Ein vorlauter Leserbrief

Teil 4 der mehrteiligen Serie zum zwanzigjährigen Bestehen der Page und zum zehnjährigen Bestehen von SinnerSchrader. Teil 1: Computersozialisierung bei Horten, Teil 2: Ein seltsames Protokoll, Teil 3: Schülerzeitung goes DTP

Calamus war der Urknall und schuf ein DTP-Paralleuniversum aus dem Nichts. Tausende semi- und vollprofessionelle Grafiker kauften sich ab 1986 Ataris (erst den ST, später Mega STs und TTs), waren begeistert von Calamus und den ebenfalls unverschämt günstigen Atari-Laserdruckern, welche die Tramiels kurze Zeit später nach Europa verschifften.

Es war ein in diesen Jahren sehr spannender, interessanter – und sehr deutscher Markt. Atari verkaufte in all den Jahren hierzulande wesentlich mehr Rechner als in ganz Nordamerika – und in den Staaten wurde der Rechner zum überwiegenden Teil mit Farbbildschirm als (schlechter) Spielerechner oder als Midi-Musikmaschine verkauft.

Hier hingegen bildete sich mit dem Erfolg von Calamus schnell ein ganzes Ökosystem an Drittherstellern. 3K Computerbild und TMS kämpften mit „Retouche“ und „Cranach“ um die Position des Photoshop-Äquivalents auf der Atari-Plattform, „Didot“ und „Avant Vektor“ wollten dem Illustrator Konkurrenz machen und unzählige weitere Firmen kümmerten sich um Treiber, Tools und Schriften. Die Entwickler, mit denen man auf der Drupa über die Feature-Pipeline diskutierte, kamen aus Hamburg, Berlin, Düsseldorf, Frankfurt und Regensburg.

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PAGE-Autorentreffen Anfang 1992 (Foto: Page XXL)

Das Projekt Schülerzeitung fand 1989 sein natürliches Ende und ich trieb mich viel in Werbeagenturen rum, um mein Studium der Informatik und Geschichte als Texter zu finanzieren. Richtig glücklich war ich nicht. Daher traf es sich ganz gut, dass mich Jürgen Siebert, seinerzeit Chefredakteur der PAGE, eines Tages anrief – Grund war wohl ein etwas vorlauter Leserbrief – und fragte, ob ich nicht Lust hätte, über die Atari-DTP-Szene in der PAGE zu berichten.

Natürlich hatte ich.

Von nun an füllte ich monatlich meine zwei bis drei fair bezahlten Seiten, traf mich mit allen relevanten Entwicklern, die den Atari als Publishing-Maschine ganz groß rausbringen wollten (und den Amis mal zeigen wollten, was coole Software ist) und ich hatte den Schrank voller neuer, legaler (Rezensions-)Software.

Die Atari-Community wuchs und gedieh Anfang der 90er Jahre: Calamus professionalisierte sich mit Calamus SL, die ersten frequenzmodulierten Raster wurden in Deutschland auf Atari-Maschinen entwickelt und findige Köpfe machten den Atari zu den Litho-Boliden von Linotype, Hell und Scitex kompatibel.

1992 brachte Atari mit dem Falcon030 eine Harddisc-Recording-Musikmaschine und 1993 die Spielekonsole Jaguar auf den Markt. Die Tramiels in Sunnyvale hatte den professionellen DTP-Markt abgeschrieben. Konsequent lief ein Jahr später der letzte Rechner vom Band, die Atari-Entwicklerszene balkanisierte sich.

Zwar berichtete ich für die PAGE noch eine Weile über ihre Versuche, sich im Apple-, Windows- oder NextStep-Markt zu behaupten. Aber die Wettbewerber auf den neuen Zielplattformen hatten bezüglich der installierten Basis einen Vorsprung von vielen Jahren und waren global aufgestellt. Kaum eine Firma überlebte den Plattformschwenk.

Mir gingen die Themen aus – und ich wollte mich wieder aufs Studium konzentrieren. Es kam anders.

