Post-Digital ist auch ein Kundenmagazin

Auf meinem Schreibtisch ist heute die druckfrische Ausgabe von postdigital gelandet, dem Kundenmagazin der Berliner Agentur aperto plenum. Das Heft (Chefredaktion: Helge Birkelbach) ist schön gemacht, auch die Web-Ausgabe gefällt.
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Wie üblich für Druckerzeugnisse, die Agenturen in eigener Sache produzieren, stammt ein Großteil der Themen aus dem Kundenkreis des Auftraggebers: Berlin Tempelhof, Bundesfamilienministerium, Bertelsmann Stiftung. Nichts dagegen einzuwenden, so funktioniert Corporate Publishing. Agenturkunden, die es nicht in den redaktionellen Teil geschafft haben, sind in Form von Anzeigen präsent.
Ob das reicht für ein zweites Heft, scheint nicht so klar zu sein. Jedenfalls schreibt Agenturchef und Herausgeber Michael Sodar im Editorial vorsichtig von einer möglichen Fortsetzung dieser Ausgabe. Möglich heißt: keinesfalls sicher. Am Thema Post-Digital dürfte es jedoch nicht scheitern, das bietet Stoff genug.
Digital ist heute Alltag und braucht keine eigenständige Kennzeichnung mehr. Genauso wie selbstverständlich ist, dass unsere Geräte mit Strom betrieben werden – im Gegenteil: die mechanische Uhr, das handkurbelbetriebene Radio sind die Ausnahme. Erst wenn das Digitale allgegenwärtig ist, entstehen die echten Innovationen und verändert sich das Leben der Konsumenten.
Im Mai haben wir dazu eine ganze Konferenz veranstaltet. Vermutlich wäre den Machern von postdigital kein Zacken aus der Krone gebrochen, hätten sie diese Tatsache wenigstens einmal erwähnt.

Post-Digital: Das Ende der digitalen Revolution


Wenn es einen Sprecher auf der NEXT Berlin 2012 gab, der sich über das Motto Post-Digital so richtig gefreut hat, dann war es George Dyson. Er rede seit Jahren davon, was nach der digitalen Revolution komme, meinte er, nun gebe es endlich eine Konferenz dazu. Seine Keynote war eine fulminante Tour d’horizon durch die Geschichte der Digitalisierung und ein Plädoyer für einen Blick über deren Grenzen hinaus.
Während seines Aufenthalts in Berlin hat er auch der Welt am Sonntag ein Interview gegeben und seine Thesen erläutert. Der zentrale Punkt seiner Argumentation:

„Wir gehen zurück zum Analogen, aber keiner will es zugeben“, sagt Dyson. Google, Facebook und Amazon seien Beispiele des Trends zum Analogen. Diese Internetunternehmen würden zwar digitale Komponenten benutzen, aber das Geheimnis ihres Erfolgs liege eben daran, dass sie analoge Netzwerke seien.

„Die Komplexität bei Facebook liegt nicht im Code, sondern in den Verbindungen. Jeder Nutzer hat einen recht einfachen Code, und die Nutzer stellen die Verbindungen selbst her, sodass Facebook zu einem analogen Modell der wechselnden Beziehungen zwischen den Usern wird.“ Bei Google sei es ähnlich.

Die Herstellung einer digitalen und im Netz verfügbaren Fassung aller denkbaren Informationen, von einem alten Telefonbuch bis zu einer Karte der Galaxis, sei relativ einfach, „kompliziert ist hingegen die Bedeutung der Information“.

Die Bedeutung liege in der Verbindung zwischen den Informationen, und die stellen die Nutzer her: „Google verfolgt nur, wie wir Verbindungen herstellen. So entsteht ein analoges Modell, wie die neuronalen Netzwerke im Gehirn, wo es gar keine digitalen Informationen gibt, nur Verbindungen.“

Schön auch, wie Autor Alan Posener es schafft, die NEXT zu charakterisieren, ohne auch nur einmal den Namen zu erwähnen:

George Dyson ist in Berlin, um als Gastredner an einer jener Konferenzen teilzunehmen, die, wie er sagt, „bevölkert werden von Start-up-Unternehmen auf der Suche nach Geld und Leuten mit Geld auf der Suche nach einem Start-up-Unternehmen, das ihnen noch mehr Geld macht“. Der amerikanische Wissenschaftshistoriker, der weder die Schule abgeschlossen noch eine Universität besucht hat, gilt in solchen Kreisen als Visionär.

