Gefährlicher Glaube

Spiegel-Gespräch mit Jaron Lanier (Ausriss)

Zwar etwas kurzfristig, aber sei es drum: Am Donnerstag findet das 2. Dresdner Zukunftsforum statt. Der prominenteste Sprecher ist Tim O’Reilly. Doch den größten PR-Coup haben die Veranstalter mit Jaron Lanier gelandet, der gestern im Spiegel vor dem gefährlichen Glauben an die Weisheit der Massen warnte.

Derzeit wird die Vorstellung immer populärer, das Kollektiv könne nicht nur Zahlenwerte wie einen Marktpreis ermitteln, sondern verfüge als eine – gern Schwarmgeist genannte – höhere Intelligenz über eigene Ideen, ja sogar über eine überlegene Meinung. Eine solche Denkweise hat in der Geschichte schon mehrfach zu sozialen und politischen Verheerungen geführt. Mir bereitet die Vision Sorgen, nur das große Ganze, das Kollektiv sei real und wichtig – nicht aber der einzelne Mensch. Das war der Fehler in allen totalitären Ideologien, vom Nazi-Regime über Pol Pot bis zu den Islamisten.

Das Interview hat völlig zu Unrecht bislang kaum Verbreitung in deutschsprachigen Blogs gefunden. Bis dato hat es neben dem Veranstalter-Blog selbst nur das Bildblog (!) erwähnt. (Was daran liegen könnte, dass der Text nicht im Netz verfügbar.)

Fischer, Fischer, wie tief ist das Wasser?

Titel Acquisa 11/2006„Fischen im Web“ überschreibt die acquisa die Titelgeschichte ihres Novemberheftes. An diesem programmatischen Titel kommt der Fischmarkt selbstverständlich nicht vorbei (Danke, Jochen Krisch!).

„Web 2.0 wird auch den Vertrieb nachhaltig verändern“, erwartet das Fachblatt und dekliniert die neuen Möglichkeiten im Detail durch. Das Fazit am Ende indes klingt wenig verheißungsvoll:

Innovative Ideen haben es mitunter schwer, sich in den Unternehmen durchzusetzen. Das größte Dilemma: Da eine organisatorische Zuordnung weitestgehend fehlt, landen in der Praxis häufig alle Internet-Projekte auf dem Tisch des Online-Marketing-Managers – sofern es ihn gibt. »Selbst große Unternehmen haben maximal ein oder zwei Personen, die für Online-Marketing verantwortlich sind.«

Im begleitenden Interview schließlich kommt Willi Schroll zu Wort, dem langjährigen Fischmarkt-Leser bereits als Co-Autor einer Geschichte im manager magazin bekannt.

Marketing und Vertrieb müssen im Web 2.0-Zeitalter enger zusammenarbeiten, denn das Verhalten der Märkte wird insgesamt schwarmhafter und fluktuierender. Es entstehen leichter Kettenreaktionen als früher. Die Trendabhängigkeit der Märkte nimmt zu. Hier muss das Marketing dem Vertrieb mehr Rückmeldungen geben. Eine intensive interne Kommunikation ist daher unabdingbar.

Eilmeldung: openBC bestätigt Börsenpläne

Was bislang nur spekuliert werden konnte (etwas anderes lassen die Börsenregeln nicht zu), ist nun offiziell bekannt: openBC geht in den nächsten sechs Monaten an die Börse.
Mir fiel heute morgen auf, dass die Mails von openBC jetzt statt „Open Business Club GmbH“ die „Open Business Club AG“ in der Fußzeile nennen. Das ist, wie sich schnell herausfinden ließ, schon seit Mitte Oktober so. Man hätte also, ähnlich wie seinerzeit bei der Umbenennung in Xing, darauf kommen können, dass es ernst wird.
Die Zahlen sehen nicht schlecht aus:

Im abgelaufenen Geschäftsjahr (01.07.2005 bis 30.06.2006) konnte die OPEN Business Club AG ihre Umsatzerlöse von 1,62 Millionen Euro im vorangegangenen Geschäftsjahr (01.07.2004 bis 30.06.2005) auf 5,99 Millionen Euro steigern. Im ersten Quartal des laufenden Geschäftsjahres (01.07.2006 bis 30.09.2006) erzielte die OPEN Business Club AG Umsatzerlöse in Höhe von 2,79 Millionen Euro und ein positives Ergebnis.