Fortsetzung folgt

Regulierungsferien

Diese Geschichte ist in gewisser Weise die Fortsetzung der Telekom-Premiere-Story, in der ein gewisses V-DSL-Netz eine wichtige Rolle spielt. Dieses Netz – sozusagen DSL 2.0 – plant die Telekom zu errichten und mittels der Premiere-Bundesliga-Combo zu vermarkten.

Sie fordert dafür allerdings einen Verzicht auf Regulierung seitens der Bundesnetzagentur. Das hört sich harmlos an, würde aber bedeuten, dass V-DSL für die nächsten Jahre ein Monopolprodukt der Telekom bleibt. Die bis dato bekannte DSL-Angebotsvielfalt, die fraglos enorm zur wachsenden Verbreitung schneller Internetanschlüsse in Privathaushalten beigetragen hat, würde es für V-DSL vorerst nicht geben.

Ironischerweise erinnert dieser Plan an die zu Recht gescheiterten Versuche von Leo Kirch, das digitale Fernsehen vollständig unter seine Kontrolle zu bringen. Kirch war damals Eigentümer von Premiere und investierte Milliarden in Technik, Verschlüsselung, Decoder, Verbreitung und Programm.

Kirch wollte die Bedingungen bestimmen, unter denen digitales Fernsehen in Deutschland stattfinden würde. Und er hat sich verzockt. Denn das Milliardengrab Pay-TV war letztlich die Ursache für die spektakuläre Pleite seines ganzen Konzerns.

Das wird der Telekom nicht passieren, aber für die Entwicklung des DSL-Marktes könnte die Monopolpolitik des Ex-Monopolisten, abgesichert durch den Koalitionsvertrag der Regierungsparteien, ähnliche Folgen haben.

Zu diesem Ergebnis kommt jedenfalls eine in dieser Woche veröffentlichte Studie im Auftrag des VATM (mehr dazu im Handelsblatt). Sie prognostiziert für das Jahr 2010 nur 20,7 Millionen Breitbandanschlüsse in Deutschland, falls der geforderte Regulierungsverzicht tatsächlich beschlossen würde. Im Falle eines freien Zugangs für Wettbewerber hingegen erwarten die Gutachter 23 Millionen Anschlüsse. Zum Vergleich: Ende 2005 gab es in Deutschland 10,8 Millionen Breitbandanschlüsse.

Ob 20,7 oder 23 Millionen – was macht das schon? Könnte man meinen. Die zunehmende Verbreitung schneller Internetanschlüsse ist aber eine der Säulen, auf denen das Wachstum des Online-Handels und der Online-Werbung ruhen. Wenn diese Entwicklung gebremst wird, könnte das sehr viel größere Folgen haben als ein paar entgangene Monopolgewinne bei der Telekom.

Und der Deal mit Premiere verschärft die Lage, weil die Telekom damit ein zugkräftiges Vermarktungsinstrument für V-DSL bekommt. Nun gibt es zwar erstmals ernsthaften Wettbewerb bei Bezahlfernsehen (Premiere vs. arena) und TV-Kabel (DVB vs. IPTV, Koaxial vs. Telefondraht) – doch dafür drohen monopolähnliche Strukturen beim DSL. Die VATM-Studie prognostiziert für Telekom/T-Online einen Marktanteil von fast 60 Prozent im Jahr 2010, falls die Regulierung tatsächlich bis dahin in Ferien gehen sollte.

Was bedeutet der Telekom-Premiere-Deal?

Es war ein angekündigter und erwarteter Paukenschlag, als die Telekom und Premiere am letzten Freitag ihre Partnerschaft in Sachen Bundesliga annoncierten. Aus der Not der an arena verlorenen Pay-TV-Rechte will Premiere-Chef Georg Kofler eine Tugend machen und die Internet-Rechte der Telekom zum Wohl seiner gebeutelten Aktionäre nutzen: Premiere-Programm plus Bundesliga via Internetfernsehen. Was bedeutet dieser Deal?

