next is everywhere

Die next07 hat es inzwischen sogar auf die Flohmarktstände dieser Welt geschafft. Allerdings wurden beim Sternschanzenfest am Samstag horrende Preise für das Anhängerband der next07 geboten, so dass ich mich gegen einen Zukauf entscheiden musste…
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Digitale Generation

Götz Hamann, Wirtschaftredakteur bei der ZEIT, führte auf der next07 ein erhellendes Gespräch mit Josephine Brinkmann (22), Johannes Russ (23) und Daniel Schöneck (18) – über die Mediennutzung der digitalen Generation.
Hamann findet: „Die drei waren schon klasse!“ Warum die Zuhörerschaft sich allerdings ein paar Gedanken um ihre Geschäftsmodelle machen sollte und was die traditionellen Printmedien für die Aufmerksamkeit der jungen Leser tun können, erklärt er weiter unten.

Herr Hamann, am Ende Ihrer Interviewrunde sagten Sie zu den Zuschauern, der eine oder andere müsse nun vielleicht sein Geschäftsmodell überdenken. Wieso?
Götz Hamann: Es gibt, soweit ich das überblicke, nur drei Geschäftsmodelle im Internet: Werbung, Provisionen und den direkten Verkauf. Ausgangspunkt vieler Geschäftsmodelle im Web 2.0: Die Werbung kann zielgerichteter sein, mit viel weiniger Streuverlusten.
Nun haben alle drei Teilnehmer des Podiums gesagt, sie würden Werbung nur selektiv wahrnehmen, und zwar nur dann, wenn sie sich ohnehin schon für die Produkte interessieren. Die Treffsicherheit scheint also doch geringer zu sein als behauptet – Streuverluste bleiben auch im Web 2.0 erstaunlich groß.
Außerdem haben alle drei gesagt, dass sie es, wenn möglich, vermeiden, Geld auszugeben. Einige Geschäftsmodelle setzen darauf, mit bestimmten Mehrwerten zu Abonnements zu führen. Da glaube, ich, dass die drei gezeigt haben, wie vage diese Hoffnung ist.
Der direkte Verkauf von digitalen Gütern scheint bei den jungen Erwachsenen auf dem Podium nicht besonders gut zu funktionieren. Sie scheinen doch eher Raubkopien zu konsumieren und erst später gekaufte Inhalte konsumieren zu wollen.
Haben die Jugendlichen Sie überrascht?
Sie haben unglaublich präzise geantwortet und waren sich ihres Mediennutzungsverhaltens sehr bewusst. Außerdem sind sie über die Maßen kreativ.
Alle drei bildeten sehr gut einen jeweils eigenen Nutzertyp ab: Josephine Brinkmann nutzt das Web als Kommunikationsmittel und sucht persönliche Ausdrucksformen, Johannes Russ ist Musikliebhaber und -techniker, alle Formen des Internet nutzend, wie man dort mit Musik umgehen kann und Daniel Schöneck ist Computerspieler und Schreiber, Citizen Journalist, für den Computerspiele das wichtigste Medium sind. Er verwirklicht die Konsumenten- und Produzentenrolle.
Die drei waren schon klasse!