Danke, Alan! Ohne uns hättest Du George Dyson niemals zum Interview bekommen. Haben wir doch gerne für Dich getan.

Post-digitale Monster

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Post-digital Monsters“ hieß eine Ausstellung, die Mitte April im Rahmen der Pictoplasma im Kunst- und Projektraum Sur la Montagne in Berlin stattfand. Sie zeigte seltsame Kreaturen, die in ihrer Ästhetik irgendwie digital anmuten, aber aus allerlei durchaus analogen Materialien bestehen.

Was wäre, wenn die digitale Welt mit ihren Einsen und Nullen plötzlich der Vergangenheit angehörte? Wenn es statt Bildschirmen wieder Leinwände und statt Pixeln echte Punkte gäbe? Wenn ein neues, post-digitales Zeitalter anbräche?Vermutlich würden wir ihr hinterher trauern, unserer altbekannten binären Bildlogik. Uns in Retrowellen schwimmend der guten alten Zeiten erinnern. In einer solchen Welt wären die Dinge wieder zum Anfassen und würden wohl trotzdem irgendwie digital anmuten…

Post-Digital scheint eine gewisse Nähe zu diversen Retrowellen zu haben. So diagnostiziert auch Marco Settembrini di Novetre im FAZ-Blog „Deus ex Machina“:

Angesichts sich überlappender Retro- und Nostalgiewellen scheint es fast, als wäre für weite Teile der heutigen Gesellschaft hinten das neue vorne.

Ist Post-Digital also retro, wieder analog oder gar, um im Agenturjargon zu sprechen, klassisch? Keineswegs. Benedikt Köhler stellte schon vor zwei Jahren fest:

Der Begriff ist wie die meisten Post-Begriffe äußerst anfällig für Missverständnisse, ja scheint sie sogar herauszufordern. Postdigital heißt gerade nicht, dass digitale Technologien und digitale Medien heute keine Rolle mehr spielen. Genau das Gegenteil ist der Fall: Die tiefe und nachhaltige Durchsetzung der Digitalisierung ist eine notwendige Bedingung für den postdigitalen Zustand.

Nun werden, speziell in Deutschland, noch jede Menge Nachhutgefechte geführt, die zuweilen sogar den digitalen Revolutionären schlaflose Nächte bereiten. Die Stichworte lauten Leistungsschutz- und Urheberrecht, ACTA, GEMA und dergleichen.
Hier wird bisweilen so getan, als ließe sich die Digitalisierung mitsamt ihren Folgen auch wieder rückgängig machen, wenn es nur einigen mächtigen Akteuren in den Kram passt. Das ist jedoch unwahrscheinlich. Digitale Technik ist schon seit Jahrzehnten auf ihrem unaufhaltsamen Siegeszug. Wer das nicht glaubt, kann ja mal ab Dienstag nächster Woche versuchen, mit einem analogen Satellitenreceiver deutsches Fernsehen zu empfangen. Post-digitales Fernsehen, sozusagen.
Eine erfolgreich durchgesetzte Innovation erkennt man daran, dass sie aus der allgemeinen Wahrnehmung verschwindet, weil sie schlicht selbstverständlich geworden ist. Nur eine Störung oder ihr völliges Fehlen wird dann noch wahrgenommen. Die Digitalisierung hat in vielen Lebensbereichen diesen Zustand bereits erreicht. Das post-digitale Zeitalter beginnt.