Alles steuert auf einen Wettbewerb zweier Infrastrukturen zu. Auf der einen Seite tritt der weltweit etablierte Standard DVB an, schon leicht in die Jahre gekommen und entwickelt unter den Auspizien des klassischen  Broadcast-Modells der Massenmedien. Digitales Fernsehen war bislang vor allem DVB, und DVB gibt es via Satellit, Kabel und auch Antenne (DVB-T). Auf der Gegenseite rüstet sich IPTV, was zunächst nichts anderes bedeutet als Fernsehübertragung per Internet Protocol (IP) – nicht unbedingt per Internet. Die Telekom hat hier ihr neues V-DSL-Netz auf dem Zettel.

Hinter arena steht mit Unity Media die Muttergesellschaft der Kabelnetzbetreiber iesy, ish und Tele Columbus. Deren strategisches Ziel ist es, mit Hilfe der Bundesliga das digitale Fernsehen – hier: DVB – im Kabel voranzubringen und damit ein neues Geschäftsmodell zu installieren, das sich in anderen Ländern seit Jahrzehnten bewährt hat, aber in Deutschland (aus politischen Gründen, die Anfang der 80er Jahre zu lokalisieren wären) bislang nicht zum Zuge kam.

Dieses besagte Modell sieht vor, dass

  1. Kabelnetzbetreiber unterschiedliche Programmpakete zu unterschiedlichen Preisen anbieten und
  2. TV-Sender einen Teil der Einnahmen erhalten (in Deutschland müssen sie an Kabelnetzbetreiber zahlen!).

Es bekommt also nicht jeder Zuschauer jedes Programm zum Einheitspreis, sondern es gibt Unterschiede. Dieser Ansatz zielt auf breite Zuschauerschichten, die mit verschiedenen Angeboten erreicht werden sollen. Die Bundesliga ist in diesem Szenario (nennen wir es das arena-Modell) ein Marketingwerkzeug für die Einführung eines neuen Geschäftsmodells im TV-Kabel.

Premiere hingegen hat von Anfang an einen Premium-Ansatz verfolgt, also eine kleinere Zielgruppe angesprochen und demzufolge sehr lange für den Aufbau seiner Kundenbasis gebraucht. Partner Telekom, früher selbst im Kabelgeschäft unterwegs, will die Bundesliga nebst Premiere als Marketingwerkzeug für den Vertrieb der nächsten DSL-Generation einsetzen. V-DSL soll neben Kabel, Satellit und Antenne der vierte Übertragungsweg für digitales Fernsehen werden.

Etwas kompliziert wird die Angelegenheit dadurch, dass IPTV keinesfalls an V-DSL gebunden ist. Denkbar wäre durchaus auch IPTV via Kabel oder Satellit (sofern das Thema Rückkanal gelöst werden kann und soweit das nötig ist). Und genau darum tobt der Streit zwischen DFL und arena auf der einen sowie Premiere und Telekom auf der anderen Seite: Erlauben die von der Telekom erworbenen „Internet-Rechte“ an der Bundesliga auch die Verbreitung via Kabel oder Satellit?

Falls ja, dann wäre eine erheblich größere technische Reichweite für das Premiere-Bundesliga-Telekom-IPTV denkbar. Denn V-DSL wird zum Start im August nur etwa drei von 37 Millionen Fernsehhaushalten erreichen können. Und das bisherige DSL soll erst später für die Bundesliga erschlossen werden.

Was ist also letzte Woche geschehen? Nicht viel, meint Kai Pahl (allesaussersport.de):

Die Neuigkeit vom Freitag ist keine Neuigkeit, sondern
zurrt nur das Minimum fest, was nach Gerüchtelage eh schon Stand der
Dinge war. Unterschriften auf Papier. mehr ist nicht passiert.

Sehr viel, schreibt hingegen Alexander Endl im Zielpublikum Weblog:

Bisher galt es doch immer so: Interaktives Fernsehen scheiterte am
Rückkanal, weswegen sich Kabelnetzbetreiber ja nun auch als
Daten-Anbieter gerieren. Doch bei allem Bemühen: Es fehlte am Angebot,
weil die Nachfrage fehlte, die fehlte, weil es kein Angebot gab.
Staatlich subventionieren durfte man nicht und so blieb alles im Grunde
wie es war.