Auf dem Podium saß eine der Zielgruppen der next07-Zuschauer. Wie nah sind Sie üblicherweise der Zielgruppe Ihres Mediums? Erhalten Sie Feedback?
Ab und zu passiert das. Wir können das nicht einfordern. Leserbriefe sind in der Regel natürlich nicht Lob, sondern zeigen eher, was missfällt. Die Zahl der Leserreaktionen haben allerdings, seit es E-Mails gibt, deutlich zugenommen.
Ein guter Reality Check ist, ab und zu die Zugriffszahlen der eigenen Artikel bei ZEIT-Online zu checken. Wobei das Leserprofil online natürlich anders ist als in der Printausgabe.
Was müssen die traditionellen Printmedien tun, um für die jungen Zielgruppen attraktiv zu sein?
Nach heutigem Stand: Was Wochenzeitungen und Magazine den Online-Medien voraus haben, ist die redaktionelle Qualität, durch die sie sich absetzen: Sprache, bessere Geschichten, die Fotostrecken, also alles in allem ein besseres, tieferes, differenzierteres Bild von der Welt zu bieten. Dafür gibt es momentan keine Alternative.
Auch Fachblogs können kein Bild von der Welt geben, sondern immer nur sehr begrenzte Ausschnitte davon darstellen. Die Thementiefe eines überregionalen Printmediums wird von einem einzelnen Web-Angebot nicht erreicht.
Was tut die ZEIT dafür, die Jungen anzusprechen?
Die ZEIT tut fürchterlich viel dafür! Das Projekt „ZEIT in der Schule“, co-finanziert von Dritten, bei dem der Verlag Sponsoren sucht und Schulen für ein Jahr verbilligte oder kostenfreie Abonnements anbietet, zum Beispiel. Mehrere tausend Klassen lernen den Umgang mit einem überregionalen Printmedium an der ZEIT.
Heute werden immer mehr neue Abonnenten über das Netz gewonnen, und die Leser dort sind bekanntlich jünger als die der Printmedien. Unsere Abonnentenkurve zeigt derzeit einen deutlichen Ausschlag nach oben bei den 20- bis 30-Jährigen und einen zweiten bei den Ab-40-Jährigen.
Insgesamt geht es uns momentan gut, was man ja auch an der Auflage sieht, die seit fast fünf Jahren kontinuierlich steigt. Dennoch: Auch wir müssen um unsere Leser an den Kiosken kämpfen. Die Spontankäufe von Printmedien nehmen ab.
Daniel schreibt als Chefredakteur über das Geschehen in Clans im eSport-Bereich. Wie wirkt das auf Sie als Profi?
Das ist ein Online-Fan-Magazin. Ich habe einige Texte gesehen, die waren absolut in Ordnung. Man sieht das Bemühen, akkurat zu sein, Infos zu bieten. Das sind klassische journalistische Ansätze.
Daniel ist 18 und sehr weit dafür in dem, was er schreibt. Er ist aber kein ausgebildeter Journalist, ihm fehlt noch einige Schreiberfahrung.
Ich sehe das ganz entspannt: Er tritt ja nicht in journalistische Konkurrenz zu uns. Er bewegt andere Jugendliche zur Auseinandersetzung mit Text, und damit arbeitet er in die Hände aller schreibenden Journalisten.