Postdigitalismus beschreibt den Zustand der Gesellschaft nach der erfolgreichen Digitalisierung wesentlicher Lebensbereiche von der Wirtschaft über die Bildung und Kultur bis zur Politik. Die zentralen Informations- und Kommunikationsinfrastrukturen sind mittlerweile digitalisiert. Und dies nicht nur in den westlichen Industriegesellschaften, sondern zunehmend auch in sogenannten „Entwicklungsländern“, die häufig ohne den Zwischenschritt von Festnetzinfrastrukturen direkt in das mobile Zeitalter einsteigen. Postdigitalismus bezeichnet die wahrgenommene Selbstverständlichkeit dieser Technologien. Die sogenannten „digitalen Eingeborenen“, also die nach 1980 geborenen Alterskohorten, die keine Welt ohne PC, Mobiltelefon und Internet kennen, sind die erste postdigitale Generation.

Die NEXT Berlin steht in diesem Jahr unter dem Motto Post-Digital. Tickets sind noch erhältlich.

Ambient Social Networking braucht noch Zeit

Pete Cashmore, der Gründer von mashable, hat „ambient social networking“ zum erschreckendsten Technologietrend des Jahres erklärt. Was meint er damit? Schon „social networking“ ist schwer ins Deutsche zu übersetzen, aber „ambient“ macht die Sache vollends mysteriös. Social Networks mit Bezug zur lokalen Umgebung ließe sich vielleicht sagen.
Wir sprechen von der Kombination der drei großen digitalen Trends Social, Local und Mobile, oder kurz SoLoMo. Es gibt inzwischen eine Reihe von Apps, die aus dem Wissen um den Bekanntenkreis, die Interessen und den aktuellen Standort des Nutzers ihre Schlüsse ziehen. Sie machen den Nutzer darauf aufmerksam, wenn sich Bekannte oder auch nur Bekannte zweiten Grades oder Menschen mit ähnlichen Interessen physisch in der Nähe aufhalten.
Daraus ergeben sich jede Menge spannende Nutzungsszenarien. Zum Beispiel hilft es Menschen wie mir, die eine notorische Schwäche bei der Zuordnung von Gesichtern und Namen haben. Wenn mir mein Telefon sagt, wer aus meinem Bekanntenkreis in der Nähe ist, womöglich noch mit Profilfoto, dann erspart dies peinliches Herumdrucksen, weil mir partout der Name nicht einfallen will.
Interessant wird es, wenn es darum geht, Menschen erst noch kennenzulernen, die ich schon lange mal kennenlernen wollte. Zu wissen, der Freund eines Freundes (oder Bekannte eines Bekannten) ist in der Nähe, erhöht die Wahrscheinlichkeit einer Kontaktaufnahme. Und sei es über eine App wie Highlig.ht, Glancee, Sonar oder banjo.
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Ihnen allen gemeinsam ist, dass sie sich in die existierenden Social Networks wie Facebook, Twitter oder Foursquare einklinken, um daraus das Wissen über meinen Social Graph zu ziehen. Das nutzt aber nicht viel, solange meine Facebook-Freunde und Twitter-Follower nicht auch diese Apps nutzen. Und genau das ist momentan noch das Problem, jedenfalls in Hamburg.
Beweisstück No. 1 war die Jubiläumsveranstaltung von UdL Digital am vergangenen Mittwoch. Ich hatte vorher Highlig.ht installiert, doch außer meinen Kollegen und Hendric Rüsch hatte offenbar niemand Gleiches getan (oder die App nicht aktiviert). Jedenfalls blieb es trotz der hohen Digerati-Dichte im Vapiano sehr ruhig auf meinem Telefon.
Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn diese Apps dem Vorbild von Foursquare gefolgt wären. Foursquare startete seinerzeit nur in wenigen Städten mit hoher Geekdichte und wurde erst nach und nach flächendeckend ausgerollt. Dadurch ballten sich die ersten Nutzer in geografischer Nähe zusammen, und gleichzeitig wuchs die Begehrlichkeit außerhalb der ersten Ballungsräume. Als Foursquare endlich in Hamburg verfügbar war, hatten die üblichen Verdächtigen alle schon viel davon gehört und waren sofort an Bord.
Bild: TechCrunch

Apple ist Post-Digital

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Gestern habe ich an dieser Stelle beschrieben, wie Apple die Post-PC-Welt dominiert. Bei weiterem Nachdenken fiel mir heute ein, dass Apple nicht nur die Post-PC-Welt dominiert, sondern auch das erste große post-digitale Unternehmen ist (und womöglich auch die post-digitale Welt dominieren wird).
Dies bedarf einer Erklärung. Adam Tinworth definiert Post-Digital wie folgt:

It’s about the new things that arise when digital is so ubiquitous as to be unremarkable.