Nun aber zwingt man die Telekom (die wohl eher freiwillig und mit
Kalkül) und PREMIERE (unfreiwillig und mit Wasser bis zum Hals) zur
Geburt des interaktiven Fernsehens, mit dem die Medienlandschaft lange
schwanger trug.

Sollte es Telekom und PREMIERE gelingen, das Konzept tatsächlich
umzusetzen und nur halbwegs an den Mann zu bringen, dann dürfte das die
Fernseh- und Medienlandschaft auf den Kopf stellen. Man wird kaum
gucken können, bis andere auch auf die Box wollen, ganz vorne die
Shopping-, Lebensberater- und Erotik-Sender. Es wird davon abhängen, ob
die Telekom zwanghaft eine Monopolstellung anstrebt und ob sie anderen
Daten-Carriers ermöglicht (und zu welchen Konditionen) die neue Box mit
zu bedienen. Denn ohne einen Standard, auf den andere aufspringen
können und eine einheitliche Box wird das Unternehmen scheitern.

Nur
wenn auch die öffentlich rechtlichen Sender und die Privatsender über
kurz oder lang mit aufspringen und die Übertragung via DSL
unterstützen, wird sich die Box auch in Haushalten verbreiten. Hier
wird sich zeigen, ob die Interessen der Telekom (die gern an
Verdrängung statt Kooperation interessiert zu sein scheint –
verständlich aus deren Sicht im Übrigen) und die Interessen von
PREMIERE im Widerstreit zu einem vernünftigen Ergebnis kommen.

Aber wenn man mich fragt: Aus der Not geboren haben wir gerade die Geburt des interaktiven Fernsehens erlebt.

Schülerzeitung goes DTP

Teil 3 der mehrteiligen Serie zum zwanzigjährigen Bestehen der Page und zum zehnjährigen Bestehen von SinnerSchrader. Teil 1: Computersozialisierung bei Horten, Teil 2: Ein seltsames Protokoll

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Das Schülerzeitungsprojekt professionalisierte sich zunehmend: nationale Anzeigenkunden, höhere Verbreitung – und immer noch ein Schriftbild aus dem 9-Nadeldrucker. Es war schrecklich. Wir bewunderten die visuelle Sprache der neuen Magazine wie Wiener, Basta und schließlich Tempo – und uns fiel die erste PAGE in die Hände. Es musste was geschehen – nur was? Das Traumpaar Mac & Laserwriter war für uns völlig unerschwinglich.

Und hier beginnt die Geschichte des Atari ST und eines seltsamen Ausfluges heimischer Software-Entwickler in die grafische Industrie. Schuld war wohl ursprünglich Franz Schmerbeck. Er schrieb mit Signum2 für den Atari eine Textverarbeitung und hatte dabei eine geniale Idee: Für die Druckausgabe der gerade auf den Markt gekommenen 24-Nadeldrucker nutzte er nicht die eingebauten Druckerschriften, sondern ließ die komplette Textseite als Bitmap-Datei aufbereiten.

Dabei steuerte er die einzelnen Drucknadeln durch zeilenweisen Versatz so geschickt an, dass die 24-Nadler eine native Druckauflösung von 360 dpi erzielten – höher als jeder Laserdrucker damals. Gleichzeitig entwickelte er Tools, mit dem Schriftenliebhaber hochwertige und hochaufgelöste Bitmap-Fonts selbst entwickeln konnten. Innerhalb kürzester Zeit wurde Signum2 zur beliebtesten Textverarbeitung auf dem Atari und es entstand innerhalb weniger Monate eine große Schriftenbibliothek.