Ganz authentisch Spaß gehabt

Horst Schlämmer ist ein Phänomen – und erst recht die erfolgreiche Golf-Kampagne, die Dr. Peter Figge von Tribal DDB Germany gemeinsam mit Ralf Maltzen von Volkswagen auf der next07 präsentiert hat:

Wir haben bei Dr. Peter Figge nochmal genauer nachgefragt: Warum der Horst ganz authentisch Spaß hatte, sein Image nicht gelitten hat und die Kampagne Deutschlands erfolgreichste Direktkampagne wurde, erklärt er im Nach-next07-Interview.
Zunächst zur Hauptperson: Wie war die Zusammenarbeit mit Horst Schlämmer?
Dr. Peter Figge: Die war extrem positiv, weil er sich sehr mit der Kampagne identifiziert hat. Er hat gerne für die Marke Volkswagen gearbeitet, nicht zuletzt weil die Person Hape Kerkeling selber Golf fährt. Er fand es super vom Konzept her und hat sich mit vielen zusätzlichen Ideen selber eingebracht, hat ständig neuen Input geliefert und musste von seinem Management beinahe gebremst werden. Er hat also ganz authentisch Spaß gehabt.
Im Vortrag haben Sie gesagt, dass es zunächst darum ging, menschliche Bedürfnisse auf eine moderne Art zu befriedigen. Wie haben Sie das gemeint?
Hier geht es um die Erkenntnis, dass wir einerseits in einer modernen, vernetzten Gesellschaft mit unendlichen Kommunikationsmöglichkeiten leben, andererseits aber immer noch die ewig gleichen menschlichen Bedürfnisse nach Information und Unterhaltung haben. Auf einer etwas grundsätzlicheren Ebene suchen wir Bestätigung, Anerkennung und Zuwendung. In Fall von Horst Schlämmer sprechen wir also das Bedürfnis nach Unterhaltung und Gemeinschaft an, das an sich nicht neu ist. Die Art und Weise, wie wir es tun, ist jedoch absolut ungesehen und neuartig.
Ralf Maltzen von Volkswagen hat im Vortrag erklärt, er habe die Kampagne intern mit sehr vielen Schmerzen durchboxen müssen. Ihre Position dazu: „Angst ist kein guter Berater.“ Welche Erkenntnisse haben Sie zu dieser Aussage gebracht?
Die größte Angst war: Passt das alles zur Marke VW? Dabei ist es keine Imagekampagne für VW gewesen. Die Aufgabe war, für ein Golf-Aktionsangebot auf sympathische Art zu werben. Wir hatten schon eine Reihe von Kommunikationsaufgaben für Aktionsangebote gelöst, und jetzt haben wir eine neue Art und Weise gesucht und gefunden, die gepasst hat. Horst Schlämmer hat eine große Akzeptanz im Volk, der Golf ist fast klassenlos.
Warum haben Sie das Outing vorgezogen? Was hatte sich verselbstständigt?
Das Outing sollte ursprünglich so spät wie möglich und so früh wie nötig stattfinden und nach einer möglichst breiten Streuung der Kampagne. Wir wollten offen, ehrlich und authentisch sein. In dem Moment, wo die Blogosphäre begann, sich darüber auszutauschen und uns die Kampagne möglicherweise negativ hätte entgleiten können, haben wir daher das Outing vorgenommen.
Mit über 5 Millionen Videoviews war die Kampagne Deutschlands erfolgreichste Direktkampagne. Haben sich die Absatzzahlen messbar erhöht?
Die Absatzzahlen sind sehr positiv – wobei man fairerweise sagen muss, dass man eine ausschließliche Kausalität mit der Kampagne nicht herstellen kann, da die Erfolgsfaktoren für den Absatz im Marketing natürlich vielfältig sind. Auf jeden Fall: Die wichtigste Währung besteht in den 90.000 qualifizierten Leads, die für Händler identifizierbar und nachbearbeitbar sind.
Hat sich Horst Schlämmers Image messbar verändert?
Horst Schlämmer ist sich selber treu geblieben. Was definitiv nicht passiert ist: Die Leute haben nicht gesagt: „Ääh, jetzt macht der Werbung für VW.“ Es ist ihm nicht nachgetragen worden, weil es sich um authentisches, konsistentes Horst-Schlämmer-Entertainment gehandelt hat. Er war in dem Sinne keine Kunstfigur: Hier war Horst Schlämmer gleich Horst Schlämmer, und das hat er durchgehalten. Durch diese absolute Authentizität hat es keine Imageänderung gegeben.

Durchgeknallt und deshalb erfolgreich

Matthäus Krzykowski und Stefanie Budesheim von la Fraise erklären im Nach-next07-Interview, was sie von anderen unterscheidet.
Hier der Vortrag „La Fraise versus Charitees: Nicht das T-Shirt, die Botschaft ist das Produkt“, in dem Matthäus Krzykowski und Anton Jurina von Charitees sich auf der next07 behutsam streiten:

Bei La Fraise werden täglich 100-150 T-Shirt-Designs eingereicht. Wer reicht die ein, und wie geht es dann weiter?
Stefanie: Die T-Shirt-Designs kommen aus den unterschiedlichsten Bereichen – von Designschulen und Top-Leuten aus den Agenturen bis zu Hobby-Designern, da gibt es natürlich eine riesige Diskrepanz. Es gibt fixe Vorschriften für die Designs, gewisse Größen etc., aber maximal ein Prozent hält die Vorschriften nicht ein.
Matthäus: Wir bekommen die Designs, und nationale Blogger wählen dann eine Anzahl von Designs aus, die sie in den Wettbewerb stellen. Dann wird sieben Tage lang gevoted. Die Gewinner-Designs werden hergestellt. Im letzten halben Jahr haben übrigens 1.100 unterschiedliche Designer Vorschläge eingereicht. Ein Drittel der Leute, die jeden Monat Designs einreichen, sind neu dabei, das ist wirklich super lebendig. Also: Ganz unterschiedliche Leute machen bei La Fraise den Content. Viele Leute stellen morgens als erstes ihren Apple an und gucken, welche neuen Designs es bei La Fraise gibt.
Matthäus, im Vortrag hast Du gesagt, die Digitalisierung von Kreativität habe einen unglaublichen Effekt. Welchen?
Matthäus: Das begreife ich in erster Linie technisch: Bei La Fraise gibt es viele unterschiedliche junge Designer – die haben z. B. von ihrer Vorstadt aus Zugriff auf alle Mittel und Möglichkeiten, haben Internet, eine Community und eine Peer Group, die sie unterstützt. Typisch ist: Du machst ein halbes Jahr mit, bekommst viele Neins, hast aber durch das Feedback eine große Lernkurve. Das sehen wir, und das ist toll.
„Wir sind durchgeknallt und deshalb erfolgreich.“ Warum?
Stefanie: Wir haben ein relativ unkonventionelles Team und unkonventionelle Motive und scheuen uns nicht vor Konfrontation. Das ist das, was uns erfolgreich macht. Wir scheuen uns nicht, bestimmte Themen im Blog anzusprechen. Wir machen in Blogs das, was sonst keiner macht. Bei unseren Fridays Games machen wir jede Woche neue schräge Sachen, bei denen wir die Leute zur Interaktion auffordern. Das ist einfach ein Knaller. Was uns unterscheidet: Wir sind ansprechbar, wir reden mit den Leuten.
Mal ein Beispiel: Unsere Bloggerin hat neulich geschrieben, dass sie eine Woche zu spät bezahlt worden ist – das zieht natürlich Traffic auf die Seite. Wenn uns Fehler unterlaufen, dann zeigen wir sie. Wir machen unsere Konflikte transparent im Internet. Das wollen die Leute wissen – wie es unter uns geht, und das sehen wir positiv.
Matthäus, was meinst Du damit, dass Ihr mehr Deutungshoheit anbietet? Mehr Deutungshoheit als wer?
Matthäus: Wir ermöglichen gewisse Sachen: Events, an die sich die User erinnern und aus denen sie was ganz Eigenes machen. Zum Beispiel hatten wir mal den Wettbewerb „Kill all Animals“, und die Leute haben diverse Arten überlegt, wie man kleine Tierchen töten kann – die schicken und dann ganz viele Dinge ein, und das nehmen wir auf, egal was. Und die Leute machen was ganz Eigenes draus – da können wir sicher sein. Auf unseren T-Shirts finden sich übrigens auch Kommentare zum Zeitgeschehen wieder, zeitversetzt um ein bis zwei Wochen.
Im next07-Vortrag warst Du der Gewinner, Matthäus – Sascha Lobo hat Dein T-Shirt gekauft und nicht das von Anton Jurina/Charitees. Wie hat Dir der Disput insgesamt gefallen, und wie gegensätzlich sind Eure Companys tatsächlich?
Matthäus: Der Vergleich war eigentlich schwierig – Antons Company freue ich mich noch zu sehen, da sie ja noch gerade aus dem Ei schlüpft. Daher fand ich den Vergleich ein bisschen konstruiert. Das, was wir sicherlich beide machen wollen, ist mehr zu sein als ein T-Shirt-Unternehmen. Es gibt jede Menge unterschiedliche Elemente, wo la Fraise und Charitees das versuchen. Wir als la Fraise sehen jedoch mehr den Kontrast zu H&M und Zara.