Das genau ist der wesentliche Punkt, was das iPad betrifft. Apple haut in seinem Video für das neue iPad in die gleiche Kerbe:

Wir glauben, Technologie ist am besten, wenn man sie gar nicht sieht.

Genau daran hat Apple in den letzten zehn Jahren gearbeitet. Der iPod war der erste Treffer. Er hat Musik allgegenwärtig und gleichzeitig fast unsichtbar gemacht. Wer das heutige Musikerlebnis mit dem CD-Gerümpel vergleicht, weiß was ich meine.
Dann kam das iPhone und führe ein neues Paradigma touch-basierter Interfaces ein. Mit dem iPhone begann die Tastatur zur verschwinden. Als Steve Jobs das iPhone vorstellte, waren die Konsumenten schon an winzige Tastaturen auf ihren Blackberrys gewöhnt.
Heute haben wir uns an virtuelle Tastaturen auf Touchscreens gewöhnt. Und auch an die Qualität der Touchscreens von Apple, was es manchmal schwer macht, mit älteren Exemplaren an Fahrkartenautomaten zurechtzukommen.
Das iPad hat dieses Touchscreen-Paradigma einen Schritt weitergebracht, indem es Touchscreens in weniger als zwei Jahren zum neuen Standardinterface für Computer gemacht hat. Das iPad (und genauso das iPhone, der iPod touch und iPod nano) sind im Grunde nichts anderes als Screens.
Alles andere ist schon fast unsichtbar geworden. Dieser Prozess der Reduzierung begann übrigens mit dem ersten iMac und damit schon 1998, kurz nachdem Steve Jobs zu Apple zurückgekehrt war.
Mich fasziniert, dass Apples Wettbewerber diese Botschaft immer noch nicht verstanden haben: Die Konsumenten wollen keine hässlichen Kisten auf oder unter ihren Schreibtischen. Sie wollen nur einen Bildschirm, eine Tastatur und eine Maus (obwohl die Maus obsolet ist und schnellstens durch ein Trackpad ersetzt werden sollte).
Eigentlich aber wollen sie auch das nicht, sondern einfach nur die Dinge tun, die sie tun wollen, ohne über Technologie nachzudenken.
Dieser Text erschien im Original auf nextberlin.eu.

