Martin Recke

Co-Founder @nextconf, corporate editor @AccentureSong, PR guy, blogger, journalistic background, political scientist, theology, singer, father, landlord, roman-catholic.

Sind Amazon, Apple, Facebook und Google die neuen Banken?

Social war gestern. Jetzt geht es um die Identität der Konsumenten, und morgen um ihre Bankkonten. Die vier apokalyptischen Reiter des Internets – Amazon, Apple, Facebook und Google – liefern sich derzeit eine Schlacht um die Nutzerkonten, die bald schon in einen Kampf um die Girokonten münden könnte.
Deshalb sind bei Google+ keine anonymen Nutzerkonten möglich – wie bei Amazon und Apple übrigens, und auch Facebook erlaubt keine Pseudonyme oder anonyme Accounts (obwohl das in der Praxis bis jetzt nicht strikt durchgesetzt wird). Google+ ist mehr als nur ein Social Network oder die Antwort auf Facebook – es ist Googles Identitätsdienst, künftig Personalausweis und Kreditkarte zugleich.
Wie wir künftig im Netz – und nicht nur dort, sondern auch in der physischen Welt – bezahlen, hinter dieser Frage steckt buchstäblich jede Menge Geld. Wenn ich mein Girokonto erst einmal bei Amazon, Apple, Facebook oder Google habe, dann können Bezahlvorgänge im Netz ohne Beteiligung des herkömmlichen Bankensystems stattfinden.
Recht weit vorne in diesem Rennen liegt übrigens Paypal, das in Europa bereits eine Bank ist und über ein Jahrzehnt Erfahrung mit Zahlungsprozessen hat. Interessanterweise gehört Paypal nicht zu einem der Großen Vier, sondern zu Ebay, und ist deshalb etwas aus dem Fokus geraten. Holger Spielberg von Paypal hat auf der NEXT11 einen guten Überblick über diesen spannenden Markt gegeben.
Amazon hat von je her Zahlungsdaten seiner Kunden, bietet schon länger eine eigene Kreditkarte an und führt bereits Guthaben, bis jetzt in Form von Gutscheinen. Jüngstes Beispiel ist das Trade-In-Programm für den Ankauf gebrauchter Ware gegen Amazon-Guthaben.
Apple nimmt sich im Vergleich dazu recht spartanisch aus: Ohne Kredit- oder Guthabenkarte geht nichts. Was umgekehrt aber bedeutet, dass mit jedem Apple-Konto ein Zahlungsweg verbunden ist. Und Facebook hat längst eine eigene Währung, mit der ich früher oder später auch anderswo im Netz (oder gar in der physischen Welt, mit meinem Facebook Phone) werde bezahlen können.
Eins ist klar: Google Wallet ist nur der Anfang. Die vier Musketiere werden sich früher oder später im Wettbewerb mit den etablierten, krisengeschüttelten Banken wiederfinden. Die Finanzbranche ist längst reif für die digitale Revolution. Chris Skinner sieht die Reformation im Bankensektor bereits am Horizont.
Chris Skinner hält nächste Woche die Keynote auf der ersten NEXT Finance in Frankfurt/Main. Sein Thema: Why Banking Will Disappear But Banks Will Not … Well, Not All of Them. Übrigens die Antithese zu einer berühmten Sentenz von Bill Gates: Banking is necessary, banks are not.
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Nachtrag: Thilo Specht schreibt heute praktisch gleichzeitig (und als Antwort auf Wolfgang Lünenbürger-Reidenbachs Todesprognose für Facebook):

Facebook hat nicht nur über 700 Millionen Datensätze, sondern über 700 Millionen Kunden. Man stelle sich vor, das Unternehmen erwirbt eine Banklizenz und bietet seinen Bestandskunden (Online-)Banking- und Investment-Produkte an. Auf der Grundlage von Markt- UND Netzwerkeigenen Daten. Inklusive sicherer Bezahlmöglichkeiten in den großen Shops wie Amazon, eBay und Co. (Tschüss Paypal, ich kann mir Deine Passwörter sowieso nie merken). Direktüberweisungen direkt aus dem Profil heraus, an das Profil eines anderen Mitglieds. Mobile Payment. Hört ihr sie rascheln, die Scheinchen? Die Facebook International Bank kann global agieren, weil sie schon überall vor Ort ist. Weil die Kunden schon alle an Bord sind. Weil die Investmentprojekte schon alle Facebook-Seiten haben. Weil die Infrastruktur schon steht.

