Die Googlelisierung des Fernsehens

Was ist eigentlich das Schlechteste am Medium Fernsehen? Das Programm? Teleshopping? Werbung? Weit gefehlt! Es ist die Bedienung des Mediums durch den Nutzer. Allein schon das Wort Bedienung in seiner Vieldeutigkeit, die vom Bedienen eines Kunden oder Gastes über das Handhaben und Steuern von Geräten bis zur militärischen Einheit reicht, die ein Geschütz bedient (vgl. Duden, Deutsches Universalwörterbuch).

Die Fernbedienung (und es bleibt ja nicht bei einer, sondern schnell ist das halbe Dutzend voll) dient längst nicht mehr der Sofakartoffel, der sie den Gang zum Gerät erspart. Sie macht mit ihrer kryptischen Handhabung den Zuschauer zum Diener des Mediums. Sie gleicht einem Zugangskontrollsystem, das die Eingabe schwer zu merkender Codes erfordert, bevor sich die Tür zum erstrebten Erlebnis öffnet.

Demgegenüber haben wir Digerati uns in zehn Jahren Internet und zwanzig Jahren PC an andere Standards gewöhnt. „The truth is that we already know what good looks like“, schreibt Alan Schulman, Chief Creative Officer der Agentur Brand New World, in einem Essay, auf den uns Nico Zorn aufmerksam macht.

The creativity and elegant simplicity built into user interfaces like Google, Apple’s iPOD® and OSX, Motorola’s RAZR, Visible World’s MiTV, and TiVo’s Favorites all demonstrate best practices in making it easy for the consumer to navigate choice. So much so that we’ve come to expect that same simplicity and elegance in everything we power up. And this is why we become so easily frustrated by everything from cable and satellite remotes, to digital cameras to printers whose manufacturers just don’t get it.

All is not lost. HDTV looks great. Broadband video is generating new revenue. Reality TV is withering and scripted drama is back in a big way.

But what excites me as a creator of advertising messages is the opportunity to re-invigorate television advertising with new creative units and contextual placements– if we can just re-invent TV’s navigation.

Imagine an iTunes-like home page coming up on your television complete with everything from „most watched“ to „recommendations for you“ to „From the NBC archives.“ Then, imagine all the opportunities for advertisers to contextually match their brand attributes to your content attributes and serve appropriately.

Will we get there?

Just ask Google.

Advertising 2.0

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Emeriti nennt Mark Langeneck seine (Ein-Mann-)Agentur. Dort arbeiten also nur Akademiker im Ruhestand, oder habe ich etwas falsch verstanden? Doch Spaß beiseite. Mark schreibt:

Die Online-Werbewelt wird immer mehr zu einem Technik-Zirkus, der durch Contextual- und Behaviorial Targeting oder Keyword Marketing wie mit einer Brechstange versucht, Zielgruppen und höchst segmentierte Märkte zu erreichen. Zu häufig immer noch nach dem Top-Down-Prinzip. Es gibt natürlich auch andere Trends (Word of
Mouth/Viral), aber eine Weiterentwicklung in Richtung Web 2.0 bleibt in der normalen Online-Werbung unbeachtet. Der hochgelobte Vorteil des Internets – die Interaktivität – wird in der Online-Werbewelt immer noch mit der Echtzeit-Auswertung und Messung von Daten gleichgesetzt (also dem direkten Rückkanal), statt mit der Interaktion, dem Dialog, dem Austausch zwischen den Menschen.

Was Mark Langeneck dem entgegenzusetzen hat, steht nebenan im Mediabrief.

Das Dilemma der Werbeindustrie

Wir, die ehemals passiv konsumierenden und heuer sich artikulierenden Internetnutzer, behandeln Themen lieber selbst, als nur darüber zu lesen. Wir geben authentische und vielschichtige Einsichten in unsere Meinungsfreude, vernetzen uns mit anderen Meinungsträgern und erfreuen uns auf dieser Metaebene daran, dass die Marken dieser Welt zwar dauernd Thema sind, aber selbst nicht zu Wort kommen.
Aber, liebe Werbeindustrie, genau hier, wo wir sind, muss eure Werbung fortan hin. Jedenfalls, wenn sie wirken will. Das Dilemma: Unsere digitalen Gespräche verstehen sich als Gegenentwurf zu eurer durchkommerzialisierten Internetwelt. So ist es entsprechend schwer, hier eine glaubwürdige wie effiziente Werbung zu plazieren. Dieses Problem zu lösen, wird euch noch lange beschäftigen.
Der Mediabrief behandelt die fünf Probleme Neuerungen, auf die ihr euch einstellen müßt. „Das Ende der Reichweite“. Weiterlesen

