Web 2.0 und neue Verkaufsmodelle

Versandhandelskongress
Matthias Schrader gestern auf dem Versandhandelskongress in Wiesbaden
„Ein wirkliches Highlight und eine tolle Show“, schreibt Jochen Krisch bei Exciting Commerce.
Nachtrag: Hier jetzt auch der Quicktime-Film (15 MB), klickbar und mit lesbaren Texten. Allerdings keine Tonspur, da muss ich Euch leider enttäuschen. Soweit ich weiß, ist der Vortrag nicht aufgezeichnet worden.

Dating mit Büchern

buchpfade.de

Soziale Software dient vor allem einem Zweck – der Eheanbahnung. Wer sich bei buchpfade.de registriert, wird demzufolge gleich nach seiner Verfügbarkeit auf dem Heiratsmarkt gefragt: „Sag ich nicht“, „Single“ oder „In einer Beziehung“ lauten die Alternativen.

In nur fünf Tagen und Nächten, so die Selbstbeschreibung, entstand buchpfade.de als

unternehmerisches Experiment des Center for Digital Technology and Management (CDTM)
der Technischen Universität München (TUM) und der
Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU).

Die Idee ist simpel: Was last.fm für Musik ist, will buchpfade.de für Bücher sein. Nutzer stellen dort ihre Bibliothek zusammen, bewerten Bücher, bekommen Empfehlungen und finden Gleichgesinnte („Buchgefährten“) mit ähnlichen Beständen im Regal.

An manchen Stellen scheint die Site noch etwas buggy zu sein, aber die Oberfläche ist anmutig, die Idee gut und die Ausführung für den Anfang gar nicht schlecht. Vorgestern wurde buchpfade.de auf der Systems vorgestellt, und die ersten 108 Nutzer sind schon registriert.

Für Erwachsene

Web 2.0 ist erwachsen geworden. Das meint jedenfalls der Economist in seiner Berichterstattung zu GoogleTube.

This week’s pairing of Google and YouTube may come to be remembered as the moment “Web 2.0”—ie, the web, version two—came of age.

L. Jeffrey Zeldman nimmt dies zum Anlass, ein paar mehr oder weniger sinnlosevolle Vergleiche zwischen Web 1.0 und Web 2.0 anzustellen. Das Beste steht in den Kommentaren:

Web 1.0: Working at the web agency
Web 2.0: Working at your own start-up
Web 3.0: Working on a tropical island

Web 1.0: conferences
Web 2.0: conferences

Web 1.0: venture capital
Web 2.0: venture capital

Goldrausch, Skandale, Güterslow

Constantin Gillies schreibt in der WamS über den zweiten Goldrausch im Internet. Bevor jemand schreit, er bringe für den Web-2.0-Experten wenig Neues – das ist auch nicht sein Job. Die Geschichte muss für den WamS-Leser und dessen Vorverständnis tauglich sein.

Ihr Anlass ist natürlich GoogleTube, außerdem haben u.a. das Aal-Prinzip, Qype, MySpace, Xing/OpenBC und Plazes nebst einigen Analysten und Unternehmensberatern ihren Auftritt. Und Gillies benennt einen wichtigen Unterschied zur Bubble 1.0:

Hinzu kommt, dass Werbung im Internet im Gegensatz zum Jahr 2000 längst Bestandteil jedes Marketingkonzepts geworden ist. Allein in Amerika werden in diesem Jahr rund 20 Milliarden Dollar für Netzreklame ausgegeben.

Die Werbeeinnahmen dürften also ausreichen, um die neue Webwirtschaft am Laufen zu halten. Wahrscheinlich aber nur für wenige Anbieter.

Holger Schmidt befasst sich in der FAZ mit der Blog-Rangliste von Technorati und Edelman. Und – Skandal, Skandal! – er lässt das grobe Geschrei wie auch die präzise Kritik in der Blogosphäre komplett außen vor.

Bildblog, Spreeblick und Basic Thinking sind die Blogs mit dem größten Einfluß in Deutschland.

Na, das deckt sich doch mit den deutschen blogcharts

Technorati-Chairman Peter Hirshberg stellt Deutschland kein gutes Zeugnis aus:

„Deutschlands hinkt Amerika in Sachen Blogs um einige Jahre hinterher. In Amerika ist der Einfluß der Blogs auf die Kommunikation der Unternehmen schon viel größer als hier. Dort suchen die Öffentlichkeitsarbeiter das Gespräch mit Bloggern genauso wie mit Journalisten. Außerdem nutzen die Marktforscher die Blogs, um die Meinung ihrer Kunden ungefiltert zu erfahren.“

Mag auch einfach daran liegen, dass die deutsche Bloggerszene um einige Jahre hinterherhinkt…

Das Projekt BertelSpace beschäftigt natürlich auch die Blogwirtschaft. Alles, was dazu zu sagen ist, hat Nico Lumma gleich am Sonnabend gesagt:

Wir nähern uns dem Ende des Jahres 2006 und sogar Bertelsmann denkt schon über einen deutschen MySpace-Clone nach? Wow, das wird anständig in die Hose gehen.