Was Steve Jobs für SinnerSchrader getan hat

Wie der 11. September 2001 für die Vereinigten Staaten von Amerika oder der 9. November 1989 für die Deutschen ist der 24. August 2011 für die digitale Welt ein Tag, der im Gedächtnis bleiben wird als der Tag, an dem Steve Jobs als CEO von Apple zurücktrat.
Als ich vor bald zehn Jahren meinen Job bei SinnerSchrader antrat, war mein erster Arbeitsplatzrechner ein PC von HP. Ausgerechnet HP, auch zehn Jahre später noch einer der größten PC-Hersteller der Welt. Ausgerechnet jene Firma, die sich von ihrem PC-Geschäft zu trennen beabsichtigt, wie wir seit einigen Tagen wissen.
Die Aktie von Apple schloss am 24. August 2001 an der Nasdaq bei 9,29 Dollar. Gestern waren es 376,18 Dollar, mehr als das Vierzigfache.
Bei SinnerSchrader gab es im Sommer 2001 ungefähr einen einzigen Mac. Der stand in der Grafik, wie die Abteilung Experience Design (heute: Kreation) damals meistens genannt wurde. Er diente vor allem dem Austausch mit Agenturen, in denen eher Macs verbreitet waren als PCs. Die Dateien wurden noch gelegentlich über Leonardo transportiert, dessen Hersteller Hermstedt 2007 Insolvenz anmelden musste.
Vor zehn Jahren gab es noch keinen iPod, der wurde erst im Oktober 2001 vorgestellt. Bald danach tauchten die ersten iPods auch bei SinnerSchrader auf. Ansonsten blieb die Agentur aber eine reine PC-Bude. Der Siegeszug des Mac begann Mitte des vergangenen Jahrzehnts, als der oberste Geek von SinnerSchrader seine Präsentationen statt in Powerpoint in Keynote zu bauen begann.
Damit setzte der berühmte Trickle-downRipple-Effekt ein, der bis heute große Teile der Firma erreicht hat. Beratung und Kreation sind inzwischen komplett in der Hand von Steve Jobs, nur in der Technik und in der Verwaltung halten sich immer noch hartnäckig einige Windows-Bastionen.
Unzählige Macbooks, neuerdings auch gern als Macbook Air, zahlreiche iMacs und sogar einige Mac minis verrichten täglich ihren Dienst am Arbeitsplatz. Das iPhone als Firmentelefon, bei uns erst relativ spät aufgekommen, liefert sich heute harte Schlachten mit diversen Android-Modellen. Die sind auch deshalb beliebt, weil sie gut mit den im vergangenen Jahr eingeführten Google Apps (Mail, Kalender, Docs) zusammenspielen.
Doch Apples Antwort namens iCloud dräut schon am Horizont. Die bis jetzt letzte vom Chef persönlich per Stevenote im vergangenen Juni präsentierte Neuerung könnte mittelfristig auch den Google Apps bei SinnerSchrader gefährlich werden. Steve Jobs wechselt erneut ein Paradigma. Diesmal ist es das Dateisystem alter Schule, mit dem sich der Apple-Nutzer nicht mehr beschäftigen muss als unbedingt nötig.
Wie schon bei iPod, iPhone und iPad. Auch das Tablet gehört heute praktisch zur Grundausstattung, nachdem vor knapp einem Jahr jeder Mitarbeiter ein iPad erhielt. Und in der Cafeteria stand bis vor kurzem ein Verstärker, der von iTunes aus über Airplay mit Musik bespielt werden konnte. (Jetzt ist er in den agentureigenen Bandproberaum im Keller gewandert.)
Die zu Produkten gewordenen Visionen von Steve Jobs prägen heute unseren Agenturalltag, wie ich es mir vor zehn Jahren nicht hätte ausmalen können. Doch mehr noch als Hardware und Software hat das Design und die Philosophie von Apple unsere Arbeit beeinflusst, wahrscheinlich stärker als uns das klar ist.
Der 24. August 2011 ist ein trauriger Tag, weil Steve Jobs mit nur 56 Jahren seiner angegriffenen Gesundheit wegen von seinem Chefposten zurücktreten muss. Zu hoffen bleibt, dass er Apple und uns in seiner neuen Position als Chairman noch lange erhalten bleibt. Wer weiß, vielleicht sehen wir gar noch die eine oder andere Keynote.
Danke, Steve! Please, one more thing.
Foto: Abruzzo24ore, Lizenz