DMMK, die dritte

Online-Werbung 2.0. Wichtiges Thema. Marco Seiler von Syzygy zitiert Mediennutzungsstudien, denen zufolge wir inzwischen zehn Stunden am Tag Medien nutzen – aber mehrere parallel. Wo bleibt da die Aufmerksamkeit für Werbung?
DSL treibt die Nutzungsdauer in die Höhe. Der Kreis regelmäßiger Nutzer wächst rasch. Dagegen verlieren regionale Abo-Tageszeitungen an Reichweite, und der durchschnittliche Spiegel-Leser wird immer älter. Dank Internet. Auf der MSN-Homepage sind mehr Nutzer als die sieben größten Tageszeitungen in den USA zusammen erreichen.
16:08
Bekanntlich hinken die Online-Werbeausgaben hinter der Nutzung (15 Prozent an der gesamten Mediennutzung) her. Im Jahr 2005 waren es 4,4 Prozent der Brutto-Werbeausgaben insgesamt. Und das Aufmerksamkeitsniveau ist online höher als zum Beispiel beim Fernsehen.
In Großbritannien werden in diesem Jahr voraussichtlich schon 13,2 Prozent der Werbeausgaben online ausgegeben. Der Vorsprung gegenüber Deutschland beträgt Lichtjahre, sagt Seiler.

16:13

Die Online-Werbeformate sind natürlich ein Teil des Problems. Seiler zeigt ein paar Beispiele. Kreativität? Qualität? Er zitiert Reinhard Springer. Kreativtrends kommen aus der nichtklassischen Werbung.
16:17
Christian Bachem fragt, wie wir das „2.0“ in Web 2.0 und Werbung 2.0 verstehen sollen. Sein Thema: Das große Online-Versprechen und wie es gebrochen wurde. DMMK 1996: Paradigmenwechsel der werblichen Kommunikation. One-to-One statt One-to-Many. Pull statt Push. Dialog statt Monolog. Relevanz statt Irrelevanz. Partnerschaft statt Autorität.
Das waren Zeiten.
16:23
Allerlei Mäusekino-Banner haben dieses Versprechen gebrochen, ja komplett ignoriert. Das Versprechen konnte mit damaligen Mitteln gar nicht gehalten werden. Aus dem alten Denken herausgeholfen hat uns der Crossmedia-Ansatz. Klassische Werbungtreibende wurden angeregt, Onlinewerbung zur Stützung einzusetzen. Und deshalb über das Wie nachzudenken.
Bis 2002 war das Medium weder für die Masse der Nutzer noch für die Werbungtreibenden relevant. Doch das Trojanische Pferd Crossmedia hat dies geändert und komplementäre Ansätze gefördert. Das Internet rückt inzwischen immer mehr ins Zentrum crossmedialer Kampagnen. Beispiel: die Einführung des 1er BMW.
16:30
Das Ende der Aufmerksamkeitsökonomie. It’s not just eyeballs anymore, stupid! Wieder DMMK 1996: Der Nutzer und seine Interessen stehen im Mittelpunkt.
Jetzt gibt es substanzielle Geschäftsmodelle. Die Euphorie von 1998/1999 basierte auf dem alten Paradigma der massenmedialen Aufmerksamkeitsökonomie. Das neue Paradigma lautet Beteiligungsökonomie. Dafür steht Web 2.0. Das Mitmach-Web.
Internet 2.0: Das Internet ist das erste etablierte digitale Medium. Nun werden die etablierten Medien digital. Musik, Fernsehen (und bald weitere Medien) werden den Prinzipien der Onlinewerbung unterworfen. Fernsehen wird Pull statt Push. Es wird messbar und personalisierbar.
Das alte Versprechen wird langsam wahr.
16:37
Markus Frank von MSN referiert die Sicht von Microsoft. Natürlich steht auch hier der Nutzer im Mittelpunkt.
Steve Ballmer ist inzwischen drei Tage pro Woche mit dem Thema Advertising beschäftigt. Die klassischen Produkte müssen mit maximal zwei Tagen Aufmerksamkeit seitens des Chefs auskommen.
Die Fansite aida-fans.de hat zwischenzeitlich die offizielle Unternehmenswebsite verdrängt.
16:47
Rupert Murdoch hat gewarnt.
Die Microsoftvision: MSN ist reichweitentechnisch einmal pro Monat Wetten, dass und wird ausgebaut. Die zweite Hälfte ist Microsofts Antwort auf Web 2.0: Windows Live. Alles auf einer Plattform. (Habe ich das nicht heute schon einmal gehört?) Nächste Schritte: Office Live, Xbox Live.
Und dann gibt es natürlich auch Microsoft Werbung 2.0. Web, PC, Mobil und IPTV, Windows Live, Office Live etc. pp.
Jetzt spricht Steve Ballmer in seiner vehementen Art: Microsoft ist jetzt Advertising, Advertising, Advertising.

