Digitale Markenwahrnehmung

Itunes_simyo_2"Kunden werden zu Co-Designern," überschreibt die Horizont heute ihren Bericht vom Fachkongress Digitale Kompetenz. Und referiert die Thesen von Thorsten Dirks, Geschäftsführer von E-Plus Mobilfunk, demzufolge der Mensch von heute das Produkt wie auch die Marke selbst mitgestalten wolle. An sich keine neue Erkenntnis. Die gute Nachricht aber ist: Inzwischen sehen das auch Unternehmen wie E-Plus so. In den Worten der Frankfurter Werberpostille:

Für Dirks ist I-Tunes [sic!] und das Podcasting ein Paradebeispiel, wie digitale Interaktion sowohl Produkt als auch Marke optimiert. Apple nutzt die eigene Plattform in Sachen Podcasts für die aktive Integration des Käufers und dessen Bindung an die Marke. Der User gestaltet das Produkt mit, indem er selbst Audiofiles zum Download bereitstellen kann.

Nun gut, Apple hat das Podcasting zwar nicht selbst erfunden. Aber unterstützt. Und das Phänomen der Markenwahrnehmung mittels digitaler Interaktion lässt sich auch an einfacheren Beispielen beobachten. Thorsten Dirks nennt hier simyo in einem Atemzug mit iTunes, was uns natürlich erfreut. Bestellen und auch Aufladen funktionieren nur via Web – das Online-Erlebnis bestimmt das Markenbild.

Dass Kunden die Direktbanken, Billigflieger, -autovermieter und -mobilfunker vor allem über das Internet und per Interaktion wahrnehmen, galt bislang weithin als keiner Erwähnung würdige Banalität. Doch die Konsequenzen für die Markenwahrnehmung sind dramatisch, und das Nachdenken darüber scheint gerade erst richtig begonnen zu haben.

Der Garantiefall im Online-Shop

Siemens_gigasets445_01Wie das so ist: Einerseits lockt der billige Preis, andererseits wünscht man sich alles, nur keinen Garantiefall. Aber egal, mit den gesparten Euros lassen sich die Bedenken gegen den Kauf bei einem mir bis dato völlig unbekannten Online-Shop gut wegschieben.

Die Lieferung war schnell, das Gerät gefiel – jedenfalls, bis der Lautsprecher an meinem Siemens Gigaset 445 ausfiel. Seit Wochen leiden private Telefonate darunter, daß ich nicht antworte, weil ich nichts höre oder damit beschäftigt bin, den Wackelkontakt durch sanftes Schlagen auf die Tischkante zu beheben. Weil ich Arges ahnte, schob ich die Reklamation lange vor mir her.

Die E-Mail-Anfrage beim Shopbetreiber führte zur ersten Überraschung: Die Antwort kam umgehend; Siemens übernimmt den Fall. Daß die Versender diesen Service an den Hersteller abgeben, finde ich sehr geschickt. (Für welchen Preis?) Das Ergebnis des rund dreiminütigen Telefonates mit Siemens: Ein Kurier holt das Gerät morgen ab, und ich erhalte es innerhalb von sieben Werktagen repariert zurück. So einfach kann E-Commerce sein.

Gratulation für diese (freiwillige?) Kooperation vor allem an die Hersteller. Gute Preise und echter Service sind überzeugende Argumente. Was jetzt noch fehlt, ist ein agiler Verband, der die Botschaft in die Welt trägt, daß E-Commerce auch dann Service kann, wenn es sich nicht um Tchibo oder Otto dreht.

Wachstumsdynamik

Ebay_skype_1Haben wir solche Sätze nicht schon mal irgendwo gehört?

Sind die 4,1 Milliarden Dollar Kaufpreis nicht zuviel für ein Unternehmen, das in diesem Jahr 60 Millionen Dollar Umsatz macht?

Nein,
wir sind nicht der Ansicht, zuviel zu zahlen. Skype weist eine
grandiose Wachstumsdynamik auf. Kein anderes Kommunikationsunternehmen
wächst so schnell.

Ebay-Chefin Meg Whitman heute im Interview mit Holger Schmidt/FAZ.

Desaster

InfoworldDas ist doch mal ein anständiges Projektvolumen: Für 500.000 Dollar wollte ein TV-Sender in den USA sein selbstgebasteltes Content Management System durch eine Lösung auf Basis von Standardsoftware ersetzen. Doch das Projekt endete, so berichtet ein anonymer Projektmanager bei Infoworld, im Desaster:

When the users got their first look at the interface, they hated it.
The abstract requirements they’d written down in that 9-month-old document turned out to have virtually no relevance to what they actually needed. We hadn’t even been able to customize the out-of-the-box interface for them because they had never asked us to do so in their specification. As I sat with a miserable assistant producer, showing her the screens, I felt like I was handing a starving person a rubber chicken.