Menschen und Maschinen

Warum Social Bookmarking den klassischen Suchmaschinen gefährlich werden kann, erklärt Christian Clawien von Mr. Wong im Nach-next07-Interview. Hier nochmal sein Vortrag „Schwarmintelligenz von Links“.

Ist Mister Wong das deutsche del.icio.us?
Christian Clawien: In Deutschland hatten wir im Mai über zwei Millionen Unique Visitors. Damit haben wir die Konzern-Kollegen von Yahoo, denen del.icio.us ja zu 100 Prozent gehört, weit hinter uns gelassen und sind weltweit mittlerweile die Nummer zwei im Social Bookmarking.
Aber wir wollen uns nicht nur auf den deutschen Sprachraum beschränken. Mister Wong ist mittlerweile auch in China und Russland online, eine spanische und eine französische Version verlassen in Kürze die Closed-Beta-Phase. Ende Juni starten wir dann mit der internationalen Version in Englisch.
Das ist unser Gegenkonzept zu del.icio.us: lokale Sprachvarianten und eine bessere Funktionalität. Unser erklärtes Ziel ist es, del.icio.us binnen zwei Jahren weltweit und nicht nur im deutschen Sprachraum überholt zu haben.
Warum beurteilen „echte Menschen“ Informationen und Inhalte intelligenter als Google & Co. ?
Eine Maschine kann schwer interpretieren. Googles Pageranking ergibt sich nach der Anzahl der Verlinkungen, nach der Aktualität. Die genauen Rankingkriterien sind ein Geheimnis. Der Hauptschwerpunkt liegt auf der Verlinkungsdichte. Die kann man manipulieren, und die gefundenen Seiten müssen nicht unbedingt gut sein.
Bei Mister Wong bookmarken die Leute, was sie selber gut finden, ihre persönlichen Favoriten. Menschen können die Relevanz von Websites besser beurteilen als Maschinen.
Kann Social Bookmarking eine echte Alternative zu klassischen Suchmaschinen werden?
Für zahlreiche Themen ist es das schon: Musik, News, Software, Bilder, Videos. Bei uns gibt es 1,8 Millionen Bookmarks, und wenn man über die Suche geht, findet man viele gute Websites. Die Themenvielfalt ist so groß wie die Menge der Nutzer, die gerade mitmachen.
Nehmen wir das Beispiel Heuschnupfen: Gebe ich „Heuschnupfen“ bei Google ein, werden mir Medikamente angezeigt. Bei Mister Wong bekomme ich Tipps gegen Heuschnupfen. Der Long Tail ist riesig! Auch wenn zu Nischenthemen nur wenige Bookmarks drin sind, werden die dann auch gefunden.
Schwarmintelligenz von Links – was ist das?
In vielen Bereichen gibt es eine Weisheit der Massen. Zum Beispiel, wenn in Städten Wege angelegt werden und die Leute doch ihre eigenen Trampelpfade bilden, weil die Wege unklug angelegt sind. Da wird mit den Füßen abgestimmt, welcher der bessere Weg ist.
Das Witzige ist, dass die Leute das unabhängig voneinander tun. Im Web entwickelt sich daraus eine kollektive Intelligenz, wie wir sie von Wikipedia her kennen.

Der Nutzer findet wieder statt

„Targeting“ heißt das Zauberwort, um an die großen Budgets der Markenartikler ranzukommen – sagt Frank Wagner von nugg.ad. Das wollten wir genauer wissen. Vorab Wagners next07-Vortrag zum Thema, wie man Klicks nicht nur zählt, sondern auch versteht:

Warum stellt Behavioral Targeting die Welt vom Kopf auf die Füße?
Frank Wagner: Werbung wird vor allem über Umfelder gebucht. Wenn ich eine Zielgruppe erreichen will, suche ich mir den Kanal aus, wo ich sie am wahrscheinlichsten zu erwarten habe. Das ist ein Umweg. Werbung soll ja für Menschen gemacht werden und nicht für Umfelder. Vor langer Zeit war das schon mal eine Selbstverständlichkeit. Jede Marktfrau musste sich früher auf ihre Kunden einstellen und nicht auf das Umfeld „Markt“. Das sollte eigentlich selbstverständlich sein – das haben die Werber aber verlernt. Im Internet funken im Gegensatz zu den Massenmedien die Menschen wieder zurück, also: Back to the Roots! Werbung ist für Menschen gemacht – im Internet geht das wieder, da findet der Nutzer wieder statt.
Wer Websites mittels Werbung monetarisieren will, muss Fruchtjoghurt können. Was ist damit gemeint?
Ein Viertel der Werbebudgets kommt aus dem Bereich FMCG („Fast Moving Consumer Goods“), aber nur ein Prozent der Online-Werbespendings kommt aus diesem Bereich – das muss den Onlinewerbern doch die Tränen in die Augen treiben! Wenn man im Internet Geld verdienen will, muss man auf die Fragen der großen Markenartikler Antworten finden. Man muss an diese Budgets ran. Targeting bietet hierzu Lösungen.
Das mag nicht gerade sexy sein, aber Fruchtjoghurt, Fleischwurst und Haushaltsreiniger haben einfach größere Budgets als die Produkte, die im Internet üblicherweise beworben werden. Fruchtjoghurt macht also nicht nur Mütter und deren Kinder glücklich, sondern ist zugleich der Durchbruch für Werbung und Werber im Internet. Bislang bekommen die dicken Budgets jedenfalls fast ausschließlich die Fernsehsender.
Wie misst nugg.ad die Fußspuren der Leute im Netz?
Wir messen die Internetnutzung über Cookies. „Nutzungsmessung“ heißt dabei noch nicht „Nutzermessung“. Diese Messung kombinieren wir mit Marktforschungsergebnissen, indem wir auf den Websites Befragungen durchführen. „Fußspuren“ heißt im übrigen nicht „Fingerabdrücke“ – wir sammeln keine Adressen oder E-Mail-Adressen, haben auch nichts mit dem viel diskutierten gläsernen Bürger gemein, sondern wir beobachten, hören den Nutzern zu und bemühen uns, ihre Bedürfnisse und Wünsche zu verstehen.
Sie sagen, die Kreation spielt bei all dem nur eine nachgeordnete Rolle. Was ist wichtiger?
Wichtiger als Kreation ist Relevanz. Wenn ich Ihnen ein relevantes Angebot mache, habe ich Ihre Aufmerksamkeit – egal, wie ich es verpacke. Wenn das Produkt stört, nützt auch die beste Kreation nichts, außer dass die Agentur vielleicht in Cannes Ruhm und Ehre gewinnt.
Bitte geben Sie einen kurzen Ausblick auf die Zukunft der Onlinewerbung!
15 Prozent der Zeit, die Menschen mit Medienkonsum verbringen, entfallen auf das Internet. Aus der „Generation MTV“ ist die „Generation MySpace“ geworden. Dem müssen die Werbetreibenden folgen. Und sie sind ratlos, wie sie sich dieser Herausforderung stellen sollen. Targeting ist eine Möglichkeit, den Markenartiklern das Chaos zwischen MySpace, uTube und StudiVZ zugänglich zu machen.

Echtes CRM

Mitreißend, von der Sache überzeugt, frei von der Leber weg: Martin Oetting, trnd, neulich beim Vortrag „Work of Mouth Marketing: Cluetrain WORKS!“. Das war auf der next07:

Das war vorgestern:
Reichweite und Nischeninhalte – zwei Begriffe, die sich beißen?
Martin Oetting: Nein, dank Internet mittlerweile nicht mehr. Wenn man die Nischen im Netz bedient, kann man das weltweit tun – so dass auch Reichweiten wieder interessant werden. Das entsprechend strapazierte Schlagwort „Long Tail“ ist ja in aller Munde.
Mundpropaganda lebt von Meinungsführern – wie identifiziert man die?
Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder identifiziert man sie – oder man „macht“ sie.
Für den ersten Ansatz gibt es eine ganz pragmatische Möglichkeit – manchmal kann man Meinungsführer durch Beobachtung und schlichtes Nachdenken finden. Es gab z.B. die Idee von Marketingunternehmen, bei speziellen Kampagnen für eine weibliche Zielgruppe mit Friseuren zu arbeiten, weil die ständig mit Menschen im Austausch stehen und allein dank ihrer Kontakte Reichweite aufbauen können.
Meinungsführer definieren sich aber klassischerweise eher durch Fachwissen. Man kann heute im Internet gucken und dort die so genannten Mavens suchen, die sich zum Beispiel durch spezialisierte Internetpublikationen outen.
Dann kann man Meinungsführer zu einem gewissen Grad selbst schaffen. Meinungsführer sind in bestimmte Themen tief eingestiegen, stark involviert. Wenn man kontaktfreudige Leute mit einem Grundinteresse findet, ihnen dann die Möglichkeit bietet, sich intensiv mit einer Sache auseinander zu setzen, nehmen sie gewisse Meinungsführereigenschaften an.
Die 35.000 Mitglieder von trnd, also die Basis für Eure Testpersonen – wo kommen die her?
Ganz zu Beginn waren kleine Online-Werbemittel die Initialzündung, ebenso ein Gewinnspiel. Dann hat sich das Ganze vornehmlich über Mundpropaganda entwickelt. Ab und zu probieren wir hier und da außerdem noch kleine flankierende Maßnahmen.
Wie schließt Ihr die Testpersonen aus, die sich nicht eignen?
Wir finden unsere Testpersonen in einem mehrstufigen Verfahren. Zunächst gibt es eine anonyme Befragung, also ohne dass die Marke genannt wird. Da erfragen wir zum Beispiel das Interesse an Zahnpflege oder Wellness. So finden wir heraus, wer sich wie interessiert. Eine engere Auswahl sprechen wir dann an, sich mittels Prosa gezielt bei uns zu bewerben.
Die Betreuung der Testpersonen muss sehr zeitintensiv sein – wie ist das organisiert?
Zunächst: Unsere Testpersonen betreuen kann nur, wer unser Verfahren in- und auswendig kennt. Man kann die Leute nicht mal eben kurz anwerben. Neben unseren Leuten im Haus haben wir mittlerweile zusätzlich freie Mitarbeiter, die unsere Prozesse bestens kennen. Entscheidend ist, dass immer jemand da ist, der zeigt, dass wir aufmerksam und ansprechbar sind. Das ist echtes CRM: Jeder, der eine Frage hat, bekommt auch eine ehrliche ernst gemeinte Antwort, von einem Menschen.
Wieso eignen sich eher physikalische Produkte für Word-of-Mouth-Marketing? Ist Dienstleistern nicht zu helfen?
Dazu muss ich zuerst sagen, dass UNSER Verfahren sich eher für physikalische Produkte eignet. Dienstleister sind besonders stark auf Mundpropaganda und Vertrauensaufbau angewiesen. Das Besondere: Dienstleistungen werden immer in Zusammenarbeit mit den Kunden erbracht. Dienstleister fahren dabei besser, wenn sie ihre Fans direkt selbst kennen lernen, z.B. weil sie sehr schnell antworten müssen, wenn Schwachstellen aufgedeckt werden.
Was physikalische Produkte angeht, ist natürlich viel mehr Begeisterung zu erreichen, wenn Leute eine Kiste mit Produkten nach Hause oder ins Büro geschickt bekommen. Wenn uns allerdings ein Dienstleister fragt und wir feststellen „Alle Achtung, da ist viel Potenzial, so was gibt es noch nicht, da können die Fans mitarbeiten“ – dann sagen wir nicht nein.
Eine Frage zu Deinem Lieblingsthema: Ist Web 2.0 ein Markenkiller?
Da handelt es sich ja vor allem um einen Schaukampf. Die Markenverantwortlichen sitzen oft in einem Elfenbeinturm und leben in ihrer Scheinrealität. Sie definieren Markeneigenschaften, und die Verbraucher definieren sich derweil eine ganz andere Realität.
Nun stellen die Markenverantwortlichen fest, dass es plötzlich negative Mundpropaganda an Stellen im Netz gibt, die jeder finden kann. Sie rufen nach Markenkontrolle und versuchen, dagegen anzugehen. Das ist nicht der Realität entsprechend. Dieser Austausch fand auch schon vorher statt, Konversationen haben auch schon vorher die Marke enorm beeinflusst. Das Web 2.0 macht die Dinge nur sichtbarer. Eindämmen konnte man das früher nicht, und heute schon gar nicht mehr.