Mittels Signum und der Zoom-Taste des Schulfotokopierers erreichten wir 1986 fast Fotosatzqualität im Mengentext. Und dann überraschte uns Christian Griesbeck Ende desselben Jahres mit Calamus. Calamus war nicht nur ein ausgewachsenes rahmenorientiertes Layoutprogramm: Der junge Griesbeck hatte fast im Alleingang quasi nebenbei ein eigenes grafisches Betriebssystem entwickelt. Er verzichtete auf alle GEM-Routinen des Atari-Betriebssystems für die Bild- und Druckausgabe und setze sowohl für die Bildschirm- als auch Druckausgabe eigene Softripping-Algorithmen ein.

Während man auf dem Pagemaker noch Headlines in Klötzchenoptik sah (Adobe rückte erst vier Jahre später den ATM raus), konnte man mit Calamus Ende 1986 bereits auf dem Bildschirm 1:1 in der Belichterauflösung von 2540 dpi arbeiten. Es haute uns schier aus den Socken. Adobe und Steven Jobs griffen das Konzept wenig später unter dem Begriff Display Postscript auf – kriegten es aber unter NextStep nie performant. Wir hingegen layouteten nun für unsere Zeitung Tag & Nacht. Hatten viel Spaß, lernten viel und waren glücklich.

Fortsetzung folgt

Ein seltsames Protokoll

Teil 2 der mehrteiligen Serie zum zwanzigjährigen Bestehen der Page und zum zehnjährigen Bestehen von SinnerSchrader. Teil 1: Computersozialisierung bei Horten
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Im Herbst 1984 begann ich zu schreiben und gründete mit drei Schulfreunden eine überregionale Schülerzeitung, die wir an zwanzig Hamburger Gymnasien frei verteilten. (Erstaunt entdeckten wir als 16jährige, dass der Fortdruck quasi nichts kostet, Anzeigenkunden aber dankbar für die zehnfache Auflage das Dreifache zahlen.) Den Mengentext produzierten wir mit Vizawrite auf meinem C64 und einem 9-Nadeldrucker, dessen Schriftbild dank Carbonfarbband und Runterskalieren am Fotokopierer um eine DIN-Stufe die Grenze des Zumutbaren streifte. Der Rest des Layouts bestand aus Letraset-Rubbelbuchstaben, anarchistischen Comics und drei Tuben Fixogum. Über Nacht wandelte sich meine Daddelkiste zum Publishing-Werkzeug.
Eine meine ersten Reportagen führte mich in eine Eimsbütteler Souterrain-Wohnung. Hier lernte ich Wau Holland, den damaligen Präsidenten des Chaos Computer Clubs, kennen und er schenkte mir die Hackerbibel, nachdem ich einen Zehnmarkschein in seine Kaffeebüchse (oder die des Clubs – ich konnte es nie herausfinden) gefaltet hatte. Die Hackerbibel hielt Wort und enthielt tatsächlich eine Offenbarung: eine Anleitung zum Bau eines Akustikkopplers. Für – damals lächerliche – 800 Mark an Materialkosten konnte ich meinen C64 über Muffen aus dem Sanitärfachhandel mit dem blauen Miettelefon (es gab damals daneben nur noch graue, grüne oder weinrote) der Post verbinden und war „drin“. Bei guter Verbindung konnten wir mit 300 Baud unglaubliche 40 Zeichen pro Sekunde übertragen – ich fragte mich, ob wir uns jemals soviel zu sagen haben würden.
Wir hatten. Die Szene wuchs rasend schnell. Wir schrieben einfache Mailbox-Programme für unsere Rechner, koppelten sie zu Netzen und statt Spiele tauschten wir nun Foren aus – es war das alte Spiel: Jeder wollte die meisten Foren/Bretter/Boards auf seinem System „hosten“ und mit anderen tauschen. Wir verknüpften das Z-Netz mit dem Maus-Net, dieses mit Fido und alle wollten möglichst schnell auch die Usenet-Inhalte aus den Staaten verbreiten, doch das lief nur auf unerschwinglichen Unix-Systemen und auf einem seltsamen Protokoll, das sich Internet nannte.
Ehrensache, dass es dann ab 1985 von unserer Schülerzeitung auch eine Mailbox-Version gab. Sie war „Public Domain“, heute würde man Open Source sagen, und statt GIFs gab’s ASCII-Art. Als in Tschernobyl im April 1986 die Graphitköpfe kritisch wurden, titelten wir in unserer Zeitung „Atomares Alpenglühen“ und verteilten die wöchentliche Strahlenmessung der Bodenbelastung, die wir aus dem Netz saugten, per E-Mail an die Schulsprecher unserer Stadt zwecks Aushang. Dem „Hamburger Abendblatt“ trauten wir nicht. Unsere Rechner verwandelten sich schrittweise vom Werkzeug zum Medium.
Fortsetzung folgt

