Abgesang

Martin Röll rechnet ab. Es klingt ein bisschen wie der Abgesang auf die klassische Werbung.

Es ist eben nicht die zentrale Frage, lieber
Andrew Robertson
, von welcher Qualität dein content und Deine
creativity sind, wie Du vorgestern in München vorgetragen hast. Das ist
zwar nett, aber bloß ein Wettrüsten in einem Bereich, der nicht mehr interessant
ist. Pack ein. Geh doch mal wirklich nachrechnen, welches Verhältnis
noch zwischen Deinen Werbeausgaben und dem Marketingerfolg steht. Das ist doch
Unfug, und tief drinnen weißt Du das auch.

Ich denke, das ist etwas voreilig. Auch klassische Werbung wird künftig an Effizienz zulegen, und zwar durch Automatisierung in einem Bereich, der zu Unrecht wenig Beachtung genießt: der Mediaplanung. Und dadurch werden Mittel frei, die in Kreativität investiert werden können. Allerdings nur dann, wenn diese Investition ihre Effizienz nachweisen kann.

Für den klassischen Markenartikler, der Reichweite braucht, führt an klassischer Werbung kein Weg vorbei. Ob sie nun stört oder nicht. Früher oder später wird auch über Google gebuchte Werbung stören. Und trotzdem gebucht werden, solange das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt.

Die Automatisierung der Werbung (2)

Heißt Automatisierung der Werbung, das Kreativität und Marken in der Werbung keine Rolle mehr spielen werden? Könnte man meinen, erwarte ich aber nicht. Im Gegenteil: Effizientere Werbung heißt, dass der (traditionell auf 50 Prozent geschätzte) Anteil der Werbung schrumpft, der nicht mehr ist als hinausgeworfenes Geld.

Der Werbekunde erreicht die gleichen Ziele mit geringerem Mediaeinsatz. Ist das eine schlechte Nachricht für die Werbeträger? Nicht unbedingt. Womöglich können auch sie von steigender Effizienz profitieren, weil effizientere Werbung für ganz neue Einsatzzwecke attraktiv wird. Wenn AdWords etwas bewiesen hat, dann doch dies: Auch Microbudgets können effektiv sein.

Vermutlich wird aber auch der Anteil des Werbebudgets steigen, der in kreative Leistung und Markenbildung investiert werden kann. Zumindest dann, wenn Kreativität und Marken tatsächlich ein Wettbewerbsvorteil sind. Wenn nicht – dann haben die Kreativen halt Pech gehabt.

Was bleibt unter dem Strich? Auch Kreativleistung muss künftig ihre Effizienz nachweisen. Das ist doch einen Effie wert.

Die Automatisierung der Werbung

Selbst hier im Hause werde ich gelegentlich dafür belächelt, dass ich die Zukunft der Werbung in der Automatisierung sehe und Google AdWords als Prototypen für das, was da kommen wird. Vorgestern gab es einen weiteren Anlass, diese These bestätigt zu finden: Google hat eine Radiowerbeplattform gekauft und will AdWords um das Thema Radiowerbung erweitern. (Mit Printanzeigen wird auch schon experimentiert, und TV-Werbung ist "definitiv auf unserer Liste".)

Warum ist das interessant? Weil das Mediageschäft, insbesondere wie es in Deutschland funktioniert, nicht besonders effizient ist. Das liegt letztlich an der sogenannten AE, einer historischen gewachsenen Provision in Höhe von 15 Prozent, die Media-Agenturen als Rabatt behalten dürfen. Der Werbekunde zahlt 100 Prozent, der Werbevermarkter erhält 85 Prozent, 15 Prozent gehen an die Media-Agentur. Soweit die Theorie.

Dieses Verfahren lädt nicht unbedingt zum effizienten Werbeeinsatz ein, denn die Agentur verdient mehr, je mehr Werbung sie verkauft. Die Masse macht’s. Die Anreize der AE locken Media-Agenturen in den Dunstkreis der Vermarkter, zu Lasten ihrer Kunden. Und schon seit Jahren hat ein massiver Druck seitens der Werbekunden eingesetzt, die von den Agenturen sogenannte Kickbacks fordern (und auch erhalten), also die Rückerstattung eines Teils dieser Provision.

Google hat Anfang 2006 in Deutschland mit der AE-Regelung gebrochen und ein leistungsabhängiges Anreizmodell eingeführt. Das soll vorrangig der Effizienz dienen, ist aber auch ein Signal an den Markt: Wir machen Eure historisch gewachsenen Gepflogenheiten nicht mit, wenn wir sie nicht für effizient halten.