Und auch über Mitgliederzahlen und den Anteil zahlender Kunden muss nicht länger spekuliert werden:

Seit ihrem Start im November 2003 verzeichnet die Plattform einen starken Anstieg ihrer Mitgliederzahl, die im letzten Quartal um ca. 23 Prozent wuchs. Per Ende September 2006 hatte die Plattform knapp 1,5 Millionen Mitglieder. […] Die OPEN Business Club AG setzt auf ein beitragsfinanziertes Geschäftsmodell. Bereits rund 13 Prozent der Mitglieder nutzen das kostenpflichtige, erweiterte Leistungsangebot der Premium-Mitgliedschaft für 5,95 Euro pro Monat.

13 Prozent von 1,5 Millionen multipliziert mit 5,95 Euro ergibt 1,16 Mio. Euro. Im Monat.
Falls Investoren unter uns sind – Mitglieder werden bevorzugt:

Die OPEN Business Club AG plant, im Rahmen des beabsichtigten Börsengangs Aktien an bestimmte Mitglieder bevorrechtigt zuzuteilen. Dazu werden zahlende Premium-Mitglieder, Moderatoren und besonders engagierte Mitglieder, die jeweils bereits am 1. Oktober 2006 Premium-Mitglied waren, sowie Mitglieder der „ersten Stunde“ zählen, sofern die Mitgliedschaft der jeweiligen Mitglieder am Tag der Billigung eines zu veröffentlichenden Wertpapierprospekts noch ungekündigt fortbestand, sie ihren Wohnsitz in Deutschland oder in der Schweiz haben und bestimmte weitere Voraussetzungen erfüllen. Näheres dazu finden die Mitglieder in Kürze unter corporate.openbc.com/de.

Gegenstand neuer Spekulationen wird jetzt der genaue Termin des Börsengangs sein. Den kann openBC heute nicht nennen. Vielleicht aber schon bald. Bei uns vergingen seinerzeit zwischen der offiziellen Ankündigung des Börsengangs und der Bekanntgabe des Termins nur gut zwei Wochen.
Man wird sich den heutigen Tag jedenfalls im Kalender notieren dürfen. Das Web 2.0 in Deutschland hat seinen ersten Börsengang. Verläuft er erfolgreich, wird es weitere geben. Und auch die Frage nach der Bubble 2.0 wird vermehrt gestellt und beantwortet werden.
Über die Börsenbewertung von openBC hatte Peter Turi vor einigen Wochen spekuliert:

Geschätzter Firmenwert: 200 Millionen Euro.

Noch höhere Zahlen nennt die FAZ:

Mehr als die Hälfte des Emissionserlöses, der von Branchenkennern auf weit mehr als 100 Millionen Euro geschätzt wird, fließt dem Unternehmen zu, sagte Hinrichs.

Der Spiegel (oder vielmehr itz/Dow Jones) weiß mehr dazu:

Wie Hinrichs weiter sagte, werden die Altaktionäre ihre Anteile im Rahmen des Börsenganges nicht komplett verkaufen. Nähere Einzelheiten zu den finanziellen Details des Börsenganges wollte er nicht nennen.

Eine Gruppe von Privatinvestoren aus dem Investorenkreis der schweizerischen BrainsToVentures hatte im Mai 2004 in die Open Business Club GmbH investiert. Über den Kaufpreis sei Stillschweigen vereinbart worden. BrainsToVentures betreut eigenen Angaben zufolge unternehmerischen Privatinvestoren, die ihr Kapital, Netzwerk und Expertise in schnell wachsende Unternehmen investieren.