Google, Motorola und der unaufhaltsame Aufstieg der geschlossenen Systeme

Hardware ist plötzlich wieder sexy. Steve Jobs wusste immer, dass erfolgreiche Produkte die Kontrolle über den gesamten Stapel aus Hardware, Software, User Experience, Ökosystem und geistigem Eigentum brauchen. Google hat diese Lektion auf die harte Tour lernen müssen, der Erwerb von Motorola spricht Bände.
Android ist an mehreren Fronten an seine Grenzen gestoßen: Die große Gerätevielfalt, zwar Wachstumstreiber, bringt inkonsistente Nutzererlebnisse und langwierige Aktualisierungszyklen mit sich. Die Offenheit erlaubt den Mobilfunkbetreibern, die Geräte mit eigener Müllsoftware zu verstopfen. Und Patentstreitigkeiten bedrohen das gesamte Projekt.
In dieser Lage ist der Schritt hin zu einem integrierten Modell nach dem großen Vorbild Apple, immerhin an der Börse die teuerste Firma der Welt, ein Befreiungsschlag. Der Kauf von Motorola, gegen den die bisher größten Akquisitionen wie Doubleclick und Youtube eher übersichtlich erscheinen, ist auch eine Wette darauf, dass Google das bessere iPhone bauen kann. In der Hoffnung, dass sie es dann auch in den Markt bekommen.
Damit sind drei der vier apokalyptischen Reiter des Internets jetzt auch im Bereich Hardware engagiert. Google ist der dritte im Bunde, nach Apple und Amazon, das mit dem Kindle bereits ein Hardware-Standbein hat und Spekulationen zufolge mit einem Tablet für unschlagbare 249 Dollar bald ein weiteres haben könnte.
Momentan scheint nur der vierte Reiter Facebook von Hardware noch weit entfernt zu sein. Doch auch das könnte sich schnell ändern, ist doch Facebook mit Microsoft liiert, und Microsoft wiederum gehört nicht nur Skype, sondern womöglich bald auch Nokia. Jedenfalls dann, wenn Steve Ballmer und seine Mannen an das integrierte Modell glauben, das sie mit der Xbox schon einmal realisiert haben.
Das Szenario könnte so aussehen: Microsoft kauft nach Skype auch Nokia und baut aus den drei Komponenten Hardware, Betriebssystem und Skype ein integriertes Windows Phone, möglicherweise unter einer neuen Marke. Hier käme dann Facebook als Messenger und Social Graph ins Spiel. Ein Facebook Phone mit eingebautem Skype auf Hardware von Nokia und Betriebssystem von Microsoft?
Im Smartphonemarkt bleiben noch RIM/Blackberry, HP/webOS und Samsung/Bada übrig – alle drei kontrollieren Hardware wie Software und auch den übrigen Stapel. Kaum zu glauben, aber nach dem Kauf von Motorola ist Microsoft Windows Phone die offenste mobile Plattform – solange Nokia noch nicht eingemeindet ist.
Im säkularen Krieg zwischen offenen und geschlossenen Systemen schwingt das Pendel jedenfalls derzeit stark in Richtung totale Kontrolle. Und der Kampf um die führende mobile Plattform, der bis jetzt zwischen iOS und Android tobte, geht in eine neue Runde.