Lange wurde gepennt in Güterslow und nun wird mal so richtig gezeigt, wie man User-generated Content in diesem Internetz macht. Ich sehe jetzt schon die ganzen aufgeregten Beratherhorden, die ein Web 2.0 Buch bestellen und schon mal ihre Texte üben. Heraus kommt dann irgendwas, was auf alle Kanälen beworben wird und ungefähr so spannend wie t-community oder AOL Hometown.

Wann soll das rauskommen? Ich kann vor Aufregung kaum schlafen.

Wie gerufen kommt da diese Überschrift in der heutigen FTD: Verlagen fehlt passende Web-Strategie

Die Erosion des Zeitungsgeschäfts durch die wachsende Internetkonkurrenz macht Großverlage und Medieninvestoren in den USA zunehmend nervös. Viele Verlage stellen ihre Geschäftsmodelle in Frage. […] In den vorigen zwei Jahren haben die Verlage zunehmend die Konkurrenz aus dem Internet zu spüren bekommen. „Die Auflagen sinken, und die Anzeigenerlöse schwächen sich ab“, sagte Jennifer Saba vom Branchenblatt „Editor & Publisher“. Derzeit entfielen zwar erst fünf bis zehn Prozent des traditionellen Verlagsumsatzes auf das Onlinegeschäft, mittelfristig werde dieser Anteil aber auf 50 Prozent steigen.

Geld verdienen mit Web 2.0

Es geht nicht um Sender, sondern um Formate!
Der Onlinevermarkterkreis – das sind die Jungs, die derzeit mit Web 1.0 richtig Geld verdienen und sich etwas verunsichert fragen, ob das mit Web 2.0 eigentlich so bleiben wird – der Onlinevermarkterkreis also (genauer gesagt der Arbeitskreis Media im BVDW) traf sich gestern in Hamburg und lauschte den Referaten von Matthias Schrader und Sören Stamer zu eben jener Frage: Geld verdienen mit Web 2.0 – und wie verändert sich die Rolle von Vermarktern und Agenturen im Angesicht von Phänomenen wie IP-TV und Video (YouTube & Co.), Social Web und user-generated content? Die Folien von Matthias Schrader gibt es jetzt hier auf dem Fischmarkt. Die Tonspur trägt Matthias Schrader gern bei passender Gelegenheit ein zweites Mal vor.

Web-2.0-Presseschau

Zwischen der umfangreichen Berichterstattung (Danke, Oliver!) vom Web-2.0-Kongress geht das webzwonullige Leben da draußen weiter. Zwei Artikel – aus der Welt von heute und der FAZ von morgen (auch das übrigens macht das Web möglich) – beleuchten zwei Seiten derselben Medaille:
Ulrike Langer beschreibt in der Welt, wie und warum Marken mit ihrer Werbung ins Netz gehen – und dort selbst Fernsehen (und anderes) machen, statt wie bisher beim klassischen TV die fertig produzierten Reichweiten einzukaufen:

Um junge Konsumenten dort zu packen, wo sie für Werbung noch empfänglich sind, schichten vor allem internationale Markenriesen wie Coca Cola, Toyota oder die Konsumgüterkonzerne Proctor & Gamble und Johnson & Johnson immer größere Teile ihrer Werbebudgets in Richtung Internet um. Dafür wird bei der Fernsehwerbung gekürzt. Allein Coca Cola schaltete im Jahr 2001 noch TV-Spots bei den großen US-Networks im Wert von 270 Millionen US-Dollar. 2004 und 2005 waren es nur noch rund 190 Millionen Dollar, und die Tendenz setzt sich fort.

Holger Schmidt kommentiert in der FAZ zuverlässig wie immer den Google/YouTube-Deal. Anderer Anlass, gleiche Logik:

In großem Stil werden zur Zeit Werbebudgets ins Netz verlagert. Anders als im Web 1.0 müssen Nutzer mit gleichen Interessen nicht mühsam auf eine Internetseite gelockt werden, um ihnen dann dort Werbung zu präsentieren. Heute treffen und gruppieren sich die Nutzer spontan und ohne teure Werbekampagnen im Netz. Damit wird das Internet zum idealen Werbeumfeld, um Zielgruppen zu erreichen, die sich mit den traditionellen Massenmedien kaum punktgenau erreichen lassen.

