Was wohl der Shopblogger dazu sagen wird?
April 2005
Moorhuhn
Da ich neulich auch das Moorhuhn erwähnt hatte: Martin Oetting berichtet heute über positive Auswirkungen der Kampagne auf die Marke Johnny Walker, auf die ihn Nico Zorn hingewiesen hatte.
Keine Zielgruppe?
Gerade läuft ein Meme durch die benachbarten Winkel der Blogosphäre spazieren: Der Shopblogger hat es beim Werbeblogger gefunden, der es von Dirk Behlau hat. (Beim Don ist der Button schon ewig seit September 2004 zu sehen. Laut Blogstats war er damit mal wieder ganz weit vorne.)
Es ist ein für meine bescheidenen Begriffe recht optimistisches Selbst- und Konsumentenbild, das sich dahinter verbirgt (um nicht zu sagen: eine wenig realitätsnahe Wunschvorstellung vom aufgeklärten Verbraucher). Beispiele:
2.
Ich kann Information von Werbung trennen. Mein
Informationsbedürfnis lässt sich nicht durch einen
Premium-Content-Paketeinkauf bei einem kommerziellen Content-Anbieter
befriedigen.3.
Meine Grundhaltungen, Werte und Handlungsmaximen wurden und
werden noch immer von meiner Familie, meinen Freunden und meinen
persönlichen zwischenmenschlichen Erfahrungen geprägt. Nicht durch die
Implikationen der gerade aktuellen populärkulturellen Phänomene und
auch nicht durch die Werbe- und Public-Relations-Maßnahmen von
Markenunternehmen.4.
Ich weiß um die rein psychologischen Aspekte des
Markenbildungsprozesses. Hierzu stelle ich fest: Die Wahl meiner
Kleidung, meiner Unterhaltungselektronik, meiner Nahrung, meines
Automobils, meiner Möbel und aller anderen Gebrauchs- und Luxusgüter
erfolgt allein nach individueller qualitativer, ästhetischer und
preislicher Selektion. Nicht nach der Größe des aufgedruckten
Firmensignets (Logo) oder des Markennamens, des gewählten
Bildausschnitts, des verwendeten Papiers, der Größe oder
Umfeldplatzierung der Anzeige, des Mediadrucks oder der Werbespot-Länge
und -Laufzeit.6.
Mein Markenbild wird alleine durch die Produktverwendung,
die Produkt-Güte und durch die Qualität der begleitenden
Serviceleistungen geprägt. Irrelevante oder gar nervende
Werbemaßnahmen, wie z.B. Online-Werbung, deren Einblendung ich nicht
kontrollieren kann, die sich mit redaktionellen Inhalten vermischt oder
eine dumm-dreiste Zielgruppenansprache verwendet, führen zu einer
sofortigen Eintrübung meines Bildes von dem Werbung treibenden
Unternehmen. Bei meiner nächsten Kaufentscheidung werde ich meine
negativen Werbe-Erfahrungen berücksichtigen.
Klingt ein wenig wie Konsumistisches Manifest meets Protestantische Ethik. Muss ganz schön anstrengend sein, sich an alle diese Regeln und Vorschriften zu halten.
Taxinomie
Ein wenig Spaß zum Wochenende beim Werbeblogger.
Direktmarketing
Schon zum zweiten Mal in dieser Woche stand heute ein Promotion-Wagen von AOL vor unserer Tür. Genau genommen sogar deren zwei (siehe Bild). Ganz offensichtlich wollen deren Media-Leute mit SinnerSchrader Media ins Geschäft kommen. Soviel haben wir verstanden.
Was uns aber nicht klar ist: Warum rufen sie nicht einfach an?
Unwahrscheinliche Phrasen
Ein zu Unrecht hierzulande bislang wenig beachtetes Feature bei Amazon.com nennt sich Statistically Improbable Phrases. Es zeigt interessante, markante oder unwahrscheinliche Wendungen im Text von Büchern, deren Volltext durchsucht werden kann.
Noch besser ist aber die Möglichkeit, solche Phrasen selbst zu bilden und damit die Bücher zu finden, in denen sie (statistisch signifikant, nicht zufällig!) vorkommen.
Beispiel:
http://www.amazon.com/gp/phrase/collaborative+marketing
Das eröffnet doch völlig neue Recherchemöglichkeiten.
Mehr zum Hintergrund bei Dan Brown.
Desintegration
Gibt es, einmal von der Automobilindustrie abgesehen, eigentlich noch Markenhersteller? Oder haben sich die beiden Wortbestandteile längst separiert, sprich: die Marken ihre Herstellung ausgelagert an Produzenten in anderen Erdteilen? Und die Logistik demzufolge gleich mit, denn warum sollten sie sich mit diesen Feinheiten der Distribution noch befassen?
Gestern habe ich im Radio ein Feature gehört, dass sich zufällig mit unseren alten Freunden aus Herzogenaurach befasste. Der globalisierungs- und konsumkritische Tenor der Geschichte interessiert jetzt nur am Rande. Für den Fischmarkt ist spannender, was es eigentlich bedeutet, wenn ein Markenartikler sich allein auf Entwicklung und Marketing (plus Vertrieb) konzentriert.
