Was aus meinen Prognosen für 2009 wurde

Es war mein erster Arbeitstag im Januar, als ich acht Prognosen für das nun fast abgelaufende Jahr 2009 abgab. Und da heute mein letzter Arbeitstag in diesem Jahr ist, frage ich mich nun, was daraus geworden ist.

  1. Prognose: Eine Reihe von Marken und Markenartiklern, für die 2009 ein wirtschaftlich schwieriges Jahr wird, werden sich öffnen, den Konsumenten zuhören und mit ihnen reden. Und damit erste Erfolge feiern. Realität: Es gibt zwar einige Beispiele für eine Öffnung, doch die großen Erfolge bleiben aus. Ab Mitte des Jahres dominiert die eher mäßig erfolgreiche Kampagne von Vodafone die Diskussion.
  2. Prognose: Marken und große Unternehmen werden ihre Marketingbudgets weiterhin ins Internet verschieben, das inzwischen der bei weitem effizienteste Marketingkanal ist – und deshalb ein Gewinner der Rezession. Realität: Der OVK prognostiziert der Onlinewerbung für 2009 ein Plus von 10 Prozent. Das kann sich in einem insgesamt rückläufigen Werbemarkt sehen lassen.
  3. Prognose: 2009 wird mehr Onlinewerbeumsatz mit Performance Marketing (SEM/Affiliate) als mit klassischer Displaywerbung gemacht. Auch Displaywerbung wird immer mehr nach Performance-Modellen abgerechnet statt nach TKP. Realität: Nimmt man die OVK-Prognose als Maßstab, so ist der erste Teil nicht eingetroffen, auch wenn das Affiliatemarketing überproportional gewachsen ist. Die Abrechnung nach Performance hingegen hat an Boden gewonnen.
  4. Prognose: Im New Media Service Ranking werden die Top Ten kräftig umsortiert. Aber spannend wird erst das Ranking im Folgejahr (auf Basis der Umsätze von 2009). Realität: In den Top Ten hat sich wenig getan. Das Ranking 2010 bleibt abzuwarten.
  5. Prognose: Der Druck auf die Printmedien wird stark steigen. In den USA werden die ersten großen Tageszeitungen ihre gedruckten Ausgaben reduzieren oder ganz aufgeben und ins Web migrieren. In Deutschland werden vor allem die Verlagsapparate Federn lassen müssen. Sie sind im Web nicht refinanzierbar. Realität: Die Krise der Printmedien war eines der großen Themen des Jahres 2009. Mehrere US-Tageszeitungen sind eingestellt worden. In Deutschland haben die Verlage massiv Stellen abgebaut.
  6. Prognose: Alte Medien werden Blogs kaufen, sogar in Deutschland, um ihre Position im Web zu verbessern. Problem: Es gibt in Deutschland nur wenige professionell betriebene Blogs. Realität: Bereits im Januar wurde Basic Thinking verkauft, allerdings nicht an ein klassisches Medienunternehmen. Der Mangel an professionell betriebenen Blogs bleibt bestehen.
  7. Prognose: Holtzbrinck wird sich nach Kräften bemühen, seine Investitionen in StudiVZ zurückzuverdienen. Da die GWP es nicht schafft, StudiVZ zu vermarkten, wird der Vermarkter gewechselt. Für einen Verkauf an Facebook ist es nun zu spät. Am Ende wird ein Notverkauf stehen. Realität: Holtzbrinck hat den Vermarkter nicht gewechselt, sondern umbenannt. Facebook ist kräftig gewachsen. Zu einem Notverkauf von StudiVZ ist es bis jetzt nicht gekommen.
  8. Prognose: Cloud Computing wird abheben, sowohl als Buzzword als auch in der Nutzung. In der Rezession 2001/2002 konnte sich Open Source in Unternehmen durchsetzen, diesmal wird es Cloud Computing sein. Realität: Google hat mit seiner „Go Google“-Kampagne massiv um Unternehmen geworben, die ihre elektronische Büroinfrastruktur weg von Microsoft und lokalen Maschinen hin zur Google-Cloud bewegen wollen. Das Google Chrome OS wird im kommenden Jahr dem Thema einen weiteren kräftigen Schub geben.