Needless to say, the project immediately devolved into a desperate and unplanned round of last-minute revisions, accompanied by lots of yelling and finger-pointing.
In real life, although a functional requirements specification is a good first step in preparing for a project, anyone who thinks that such a document, in and of itself, is sufficient to guarantee a project’s success is crazy. Not when real users are going to have to use it.

Wolfgang Sommergut, der dieses Beispiel ausgegraben hat, meint dazu:

Solches Projekt-Management ist nach dem, was ich so sehe und höre,
keine Ausnahme. Vermutlich hat fast jeder in seiner Firma schon so
etwas erlebt.

Die eine oder andere derartige Katastrophe ließ sich ja noch der relativen Unerfahrenheit einer jungen Branche zuschreiben. Doch diese Ausrede zieht nach zehn Jahren Web nicht mehr so richtig. Da ist es nur ein schwacher Trost, dass richtig große, klassische IT-Projekte noch sehr viel dramatischer scheitern.

Die richtigen Ansätze sind seit langem bekannt und keine Raketenphysik. Was hindert Projektmanager, Entwickler und Designer daran, sie einzusetzen?

Ebay wirbt um gewerbliche Händler

Wie die FTD heute exklusiv berichtet, will Ebay stärker den Versandhandel attackieren und von einer Auktions- zur Shoppingplattform wachsen. Dahinter steckt – recht trivial – die Ankündigung einer Werbekampagne, die aus freien Händlern eBay-Powerseller machen soll, wie gewerbliche Anbieter dort so schön amerikanisch heißen. Die Erkenntnis aus Karstadt-Quelles Replik ist zwar nicht mehr ganz taufrisch, bleibt aber wahr: "Die Ebay-Euphorie macht das Kaufen im Netz salonfähig, und das nutzt uns. Quelle.de und Neckermann.de sind genauso lang im Netz wie Ebay und haben sich prächtig entwickelt." Der Grund, heute einen PC zu haben, sind Billigtickets und eBay. Nicht Word und E-Mail.

in Ebay | 111 Wörter

simply simyo: cut & paste und andere tücken

Simplysimyo______________Copycats sind ja nix neues. Neben dem Produkt gleich die Website mitzukopieren, ist da nur stringent. Vielleicht sollten wir Simyo vorschlagen, den WebContent als RSS-Feed zu publizieren, damit sich die Mitstreiter die Mühen des manuellen Kopierens ersparen können und den Feed gleich in ihre Redaktionssysteme saugen können 😉

Sparkassen denken direkt

Direktbanken sind Konkurrenten der Sparkassen. Die
Konsequenz: Sie gründen selbst eine. So geplant bei der WestLB, die
mehrheitlich in der Hand zweier westfälicher Sparkassen ist. Der Gang an die
Öffentlichkeit diente wohl dazu, Tatsachen zu schaffen, denn die Entscheidung ist keinesfalls unumstritten. Laut FTD war ein früherer Versuch der Westdeutschen Landesbank am Veto der Sparkassen gescheitert. Intern "tobt eine hitzige Debatte." Kern der Kritik ist, daß eine eigene Direktbank eine unliebsame Konkurrenz um dieselben Kundensegmente ist. Schon 1822direkt, Direkttochter der Hessischen Landesbank, ist den Düsseldorfer Landesbankern ein Dorn im Auge.

Der wunde Punkt: Wie schon die Banken kann selbst die in der Fläche so starke Sparkasse ihren Kunden nicht mehr zwingend erklären, warum diese für die Nutzung von Standardprodukten in die Filiale gehen sollen. Fast alles, was eine gute günstige Bank ausmacht, kann über das Internet oder Telefon direkt vermittelt werden. Zum einen ist dies erheblich kostengünstiger, zum anderen wird die Abwicklung über das Internet nicht als minderwertige Billigvariante angesehen, sondern als effizient und transparent.

Weil Kunden der Direktbanken solvent und zufrieden sind, haben auch die Großbanken Freude an ihren Online-Ablegern. Sie wurden, als sich die Wachstumsphantasien nicht realisierbar zeigten, in die Konzerne reintegriert. Doch auch hier sind sie im Kampf um den "selbstinformierten Kunden" gut positioniert. Beide Modelle, autonom und integriert, haben sich prächtig entwickelt, wie unsere Kunden comdirect und maxblue beweisen. Wenn jetzt die Sparkassen von der Seite angreifen, werden wir einen spannenden Wettbewerb um das beste Konzept erleben.

Über die Fernbedienung in den Fernseher durch den Media-PC zum Internet

"Ist der Media-Center-PC mit dem Internet und dem Fernseher verbunden, hat der Nutzer über die Fernbedienung Zugriff auf den Warenbestand des Otto- Shops … Kunden sollen auf diesem Weg direkt vor dem Fernseher Waren aus einem Bestand von über 100 000 Artikeln des Versandhändlers per Fernbedienung bestellen können." (Quelle: Handelsblatt)

Der Otto-Shop  – das ist ja wohl weniger ein Shoppingkanal als das bestehende Online-Angebot. Wäre es da nicht einfacher gewesen, den Fernseher gleich ganz aus dem Spiel zu lassen und lieber direkt über PC-Monitor und Tastatur zu gehen? Vielleicht muß man es tatsächlich gesehen haben, um überzeugt zu sein.