Im November 2005 hatte OpenBC weitere rund 5,7 Millionen Euro Risikokapital erhalten. Angeführt wurde diese Finanzierungsrunde von dem Venture-Capital-Unternehmen Wellington Partners. Daneben beteiligten sich aber auch die Altinvestoren von BrainsToVentures an dieser Transaktion.

Zu den Expansionsplänen schreibt die FTD:

Ab 2007 startet Open BC zudem einen Marktplatz, um Dienstleistungen, Aufträge und Jobs anbieten zu können. „Wir begeben uns damit in eine direkte Konkurrenz mit Jobbörsen“, sagte Hinrichs.

Der bekannte Börsenexperte und Highfishdienstleister Rainer Meyer alias Don Alphonso sieht diese Pläne kritisch und kommt daher zu einer konservativeren Bewertung der Aktie:

Kein Kauf. Jedenfalls ist der Wert nicht grösser als 20 Millionen, aber selbst das ist zu viel, wenn OpenBC das Geld für neuen Krempel verschwendet, als wäre es 1999.

(Wird fortgesetzt.)

Revolution durch die virtuelle Hintertür

„Wie Web 2.0 die Reisebranche verändert“, beschreibt Jakob Strobel y Serra in der heutigen FAZ. Seiner Ansicht nach

deutet sich hier ein mögliches Geschäftsmodell der Zukunft an, das noch Utopie, aber keineswegs illusorisch ist: die Wandlung von Community-Seiten zu virtuellen Reisebüros mit quantitativer Totalberatung. Nicht mehr nur ein Reisebüromitarbeiter, der in ein paar Katalogen blättert, hilft dem Kunden bei seiner Wahl, sondern die große Gemeinde der User, die aufgrund der Masse ihrer Bewertungen die Entscheidung leichtmacht. Gebucht wird dann sofort online. Das wäre die Revolutionierung der klassischen Reisebüroidee quasi durch die virtuelle Hintertür.

Im Großen und Ganzen eine sehr gute Geschichte, sieht man von der Kleinigkeit ab, dass Tim O’Reilly als „der inoffizielle Erfinder des Netzes“ bezeichnet wird, was wohl eine Verwechslung mit dem anderen Tim ist.

Meinungen sind Tatsachen

Dreißig Prozent der deutschen Internetnutzer haben bereits ein Produkt nicht gekauft, weil sie negative Kommentare von anderen Nutzern im Internet gelesen haben. Im Gegenzug geben 56 Prozent an, sich von positven Kommentaren beeinflussen zu lassen. Mehr im Themenblog

Vernetzter Kundendialog in Echtzeit

Social Web Marketing Forum

Was haben Web 2.0 und der Heilige Nikolaus gemeinsam? Beide sind legendär, werden vermarktet bis zum Abwinken und sind trotzdem von enormer Vitalität.

Insofern passt es gut, dass der Auftakt zur neuen Veranstaltungsreihe Social Web Marketing Forum am 6. Dezember 2006 in unseren Räumen stattfindet. Das Thema lautet „Vernetzter Kundendialog in Echtzeit“, und das Expertenreferat („Anforderungen und Potentiale der Kommunikation im Social Web“ zu einem damit in mindestens losem Zusammenhang stehenden Thema „Social Web? Marketing? Anforderungen an die Kundenkommunikation im Web
2.0“) hält Martin Röll.

Anschließend werden zwei Fallstudien präsentiert. Dabei geht es um Projekte, die bisher so noch nicht öffentlich vorgestellt wurden. Mehr dazu in Kürze hier. Und dort bitte anmelden. Auf dass der Saal voll werde.

Notabel

Für den Moment gibt es hier nichts Neues. Dafür aber Bemerkenswertes anderswo.

