Neuer Coop-Skandal!

Eine Innovation zweiten Grades ist zwar nicht neu, aber dafür besser als alles bisher Dagewesene. Das jüngste Beispiel dafür stammt wieder einmal von Google, ist besser als Rollyo, Eurekster oder Yahoo und heißt Google Co-op.

Ein Schelm, wer dabei an den einstigen Lebensmittelkonzern im Gewerkschaftsbesitz denkt, der Ende der 80er mit einem großen Skandal bis auf kleine Reste von der Bildfläche verschwand.

Doch das Genossenschaftsprinzip ist das gleiche. Denn wer sich bei Google seine eigene Suchmaschine zusammenbastelt, der kann auch vom Adsense-Umsatz auf den Ergebnisseiten profitieren. Hier liegt die eigentliche Innovation, denn das bietet bislang nur Eurekster.

Textanzeigen auf Suchergebnisseiten arbeiten erheblich besser als anderswo eingestreute Google-Anzeigen. Wer schon einmal die Leistung einer Adwords-Kampagne genauer angesehen hat, der wird wissen, dass Adsense zwar viele Anzeigen ausliefert, aber nur wenige Klicks generiert – ganz im Gegensatz zu Suchergebnisseiten.

Für so manche Website könnte Google Co-op aus zwei Gründen interessant sein: Denn zum einen ist die Google-Suche meistens besser als eine Eigenbau-Lösung, und zum anderen kann der zusätzliche Erlösstrom durchaus von Nutzen sein.

Mehr dazu:

Für Erwachsene

Web 2.0 ist erwachsen geworden. Das meint jedenfalls der Economist in seiner Berichterstattung zu GoogleTube.

This week’s pairing of Google and YouTube may come to be remembered as the moment “Web 2.0”—ie, the web, version two—came of age.

L. Jeffrey Zeldman nimmt dies zum Anlass, ein paar mehr oder weniger sinnlosevolle Vergleiche zwischen Web 1.0 und Web 2.0 anzustellen. Das Beste steht in den Kommentaren:

Web 1.0: Working at the web agency
Web 2.0: Working at your own start-up
Web 3.0: Working on a tropical island

Web 1.0: conferences
Web 2.0: conferences

Web 1.0: venture capital
Web 2.0: venture capital

Der Irre kauft alles

Schmoogle
Die Antwort von Harald Schmidt auf den GoogleTube-Deal:

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Goldrausch, Skandale, Güterslow

Constantin Gillies schreibt in der WamS über den zweiten Goldrausch im Internet. Bevor jemand schreit, er bringe für den Web-2.0-Experten wenig Neues – das ist auch nicht sein Job. Die Geschichte muss für den WamS-Leser und dessen Vorverständnis tauglich sein.

Ihr Anlass ist natürlich GoogleTube, außerdem haben u.a. das Aal-Prinzip, Qype, MySpace, Xing/OpenBC und Plazes nebst einigen Analysten und Unternehmensberatern ihren Auftritt. Und Gillies benennt einen wichtigen Unterschied zur Bubble 1.0:

Hinzu kommt, dass Werbung im Internet im Gegensatz zum Jahr 2000 längst Bestandteil jedes Marketingkonzepts geworden ist. Allein in Amerika werden in diesem Jahr rund 20 Milliarden Dollar für Netzreklame ausgegeben.

Die Werbeeinnahmen dürften also ausreichen, um die neue Webwirtschaft am Laufen zu halten. Wahrscheinlich aber nur für wenige Anbieter.

Holger Schmidt befasst sich in der FAZ mit der Blog-Rangliste von Technorati und Edelman. Und – Skandal, Skandal! – er lässt das grobe Geschrei wie auch die präzise Kritik in der Blogosphäre komplett außen vor.

Bildblog, Spreeblick und Basic Thinking sind die Blogs mit dem größten Einfluß in Deutschland.

Na, das deckt sich doch mit den deutschen blogcharts

Technorati-Chairman Peter Hirshberg stellt Deutschland kein gutes Zeugnis aus:

„Deutschlands hinkt Amerika in Sachen Blogs um einige Jahre hinterher. In Amerika ist der Einfluß der Blogs auf die Kommunikation der Unternehmen schon viel größer als hier. Dort suchen die Öffentlichkeitsarbeiter das Gespräch mit Bloggern genauso wie mit Journalisten. Außerdem nutzen die Marktforscher die Blogs, um die Meinung ihrer Kunden ungefiltert zu erfahren.“

Mag auch einfach daran liegen, dass die deutsche Bloggerszene um einige Jahre hinterherhinkt…

Das Projekt BertelSpace beschäftigt natürlich auch die Blogwirtschaft. Alles, was dazu zu sagen ist, hat Nico Lumma gleich am Sonnabend gesagt:

Wir nähern uns dem Ende des Jahres 2006 und sogar Bertelsmann denkt schon über einen deutschen MySpace-Clone nach? Wow, das wird anständig in die Hose gehen.

