Martin Recke

Co-Founder @nextconf, corporate editor @AccentureSong, PR guy, blogger, journalistic background, political scientist, theology, singer, father, landlord, roman-catholic.

Die neue Mitte wählt FDP. Und nicht die Piraten

Auch wenn sie sich auf Twitter noch nicht zu äußern wagt. Elisabeth Noelle-Neumann formulierte in den 70er Jahren die Theorie der Schweigespirale. Danach hängt es in vielen Fällen von der wahrgenommenen Mehrheitsmeinung ab, ob sich Menschen öffentlich zu ihrer Meinung bekennen.
Auf Twitter war das Bild am Wahlabend klar: großes Entsetzen über die schwarz-gelbe Mehrheit, allgemeine Abscheu gegenüber der FDP. Dabei bin ich fast sicher, dass sich gerade auf Twitter überdurchschnittlich viele FDP-Wähler tummeln. Aber nur wenige von ihnen haben sich öffentlich geäußert, weil sie die Konfrontation mit der wahrgenommenen Mehrheit scheuten.
Es gibt ein neues liberales Milieu, das die Basis für den Wahlerfolg der FDP bildet. Und es ist gar nicht so weit entfernt von denen, die es Arbeit nennen. Gustav Seibt macht in der Süddeutschen Zeitung eine nicht unerhebliche neue Mitte aus.

Diese hätte früher selbstverständlich SPD oder Grüne gewählt. Heute aber ist sie vierteljährlich mit der Abrechnung der Umsatzsteuervoranmeldung beim Finanzamt beschäftigt. Viele kreative Berufe – Filmproduzenten, Webdesigner, Galeristen, etablierte Schauspieler – sind heute nicht mehr in Groß- und Staatsbetrieben wie Museen und Theatern beschäftigt. Stattdessen betreiben sie schnell entstehende wie vergehende kleine und mittlere Subunternehmen. Zwischen ihnen und dem Staat liegt keine Personalstelle mehr. Und so hat für sie das Wort „Transferleistung“ eine Anschaulichkeit, die da fehlt, wo man nur einmal im Monat achtlos einen Gehaltszettel abheftet.

Dass am unteren Rand dieses Kreativbürgertums die Zwangsverwaltung des Alltags durch die Arbeitsagenturen droht, macht die Einstellungen dieser Leute nicht sozialdemokratischer. Wer fast 20 Prozent Umsatzsteuer für jene öffentlich-rechtlichen Radiohonorare entrichtet, die von den öffentlich-rechtlichen Gebührenempfängern nicht vergütet werden, und wer einmal im Jahr die Bescheide der Künstlersozialkasse über die wahrscheinliche Rente ab 67 erhält, der schaut mit kühlem Blick auf die Rentnerheere bei den anderen Parteien.

Und so fort. Auch für die Piratenpartei, eigentlich eine Art FDP 2.0, hat Seibt eine passende Erklärung parat:

Übrigens mag es sein, dass die Piratenpartei bald den Prekariatsflügel dieses volatilen intellektuellen Unternehmertums darstellt. Und auch das hat nicht nur einen kulturellen Hintergrund, geht es doch um Zugangs- und Verwertungsrechte im Hauptarbeitsfeld dieser Schicht: dem Internet. Und um jene bürgerliche Freiheit sowieso, die den alten Staatsvolksparteien immer öfter weniger bedeutet als die Sicherheit. In diesem Milieu, das wachsen wird, will man sich weder von der Arbeitsagentur das Leben vorschreiben noch vom Staatsschutz durchleuchten lassen.

Dieser Freiheitswille, er hieß einmal Liberalismus.

Die Piratenpartei und mit ihr die lautstarke Mehrheit auf Twitter sitzen vorerst in ihrer Nische fest, als Minderheiten, die sie tatsächlich sind. Denn wie Christoph Salzig treffend bemerkt:

Die Selbst­wahr­neh­mung der Anhän­ger und eini­ger Pira­ten selbst und die erzielte Wir­kung ste­hen in einem dis­so­nan­ten Ver­hält­nis. Hierzu gibt es in der Marketing-, Werbe- und PR-Welt lei­der einige unüber­seh­bare Par­al­le­len. Nicht umsonst wer­den die zum Teile ebenso zag­haf­ten wie untaug­li­chen ers­ten Schritte ein­zel­ner Unter­neh­men, sich in Web 2.0 (allein, dass die­ses Wort aus dem Sprach­ge­brauch der so genann­ten Social Media Evan­ge­lis­ten bereits getilgt wurde, spricht Bände) zu ver­su­chen, mit einer Urge­walt gebrand­markt, dass man den Ein­druck gewin­nen kann, das Ende des Word Wide Web steht bevor.