Die ersten Sprecher der NEXT12 stehen fest

Wir leben in aufregenden Zeiten. Dies gilt so ganz im Allgemeinen, aber im Besonderen gilt es für uns, was die NEXT Berlin 2012 betrifft. Bis dahin sind es nämlich nur noch 70 Tage, was sich für den unvoreingenommenen Leser viel anhört, für uns aber gelegentlich die ersten leichten Panikattacken impliziert. Genug der Vorrede.
Newsletter-Teasergross.jpgWir freuen uns, heute die ersten Sprecher der NEXT12 nennen zu können. Darunter sind der berühmte Technikhistoriker George Dyson und der leitende Performance-Ingenieur von Google, Steve Souders. Auch Alexia Tsotsis von TechCrunch und Hermione Way von The Next Web werden auf der Bühne stehen, ebenso der Post-Digital-Prophet Russell Davies und der kreative Tausendsassa Jeremy Abbett.
Steve Souders ist der Experte für High-Performance-Websites und Open Source. Der leitende Performance-Ingenieur von Google und Autor von Büchern wie „High Performance Web Sites“ wird über die große Herausforderung sprechen, vor der die meisten Unternehmen mit dynamischen Websites stehen: die Optimierung der Ladezeiten.
Glücklich sind wir auch über George Dyson, dessen soeben erschienenes Buch „Turing’s Cathedral“ den Schöpfungsmythos des digitalen Universums beschreibt. Es beleuchtet den Übergang von Zahlen, die etwas bedeuten, zu Zahlen, die etwas tun. Dieser Wandel wird enorme Bedeutung für unsere globalisierte und digitalisierte Gesellschaft haben und ist ein weiterer Grund, warum die siebte NEXT unter dem Motto „Post-Digital“ steht.
Das diesjährige Motto unterstreicht die Tatsache, dass „wir nicht am Ende einer digitalen Revolution stehen, sondern an deren Beginn“, wie Russell Davies von der Londoner Agentur R/GA formuliert. Technologie und digitale Dinge bilden bereits einen großen Teil unserer Realität und werden mehr und mehr als selbstverständlich akzeptiert statt bewundert. Aus virtueller Realität wird Augmented Reality, das Internet verbindet weit mehr als nur Computerbildschirme, der Cyberspace wirkt sich auf den realen, physischen Raum aus. Wir freuen uns auf die Keynote zum Hauptthema der NEXT Berlin aus dem Munde von Russell Davies.
Jeremy Tai Abbett von Widgetlabs/Truth Dare Double Dare ist ein Kreativer, der tatsächlich die Grenzen unserer digitalen Welt auslotet und interaktive Projekte an der Grenze zwischen Kunst, Technologie und Kultur entwickelt. Zu seinen jüngsten und laufenden Projekten zählen Onlineerlebnisse und physische Computerinstallationen, die die Grenze zwischen digital und analog verwischen. Mehr dazu im Video.
Menschen, die solche post-digitalen Ideen auf ein neues Level bringen, sind die führenden Köpfe der digitalen Geschäftswelt von morgen. Alexia Tsotsis und Hermione Way finden solche Leute für TechCrunch und The Next Web, berichten über aufregende neue Start-ups und die Köpfe dahinter. Auf der NEXT Berlin werden sie Sessions live auf der Bühne moderieren und präsentieren – und nach neuen Entdeckungen suchen.
Tickets für die NEXT Berlin 2012 gibt es auf nextberlin.eu.

Post-Digital: Nichts bleibt virtuell

Im vierten Teil seiner Philosophie für Nerds schreibt Jörg Friedrich in Telepolis über den Begriff des Virtuellen. Er illustriert mit einigen Beispielen, wie Virtuelles in die Alltagskultur eindringt und dabei aufhört, virtuell zu sein. Nichts sei an sich virtuell, erläutert Friedrich, sondern nur in Bezug auf etwas anderes. Virtuell heiße, dass etwas nicht physisch das ist, was man zunächst erwarten würde, aber dass es genauso wirkt.

In meiner Kultur ist ein Laufwerk ein Ding in diesem PC auf meinem Tisch, so habe ich diesen Begriff gelernt, so ist er mir selbstverständlich. Der Speicher in der Cloud ist demgegenüber virtuell. Jemand, der ein paar Jahrzehnte nach mir begonnen hat, mit Computern umzugehen, wird den Speicher in der Cloud genauso als Laufwerk ansehen wie die Festplatte im PC oder die Speicherkarte. Damit ist all das für ihn auch nicht mehr virtuell, es ist genau das, was er erwartet, wenn er „Laufwerk“ sagt. Was einmal eine neu geschaffene, virtuelle Version eines Kulturproduktes oder einer Kulturtechnik war, ist Teil der alltäglichen Kultur geworden.

Genau diesen Prozess meine ich, wenn ich von Post-Digital spreche. Digital war lange Zeit gleich virtuell. Online-Shops waren virtuelle Läden, Ebay ein virtueller Marktplatz, Second Life eine virtuelle Welt. Wir sprechen von virtueller Realität. Virtualität definiert die Wikipedia so:

Virtualität ist die Eigenschaft einer Sache, nicht in der Form zu existieren, in der sie zu existieren scheint, aber in ihrem Wesen oder ihrer Wirkung einer in dieser Form existierenden Sache zu gleichen. Das Wort führt über den französischen Begriff virtuel (fähig zu wirken, möglich) zurück auf das lateinische Wort virtus (Tugend, Tapferkeit, Tüchtigkeit, Kraft, Männlichkeit).
Virtualität spezifiziert also eine gedachte oder über ihre Eigenschaften konkretisierte Entität, die zwar nicht physisch, aber doch in ihrer Funktionalität oder Wirkung vorhanden ist. Somit ist „virtuell“ nicht das Gegenteil von „real“ – obwohl es fälschlicherweise oft so verwendet wird – sondern von „physisch“.