Insgesamt ein eher gemisches Bild, wie das mit Prognosen so ist, besonders wenn sie die Zukunft betreffen. So schließe ich nun das Kontor für dieses Jahr. Anfang Januar geht es weiter, dann mit Prognosen für das Jahr 2010.

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next10 goes Berlin: May 11 & 12, 2010

Es ist ein großer Schritt für uns: Die next10 zieht nach Berlin. SinnerSchrader und die STATION Berlin veranstalten die next conference ab 2010 gemeinsam. Das Ziel der langfristig angelegten Zusammenarbeit ist, die next in Berlin zum europäischen Leitkongress für die digitale und kreative Wirtschaft auszubauen. Die fünfte next conference findet am 11./12. Mai 2010 in der STATION Berlin unter dem Leitthema Game Changer statt.

Zur next10 werden 2.000 Teilnehmer und über 100 Sprecher aus ganz Europa und den USA erwartet. Die zweitägige Trend- und Netzwerkveranstaltung bringt Kreative und Techniker aus der Internet-, Medien- und Kommunikationsbranche mit Entscheidern zusammen. SinnerSchrader richtet die next conference seit 2006 aus. STATION Berlin ist u.a. der Macher der internationalen Modemesse PREMIUM in Berlin, die auf ihrem Gebiet ebenfalls ein Game Changer ist.

Game Changer brechen Regeln und definieren Geschäftsmodelle neu. Sie sind innovativ und gehen Wagnisse ein, unbelastet von Massenmarketing und Mainstream. Unternehmen ändern die Spielregeln, indem sie auf disruptive Innovationen für neue Produkte und Dienste setzen und es nicht bei der kontinuierlichen Verbesserung des Bestehenden belassen.

Die Welt ist voller Game Changer. Die next10 stellt zwei Tage lang die interessantesten Game Changer aus allen Bereichen der Wirtschaft vor und diskutiert mit ihnen über die wichtigsten Regeln zum erfolgreichen Regelbruch. Der Schwerpunkt liegt auf den Branchen Automotive, Banking, Retail, E-Commerce, FMCG, Mobile, Media, Entertainment, Advertising, Travel, Tourism und Health Care.

Registrieren Sie sich jetzt und sichern Sie sich Ihr Ticket zum Frühbuchertarif. Wir sehen uns im Mai in Berlin!

Mehr dazu:

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Liebe digitale Generation, lieb mich!

Die Digital Natives werden von vielen Marken umworben. Die Aufgabe ist vorhersehbar:

Bitte entwickeln Sie eine Kommunikation für mein Produkt, die die neue Web-Generation anspricht. Und machen Sie ihnen klar, dass mein Produkt gut zu Ihnen passt. Wir sind einer von ihnen!

Auf diesem Briefing wurden gerade zwei Kampagnen für Zeitungen entwickelt.
Beispiel 1: The Sun

Beispiel 2: Welt kompakt

Und da gewinnen die Engländer mit Abstand: besserer TV-Spot und vor allem besseres Produkt online mit SunTalk und der mobile edition. Es reicht nicht zu behaupten, man sei das Produkt für die neue Web-Generation.
Deshalb The Sun 1: – Welt kompakt: 0

You May Install Applications on Your Car Soon

Imaging you could install applications on your car as you can on your smartphone today. Sounds incredible? It may be closer than you think. Ford, the only US carmaker that didn’t fold in the current crisis, is developing an open-source platform for Sync, the company’s successful in-car connectivity and communications-and-entertainment system.
In October, Ford announced that it is testing an open-source platform that could be used in the future to develop applications that make use of Sync to connect to social networks in the cloud. According to CNet,

Ford’s representatives said the system is built on a Robotics Studio platform by Microsoft that has been layered with an open-source cloud-computing platform developed by Ford that will allow rich–and hopefully seamless–interactions with social networks such as Facebook and Twitter.

