in Web 2.0

Unterschiedliche Arten des Beta-Tests

Ein immer wieder anzutreffendes Stilelement moderner Web-Applikationen, im Volksmund „Web 2.0-Dienste“ genannt, sind Beta-Tests. Interessierte Nutzer melden sich zur Nutzung eines Dienstes an, um ihn noch in der Entstehungsphase zu testen und im Idealfall wichtiges Feedback an die Anbieter zu geben.
Bislang kannte ich nur zwei Formen des Beta-Tests, seit kurzem sind mir drei weitere bekannt.

  1. Der Beta-Test auf Anmeldung

    Sehr üblich ist es, daß man auf der Webseite des neuen Dienstes seine E-Mail-Adresse hinterläßt und dann angeschrieben wird, wenn wieder „Plätze frei“ sind. Während dieser Phase existiert der Dienst nur für die Beta-Tester, deren Zahl hin und wieder aufgestockt werden kann. Es kann sein, daß der Dienst dabei einschläft, wie dies beim Webtracker „Measure Map“ der Fall war. Es muss aber nicht so weit kommen.

  2. Der immerwährende Beta-Test

    Es hat lange gedauert, bis Dienste wie Flickr das „Beta“ aus dem Logo strichen. Damit haben sie in ihrer Anfangszeit den Anspruch unterstrichen, ständig an Features zu arbeiten. Dies ist unter dem Stichwort „Perpetual Beta“ bekannt.

  3. Der Beta-Test mit versuchter Bestechung

    Vor kurzem bekamen einige Blogger Päckchen mit seltsamem Inhalt: eine Zahnbürste, ein Nassrasierer und ein Motorola-Handy wurden von einem unbekannten Absender verschickt. Jedes Päckchen hatte eine eigene Nummer. Erst nach einer Woche wurde die Identiät des Absenders durch einen Brief enthüllt. Bis dahin war viel Zeit für Spekulationen, die so mancher nutzte. Alle Ideen über den Urheber waren übrigens falsch.

    Der Sinn der Geschichte war offensichtlich die persönliche Einladung zum Beta-Test eines neuen Dienstes. Anstatt einer normalen Mail wollte man Aufmerksamkeit erheischen. Mich würde dabei die Erfolgsquote interessieren, denn trotz des Bestechungspaketes habe ich mich bislang noch immer nicht registriert, was nicht nur mir so geht. Patrick Breitenbach läßt an der Aktion auch kein gutes Haar.

  4. Der Beta-Test mit Unkostenbeitrag

    Sehr verblüfft war ich, als mir ein Freund eine Mail weiterleitete, die er als Antwort auf eine Anmeldung zum Beta-Test eines interessanten neuen Dienstes bekommen hatte. Der an der Uni Osnabrück entwickelte Dienst GoodGaze verspricht, Nutzungsverhalten vorauszusagen. Sozusagen eine „Hellseher-Heatmap“

    Nach der Anmeldung wurde den potentiellen Beta-Testern mitgeteilt, daß die Nutzung des Dienstes zum Zwecke des Beta-Tests einen Unkostenbeitrag von 150 Euro (zzgl. USt) kosten würde. Ein Dienst wird also von Steuergeldern bezahlt und möchte zudem noch kostenlose Debugging-Leistungen erbracht bekommen, verlangt dafür aber noch Geld, anstatt den Testern welches zu zahlen. Diese Form der Dreistigkeit scheint mir neu.

  5. Die öffentliche Anmeldeliste

    Normalerweise sind Anmeldungen zu Beta-Tests nicht öffentlich. Man trägt seine E-Mailadresse in ein Formular ein und bekommt irgendwann eine Antwort. Doch oft bekommt man schnell mit, daß sich regelrechte Cliquen zum gemeinsamen Test von Diensten versammeln. Diesen Umstand nutzt nun ein neues deutsches Startup aus. Die Anmeldeliste ist öffentlich, dafür kann man sein eigenes Tipi (Zelt) zum Warten auf einer speziellen Webseite aufschlagen. Eine witzige Idee, die mehrere interessante Aspekte hat: es wird nicht nur eine E-Mailadresse abgefragt, sondern ein kleiner Mehrwert zur Anmeldung geboten. Ein Interessent kann zudem überprüfen, wer seiner Bekannten sich auch für den Dienst interessiert und bekommt so evtl. schon einen Anreiz zur Anmeldung. Schön ist auch die Analogie zur realen Welt gelöst, indem auf der Webseite auch Nacht wird.

Ja, die schöne neue Web 2.0-Welt bringt interessante Ideen an allen Ecken und Ende hervor. Aber nicht alle Ideen sind dabei wirklich tauglich. Patrick Breitenbach hat Recht, wenn er schreibt, daß alle Trittbrettfahrer mehr von der Päckchen-Aktion gehabt haben, als Tchibo. Nach der Auflösung habe ich keine Berichte über den Dienst gelesen.
Warum soll ich eigentlich einen Dienst testen, nur weil mir jemand ein Werbegeschenk dafür zusendet? Das ist für die zu testende Applikation eine denkbar schlechte Motivation. Wenn jemand meinen professionellen Rat haben will, soll er dafür bezahlen. Oder er bekommt ihn kostenlos, wenn ich mich für die Applikation interessiere. Niemals würde ich hingegen selber für einen solchen Test zahlen. Denn die Beziehung „Beta-Tester“ zu „Beta-Dienst“ ist doch ganz eindeutig: der Beta-Tester erbringt eine Dienstleistung, für die normalerweise Geld fliessen müsste.