Computersozialisierung bei Horten

Teil 1 der mehrteiligen Serie zum zwanzigjährigen Bestehen der Page und zum zehnjährigen Bestehen von SinnerSchrader
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1986 erschien die Erstausgabe der PAGE und ich kaufte mir einen Atari ST, genauer einen Atari 1040STF. Shiraz Shivji, der vorher schon mit dem Commodore 64 den erfolgreichsten Homecomputer aller Zeit entwickelte, hatte zusammen mit sechs weiteren Ingenieuren im Jahr zuvor innerhalb von fünf Monaten das Kunststück vollbracht, einen modernen Prozessor (den Motorola 68000er) mit einem akzeptablen Betriebssystem inklusiver grafischer Benutzeroberfläche (GEM von Digital Research) zu einem unschlagbaren Preis von unter 1.500 DM zu verdrahten. Das entsprach einer Summe, die für einen Schüler in den 80er Jahren in sechs Wochen Sommerferien gerade noch erjobbar war.
Neben dem Preis hatte der Atari ST aber weitere Features, die für mich magische Anziehungskraft besaßen: Da war zum einen sein hochauflösender und flimmerfreier Monochrombildschirm, vor dem man nächtelang sitzen konnte ohne an Augenkrebs zu erkranken, zudem besaß er eine schnelle RS232-Modemschnittstelle – und es war gerade Signum2 erschienen. Dazu muss ich weiter ausholen.
Meine Computersozialisierung fand, wie bei nicht wenigen meiner Generation, im Kaufhaus statt. Genauer bei Horten in der Hamburger Mönckebergstraße, 3. Etage. Dort, wo heute Saturn Espresso-Vollautomaten verkauft. Meine LCD-Armbanduhr von Tchibo signalisierte das Jahr 1982 und die Jungs, die so wie ich zuwenig Verabredungen und zu viele Pickel hatten, trafen sich nach der Schule in den Computerabteilungen der großen Kaufhäuser, um Software zu tauschen. Wir hatten alle unser Konfirmationsgeld in Heimcomputer von Atari, Commodore oder Sinclair gesteckt, und die Kisten brauchten Futter. Das Abtippen von Listings aus Computerzeitschriften fanden wir doof und so kopierten wir, was das Zeug hielt.
Praktischerweise konnten wir hierzu die Rechner aus den Verkaufsausstellungen nutzen, wenn wir für die Verkäufer eine Kopie mitzogen. Ich hatte damals einen VC20, ein Dutzend Schuhkartons voller Tapes (Disketten kamen erst später), und das Netzwerk meiner Tauschfreunde verteilte sich schnell über die ganze Republik. Zur Portofinanzierung kopierte man gegen eine amtliche Aufwandsentschädigung gelegentlich ein Tape für ein paar Landeier und Erwachsene mit. Erst viel später entwickelte ich deswegen flüchtige Gewissenbisse, als ich durch Google erfuhr, dass die Programmierer meiner Lieblingsspiele, Tom Griner („Shamus“) und Jeff Minter („Return of the Mutant Camels“), damals selbst noch zur Schule gingen.
Die Weihnachtstage des Jahres 1983 zerstörten unser Netzwerk über Nacht. Der C64 wurde als VC20-Nachfolger zu „dem“ Weihnachtsgeschenk der Saison: Eine ganze Elterngeneration hatte es sich offenbar vorgenommen, ihre Kinder am Vorabend des Orwell-Jahres fit für das Computerzeitalter zu machen. Der C64 wurde zum mainstreamigen Popper-Computer. Im Frühjahr 1984 schwenkte dann die zersplitterte und gedemütigte Homecomputer-Szene mangels Alternativen auf den C64 um. Software gab’s plötzlich auf dem Schulhof im Überfluss, unsere Kopiererszene verflüchtigte sich.
Fortsetzung folgt