17:12
Die erste wirkliche Diskussion im Anschluss an die Referate.
Auffällig, wie die Konzernvertreter (Telekom, Microsoft, Intel) hinter den anderen Referenten zurückbleiben. Der Zuhörer merkt, dass sie gezwungen sind, die jeweilige Unternehmenslinie vorzubeten. Ganz anders Sören Stamer, Christian Bachem oder Marco Seiler – sie können sagen, was sie wollen. Da kommt mehr Farbe ins Spiel.

Umsatz für Peter Kabel

Peter Kabel (Foto)

Seit seinem Einstieg bei JvM/Next musste er sich eine Menge Kritik anhören. Und auch mit Kleinbloggersdorf legte er sich gerne mal an.

Jetzt aber die gute Nachricht: Dem heutigen Kontakter ist zu entnehmen, dass

der nicht zu Scholz & Volkmer gehörende Teil des Internet-Etats

von Mercedes-Benz auf den Spuren des Klassik-Etats zu JvM wandert.

Damit dürfte nun auch Peter Kabels Mannschaft bei JvM/Next ausgelastet sein.

Ob es das ist, wozu Kabel seinerzeit angetreten ist? Aus der Pressemitteilung vom 20. Januar 2005:

Durch die Neugründung wollen die Hamburger nicht nur Synergien aus den
Bereichen Internet und CRM nutzen, sondern auch neue Geschäftsfelder
erschließen, wie sie angesichts zunehmender Marktdurchdringung breitbandiger
Netzwerke entstehen. Gute Chancen sieht Jung von Matt in der erweiterten
Dimension des Internets, wie sie durch die Digitalierung von TV derzeit entsteht
und in den Bereichen Mobile und Games.

Wir werden sehen.

Foto: Heiko Hebig

Eine Ära geht zuende: Springer & Jacoby ohne Mercedes-Benz

Unglaublich. Kam gerade über den Ticker. Mercedes-Benz wechselt die Leadagentur. Statt S&J jetzt JvM. Nach 16 Jahren ist eine der längsten und stolzesten Kunde-Agentur-Allianzen beerdigt. Die Beziehung hielt genauso lange wie die Kanzlerschaft von Kohl, war aber ungleich kurzweiliger. Unser aufrichtiges Mitgefühl geht an die beste und beständigste Werbeagentur, die Deutschland je hervorgebracht hat und bei der durch den Etatverlust jetzt wohl einige Jobs in Gefahr sind.
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Advertising 2.0

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Schon im Februar hat Paul Beelen ein Whitepaper namens Advertising 2.0 veröffentlicht, das trotz einiger Schwächen im Detail eine lesenswerte Einführung ins Thema aus Werbe-, Marketing- und Mediensicht bietet. (Nico Zorn wies gestern darauf hin.)

Eine Passage aus dem Papier:

Advertising has long been based partially on something called information-asymmetry. The company knows more than the consumer, and uses this information to seduce a target group or to correct a common perception by manipulating a market. Simplified, if a company knows its products are being seen as technically inferior by many consumers, it might want to address that problem in an advertising campaign. The effect such a campaign would have on isolated consumers is far higher than the effect it will have on a hyper connected market, as each individual is now able to tap from the knowledge of a huge base of consumers, who probably came to the conclusion the products were technically inferior even before the company knew it. In other words, information asymmetries have been ‘mortally wounded’ by today’s connecting technologies.

In fact, one might say that hyper connected individuals are less likely to be influenced by advertising. Also, hyper connectivity leaves no room for mistakes,nor does it allow advertising to lie or to omit the truth. Therefore, advertising will need to adapt and learn to communicate with consumers in a fair, transparent way. Consumers now have access to information they didn’t have access to before, and they will use it to judge advertising campaigns, and invalidate them whenever possible.