Lange wurde gepennt in Güterslow und nun wird mal so richtig gezeigt, wie man User-generated Content in diesem Internetz macht. Ich sehe jetzt schon die ganzen aufgeregten Beratherhorden, die ein Web 2.0 Buch bestellen und schon mal ihre Texte üben. Heraus kommt dann irgendwas, was auf alle Kanälen beworben wird und ungefähr so spannend wie t-community oder AOL Hometown.

Wann soll das rauskommen? Ich kann vor Aufregung kaum schlafen.

Wie gerufen kommt da diese Überschrift in der heutigen FTD: Verlagen fehlt passende Web-Strategie

Die Erosion des Zeitungsgeschäfts durch die wachsende Internetkonkurrenz macht Großverlage und Medieninvestoren in den USA zunehmend nervös. Viele Verlage stellen ihre Geschäftsmodelle in Frage. […] In den vorigen zwei Jahren haben die Verlage zunehmend die Konkurrenz aus dem Internet zu spüren bekommen. „Die Auflagen sinken, und die Anzeigenerlöse schwächen sich ab“, sagte Jennifer Saba vom Branchenblatt „Editor & Publisher“. Derzeit entfielen zwar erst fünf bis zehn Prozent des traditionellen Verlagsumsatzes auf das Onlinegeschäft, mittelfristig werde dieser Anteil aber auf 50 Prozent steigen.

Web-2.0-Presseschau

Zwischen der umfangreichen Berichterstattung (Danke, Oliver!) vom Web-2.0-Kongress geht das webzwonullige Leben da draußen weiter. Zwei Artikel – aus der Welt von heute und der FAZ von morgen (auch das übrigens macht das Web möglich) – beleuchten zwei Seiten derselben Medaille:
Ulrike Langer beschreibt in der Welt, wie und warum Marken mit ihrer Werbung ins Netz gehen – und dort selbst Fernsehen (und anderes) machen, statt wie bisher beim klassischen TV die fertig produzierten Reichweiten einzukaufen:

Um junge Konsumenten dort zu packen, wo sie für Werbung noch empfänglich sind, schichten vor allem internationale Markenriesen wie Coca Cola, Toyota oder die Konsumgüterkonzerne Proctor & Gamble und Johnson & Johnson immer größere Teile ihrer Werbebudgets in Richtung Internet um. Dafür wird bei der Fernsehwerbung gekürzt. Allein Coca Cola schaltete im Jahr 2001 noch TV-Spots bei den großen US-Networks im Wert von 270 Millionen US-Dollar. 2004 und 2005 waren es nur noch rund 190 Millionen Dollar, und die Tendenz setzt sich fort.

Holger Schmidt kommentiert in der FAZ zuverlässig wie immer den Google/YouTube-Deal. Anderer Anlass, gleiche Logik:

In großem Stil werden zur Zeit Werbebudgets ins Netz verlagert. Anders als im Web 1.0 müssen Nutzer mit gleichen Interessen nicht mühsam auf eine Internetseite gelockt werden, um ihnen dann dort Werbung zu präsentieren. Heute treffen und gruppieren sich die Nutzer spontan und ohne teure Werbekampagnen im Netz. Damit wird das Internet zum idealen Werbeumfeld, um Zielgruppen zu erreichen, die sich mit den traditionellen Massenmedien kaum punktgenau erreichen lassen.

Wie schnell sich eine Investition in eine Online-Gemeinschaft rechnen kann, hat jüngst Medientycoon Rupert Murdoch gezeigt. Für 580 Millionen Dollar hat er Myspace übernommen, um nur wenig später 900 Millionen Dollar von Google zu kassieren, damit Google als Suchmaschine auf Myspace präsent ist.

Ähnlich wird sich auch der YouTube-Deal rentieren, da ist sich Schmidt sicher. Diesmal allerdings wird Google kassieren.