Denn diese Fokussierung eröffnet unserem Steckenpferd Direktvertrieb neue Chancen. Die Marke rückt ja näher an den Kunden, wenn die eigentliche Produktion nicht mehr zur Unternehmenstätigkeit eines Markenartiklers gehört – mit allem, was daran hängt, vom Einkauf bis zur Auslieferung. Die Corporate World von Adidas, die der preisgekrönte Feature-Autor Jens Jarisch so köstlich portraitiert, ist eine reine Markenwelt. In Herzogenaurach wird kein einziger Schuh mehr produziert, auch nicht von Puma. Dort werden jetzt globale Marken gemacht.
Der gebeutelte Einzelhandel steht also auch deshalb so unter Druck, weil sich Markenartikler heute viel stärker auf ihre Präsenz beim Verbraucher konzentrieren, nachdem sie den Ballast ihrer eigenen Produktion abgeworfen haben. Das zerrt am Kräfteparallelogramm. Und zwar gewaltig.
H&M: TV statt Plakat
H&M storniert seine berühmte Plakatwerbung und setzt künftig auf das Medium TV, meldet heute die FTD. Für das Werbemedium Plakat ist diese Entscheidung recht unerfreulich. Es gehört traditionell zu den Schlusslichtern unter den Werbeträgern, auch wenn es immerhin die Online-Werbung noch hinter sich lassen kann (jedenfalls laut Nielsen). Mit dem Schritt in Richtung Fernsehen liegt H&M im Trend, wie die FTD diagnostiziert:
Zahlreiche Handelskonzerne haben sich wegen der Absatzkrise für mehr
TV-Präsenz entschieden, in Deutschland etwa die Metro-Töchter Real und
Media Markt, Edeka und demnächst wohl auch Lidl.
Doch was bedeutet dieser Trend für das Medium Internet? Auf den ersten Blick nicht viel, denn dass die Supermarktketten keinen Grund sehen, stärker in Online-Werbung und -Vertrieb zu investieren, leuchtet unmittelbar ein. H&M hingegen will in diese Reihe nicht so recht passen, denn dessen Sortiment eignet sich durchaus für den Vertrieb via Internet.
Content is king
Verschlafen die Agenturen einen Trend? Diese Frage stellte vor zwei Wochen die w&v (11/2005) – und beklagte die angesichts des internationalen Booms in Sachen Viral Marketing verhältnismäßig geringe Aufmerksamkeit bei hiesigen Werbern: Von den 79 Mitgliedern der internationalen Viral and Buzz Marketing Association stammen laut w&v gerade einmal zwei Agenturen und zwei freie Berater aus Deutschland.
Dabei lagen deutsche Werber mit dem legendären Moorhuhn, an das auch die Münchner Werberpostille erinnert, schon vor Jahren recht weit vorn. Das Problem war nur: Der Erfolg der Kampagne war nicht geplant – und wer erinnert sich noch an den Absender? (Richtig: Es war Johnny Walker.) Das Spiel überstrahlte ihn völlig. Immerhin zeigte das Huhn jedoch, worauf es ankommt: auf den Inhalt nämlich.
The heart of a viral ad campaign is the content. People don’t spread
the ad because they love your brand, they spread it because they can’t
help but adore your content. They’re not evangelists serving you, they
are self-serving.
Diese Erkenntnis stammt aus dem MarketingSherpa Special: Viral Advertising in 2005 — Top 7 Tactics, How-Tos, and Measurement Data, auf das Björn Ognibeni hinweist. In Deutschland jedoch, und da sind wir wieder am Ausgangspunkt, fehlen schon epochale, erinnernswerte Online-Kampagnen, stellt die w&v fest – und fragt: "Wie soll da eine erheblich komplexere und risikoreiche virale Kommunikation klappen?" Ganz einfach: Wer wagt, gewinnt. Der ersten großen viralen Kampagne winkt der Hauptpreis einer umfangreichen Medienberichterstattung als erfreulichem Zusatzeffekt.
Schlecht gepflegt
Der Shopblogger beschwert sich mal wieder, dass er ein neues Produkt im Laden stehen hat, über das sich der Produzent im Web beredt ausschweigt. In diesem Fall allerdings trifft er den falschen, denn die im März eingeführte Creme Jogò ist auf der Oetker-Website durchaus zu finden. Die Suche ergibt fünf Fundstellen.
Dennoch: Warum halten so viele Konsumgüterhersteller ihre Websites nicht so recht auf dem Laufenden? Ich vermute, da sind verschiedene Gründe im Spiel – angefangen von überkomplexen Content-Management-Systemen über unklare Prozesse (wer hat wann wen über was zu informieren) bis hin zu falschen Prioritäten: Möglicherweise sind vertriebliche Produkteinführung und klassische Werbung den Verantwortlichen einfach wichtiger als die Kommunikation in Echtzeit. Sie reservieren den großen Auftritt für die althergebrachten Kanäle und behandeln das Web als nachgeordnet.
Warum auch nicht, olange daraus kein Wettbewerbsnachteil entsteht? Der Hersteller, der sich zuerst bewegt, könnte sich hier einen Vorsprung verschaffen.