Post-Digital ist genau jener Prozess, der die Grenze zwischen virtuell und physisch zunehmend verwischt und am Ende ganz aufhebt. Von der früher notwendigen physischen Realität kann nun abstrahiert werden, weil die virtuelle ihren Platz eingenommen hat. Auch diese existiert ja nicht ohne ein physisches Substrat. Digital ist heute so selbstverständlich, dass es als solches nicht mehr wahrgenommen wird. Post-Digital heißt, dass die Unterscheidung zwischen digital und nicht-digital keinen besonderen Erkenntnisgewinn mehr hat.

Post-Digital: Was digital mit Sauerstoff gemein hat

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Steht die digitale Revolution erst am Anfang oder ist sie schon vorbei? Das ist vor allem eine Frage des Blickwinkels. Klar ist, dass Digital gewonnen hat. Alles, was digitalisierbar ist, wird früher oder später digital. Und damit zu Software. Diese Frage ist entschieden. Insofern ist es Zeit, die Frage zu stellen, was als nächstes kommt: Post-Digital?
Digital ist heute so selbstverständlich wie Strom aus der Steckdose. Was auch die Frage aufwirft, was genau eigentlich eine Digitalagentur ist. Doch davon soll bei anderer Gelegenheit die Rede sein. In jeder Agentur ist es die Strategische Planung, die weit vorne im Projektprozess ansetzt. Das ist bei SinnerSchrader auch nicht anders.
Manuel Stolte und Jan-Philipp Jacobsen aus unserer Strategischen Planung haben sich mit dem Thema Post-Digital auseinandergesetzt und ihre Thesen in der Strategy Corner der Account Planning Group (APG) vorgestellt, die im Fachdienst new business erscheint. Der Text ist auf der Website der APG verfügbar und auf eine gewisse Weise auch post-digital: Am besten lässt er sich auf DIN A3 im Querformat ausgedruckt lesen.
Mehr zum Thema Post-Digital gibt es in diesem Jahr auf der NEXT Berlin. Haben Sie schon Ihr Ticket?

Marken brauchen Ideen in einer post-digitalen Welt


In der Gunst der NEXT-Community steht Mark Dewings derzeit ganz oben. Der Leiter der Abteilung Brand & Marketing bei SoundCloud möchte auf der NEXT Berlin 2012 der Frage nachgehen, warum für Marken eine gute Idee vor allem im post-digitalen Zeitalter wichtiger ist als technologische Neuerungen.
Dass wir längst in einer post-digitalen Welt leben, ist für Dewings spätestens in dem Moment klar, wenn einjährige Kinder erwarten, dass sie Bilder in Magazinen so behandeln können wie auf dem iPad und sie versuchen diese mit den Fingern zu verändern.

In einer solchen Welt können laut Dewings nur innovative Ideen und nicht die Technik selber die Menschen noch begeistern und damit an eine Marke binden. Und genau das sei nötig, um Marken zu stärken und überlebensfähig zu machen. Katalysator für Innovationen sind für ihn die Menschen selber, ihre Verhaltensmuster und Charakteristika. Sie sollten deshalb im Mittelpunkt des Interesses stehen.
Mit dieser Meinung scheint Dewings den Nerv der Zeit zu treffen, und so vereint er derzeit die meisten bisher abgegeben Votes auf nextberlin.eu auf sich. Damit hat er eine gute Chance, mit seinem Vorschlag Teil des Konferenzprogramms zu werden. Bis zum 13.12. nehmen wir noch weitere Vorschläge für die NEXT Berlin 2012 entgegen. Bis zum 20.12. kann noch abgestimmt werden.