Ford Sync is based on Microsoft Auto, formerly known as Windows CE for Automotive, Windows Automotive, and Windows Mobile for Automotive. Ford runs the first test for its open-source initiative with students of the University of Michigan. Currently no road map is known for when we can expect to see the Sync open platform in production vehicles, as it is still in the prealpha testing phases.
I really like the idea of a, more or less, like the iPhone, open platform for third-party developers on cars. This might be big in the future and a potential Game Changer for the troubled automotive industry. Cars could become the next smartphones. Of course, as the typical car lasts longer than an ordinary smartphone, this means in-car communications systems must be as easily replaceable as car stereos are today.

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Passionate about Cruisedeals.co.uk

CruiseDeals.co.uk erstrahlt seit gestern in komplett neuen Farben. Unsere Aufgabe war, der Website des Kreuzfahrtanbieters mit kleinen aber wirkungsvollen Veränderungen ein neues Look & Feel zu verleihen. Angepasste Styles und großformatige Bilder laden den Konsumenten zum neuen Erleben des Reiseportals ein.
Im direkten Vergleich, der heutige Stand:
cruisedeals_2009.png
Und vor dem Relaunch:
Cruisedeals_2004.png
CruiseDeals ist ein Unternehmensbereich der TUI UK Limited und bereits seit 2003 Kunde von SinnerSchrader.

Game Changer für die Automobilindustrie gesucht

Warum die deutsche Autoindustrie sterben wird, erklärt Günther H. Schust in seiner bitterbösen Polemik in der Welt. Die deutschen Autosteller haben, so sein Argument, zusammen mit ihren amerikanischen Kollegen die Senkung der Kohlendioxidemissionen mehr als 40 Jahre lang nicht nur ignoriert, sondern aktiv bekämpft.

Damit hat ausgerechnet die Automobilindustrie das Automobil der Zukunft komplett verdrängt. Umweltverträgliches Wachstum war und ist für die meisten Hersteller leider ein Fremdwort.

Nun fahre der Zug eben gegen und ohne die etablierten Hersteller, die Zukunft gehöre Hybrid- und Elektroantrieben. Shai Agassi, früher SAP-Vorstand und nun mit better place unterwegs, baut zusammen mit Renault-Nissan in Israel und Dänemark die Infrastruktur für einen flächendeckenden Elektrobatterieverleih auf – nicht mit den deutschen Automobilherstellern.
Doch hat sich mit Daimler immerhin einer von ihnen am Elektrosportwagenhersteller Tesla beteiligt. Und mit der Marke smart rollt Daimler gerade mal wieder Elektroautos aus. Ansonsten sind die Innovatoren in der Automobilindustrie eher konzernferne Spieler wie Local Motors oder Zipcar.
Und im Konstruktionssegment gibt es bereits zahlreiche Start-ups wie Transonic Combustion oder Fallbrook Technologies, die sich jeweils auf bestimmte Komponenten konzentrieren und diese von Grund auf verbessern. Innovation befreit sich von der Vorherrschaft der Autoherstellergiganten, die bislang die gesamte Wertschöpfungskette kontrollierten.

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Facebook und Das Ende der Privatsphäre

Als kleiner Nachtrag zu gestern sei jenen, die sich jetzt rituell über die neuen Datenschutzeinstellungen von Facebook aufregen, nur kurz ins Notizbuch geschrieben: Im sonst so datenschutzverrückten Deutschland gibt es ein sehr großes Social Network. Dort ist nach den Voreinstellungen jedes Profil innerhalb des gesamten Netzwerkes vollkommen offen sichtbar.
Als ich seinerzeit mein Profil dort nur für meine Freunde freigeschaltet hatte, bekam ich sogar mindestens einen Hinweis, ich möge doch mein Profil öffnen. Was ich dann aus verschiedenen Gründen auch tat. Facebook war in puncto Datenschutz, ähnlich wie auch Xing, von Anfang an sehr viel vorsichtiger und kleinteiliger.
Mit den neuen Optionen öffnet sich Facebook für jene, die eher eine Publikationsplattform denn ein semi-privates Netzwerk wünschen. Warum man sich so eine Plattform wünschen sollte? Weil es durch Öffentlichkeit mehr zu gewinnen als zu verlieren gibt.