Microsoft betritt den Werbemarkt

Seit geraumer Zeit schon testet Microsoft eine Werbeplattform, die gegen Google AdWords und Yahoo Search Marketing (vormals Overture) antreten soll. Aus dem, was bis jetzt bekannt ist, ergibt sich noch kein klares Bild.
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Ein adCenter Pilot läuft bei MSN Advertising – Registrierung erforderlich, nur ausgewählte Teilnehmer. Das adCenter Blog hält die Pilotwerbekunden auf dem Laufenden. Deren Anzeigen sind bei Windows Live Search und bei MSN Search zu sehen. Microsoft ist gerade dabei, den Anteil der bislang von Yahoo vermarkteten Keyword-Werbung zu verringern.

Als Alleinstellungsmerkmal betont Microsoft insbesondere das demographische Targeting:

For some advertisers, exposure is not the only thing they are looking for. Some are looking for exposure to the right audience. For instance, if you sell running shoes, you want an audience who is interested in running shoes to see your ad and take action, which may result in the audience clicking on your search ad, visiting your web site, and buying a pair of running shoes. […]

While most existing search engine services count the number of clicks your ad receives, it is important to also know as many demographics of those individuals clicking on your search ads. The in-depth reports revealing specific details about the audiences behind the clicks have either been unavailable or cost thousands of dollars to purchase from a third party source. MSN believes audience data is essential to planning and maintaining successful search marketing.

Unklar ist, wie Microsoft dieses Versprechen einzulösen gedenkt. Ein paar Hinweise dazu gab es vor zwei Wochen in einem Reuters-Artikel:

Microsoft officials said adCenter provides advertisers with demographic data to better target customers with projections about the search user’s age, sex and location. Eventually, the company wants to integrate projections about the user’s wealth, preferences and online behavior patterns.

„Woher kennt Microsoft Geschlecht und Alter seiner Nutzer?“, fragte finanso.de schon im Herbst – und hatte die nun bei Reuters zu lesende Antwort schon geahnt:

Backed by registration information obtained from 230 million e-mail accounts and 205 million instant messaging users, Microsoft said that database allows it to provide more accurate projections than Google or Yahoo.

„Ich bin gespannt, wie die Öffentlichkeit darauf reagieren wird“, schrieb finanso.de seinerzeit. Dem schließe ich mich an.

Google Desktop Version 3

google_desktop3_01.pngGerade Google Desktop für Unternehmen Version 3 in der nagelneuen deutschen Version installiert. Nach dem Reboot (ich bin ja lernfähig) sieht die Sidebar ziemlich kaputt aus. Und in der Taskleiste lässt sich gar nichts eingeben. Ich starte den Rechner gleich nochmal und berichte weiter.

Microsoft Desktop Search ist übrigens immer noch nicht mit dem Index fertig.
Nachtrag: Mehrere Reboots, eine De- und eine Neuinstallation später ist alles fein. Der neue Desktop macht, was er soll. Zunächst mal indiziert er alles neu. Aber der alte Index steht derweil auch noch zur Verfügung.

mix06: Der Mix macht’s

Malte Blumenthal live aus Vegas vom zweiten Tag der mix06:

Früh am Morgen zeigt uns Joe Belfiore den neuen Mix. Mit der totalen Vernetzung und seinem Präsentationstalent zieht Belfiore uns alle in seinen Bann.

