg eines Käufers zu seinem Wunschprodukt zu sitzen. Im Unterschied zu Adsense kann die Shoposphere allerdings nur den Kauf vergüten, nicht den Klick. CPO statt CPC. Ball flachhalten, liebe Kollegen!

Ach ja, fehlt noch der Link zur Fischmarkt-Liste.

Wieviel Wachstum sind 17 Prozent Wachstum?

Faz_gfk_wachstumonlinehaendlerLaut den Zahlen der GFK aus der heutigen FAZ wuchs der deutsche E-Commerce-Markt im ersten Halbjahr 2005 gegenüber dem Vorjahr um 17 Prozent. Damit wurden 2 Prozent des gesamten Einzelhandelsumsatzes online erwirtschaftet. EBay führt das Umsatzranking mit 7,6 Mrd. Dollar an (warum bloß weist die FAZ hier Dollar aus, wenn es sich doch um die Betrachtung des deutschen Marktes dreht?), das sind rund 22 Prozent mehr als im Vorjahr.

Hinter EBay folgt Amazon mit 0,9 Mrd. Euro und einem Plus von 24 Prozent. Otto, Quelle und Neckermann wachsen um 13 bis 21 Prozent und befinden sich in der Nähe des Marktdurchschnittes von 17 Prozent. Bemerkenswert sind die Steigerungsraten der Deutschen Bahn (plus 54 Prozent) und Opodo (plus 36 Prozent) gegenüber dem Minus von HRS (9 Prozent) und Lufthansa (6 Prozent).

Hier genau wird es interessant, aber bei der Suche nach Gründen für die großen Entwicklungsunterschiede innerhalb eines Segmentes schweigen GFK und FAZ. Das Wachstum der Bahn-Umsätze im Internet ist wohl der Aufholjagd im lange vernachlässigten E-Business-Geschäft geschuldet: Wer klein ist, kann schneller wachsen, das gilt auch für Giganten wie die Bahn.

17 Prozent Wachstum über alle Segmente, das ist nicht viel. Es entspricht ungefähr dem Wachstum der Nutzerzahlen im vergangenen Jahr. Der einzelne kauft offensichtlich nicht mehr über das Internet ein. Berücksichtigt man noch die Wachstumsrate der DSL-Anschlüsse von 50 Prozent als den zentralen Faktor für eine steigende Internetnutzung, verkehrt sich das Umsatzwachstum sogar. Interessanter als die Steigerungsrate für den Gesamtmarkt wäre die Entwicklung auf den einzelnen Nutzer  bezogen gewesen. Ich habe das schale Gefühl, daß für die Entwicklung des Pro-Kopf-Umsatzes nicht viel mehr rauskommt als im stationären Geschäft, über das ja gerne lamentiert wird. Daß bei alledem weder EBay noch seine Kunden durch ihre bloße Existenz Einzelhändler sind, ist dabei noch gar nicht zur Sprache gekommen.

Amazon.com relaunched

Amazon_relaunchZum ersten Mal seit Menschengedenken verändert Amazon.com grundlegend das Aussehen seiner Website. Signifikant sind vor allem das hellere Blau der Navigationsleiste (zum Vergleich hier die alte Homepage), die verringerte Zahl der legendären Reiter und die neu positionierten Suchfelder für Amazon und die hauseigene Suchmaschine A9. Der Rest sieht (noch?) aus wie gehabt.

Zwar hatte Amazon schon des öfteren die Zahl der Reiter variiert (so gab es im Jahr 2000 zeitweilig nur zwei davon, nebst einiger deutlich abgesetzter Featured Stores). Doch im Vergleich zu bisherigen, eher evolutionären Umgestaltungen ist die heutige fast eine Revolution – und verursacht durchaus Schluckbeschwerden:

What the hell is up with Amazon.com’s new design? That animated pop-up
menu (the 31 categories one) makes my eyeballs want to pop out of their
sockets. If they’re going to have a menu like that, it should just
appear on rollover, not have some cheesy zoom-in animation. Whoever
thought that one up should sit in a corner and think long and hard
about it. Also, they had so much equity in the old yellow, solid
header, tabbed category design. It doesn’t make sense to change it to
that blue gradient. It reminds me more of Apple’s website and aqua
interface, than it does of Amazon. Why do they do these things? Why???

Update: Thomas Gigold hat eins und eins zusammengezählt (sprich: den neuen Kopf und eine bereits zuvor testweise gesichtete Produktansicht montiert). Das Ergebnis:
Neuesamazon


Update 2:
Heute (09.05.05) ist wieder das gewohnte Amazon.com online. Mehr zum Thema bei shopanbieter.de und bei Simon Jessey.

Unwahrscheinliche Phrasen

Amazon_sipEin zu Unrecht hierzulande bislang wenig beachtetes Feature bei Amazon.com nennt sich Statistically Improbable Phrases. Es zeigt interessante, markante oder unwahrscheinliche Wendungen im Text von Büchern, deren Volltext durchsucht werden kann.

Noch besser ist aber die Möglichkeit, solche Phrasen selbst zu bilden und damit die Bücher zu finden, in denen sie (statistisch signifikant, nicht zufällig!) vorkommen.

Beispiel:
http://www.amazon.com/gp/phrase/collaborative+marketing

Das eröffnet doch völlig neue Recherchemöglichkeiten.

Mehr zum Hintergrund bei Dan Brown.

Warum enttäuscht Amazon?

Starkes Weihnachtsgeschäft, Gewinn verfünffacht – aber die Erwartungen lagen höher. Es scheint, als ob Amazon in die Falle läuft, in der sich der gesamte Einzelhandel befindet.

"Amazon befindet sich in einem sehr schwierigen Umfeld, aber die Firma merkt es nicht", sagte Safa Rashtchy, Analyst von Piper Jaffray. So habe Amazon offenbar seine Ausgaben für Marketing und neue Technologie erhöht. Dadurch sei es jedoch nur gelungen, die Wettbewerber einzuholen, und nicht, sie zu überholen. (FTD)