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Das Ende der Privatsphäre

I have cancer, prostate cancer.

So lakonisch notierte Jeff Jarvis im August seine Krebsdiagnose. Und es blieb nicht bei diesem einfachen Faktum. Jeff schilderte die Krankheit, seine Behandlung und deren Folgen in allen Details, auch den intimsten. Für ihn war diese radikale Offenheit das Ergebnis einer einfachen Abwägung: Durch seine Offenheit und Öffentlichkeit hat er mehr zu gewinnen als zu verlieren.
Das umgekehrte Argument stammt von Google-Chef Eric Schmidt und weist in die gleiche Richtung:

If you have something that you don’t want anyone to know, maybe you shouldn’t be doing it in the first place.

Christian Stöcker hat aus diesem einfachen Satz eine umfangreiche Verschwörungstheorie gestrickt und diagnostiziert, Google wolle die Weltherrschaft. Das Wort Marktführerschaft war ihm wohl nicht stark genug.
Doch Wissen ist Macht. So ist die Frage, ob die Mission von Google – to organize the world’s information and make it universally accessible and useful – synonym für Weltherrschaft steht. Hat, wer die Informationen der ganzen Welt organisiert, allgemein zugänglich und nützlich macht, am Ende die Weltherrschaft? Markus Breuer zeigt ausführlich, was der Schmidt-Satz, weniger reißerisch interpretiert, auch bedeuten kann.
Tatsächlich hat das Internet am Ende seiner ersten vollen Dekade immense Auswirkungen auf das bürgerliche Konzept der Privatsphäre, das in Deutschland besonders stark ist. Wir selbst geben immer mehr persönliche, private Daten ins öffentliche Netz, weil wir uns davon, wie Jeff Jarvis, mehr Nutzen, Spaß oder Gewinn versprechen als wenn wir sie für uns behalten würden. Das ist durchaus vereinbar mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, wie es das Bundesverfassungsgericht in seinem Volkszählungsurteil von 1983 definiert hat. Die Älteren unter uns werden sich erinnern.
Und es ist durchaus nicht so, dass es keine abgestuften Freigaben und Sicherheitsstufen gäbe. Der Einzelne hat nicht nur die Wahl zwischen Schwarz und Weiß, zwischen öffentlichen oder privaten Daten, im Netz frei verfügbar oder gar nicht im Netz. Im Gegenteil hat er so viele Wahlmöglichkeiten, dass ihn womöglich schon deren Vielzahl überfordert wie Frank Schirrmacher das Netz insgesamt. Aber es gibt durch Öffentlichkeit mehr zu gewinnen als zu verlieren.
Reste des alten, bürgerlichen Konzepts von Privatsphäre scheinen sogar noch bei Sascha Lobos Replik auf Schirrmacher durch, wenn er schreibt:

Erklären wir, weshalb wir seltsame Fotos von uns ins Netz stellen und trotzdem erwarten, dass unsere zukünftigen Arbeitgeber nicht in diesen manchmal öffentlich zugänglichen, aber privaten Daten herumschnüffeln. Es würde ja auch niemand gern bei einer Firma arbeiten, die den Hausmüll eines Bewerbers durchwühlt, selbst wenn die Tonne vor der Tür steht.

Öffentlich zugänglich, aber privat – ist das nicht ein Widerspruch in sich? Vielleicht. Jedenfalls stehen wir, wie Markus Breuer treffend diagnostiziert, vor einem kulturellen Wandel, der die Verhältnisse von Geheimnissen und Privatsphäre gründlich ändern wird.

Dass das uns, die wir in einer anderen Kultur von Heimlichkeit und „privacy“ aufgewachsen sind, nicht gefallen muss, liegt auf der Hand. Das ändert nichts daran, dass es so kommen wird – und sich die Gesellschaft daran gewöhnen und anpassen wird. Im Zeitalter des Internets ist es sehr, sehr, sehr schwierig, Geheimnisse zu bewahren. Das gilt so für „den kleinen Mann“, aber auch für die Mächtigen dieser Welt. Gerade Letztere mussten das in den letzten Jahren immer wieder einmal merken. Und tatsächlich sehe ich da nicht nur ein „Ausspähen“, sondern auch eine wachsende Transparenz, die viele gute Seiten hat. Es kommt halt immer auf den Betrachtungswinkel an.

