in Kongresse

Berlin, Berlin, ich war dann mal da auf der re:publica…

Die re:publica in Berlin – zum vierten Mal stattfindend, zum ersten Mal mit mir. Dabei war lange Zeit nicht klar, ob ich überhaupt fahren darf. Als Freiberufler hat man das ja da viel einfacher, der ottonormale Angestellte hat eher das Problem der Zeit- und Urlaubsplanung.

Da ich selbst mitten in der Vorbereitung für eine Konferenz, der next10, stecke, kam bei mir noch erschwerend der Faktor Urlaubssperre und Termindruck hinzu – wir haben noch gut drei Wochen. Der eine oder andere Selbständige aus meinem Umfeld fragte mich schon Löcher in den Bauch, ob ich denn kommen werde. Oft brachte ich im Team das Thema auf den Tisch, dann entschied sich endlich letzte Woche, dass ich unter „verschärften“ Auflagen doch noch nach Berlin fahren darf.

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Was ich so nicht ganz erwartet hatte, halb Hamburg schien auf dem Weg in die Diaspora nach Berlin zu sein. Dies äußerte sich nicht zuletzt in unzähligen foursquare– und friendticker-check-ins im Hauptbahnhof am Mittwochmorgen, auch die Tweetrate mit dem Hashtag #rp10 bzw. mit „ich bin auf dem Weg nach Berlin“ stieg enorm an. Allein im 8.06-Uhr-Zug ab Hauptbahnhof saß meine halbe Twittertimeline. Ein herber Verlust für mein tägliches Leben, wenn diesem Zug etwas passiert wäre…

Einen Zug später trat auch ich meine Reise gen Osten Richtung Friedrichstadtpalast an, um zwei Stunden später feststellen zu müssen, ca. 2000 andere hatten die gleiche Idee. Lange Schlangen an den Akkreditierungsständen, mit zum Teil verwirrenden Verläufen. Kein WLAN, kein Netz, weder UMTS noch Edge noch profanes Telefonnetz. Das Areal um die re:pulica herum glich einer Steinzeit im Zeitalter des Web 2.0. Ein vernünftiges Arbeiten, wie ich es meinem Team versprochen hatte, war nicht möglich.

Zeitweise waren SMS im zurückkehrenden Telefonnetz das Kommunikationsmedium der Wahl! Im Laufe der zwei Tage, die ich vor Ort sein sollte, wurde es nicht merklich besser. Selbst bei der Anzeige „volles Netz verfügbar“ war es nicht möglich, auch nur eine einfache statische Seite aufzurufen. Sehr schade, aber wohl nachvollziehbar, wenn ca. 2000-2500 Leute gleichzeitig versuchen, ihren Laptop sowie ihr Smartphone ins Netz einzubuchen.

Nach der Akkreditierung, Bändchen umlegen, Konferenztasche abholen, Garderobe verstauen konnte ich mich endlich dem Programm zuwenden. Vieles klang interessant, doch allein die Vielfalt förderte nicht gerade die Übersichtlichkeit. Im gedruckten Programm – jaja, old-school, doch erstaunlich viele liefen mit dem gefalteten Zettel vor sich herum – waren die Workshops noch extra abgedruckt, so dass die Zeitplanung immer doppelt überprüft werden musste. Auf meinem Smartphone wäre mir das lieber gewesen, aber so gänzlich ohne Netz und Empfang wusste ich mit diesem Ding nichts mehr anzufangen…

Das Highlight der gesamten re:publica war die Session von Jeff Jarvis. Und mit dieser Meinung stehe ich bestimmt nicht alleine da, obwohl Peter Kruse ihm wohl fast den Rang abläuft in der Beliebtheit der Sessions. Doch Jeff Jarvis ist nicht nur Journalist und Professor, nein, er ist Entertainer. Und er weiß sich zu verkaufen.

Charmant leitet er den Vortrag ein, dass sein Deutsch bei weitem nicht so gut ist, um die komplette Zeit Deutsch zu sprechen – charmant wechselt er aber oftmals zwischen Englisch und Deutsch hin und her. Eine One-Man-Show, die den Saal zum Lachen bringt, auch wenn er sich von der jungen Generation einiges gefallen lassen muss. So zum Beispiel von einem Niederländer, der in der anschließenden Diskussion alle über 35 für alt erklärt und damit Jeff Jarvis fast die Show stiehlt. Bei der Twitterlesung am Abend ist er dann aber trotz Anwesenheit von u.a. Sascha Lobo, @kosmar, @bosch, @HappySchnitzel und @pickiHH wieder der uneingeschränkte Star der anwesenden „digitalen Besserwissergesellschaft“.

Andere Sessions waren natürlich auch interessant, liebend gerne hätte ich Kathrin Passig mit „Wie man Leuten nichts beibringt“ gehört. Doch die Planung sah nur einen kleinen Workshop-Raum vor, so mussten mind. 20, gefühlt eher 50 Leute vor der Tür stehen. Verstehen war da schwierig, es blieb nur der Twitterstream oder das Ausweichen auf weniger interessante Sessions, die aber komischerweise in größeren Räumen stattfanden. Immerhin konnte man da aber mal für einen Moment sitzen, verschnaufen und an den umliegenden Steckdosen Smartphone und Laptop aufladen.

Natürlich war ich nicht nur auf der re:publica, weil mein halber Bekanntenkreis da war und ich Jeff Jarvis sehen wollte. Nein, ich hatte ja harte Verpflichtungen. So networkte ich im Auftrag der next10, was das Zeug hielt. Traf mich mit den Gründern von friendticker, ging zum UdL Digital Meeting, genoss Berlins Nachtleben auf der von tumblr gesponserten „Fashion meets Tech“-Party, traf den einen oder anderen aus beruflichen Gründen und ja, am 2. Tag kam ich auch endlich dazu, meine Mails von Firmenaccount abzurufen. Nein, nicht im Friedrichstadtpalast, Quatsch Comedy Club oder in der Kalkscheune. Ich wich auf das St. Oberholz aus und zähle mich nun auch zur digitalen Bohème…