Mostly Unusable

RobinsonIt amazes me that some of the most popular, most successful Web sites
and applications out there are hard to use, poorly designed and
generally over complicated.

D. Keith Robinson geht hart mit einigen der größten Webanwendungen ins Gericht. Expedia, MySpace oder Overstock.com, aber auch so gut wie alle Fotodienste, die nicht gerade flickr heißen, sind für ihn Beispiele für Websites mit massiven Problemen, die auf geheimnisvolle Weise trotzdem funktionieren. Werden sie von sich aus den Weg in Richtung Web 2.0 antreten? Vielleicht, aber warum sollten sie?

Was Robinson vorschlägt, hat sehr viel mit der Logik nutzerzentrierter Anwendungsentwicklung zu tun:

I think those of us who write about, speak on and advocate for a
more usable, standard, collaborative and generally better Web might
need to bring some old topics back up. Back to basics, if you will.

We need to not only solve people’s problems and make more usable
sites and software, we need to make sure people know about it. I know
that it goes against the new wave of entrepreneurial “rules” but to
make a significant change we’ll need marketing and PR and most
importantly to extend beyond the circles we run in. It goes back to
reaching a wider audience, something Web standards and best practice
folks have been dealing with for a long time.

It’s hard to see the forest for the trees and I know I spend enough
time with people who think just like me and who know how much better
the Web can be than the Overstock.coms of the Web. We need to spread
the word to the non-geeks. Talk about Flickr and other “Web 2.0”
successes. Find out what people’s core problems are and solve them as
well. Focus less on design and technology as it relates to our “design and development” problems and more as it relates to the problems of our customers and clients.

You think most people care if you use Ajax? Only if it makes their
tasks easier. What Ajax means to me is more ways to solve people’s
problems. Nothing more. But first we’ve got to understand the problems,
right? We have to know what people want.

Warum das Internet kein Fernsehen ist

Coqroq

Noch eine Studie.
Laut Internetverband ECO wird das Internet den Fernseher nicht ablösen.
Auch in mittlerer Zukunft werde die Mehrheit den Fernseher anschmeißen,
um sich einen Fernsehfilm anzusehen. Basis der Untersuchung ist eine
Umfrage unter "Branchenexperten". Internetleute urteilen also über das
Internet, daß es kein Fernsehen ist. Ich finde das sehr weitsichtig,
berücksichtigt diese Aussage doch die schönsten Allgemeinplätze, die
man überhaupt über Medien haben kann.

  1. Noch nie hat ein Medium ein anderes verdrängt. Es
    hat andere ergänzt. Die Zeitung das Buch, das Kino das Radio,
    das Internet das Fernsehen. Und: Die Menschen lesen in Zeiten des
    Internets nicht nur mehr, sondern gucken auch mehr TV – alles wird
    immer mehr. Derzeit sind wir die Amis bei elf
    Stunden pro Tag. Passiert in 10 Jahren nichts anderes mehr als
    Unterhaltung und Schlafen? Doch. Das Geheimnis ist die Mehrfachnutzung.
    Kein Medium wird alleine genutzt. Man quasselt beim fernsehen,
    liest beim Radiohören und surft beim Telefonieren. Von Abnutzung im
    Sinne einer Geringnutzung keine Spur. Warum also ausgerechnet beim
    Vergleich Internet / TV?
  2. Medien sind autonome Wesen. Das Internet kann und
    will das Fernsehen nicht kopieren. Dazu ist es viel zu intelligent,
    will heißen: interaktiv. Auch wenn weder Hollywood noch Babelsberg es
    sich vorstellen können: Die Zukunft ist nicht, Spielfilme digital
    zu empfangen, sondern etwas zu machen, was dem Medium angemessen ist.
    Und genausowenig wie in Zeitungen Bücher abgedruckt werden oder im Kino
    Fotos laufen, werden wir das Internet für Fernsehinhalte nutzen. Wohin
    die Reise geht, zeigen interaktive Spiele am besten: Die Vernetzung von
    Teilnehmern schafft etwas Neues. Den Nutzer in den
    Erzählfaden mit einzubeziehen, ist so ganz nebenbei die beste
    Möglichkeit, ihn in seiner Konzentration an sich zu binden. Wer klicken
    muß, löst keine Kreuzworträtsel nebenbei.
  3. Womit wir beim E-Commerce oder wenigstens doch
    bei der Werbung sind. Denn auch für sie gilt nicht automatisch das, was
    im TV gilt. Beispiel gefällig? Bitteschön. Nur haben in Deutschland offensichtlich weder Verbände noch werbungtreibende Industrie die Konsequenzen verstanden.

Aber wie gesagt, ist ja eh´ alles bekannt.