Chris Skinner hält die Keynote der NEXT Finance

Warum Banking verschwinden wird, Banken jedoch nicht (jedenfalls nicht alle), diese Frage beantwortet der Finanzmarktkritiker Chris Skinner in seiner Keynote auf der NEXT Finance. SinnerSchrader veranstaltet die halbtägige Konferenz am 8. September 2011 erstmalig in Frankfurt/Main.
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Chris Skinner ist Chairman des Financial Services Club, den er 2004 gegründet hat, und bekannt für sein Blog The Finanser. Für die nächste Dekade sieht er eine radikale Veränderung der Rolle und Funktion des Bankings voraus. Dies hat seiner Ansicht nach mit dem Wertewandel in der Gesellschaft zu tun, der sich in Richtung virtuelles Geld, sozialer Technologie und Selbstverwaltung bewege.
Auf die Keynote folgt ein Vortrag von Pelle Braendgaard, dem Gründer von PicoMoney. Er wird sich mit der Bedeutung offener Standards befassen, die nach seiner Meinung der Finanzindustrie ebenso große Veränderungen bringen werden wie der Medien- und Telekommunikationsbranche in den letzten 15 Jahren. Der Versuch, alte Geschäftsmodelle mit rechtlichen oder gesetzlichen Mitteln zu schützen, sei zum Scheitern verurteilt.
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Weitere Sprecher der ersten NEXT Finance sind Salvatore Pennino (Google), Matthias Setzer (PayPal), Sebastian Herfurth (Friendsurance) und Marc Stilke (ImmobilienScout24). Fred Schuster (Deutsche Bank) wird über Design Thinking als Methodik sowie über Herausforderungen und Lösungsansätze eines gleichnamigen Projektes sprechen, das die größte deutsche Bank gemeinsam mit der Uni St. Gallen durchführt.
Das vorläufige Programm ist jetzt online.
Die NEXT Finance ist die kleine Schwester der NEXT Conference, die jedes Jahr im Mai mehr als 1.600 internationale Teilnehmer in Berlin versammelt. Sie setzt den Fokus ausschließlich auf die Bank- und Finanzbranche, die in Frankfurt/Main ihr deutsches Zentrum hat. Die Konferenz ist nur auf Einladung zugänglich und richtet sich an hochkarätige Entscheider aus der Branche.
Interessierte können sich noch für die Teilnahme bewerben.

Fotoverbot bei McDonald’s

Es war auf der Rückfahrt aus dem Englandurlaub. Etliche hundert Kilometer lagen bereits hinter uns, einige hundert noch vor uns. Die Familie war hungrig, und das Restaurant der Wahl trug ein goldenes M.
Mit Hilfe eines iPhones hatte ich während der Fahrt – keine Sorge, ich war Beifahrer – herausgefunden, dass der nächste McDonald’s in Dülmen war. Also fuhren wir ab und steuerten gezielt den Laden an.
Man kann wohl sagen, dass wir Freunde der Marke sind, jedenfalls eine ausreichende Mehrheit der Familie an jenem Abend. Wie es meine Gewohnheit ist, wollte ich mich auch auf Foursquare zu meinem Besuch beim Mäckes bekennen und zückte das iPhone.
Der Check-in ließe sich durch ein Foto noch abrunden, so mein Gedanke. Ich drückte also auf den Auslöser und ahnte nicht, dass jener uniformierte Herr, der verschwommen im Hintergrund zu sehen ist, mich schon auf dem Kieker hatte.
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Unter Verweis auf sein Hausrecht verbot er mir das Fotografieren und verlangte, das Bild sofort zu löschen. Ich kam diesem ebenso sachlich wie energisch vorgetragenen Wunsch umgehend nach. Jedenfalls war das meine Absicht.
Zu diesem Zweck rief ich die Kamera-App auf. Doch fand sich kein Bild dort in der Galerie. Es schien also gar nicht erst gespeichert worden zu sein. Damit gab sich der Mitarbeiter, möglicherweise auch der Inhaber des Restaurants, auch gleich zufrieden, und das Gespräch war beendet.
Doch als ich schließlich bei Foursquare einchecken wollte, war das Bild noch da. Und so habe ich es dann auch publiziert, unter Verletzung des Hausrechts und Bruch meiner Zusage, es zu löschen. Ob das Unrecht war oder nicht, darüber mögen andere befinden.
Die Frage ist aber, warum der Burgerbrater mir überhaupt verbieten will, in seinem Restaurant zu fotografieren. Ist das generell so oder eine Besonderheit des Dülmener Etablissements? Hätten andere Mitarbeiter genauso gehandelt?
Und was hat McDonald’s durch solche Fotos zu fürchten? Ist nicht hinreichend in der Öffentlichkeit bekannt, wie es im Innern aussieht? Darf das außer den Kunden niemand sehen? Ist ein Check-in bei Foursquare (oder Facebook oder Google oder dergleichen) gar nicht erwünscht? Oder nur ohne Foto?
Ich weiß es nicht. Ob ich nun mit diesem Text zum Markenbotschafter geworden bin? Und ob das die Botschaft ist, die das Marketing gern lesen möchte? Oder habe ich gar ein bundesweites Hausverbot zu erwarten?
Auch das weiß ich nicht. Das Markenerlebnis hat mich jedoch ziemlich überrascht, und es kam mir nicht so vor, als ob wir uns dort auf der Höhe der Zeit befinden würden. Aber vielleicht ist das auch nur eine Dülmener Besonderheit.