Wie schnell sich eine Investition in eine Online-Gemeinschaft rechnen kann, hat jüngst Medientycoon Rupert Murdoch gezeigt. Für 580 Millionen Dollar hat er Myspace übernommen, um nur wenig später 900 Millionen Dollar von Google zu kassieren, damit Google als Suchmaschine auf Myspace präsent ist.

Ähnlich wird sich auch der YouTube-Deal rentieren, da ist sich Schmidt sicher. Diesmal allerdings wird Google kassieren.

Jörg Reimann, BMW: The Consumer is Taking Control

Bei der BMW Marketing Innovation hat man zwei Aufgaben: die Welt nach neuen Trends zu scannen und daraus neue Marketingansätze zu entwickeln. Jörg Reimann, dessen Chef, skizziert die klassische Struktur von BMW und zeigt auf, wo es Schnittstellen zu UGC und anderen Web 2.0-Phänomenen gibt.
Im Zeitalter der Disintermediation, der Ausschaltung des ‚Vermittlers‘ zwischen Firmen und Kunden, wird sich über P2P-Kommunikation ein direkter Kontakt zum Kunden ergeben. Daraus folgt unter anderem, dass der angebotene Content spannend sein muss.
Ein Beispiel dafür ist der ExpertenPocast von der IAA 2005. 10- und 5-Minuten-Clips auf Deutsch und Englisch wurden per RSS als Podcasts angeboten. Bei iTunes schaffte es der Podcast auf Platz 43 und das Experiment wurde als Erfolg verbucht.
Jetzt sagt er doch glatt „Ich will nicht zuviel Werbung für Google machen“, dabei zeigte er schon ein Google-Video (der BMW-Spot dort war aber grade nicht verfügbar) und eins von YouTube.
Reimann ermutigt dazu, Links willkommen zu heißen und auch den Content in die Welt hinaus zu entlassen.
BMW bietet zudem Audiobooks an bei bmw-audiobooks.com. Autoren wie Karin Slaughter erstellen für das Format eigens Thriller, in denen BMWs eine Rolle spielen. Das ist auch die Frage: Wo ist die Grenze zwischen Marketing und Literatur? Hier wurde der Markencontent wie Reimann sagt ‚besonders subtil‘ eingearbeitet, so dass dies für die Autoren akzeptabel war.
BMW macht auch Vodcasts und berichtet von Messen, der F1 und von Golfevents. „Man muss etwas zu erzählen haben, und es muss eine spannende Geschichte sein“, betont Reimann. Exklusive Events oder Interviews und Hintergrundgeschichten bieten sich an.
Über solche Kanäle lässt sich der Impact von Live-Events massiv und international verbreitern. Binnen 24 Stunden wurde ein ‚geklautes‘ Werbevideo – dem auch noch der Ton verloren gegangen war – bei YouTube über 80.000 mal angesehen. Das Video stand parallel auch bei BMW im Pressebereich.
Zum Mini veranstaltete BMW einen Clip-Contest und erhielt viele ‚User-generated‘-Beiträge. „Andererseits wollen wir im driver’s seat sein und unsere Marke interpretieren und nicht den Kunden überlassen – aber wenn die Message gut ist, dann verbreiten wir die gerne global“, schränkt Reimann ein und betont: „Videoportale sind serious stuff, das sind nicht nur Kiddies, die Urlaubsvideos hochladen.“
Communities wie iVillage und Myspace dienen als Vorbild für eine demnächst startende BMW-Community „M Power World“. User-generated Content und Vernetzungsfunktionen werden vermischt mit Premium Content aus dem ‚Inneren‘ von BMW – „nicht vor der Presse, aber detaillierter“ (Reimann). BMW erfofft sich über diesen Kanal Marktforschungsinformationen darüber, was der BMW-Kunde sich im Detail wünscht. „Vielleicht nicht repräsentativ, aber authentisch“.
„Blogs sind mein Liebligsthema“, sagt Reimann und gesteht „Die Frage, wie man Blogs nutzt, hat mir schon die eine oder andere schlaflose Nacht bereitet.“ Sein Rezept lautet: „Wir wollen, dass die Blogger über uns schreiben. Sie sind meinungsstärker und in der Reichweite relevanter als viele Journalisten.“
Und deswegen behandelt BMW für sie relevante Blogger auch wie Pressevertreter. „Das sind keien Freakblogs, das sind relevante, meinungsstarke Medien. Ich warne davor, sie zu vernachlässigen“, ist Reimanns Rat (da ist Reimann deutlich weiter als mancher Frontmann deutscher Agenturen).
Das IAAblog.com war BMWs Blog zur IAA, auf dem Thomas Gigold über alle Aussteller berichtete – natürlich auch über BMW. BMWoracleRACING.com ist ein Blog über BMWs Engagement beim Segelsport. „Die Nachfrage bei diesem Blog ist extrem hoch“, freut sich Reimann. Auf dem Vlog vlogbymini.de berichtete der Videoblogger gabemac (xolo.tv) von der Automobilausstellung Leipzig.
„Der Long Tail geht nicht weg, er wird relevanter“, gibt Reimann seine Einschätzung. Neue Nischen entstehen ständig und über Long-Tail-Kanäle sind sie zu erschließen.