Transparenz ist das Gebot der neuen Zeit.

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The Game Changer has left the P&G building

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Last June, A.G. Lafley stepped down as CEO of Procter & Gamble, a position he held since 2000, but remained chairman. Now he announced that he will leave the chairman job as well.

It is not overstating things to say that Lafley brought P&G into the next century — and turned the once-staid company into a hive of innovation, bold business deals, and an absolute focus on the customer.

Together with Ram Charan, he wrote a book called The Game-Changer. The title slightly reminds me of the conference motto we’ve chosen for next10.
In his book, A.G. Lafley sums up his recipe for P&G’s success in five simple steps:

  1. We put the consumer at the center of everything we do.
  2. We opened up.
  3. We made sustainable organic growth the priority.
  4. We organized around innovation.
  5. We began thinking about innovation in new ways.

Sounds familar? Let me put it this way: A.G. Lafley adapted the secret formula of success for Web 2.0 to the consumer goods industry – and he started at a time well before Tim O’Reilly even coined the term itself. And so he changed the game.

Die neun Standardargumente der Technologiekritik

Kathrin Passig hat in einem brillianten Aufsatz für den Merkur die stereotypen Argumente der Technologiekritik untersucht, wie sie seit der Erfindung der Technologie (wann immer das auch war) regelmäßig mit den zur jeweiligen Zeit üblichen Schreibwerkzeugen (auch Technologie!) zu Stein, Papyrus, Papier oder Elektron gebracht werden. Für den eiligen Leser hier kurz die Standardargumente in ihrer logischen Reihenfolge:

  1. What the hell is it good for?
  2. Wer will denn so was?
  3. Die Einzigen, die das Neue wollen, sind zweifelhafte oder privilegierte Minderheiten.
  4. Das Neue ist eine Mode, die vielleicht wieder vorbeigeht.
  5. Täuschen Sie sich nicht, durch das Neue wird sich absolut nichts ändern.
  6. Das Neue ist nicht gut genug.
  7. Schwächere als ich können damit nicht umgehen!
  8. Es schickt sich nicht, das Neue (Buch, Mobiltelefon, Notebook etc.) in der Öffentlichkeit zu benutzen.
  9. Hat die neue Technik mit Denken, Schreiben oder Lesen zu tun, dann verändert sie ganz sicher unsere Denk-, Schreib- und Lesetechniken zum Schlechteren.

Dass jede Technologie diese Stufen von neuem durchlaufen muss, erklärt das unvorhergesehen hohe Internetkritikaufkommen der letzten zwei Jahre. Während die Kritik am 1994 aufgetauchten World Wide Web in ihren Endphasen angelangt ist, bewegen sich diverse internetbedingte Neuerungen gerade durch die ersten Stufen, etwa der 2006 gestartete Mikrobloggingdienst Twitter: »Unklar daran«, schrieb der Journalist Bernd Graff 2008 in der Süddeutschen Zeitung, »ist nur, warum man das tun sollte, warum man also überhaupt mikro-bloggen oder, wie man – benannt nach dem prominentesten Mikro-Blogging-Anbieter – inzwischen auch sagt, warum man >twittern< sollte« (Argument eins). Es scheint derzeit etwa zehn bis fünfzehn Jahre zu dauern, bis eine Neuerung die vorhersehbare Kritik hinter sich gebracht hat. Die seit 1992 existierende SMS wird mittlerweile nur noch von extrem schlechtgelaunten Leserbriefschreibern für den Untergang der Sprache verantwortlich gemacht. Immerhin aus Irland, einem Museum anderswo bereits ausgestorbener Kulturkritik, drang noch 2007 die Kunde, das Schreiben von Kurznachrichten verrohe die Sprache der Jugend.