next07: Die Kongressvideos

Die eine oder andere Nachfrage hat uns in den letzten Tagen schon erreicht. Hier sind sie nun: alle Vorträge und Panels von der next07 im Video. Viel Spaß und vielen Dank an Sevenload! Und damit verabschiede ich mich in ein entspanntes Wochenende.

Starter und Bedenkenträger

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Ein Kongress wie die next07 ist vor allem eines: eine riesengroße Kommunikationsveranstaltung. Unser mehr oder weniger offensichtlicher Plan war es, wie schon im letzten Jahr sehr unterschiedliche Gruppen in einem großen Raum miteinander ins Gespräch zu bringen: die Macher, die Kreativen, die Techniker, die Berater mit den Netzwerkern, den Bloggern, den Unternehmern und den Startern, mit den Theoretikern und den Bedenkenträgern.

Und das scheint auch gelungen. Diese Publikumsmischung bringt es dann mit sich, dass nicht jeder im Programm nur Neues hört, nicht nur unter Seinesgleichen bleibt und sich am Ende womöglich – o Schreck – noch mit Leuten unterhält, die völlig anderer Meinung sind, und über Themen, mit denen man sich gar nicht befassen wollte.

Den einen geht es zu viel ums Business, den anderen zu wenig. Alle fühlen sich ausreichend mit Getränken, Häppchen und WLAN bemuttert – und so wie der Event letztes Jahr die Aufbruchstimmung offen gelegt hat, legt er in diesem Jahr die Kluft bloß zwischen dem kleinen gallischen Dorf voller Visionäre und dem Römischen Reich der Bedenkenträger in ihren von Firmenpalisaden umzäunten Parallelwelten.

Diese Kluft, wie sie Oliver Gassner in Telepolis diagnostiziert, etwas zu verkleinern – das war die Idee für die next07. Oder, falls das nicht geht, wenigstens mal darüber zu reden. Unterschiedliche Sichten auf das Web zusammenzubringen.

Und die aktuellen Spielarten der gerade einmal zwei drei Geschäftsmodelle, die es im Web überhaupt gibt, zur allgemeinen Besichtigung freizugeben: Werbung, Dienstleistungen und Transaktionen. Die Medien leben von der Werbung, die Marken brauchen sie wie der Fisch das Wasser. Ob E-Business oder Me-Business – es bleibt Handel oder Vertrieb. Und in den Parallelwelten blüht beides alles: Werbung wie auch (spiel-)geldvermittelte Transaktionen und Dienstleistungen.

Neu sind nicht die Geschäftsmodelle – wie gesagt, es gibt nur zwei drei. Neu ist, dass der Konsument mit Hilfe des Web die Kontrolle übernommen hat. Wie sich Medien, Marken und Handel darauf einstellen, wie Agenturen ihnen dabei helfen und wer am Ende die Nase vorn hat, das wird nicht nur uns nicht nur in diesem Jahr beschäftigen. Es bleibt spannend.

Foto: Mario Sixtus

PS: Die Blogberichterstattung lässt sich leicht via Technorati nachlesen. Ein Lese-Muss ist Thomas Knüwer.