Amazon wird zur Webservices-Firma. Die BusinessWeek macht daraus ihre Titelgeschichte („Jeff Bezos‘ Risky Bet“). Read/WriteWeb fasst zusammen und spekuliert, dass Bezos auf der Web 2.0 Conference in dieser Woche die neue Strategie offiziell vorstellen wird. Exciting Commerce kommentiert:

Dem (Versand-)Handel steht eine gigantische Konsolidierungswelle bevor. Da einstmals wesentliche Kernkompetenzen des Handels (Logistik, Versand, etc.) zunehmend von (unabhängigen) Dienstleistern übernommen werden, müssen Händler auf andere Wertschöpfungspotenziale setzen.

Entweder sie übernehmen als Plattformbetreiber (technische) Dienstleistungen für andere, oder sie entdecken den Verkauf als ihre neue Kernkompetenz. Amazon versucht, genau diese beiden Zukunftsfelder zu besetzen, indem es geeignete Tools und Lösungen bereitstellt.

Ströer steigt bei Sevenload ein. Die FTD hat es gemeldet, die Bestätigung folgte auf dem Fuße. Robert Basic kommentiert:

Jetzt dürfte es also spannender werden, was das ungleiche Rennen zwischen MyVideo und Sevenload angeht. MyVideo wird mittlerweile von Pro7 über TV Werbespots gepusht. Es ist davon auszugehen, dass Sevenload von Ströer über großformatige Plakatwerbung unterstützt wird. So wie bei Neu.de, Pkw.de, Weg.de und was weiß ich was.

Bilder zuschneiden. Im Web. mypictr.com erledigt das. Ein Verwandter von Mr. Wong.

neu.de 2.0 beta

beta.neu.de

Es gibt ja durchaus soziale Software, für die Internetnutzer zu zahlen bereit sind. Und zwar erheblich mehr als die bekannten 5,95 Euro für openBC/Xing – im Falle von neu.de bis zu 19 Euro im Monat. Für Männer.

Dating findet dort nicht mit Büchern statt, sondern eher konventionell. Was natürlich in vielen Erfolgsfällen bedeutet, dass die teuer geworbenen Abonnenten nach geraumer Zeit wieder von dannen ziehen.

Nun wird ja das neue neu.de ziemlich Web 2.0. Das fängt beim aufgeräumten Design (runde Ecken!) an und hört bei aus Film, Funk und mabber.de bekannten Kommunikationsfunktionen nicht auf.

Was liegt da näher, als dem Exodus glücklich Verkuppelter entgegenzuwirken? neu.de-Chef Sven Jan Arndt hat dafür eine einfache, aber bestechende Idee: einen Freizeitbereich für all jene, die auf neu.de einen signifikanten Teil ihres sozialen Umfeldes gefunden haben, aber nicht mehr (oder noch nicht) bereit sind, dafür besagte 19 Euro zu entrichten.

neu.de goes MySpace sozusagen. Kostenlos, weil es der Werbung für den Bezahlbereich dient. Könnte funktionieren. Soll aber erst im Frühjahr kommen.

Und im dritten Schritt leuchtet dann auch noch ein geschäftlicher Bereich am Horizont des Arndtschen Denkens und Planens auf. Auch der könnte kostenlos sein, „je nach Konkurrenzsituation“, sagt Arndt. OpenBC/Xing, hergehört! Das könnte spannend werden im Jahre 2007.

Bis dahin bewirbt neu.de sein Stammgeschäft mit einer im Vergleich zur bisherigen Werbung höherwertigen Kampagne. Musik und Bilder stammen von Sebastian Hämer, der singt wie Xavier Naidoo (gleicher Produzent!), aber ganz anders aussieht.

Video zu „Nur mit Dir“ von Sebastian Hämer, zweite Singleauskopplung und zugleich Lied zur Kampagne