Google ist plötzlich wieder cool, und Facebook sieht aus wie MySpace

Faszinierend, wie schnell sich die Wahrnehmung ändern kann. Noch vor kurzem war Google der Suchmaschinengigant, der das Social Web wohl niemals verstehen wird. Und Facebook galt trotz seiner inzwischen 750 Millionen Nutzer immer noch als cool.
Auftritt Google+. Jetzt sehen wir das genaue Gegenteil. Google hat mindestens die Zuneigung der Digerati zurückgewonnen, und Facebook sieht plötzlich so alt aus wie seinerzeit MySpace, als es immer noch größer war als Facebook, der jugendfrische Wettbewerber, der zügig seinen Rückstand aufholte.
Was das bedeutet und wie es dazu kam, steht im NEXT-Blog (englisch).

Is Google Finally Getting Social? Versteht Google endlich das soziale Web?

Eines ist klar: Der Launch von Google Plus ist gelungen. Es gibt jede Menge Buzz. Das noch unfertige Produkt erzeugt einen Sog. Die Nachfrage nach Einladungen ist mindestens zeitweilig höher als das Angebot.
Und es war eine kluge Entscheidung, den Apple-Pionier Andy Hertzfeld am Design zu beteiligen. So ist Google Plus für Google-Verhältnisse überaus gelungen gestaltet. Apropos Gestaltung – mit dem jüngsten Launch geht ein generelles Redesign von Google einher.
Was angesichts des ungeheuren Wildwuchses in der Markenarchitektur dringend erforderlich war und zugleich eine Herkulesaufgabe ist. Das neue Design soll in den kommenden Monaten schrittweise ausgerollt werden.
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Charakteristisch für das neue Google ist die schwarze Kopfleiste, die dem Nutzer das Google-Universum erschließt (und die übrigens stark an Twitter erinnert). Google Plus bekommt hier nicht nur den prominentesten Platz ganz oben links. Auch oben rechts macht ein rotes Feld auf Neuigkeiten aus Google Plus aufmerksam.
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Das zeigt die enorme Bedeutung, die das jüngste Kind für Google hat. Der frühere CEO und heutige Chairman Eric Schmidt hatte jüngst eingestanden, das Thema Social vermasselt zu haben. Frühere Anläufe wie Google Buzz oder Google Wave kamen nicht über das Experimentierstadium hinaus.
Auch beim heißen Thema Privatsphäre setzt Google Plus jetzt Maßstäbe. Mit den Circles öffnen sich verschiedene Sphären von Teilöffentlichkeit und Semiprivatheit – und damit neue Möglichkeiten der Kommunikation jenseits der klassischen Dichotomie von „öffentlich“ oder „privat“. Jedenfalls in der Theorie.
Zudem zeigt sich in Google Plus das Werk der Data Liberation Front. So nennt sich nicht ganz ironiefrei eine Gruppe von Google-Ingenieuren, die an der Befreiung der Daten aus den Silos des Konzerns arbeitet. Google Plus bietet die Möglichkeit, alle nutzereigenen Daten herunterzuladen. Die Frage ist dann nur noch, was damit anzufangen wäre.
Datenportabilität (oder auch die Tragbarkeit von Daten) ist bis dato alles andere als selbstverständlich. Konsumenten sehen den allergrößten Teil der Daten, die sie heute im Netz hinterlassen, niemals wieder. Auch wenn das in vielen Fällen überaus nützlich wäre.
Is Google Finally Getting Social? Wird Google endlich sozial? Versteht Google endlich das soziale Web? Ich bin nicht sicher. Google Plus sieht gut aus, bietet ein paar nette, neue Features und lässt das immerhin möglich erscheinen. Der Wettbewerb mit Facebook tritt damit in eine neue Phase.