Diskussion

Wie verhalten sich ‚drivers seat‘ und ‚Konsumentenkontolle?
R: Wir müssen eine Balance finden, die Markenführung dürfen wir nicht aus der Hand geben. Wir wollen ihnen Content geben, den sie dann selbst verbreiten können, und stärker Nachfrageorientierung pflegen.
Wie hat sich das Marketing verändert?
R: Man muss die Rückkanäle auch pflegen udn schnell regaieren. Das ist eine Kernherausforderung, hinter diese Rückkanäle auch ein Beschwerdemanagement zu bauen. Ich empfehle nicht zu viele Kanäle und Blogs aufzubauen. So etwas kann man nicht an Call Center auslagern, da muss am anderen Ende auch jemand sitzen, der eine BMW-Visitenkarte hat.
Ein Snippet aus der ersten Kaffeepause:
Der Vertreter eines deutschen Versandhauses sagte sinngemäß: „Wir merken, dass Geld, das wir in Onlinewerbung stecken, mehr Rückläufe erzegt. Mittelfristig wird der Anteil, den wir dafür ausgeben, immer größer werden.“

Bob Stumpel: Enterprise RSS – Feeds for Thoughts

Bob fragt als erstes, wer alles RSS-Feeds liest. Während die globale Nutzung von RSS-Lesern bei 4-5% liegt, hat diese Technik zumindest im Publikum eine deutliche höhere Markdurchdringung. Da hat sich offenbar im Businessbereich einiges getan.
Bobs Agentur arbeitet für mehrere Web-2.0-Firmen wie Fon oder Xing, hilft aber auch Banken, sich zu ‚Zweinullisieren‘. Seiner Ansicht nach sind Symptome für 2.0-Firmen: kollektive Intelligenz, Kollaboration und Ranking, Community und Social Software und der ‚befähigte‘ User.
Bob bloggt unter dem Namen Everything 2.0 (ah, das les ich 😉 aber ich merk mir Namen so schlecht). Dort kategorisiert er RSS unter „News 2.0“ und unter „RSS 2.0“, aber wenn er Relationen aufzeigt, dann stellt sich heraus, dass RSS mit fast allen anderen Kategorien seine Web-2.0-Blogs in Verbindung steht.
Etwa 1 Milliarde RSS Feeds gibt es aktuell (1 Billion schreibt er, britische oder US-Billionen?). RSS hilft uns, die Infokanäle, die wir über E-Mail und über das Web haben, nach Relevanz zu sortieren und auszuwerten.
Ein paar von Bobs Ideen:

  • Firmen können über RSS „behind the firewall“-Systeme bauen und so Informationen optimal zeitnah und selektiv verteilen.
  • Verkäufer können via RSS über Leads informiert werden und Reports können zeitnah verteilt werden.
  • In Firmen sollte RSS einen Metalayer bilden, der alle Informationen zusammenbindet und dabei die Firmensicherheit im Auge behält.
  • Dabei sollte nicht die Firmenpolitik, sondern das Qualitätsfeedback der Nutzer eine große Rolle spielen.

Wo findet man in der eigenen Firma Ansätze für RSS-Nutzung? Nun, man fragt sich:

  • Welche Teile meines Intranets sind unbenutzt?
  • Wo hört Mail auf zu funktionieren?
  • Was blebt ungelesen oder ist falsch adressiert?
  • Was passiert JETZT, was ich wissen sollte?

Als Einstieg in RSS empfiehlt Bob beispielsweise Netvibes.
Update:
Aus der Diskussion: Was tut man, wenn keiner im Unternehmen über Blogs den RSS-Feed füttert? Normal ist, dass 1-2% der Leute aktiv bloggen oder Infos eingeben. Wenn man das auf 20% steigern kann, ist das bereits eine relevante Masse für einen Wandel im Unternehmen. Und auch die 80% der „Leechers und Lurkers“ sund für das Informationssystem notwendig. Generell sollte man versuchen, „alle an Bord zu behalten“.