Nachdem in den letzten Monaten bekannt wurde, dass die Xbox 360 und Windows (MCE) sich gut verstehen werden, wird aus dem Mediaplayer das Microsoft-Media-Herz. Der Mediaplayer spielt auf dem PC oder im Mediacenter sämtliche Medien ab, vernetzt sich mit der Xbox und synchronisiert sich natürlich auch mit mobilen Endgeräten, sehr gerne z.B. mit Windows Mobile 5.

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Um all diesen Mediendaten Herr zu werden, wird es State-of-the-Art-Sortier- und Suchfunktionen geben. DVD-Wechsler werden nun auch unterstützt. Sehr gut hat mir die neue Musiksortierung nach 70’s, 80’s, 90’s gefallen. Ich persönlich begrüße es, dass Microsoft nun endlich auch die eifrigen Broadband-Sammler & -Jäger unterstützt, die doch heute nicht mehr wissen, was sie gestern runtergeladen haben. Inwieweit da das neue DRM-System einen Strich durch die Rechnung macht, werden wir sehen.

Eins ist aber klar: 2006 – das Jahr, in dem das Mediacenter kam. Das Mediacenter wird aus seinem Dornröschenschlaf erwachen, integriert in zwei von fünf Vista-Versionen, kombiniert mit der neuen Xbox. Wir können in den Wohnzimmern schonmal Platz machen und darüber nachdenken, wie hier die zukünftigen Webanwendungen aussehen werden…

Was bisher geschah:

mix06: Einfach nur crazy

Bevor sich unser Sonderkorrespondent in Vegas dem wohlverdienten Nachtschlaf hingab, übermittelte er uns noch einige erste Eindrücke, „schnell & dreckig aber frisch!“

Ich verstehe immer noch nicht, wie es Microsoft schafft, so viele Menschen mit Zukunftsthemen zu beschäftigen, die keinen Cent Umsatz machen, und trotzdem wirtschaftlich so erfolgreich zu sein. Dafür bewundere ich den Laden zutiefst.

Bill Gates ist ein schlechter Sprecher. Bill Gates ist ein sympathischer, irgendwie rein und jung wirkender Mensch.

Las Vegas ist einfach nur crazy (diplomatisch ausgedrückt). Bis jetzt hatte ich nicht eine Stunde Zeit, neben der Konferenz, dem Versuch zu arbeiten, dem Kampf mit 12 Stunden Zeitverschiebung (wenn ich wach sein muss, bin ich müde – wenn ich schlafen soll, bin ich hellwach) Las Vegas zu bewundern.

Mit der Adaption des Vernetzungs-Gedankens in die neuen Microsoft-Technologien ergeben sich in den nächsten Jahren sehr, sehr spannende Möglichkeiten. Auf einer reichweitenstarken Basis, weil halt Microsoft. Die gezeigten Beispiele sind hier sehr technisch geprägt („schau mal, das funktioniert“). Aus Business-Sicht noch nicht so sehr überzeugend.

Myspace ist auch hier. Unglaublich, die haben eine Server-Farm von „nur“ 150 Stück und sind die reichweitenzweitstärkste Seite im Internet. Besonders im Bereich Personalisierung entwickeln sie zur Zeit mit Atlas & Ajax. Hier geht es um Drag & Drop für personalisierten Content. Sehr überzeugend.

Microsoft baut an einem Ad-Center, was wohl eine Full-Service-Plattform für Werbung (noch online) werden soll. Theoretisch sehr spannend, praktisch wird es wohl noch dauern, bis es so einfach ist wie Aktien kaufen: mal eben Zielgruppe auswählen, Preislimits fürs SEM einstellen, etc. und fertig 😉

Wichtige Stichworte sind: Beyond the Browser, Vernetzung von Applikationen und Services, Ajax & Atlas, sehr viel Mobile!

Einige Einblicke in Smartclients für Endkunden konnte ich z.B. von BBC und North Face sehen. Ich bin auf weitere sehr gespannt.

Schnell sitzt man in einer Session, in der über APIs und Workflows philosophiert wird… 😉 Wenn es dann eigentlich 5 Uhr AM in Old Europe ist, werden die Augenlider sehr, sehr schwer.