Sascha Lobo und die weltverbessernde Wirkung der digitalen Sache

Sascha Lobo hat noch lange nicht fertig. Schon auf der diesjährigen re:publica hielt er dem verdutzten Publikum eine zwölfminütige Strafpredigt. Heute nun legt er in seiner wöchentlichen Kolumne bei Spiegel Online noch einmal nach.

Viel zu oft transportieren wir in Diskussionen: „Wer nicht meiner Meinung ist, hat nicht nur unrecht, sondern muss dumm sein.“ Wir sind so sehr von der weltverbessernden Wirkung der digitalen Sache überzeugt, für die wir kämpfen, dass uns der Sinn für Diplomatie und Überzeugungskunst nicht nur abgeht, sondern von vielen für überflüssig gehalten wird. Selten würden wir uns mit weniger als der Maximallösung einverstanden erklären. Und das Schlimmste: Es kommt uns eigentlich viel eher darauf an, unsere Überlegenheit zu beweisen als eine Wirkung zu erzielen.

Ich für meinen Teil heiße diese Szene, der Sascha hier so fulminant den Spiegel vorhält, schon seit geraumer Zeit „digitale Besserwisser“. In die gleiche Kerbe haut die Beraterin Martina Pickhardt, wenn sie konstatiert:

Wir sind ein Volk der Berater geworden, die zwar super Vorschläge machen, wie es denn alles viel besser aussehen könnte im digitalen Deutschland, aber nicht die Verantwortung übernehmen wollen, es selbst umzusetzen.

Professionalitätsverweigerung. Ein anderes Wort fällt mir dafür nicht ein. Es wimmelt nur so von digitalen Statlers und Waldorfs. Leider aber nicht besonders witzig.

Zehn Jahre Wired zu verschenken!

Unter Buzz-Gesichtspunkten war es wahrscheinlich eine kluge Entscheidung, Thomas Knüwer zum Entwicklungsredakteur der deutschen Wired zu machen. Das hat Olaf Kolbrück schon am Mittwochfrüh geahnt und angedeutet.
Doch als Blattmacher ist Thomas Knüwer bislang nicht in Erscheinung getreten. Und er ist keinesfalls der erste Journalist, der sich daran versucht, das Zentralorgan des Cyberspace nach Deutschland zu transportieren. In den Kommentaren bei Felix Schwenzel kolportiert ein hjg:

Mitte der 90er hatte Andreas Schmidt, damals Chefredakteur von TV Today (G+J) auf meine Anregung hin G+J-Geld zur Verfügung gestellt und im unserem Hamburger Redaktionsbüro machte sich eine externe Mannschaft unter der wohlwollenden Aufsicht von Klaus Liedtke an die Arbeit. Gedieh bis zur Nullnummer, die auch die ersten Copy-Tests bestand und von der Original-WIRED-Mannschaft, damals mit deutschem Art Director, akzeptiert wurde. Letztendlich aber scheiterte das Projekt, weil sich die beteiligten Verlage (G+J / SPIEGEL / Conde Nast) nicht einig wurden. Genaueres haben wir nie erfahren.

Und Lorenz Lorenz-Meyer ergänzt:

An dem Mitte-der-90er-Jahre-Experiment mit Wired war neben G+J auch die Spiegel-Gruppe beteiligt, unter der Leitung von Dieter Degler. Art Director war glaube ich Uwe C. Beyer. Ich hab damals (Anfang 96 muss das gewesen sein) ein Bewerbungsgespräch gehabt mit Klaus Madzia, der Deglers rechte Hand war. Bin dann bei SpOn gelandet, und Degler und Madzia wurden, nach dem Scheitern des Wired-Projekts, meine Chefs. (Madzia wechselte kurz darauf zu Econy.)