Doch die Wahr­heit sieht anders aus. Wäh­rend bis­wei­len für meh­rere Tage (dar­auf beschrän­ken sich der­ar­tige Dis­kus­sio­nen zum Glück) in der Social Media Nische kaum noch andere The­men gehan­delt wer­den, nimmt die „große, weite Welt“ da drau­ßen, kaum Notiz. Nicht allein Vodafone-Sprecher Kuzey Alex­an­der Ese­ner kon­sta­tierte, dass der vom „Mikro­kos­mos“ aus­ge­löste Social Media „Tsu­nami“ sich in den Filia­len über­haupt nicht aus­ge­wirkt hat. Ein wenig mehr Boden­stän­dig­keit stünde vie­len Prot­ago­nis­ten gut zu Gesicht. Das würde das Ver­ständ­nis für die eige­nen Ansich­ten und drin­gend not­wen­dige Rich­tungs­wech­sel in Gesell­schaft, Wirt­schaft und Poli­tik sub­stan­zi­ell fördern.

Die REWE Feine Welt ist da

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Der Lebensmitteleinzelhändler REWE führt die neue Eigenmarke REWE Feine Welt ein. Und ist zu diesem Anlass Neukunde von SinnerSchrader geworden. Wir hatten das Vergnügen, die Onlinepräsenz zur Markeneinführung zu inszenieren (Achtung – heftiges Flash!).
Neben dem filmischen Einstieg gibt es drei Wege, die interaktive Gourmet-Erlebniswelt zu erkunden. Der Konsument kann sich zum einen an verschiedenen Kontinenten und Regionen orientieren. Der zweite Weg führt über eine interaktive Übersicht der über 100 Feinschmeckerprodukte. Und schließlich kann er sich an den unterschiedlichen Geschmacksrichtungen orientieren.
Wer Flash nicht mag, der sollte hier am besten gar nicht erst klicken. Mir selbst sind die meisten Schriften zu klein. Aber dafür ist der Spaßfaktor umso größer. Und da ich nicht weit von einem REWE-Markt wohne und oft dort einkaufe, freue ich mich schon auf den nächsten Einkauf. Um mir mal in realiter anzuschauen, was meine Kollegen als Flashwelt zusammengeschraubt haben.

Amir Kassaei und die Arroganz der Agenturen

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Amir Kassaei scheint in der Form seines Lebens zu sein. Oder auch nur auf Krawall gebürstet. Neben seiner Dauerfehde mit dem ADC treibt ihn ein echtes Anliegen: die digitale Revolution im Marketing. Auf der dmexco prangerte er die Arroganz der Agenturen an:

Die digitale Markenführung kann nur vom Mensch draußen auf der Straße gemacht werden. Der Konsument selbst ist das größte Tribunal überhaupt. Wer das nicht einsieht, ist verlogen, kapiert nicht, was in der Welt passiert oder hat den Schuss nicht gehört.

Der Werbeblogger geht noch einen Schritt weiter und demontiert gleich den ganzen Begriff:

Meine These: Digitale Markenführung ist ein Widerspruch in sich. Entweder die Marke wird über alle Wege und Berührungspunkte mit den Menschen (klassisch und online) geführt, oder es ist gar keine Markenführung. Eine Abgrenzung ist nicht möglich.

Die Frage ist: Wer führt? Die Unternehmen, die Agenturen – oder der Konsument?
Foto: Horizont

Mercedes gibt jedes zweite Marketing-Pfund digital aus

Die Nachricht des Tages kommt weder aus Köln noch aus Amsterdam: Mercedes gibt die Hälfte seines Marketingbudgets in Großbritannien jetzt digital aus. Das ist ein Meilenstein auf dem Weg der digitalen Revolution. Und offensichtlich wird diese Revolution aus Deutschland gesteuert, präzise: aus Baden-Württemberg.

„We don’t have normal marketers just doing online ads, or just putting our TV ads online,“ he said. „We have a whole department, for example, at our headquarters in Germany just doing digital marketing.“

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Sollte die next10 in Berlin stattfinden?

Der eine oder andere unter den Lesern dieses Blogs weiß vielleicht, dass wir bei SinnerSchrader derzeit in die Vorbereitung der JSConf.eu involviert sind, der europäischen Javascript-Konferenz. Verglichen mit der next conference ist das eine ziemlich kleine und stark fokussierte Veranstaltung. Und wie die Dinge liegen, läuft sie extrem gut. Die Konferenz wird am 7. und 8. November in Berlin stattfinden.

Berlin ist bekanntlich die deutsche Hauptstadt. Diese Tatsache allein macht die Stadt von vornherein attraktiv für ein internationales Publikum – vielleicht mehr als Hamburg. Berlin ist mehr als doppelt so groß wie Hamburg. Da mit airberlin und easyjet zwei Billigflieger ihre Drehkreuze in Berlin betreiben, ist die Stadt aus ganz Europa günstig und problemlos zu erreichen.

Die JSConf.eu hat uns zum Nachdenken veranlasst, auch mit der next conference nach Berlin zu gehen. Wir werden aber nicht nach Berlin ziehen, ohne vorher die next community zu fragen, die in den letzten vier Jahren all das möglich gemacht hat. Es wäre absolut unmöglich, die next conference ohne all die Leute zu veranstalten, die große Mengen an wertvoller Zeit und Geld in sie investiert haben.

Also ist Ihr Votum gefragt. Zwei Klicks genügen. Und vielen Dank für Ihre Unterstützung.