Bei Google recherchieren

Eine schöne Geschichte, die Google-Pressesprecher Stefan Keuchel da der Telepolis erzählt hat:

Vor einigen Monaten klingelte eine alte Dame an der Firmentür und wollte zur Röntgenabteilung von Google. Ihr Arzt hätte ihr gesagt, sie solle „ihr Beckenleiden bei Google recherchieren“. Das tat sie, allerdings offline. Sie suchte die Adresse von Google aus dem Telefonbuch und wurde vorstellig. Das Team am Counter erklärte den Irrtum und recherchierte mit ihr zusammen.

Die Stilform – Journalist im Interview mit Pressesprecher – ist für mich etwas gewöhnungsbedürftig. Kommt zwar immer wieder vor, sollte aber nicht unbedingt sein. [via Basic Thinking]

MySpace schlägt MSN Search

Sind Social Commerce, Me-Commerce oder Empfehlungsmarketing mehr als Schlagworte und schöne Ideen? Es gibt neue Indizien dafür: Zahlen der Marktforscher von Hitwise zeigen, dass Retail-Sites inzwischen mehr Traffic von MySpace bekommen als von MSN Search. MySpace liegt damit hinter Marktführer Google und Yahoo auf Platz 3. Techcrunch schreibt:

That’s big news, as it’s tangible evidence that youth oriented online social networking is a market driver of serious proportions.

Laut Hitwise kam in der 34. Kalenderwoche 4,69 Prozent des Traffics der Online-Retailer in den USA von Yahoo, 2,53 Prozent von MySpace und 2,33 Prozent von MSN Search. Google lag mit 14,93 Prozent vorn.
Diese Zahlen sind besonders interessant, weil Google vor wenigen Wochen einen 900-Millionen-Deal mit MySpace geschlossen hat. Die Google-Suche und -Werbung bei MySpace, bis jetzt noch nicht implementiert, werden das Bild wohl etwas verändern.
Die Zahlen belegen eindrucksvoll den Einfluss von Social Networks auf den E-Commerce. Noch einmal TechCrunch:

Perhaps more important to our readers, the numbers go some distance towards proving that young people using social networking sites are interested in shopping through links on those sites. In fact, they’re more of a force to reckon with than MSN searchers apparently. And social networking sites can profit from on site advertising just like search engines can. All those startup social networking sites hoping to monetize their traffic with AdSense? Maybe it’s more realistic than we thought.

Context is King

In einem Krankenhaus ohne WLAN kommt das gute, alte gedruckte Wort zu ganz neuen Ehren. In meinem Bücherstapel auf dem praktischen Multifunktionstisch lag natürlich auch das epochale Werk von Chris Anderson (obwohl ich zu meiner Schande gestehen muss, dass ich immer noch erst auf halber Strecke bin). Auf Seite 109 – die Paginierung des Vorabexemplars könnte abweichen – zitiert er Rob Reid von listen.com:

In a world of infinite choice, context – not content – is king.

Den Gedankengang fasst keiner so schön zusammen wie Chris Gilbey:

People keep talking about content being king. And though that may have been in some distant part of the past there has been a growing unreported move to context. This is not to dismis the value of the underlying content. But as convergence becomes more present, it is the context that is driving value.

Der Kontext ist die Navigationsebene des Long Tail. Die Beispiele sind bekannt: der Pagerank-Mechanismus von Google, die Empfehlungsmaschine von Amazon, die automatischen Playlists von Pandora oder Yahoo Launchcast (funktioniert nicht mit Firefox, deshalb kennt es kein Mensch), Nutzerrezensionen, Empfehlungen u.v.m.
Ich für meinen Teil muss ja sagen, dass ich den Satz „Content is king“ schon lange für ausgemachten Blödsinn gehalten habe, wenn auch aus anderen Gründen. Denn der Satz impliziert ja, es gebe so etwas wie Medieninhalt, der unabhängig wäre vom Medium oder Distributionskanal.
Das ist aber keineswegs der Fall, denn jedes Medium und sogar jeder Distributionskanal unterliegt seinen eigenen Gesetzen. Zwar ist es möglich, Kinofilme auch auf DVD zu brennen und im Fernsehen zu zeigen. Aber ein Kinofilm bleibt ein Kinofilm, und Kinofilme allein machen noch kein RTL.
Content wird in einer Welt mit breitem Zugang zu seinen Produktionsmitteln tendenziell zu einer Commodity. Der Mehrwert wird durch Kontext geschaffen.