Ich kann mich dunkel erinnern. Auf meinem persönlichen Radar erschien Wired mit der Zeit-Ausgabe 40/1994 vom 30. September 1994. Darin schrieb Aaron Koenig eine Hymne auf das Zentralorgan des Cyberspace. Trotzdem dauerte es offensichtlich noch bis Frühjahr 1995, dass ich Abonnent des Blattes wurde. In meiner bis heute erhaltenen Sammlung ist das Heft 3.03 vom März 1995 das erste.
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Das lag auch an den Mondpreisen an deutschen Kiosken und daran, dass für ein (deutlich günstigeres) Abo eine Kreditkarte nötig war. Die bekam ich irgendwann kostenlos von der Deutschen Bahn in Form einer Bahncard mit Kreditkartenfunktion. Bahn und Citibank gaben das Projekt schnell wieder auf, meine Kreditkarte jedoch habe ich bis heute. Inzwischen kommt sie von der Targobank, nachdem die Citibank ihr hiesiges Privatkundengeschäft an Crédit Mutuel verkauft und diese den Kunstnamen Targobank eingeführt hat.
Wie die deutlich erkennbaren Gebrauchsspuren zeigen, habe ich das Heft damals intensiv gelesen. Ich war noch Student in Berlin und nebenbei freier Radiojournalist, hatte also genug Zeit für die Lektüre. Das Studium endete, die Jobs wechselten, schließlich auch die Stadt. Nur Wired blieb.
Die Sammlung wuchs, zog mehrfach mit mir um und verstaubt heute im Regal. Mit Heft 13.08 war nach gut zehn Jahren im Sommer 2005 schließlich Schluss. Ich habe mein Abo damals nicht mehr erneuert. Übrigens ein schöner Brauch in den USA – dort laufen Zeitschriftenabos nach einem Jahr aus und müssen erneuert werden, anders als bei uns, wo es einer Kündigung bedarf, um ein Abo zu beenden.
Warum habe ich damals nicht wieder verlängert? Von den Krisenjahren 2001ff. blieb auch Wired nicht verschont. Ich hatte inzwischen zu bloggen begonnen, und mein Leseverhalten verschob sich mehr und mehr von Print weg in Richtung Digital. Ob daran die deutsche Wired viel ändern wird?
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PS: Meine Wired-Sammlung (3.03 bis 13.08, die Hefte 13.04 und 13.05 scheinen zu fehlen, mindestens ein weiteres Heft vermisse ich leider auch, dafür ist ein anderes doppelt vorhanden) würde ich gern abgeben. Entweder an Selbstabholer oder gegen Erstattung der Versandkosten. Sonst geht sie demnächst ins Altpapier.
PS2: Die Frage, warum es eigentlich keine deutsche Wired gibt, hat uns hier auf dem Fischmarkt schon vor ziemlich genau fünf Jahren beschäftigt.

Die zweite Ausgabe von Digitas Cache ist da

Alle Welt redet von der deutschen Wired. Doch um zu wissen, was Thomas Knüwer und seine Mannen in München da ausbrüten, werden wir uns wohl noch bis zum 9. September gedulden müssen.
Um die Wartezeit zu verkürzen, lohnt sich vielleicht ein Blick in die soeben erschienene zweite Ausgabe der digitalen Zeitschrift iPad-App von Digitas Cache. Der erste Eindruck zeigt eine solide, leicht verspielte, nett gestaltete Textsammlung von unterschiedlicher Qualität, wie das bei Magazinen häufig so ist und auch bei der germanischen Wired nicht anders sein dürfte.

Den Text über digitale Musik fand ich reichlich oberflächlich und wenig erhellend. Die hauseigene Studie über die wohlhabende Klasse in den USA schien mir da schon substanzieller, konnte mich aber auch nicht ans iPad fesseln. Und die Geschichte über die Unendlichkeit der Daten lag mir zwar inhaltlich näher, allerdings war ich wohl zu müde, um sie zu lesen.
Dass ich zum Umblättern vertikal wischen muss statt horizontal, wie es inzwischen gelernt und intuitiv wäre, muss ich wohl unter „leicht verspielt“ abbuchen. Form follows function? Schön wär’s.
Digitas Cache gibt es im App Store. Vor kurzem fand übrigens in New York die vierte NewFront statt, eine von Digitas veranstaltete Konferenz. Das Motto: Brands, Meet Content.