Eine Bemerkung zum Schluss – wir werden die endgültige Entscheidung sicher nicht nur vom Ergebnis dieser Umfrage abhängig machen. Aber es wird eine wichtige Rolle im Entscheidungsprozess spielen.

Jetzt für den Webfuture Award 2009 bewerben!

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Das Geld liegt zwar auch in Hamburg nicht auf der Straße. Aber 25.000 Euro sind schließlich kein Pappenstiel. Zahlbar in drei Tranchen: 15.000 gehen an den Sieger, 7.000 an den Zweitplatzierten. Und wieviel der Dritte bekommt, kann sich jeder selbst ausrechnen.
Hamburg@work lobt diese Summen für die Gewinner des Webfuture Award aus, der am 19. November zum dritten Mal in Hamburg vergeben wird. Bis zum 30. September können sich Gründer sowie kleine und mittelständische Unternehmen aus der Metropolregion Hamburg bewerben, die Teilnahme ist kostenfrei.
Die Juroren, darunter Gottfried Neuhaus (Neuhaus Partners), Thomas Schnieders (Otto) und Jan Starken (Tchibo), wählen aus allen Einreichungen die Kandidaten für die Endrunde aus. Die Finalisten haben dann die Gelegenheit, in Einzelgesprächen von jeweils fünf Minuten die Juroren von ihren Konzepten zu überzeugen.

Im Targeting gehören die Profile den Werbungtreibenden

Und nicht den Vermarktern oder den Mediaagenturen. Diese Position vertritt Matthias Schrader in einem Gastbeitrag auf dem dmexco-Blog.

matthias_schrader_150x176.jpgWarum? Ganz klar: Am Ende bezahlen die Unternehmen die Rechnung für die Kampagnen. Daher sollten sie den vollen Zugriff auf die Konsumentenprofile erhalten. Nur wenn die Werbungtreibenden über die generierten Nutzerprofile verfügen, können sie diese bei einem Wechsel der Agentur weiterhin nutzen. Targeting sollte aus Sicht der Werbungtreibenden betrachtet werden.

Der ganze Beitrag hier.

PICNIC in Amsterdam, die Alternative zur dmexco

PICNIC_heart_logo-125x125.gifIn zwölf Tagen werden Gott (nein, wahrscheinlich nicht) und die Welt nach Köln zur ersten dmexco fahren, die dort am 23. und 24. September stattfindet. Es ist die Nachfolgeveranstaltung der Düsseldorfer OMD. Beides sind in meinen Augen klassische Web-1.0-Events. Aber das ist nicht der Grund, warum ich nicht nach Köln kommen werde.

Der Grund ist die PICNIC, eine wunderbare Konferenz, die jedes Jahr im September in Amsterdam stattfindet, diesmal vom 23. bis zum 25. September. Und da ich die Kunst der Bilokation noch nicht beherrsche, muss ich mich für eines der beiden Events entscheiden. Nichts gegen Köln, aber ich habe mich für Amsterdam entschieden.

Und das beste ist: Sie können auch dabei sein! Wir haben ein Ticket für die PICNIC zu vergeben. Bitte hinterlassen Sie einen Kommentar (Mailadresse nicht vergessen) und nennen Sie einen Grund, der für die PICNIC spricht. Und da wir gerade darüber reden – ein Blick auf die spitzenmäßige Sprecherliste mit Namen wie Nicholas Negroponte und Niklas Zennström lohnt sich.

Procter & Gamble will E-Commerce-Umsatz verachtfachen

Die schnelldrehenden Konsumgüter (FMCG) führen bis jetzt meist ein Schattendasein in Sachen E-Commerce. Wer kauft schon Shampoo oder Quark im Internet? Kein Wunder, dass der US-amerikanische Konsumgüterriese Procter & Gamble bis jetzt nicht einmal ein Prozent seines Umsatzes auf diesem Weg macht. Doch der neue CEO Bob McDonald ist nun angetreten, dies zu ändern.
In den kommenden Jahren plant er, den E-Commerce-Umsatz von heute etwa 500 Mio. auf mindestens 4 Mrd. US-Dollar zu steigern – das wäre eine Verachtfachung und ein immerhin sichtbarer Anteil am Konzernumsatz von 79 Mrd. US-Dollar. Dabei geht es nicht nur um Direktvertrieb, sondern auch um den Onlineumsatz über Händler wie WalMart und Amazon. Lucas Watson, Global Team Leader Digital Business:

The ability whenever the consumer raises her hand and says, „I’m ready to buy,“ to connect her directly to a purchase rather than have her wait and go to a store, we think of it as providing better service.

Dieses Ziel harmoniert hervorragend mit steigenden Investitionen in Digital Media: Im ersten Quartal 2009 hat Procter & Gamble seine Bruttowerbeaufwendungen über alle Medien um 18 Prozent gekürzt und gleichzeitig die Investitionen in Onlinedisplaywerbung mehr als verdoppelt. Marc Pritchard, Global Marketing Officer von P&G:

Our media strategy is pretty simple: Follow the consumer. And the consumer is becoming more and more engaged in the digital world.