Die Zukunft gehört einer stark automatisierten, von Algorithmen gesteuerten Mediaplanung, -disposition und -abrechnung. AdWords ist die Blaupause dafür. Jüngste Schritte in Richtung Zukunft waren Bannerwerbung bei Google AdSense, Buchung von einzelnen Websites nach TKP – und Google Analytics.

Denn auch die Werbekunden wollen ihre Kampagnen in Echtzeit überwachen und optimieren. Mächtige Web-Analytics-Werkzeuge wie WebSideStory erlauben heute ROI-Betrachtungen in Echtzeit. Warum soll das für TV, Radio oder Print nicht möglich sein? Und warum sollten Vermarkter kein Interesse daran haben, die Kampagnen ihrer Werbekunden zu optimieren, wie Google (in Ansätzen) heute bereits?

Das wird ein paar Jährchen dauern, weil die Materie komplex ist, die Technik noch entwickelt und die Marktstruktur aufgebrochen werden muss. Aber es wird dazu kommen, früher oder später.

Der Restbestand der Woche

Es ist Freitag. Und damit höchste Zeit, ein paar Dinge wegzubloggen, die mir hier den Firefox verstopfen.

  • Sony_bmg
    Schon etwas älter ist das Welt-Interview mit Maarten Steinkamp, dem Europachef von Sony BMG, und der dringenden Aufforderung an die Musikindustrie, endlich das Jammern einzustellen und statt Rechtsanwälten wieder die Entrepreneure nach vorn zu schieben. [Exciting Commerce]
  • Adsense
    Google hat sein Adsense-Programm um eine Kleinigkeit ergänzt, die erkennen lässt, wohin die Reise geht – zum Abschied von lieb gewonnenen, aber ineffizienten Mediagepflogenheiten und hin zu einem von A bis Z in Echtzeit optimierbaren Werbegeschäft. Erst die Abschaffung der AE, dann Google Analytics und jetzt die  Promotion von TKP-Anzeigen in Adsense ("Auf dieser Website werben"). Was kommt als nächstes? [Zielpublikum]
  • Productwiki
    Vernünftige Produktbeschreibungen sind ein knappes Gut. Amazon musste die stetige Sortimentserweiterung mit abnehmender Qualität der Produkttexte bezahlen. Auch die legendären Kundenrezensionen halfen da nicht unbedingt. Doch jetzt kommt Hilfe: Das ProductWiki ist gestartet (selbstverständlich beta), und Amazon selbst experimentiert seit kurzem ebenfalls mit einem gleichnamigen neuen Feature. [Companice]
  • Nano
    Ebay ist gut für die Marke. Oder nicht? Kommt auf die Marke an. Starke Marken werden durch Ebay stärker, schwache Marken schwächer. Zu erkennen, wie so oft, am Preis: Wer kann seine Preise durch alle Kanäle drücken? Na, wer wohl? Apple natürlich. [Companice]
  • Sellonfroogle
    Je nach Grad der Phantasie kann sich der eine mehr, der andere weniger darunter vorstellen, was Google Base in Kombination mit Froogle und Google Local eigentlich soll, kann und wird. Dazu gibt es jetzt einen neuen Hinweis: Sell on Froogle. Man nehme Google Base als Backend, um über Froogle zu verkaufen. Ebay und Amazon Marketplace waren gestern? [Basic Thinking]
  • Tuifly
    Wer wie die TUI mehr als ein halbes Dutzend Fluglinien betreibt, der schafft gewisse Unübersichtlichkeit im eigenen Angebot. Etwas Linderung verschafft seit dieser Woche TUIfly.com. Dort sind alle Airlines unter einer Adresse vereint. Schlichter Mechanismus: Start- und Zielflughafen eingeben – und weg. Zwar keine Offenbarung, aber ein nettes Werkzeug.

OMD läuft DIMA den Rang ab

Omd_plan

Online-Werbung, dir geht es gut. Wenn es eines Beweises bedurft hätte, die OMD
(Online Marketing Düsseldorf) lieferte ihn. 50 Prozent mehr Aussteller
als im Vorjahr, vervierfachte Fläche und dank 4.000 Gästen rappelvolle
Messestände zeigten eine wieder von sich selbst überzeugte Branche. Das
Elend eine Halle weiter, wo die Direktmarketer gleichzeitig versuchten,
ihre ehemals glanzvolle Universalmesse DIMA vor der Selbstauflösung zu
bewahren, verstärkte den Eindruck. Bei den Klassik-Kollegen hat sich
die Zahl der Aussteller in zwei Jahren halbiert. Die E-Mail-Versender
waren erstmals nicht mehr auf beiden Messen präsent, sondern komplett
zu den Onlinern gewechselt.

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