eBay und falsche Zitronen: Bericht von der HICSS 2007

Bereits zum 40. Mal fand die Hawaii International Conference on System Sciences (HICSS) statt, die durch den Termin im Januar in der Community besonders beliebt ist. Mit insgesamt über 450 Vorträgen in zehn Tracks zählt sie zu den größten ihrer Art.
In einer entspannten Atmosphäre (Hawaii-Hemden statt Krawatten) werden aktuelle Themen und Forschungsergebnisse unter anderem aus den Bereichen Electronic Government, Knowledge Management, Software-Technologie, Digital Economy, Digital Media und Decision Technologies diskutiert.
Der Mini-Track „Competitive Strategy, Economics and IS” überzeugte einmal mehr durch hochkarätige Redner. So erklärte Eric K. Clemons (Wharton School of Business) eindrucksvoll, warum sich im letzten Jahr der Absatz auf eBay deutlich verlangsamte und insgesamt derzeit langsamer wächst als andere Bereich im E-Commerce:
Bereits seit dem 16. Jahrhundert (Greshamsches Gesetz) ist bekannt, dass gefälschte Münzen oder Münzen aus unedlem Material entsprechende Münzen aus edlem Metall aus dem Umlauf drängen. Man stelle sich vor, man habe zwei Münzen mit gleichem Nennwert, eine davon hat allerdings keinen Materialwert, während die andere Münze aus edlem Metall besteht. Mit welcher Münze würde man bezahlen?
Entsprechend kann diese Überlegung auch auf andere Märkte übertragen werden: Angenommen in einem Markt gibt es Fälschungen bzw. Güter in schlechtem Zustand und der Käufer kann sich ex ante nicht von der Qualität überzeugen. Demnach wird der Käufer vorsichtiger bieten und der Verkäufer muss einen Abschlag einräumen.
Ein Verkäufer mit einem Gut, das qualitativ hochwertiger als der Durchschnitt ist, wird allerdings diesen Abschlag nicht akzeptieren und wird das Gut nicht auf diesem Markt mit Informationsasymmetrie anbieten. Dadurch sinkt die durchschnittliche Qualität noch weiter, der Abschlag wird noch größer und so ergibt sich ein Teufelskreis. Mathematisch wurde dieser Effekt erstmal von Akerlof in seiner Arbeit „The Market for Lemons: Quality Uncertainty and the Market Mechanism“ bewiesen, der für seine Arbeit 2001 auch schließlich den Nobelpreis in Wirtschaftswissenschaften erhielt.
Falls der Marktbetreiber keine entsprechenden Änderungen am Marktmechanismus vornimmt, kann dieser Effekt Märkte zum Kollabieren bringen. Im Jahr 2004 waren bei eBay 74% der angebotenen „Tiffany“-Produkte Fälschungen (siehe NYT). Mittlerweile gehen Schätzungen von über 90% aus, da kaum ein Verkäufer mehr auf eBay seine echten Tiffany-Produkten anbietet, da er einen erheblichen Preisabschlag hinnehmen müsste.
Auch mein Vortrag beschäftigte sich mich mit Betrug im Internet und zwar mit der Frage, welche Determinanten die Weitergabe von Falschinformationen in virtuellen Communities bestimmen. Der Beitrag und die Vortragsfolien stehen zum Download bereit. Eine politisch unkorrekte Erkenntnis bleibt besonders im Gedächtnis: Männer lügen im Internet signifikant mehr als Frauen.
In diesem Sinne kann ich auch getrost sagen, dass ich jede Session besucht habe, keine freie Minute hatte und die folgenden Fotos ein Kollege gemacht hat 😉

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Der Ebay-Express rollt

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Seit gestern ist der neue Ebay-Ableger am Start. Das E-Commerce-Blog hat einen ersten Blick riskiert (und keinen iPod gefunden).

Die Suchfunktion ist nun gegenüber dem bekannten ebay Format und Handling deutlich abgewandelt, auch die Präsentation der Suchergebnisse in Form von den ebay typischen Artikellisten ist nun stark geändert. Bei den Produkten jedoch hat man fast das bekannte Erscheinungsbild. Eine Anmeldung kann weiterhin mit dem vorhanden ebay Account erfolgen, jedoch sind vorab die für express gültigen AGB etc. zu akzeptieren.

Die Computerwoche referiert die Details:

Die Erwartungen an das Angebot „eBay Express“ sind hoch. „Wir sprechen neue Käuferschichten an“, sagt Deutschland-Geschäftsführer Stefan Groß-Selbeck. Im Visier stehen dabei Kunden, die sich zwar für Internet-Shopping interessieren, aber „nur ungern über Auktionen“ kaufen.

Dort außerdem ein Überblick über den Zustand des E-Commerce in Deutschland.

Wachstumsmotor Onlinehandel

Der Distanzhandel in Deutschland wird in diesem Jahr fast 40 Prozent seines Umsatzes über das Internet erzielen.

Das Umsatzvolumen der im Internet bestellten Waren wird 2006 auf einen Wert in Höhe von 10 Milliarden Euro steigen. Über 44 Prozent aller Bestellungen im Versandhandel gehen bereits elektronisch ein.

Diese Zahlen stammen aus einer Studie des Forschungsinstituts TNS Infratest, die der Bundesverband des Deutschen Versandhandels (bvh) gestern auf seiner Jahrespressekonferenz präsentiert hat.

Die Multi-Channel-Versender können sich demzufolge mit über 4 Milliarden Euro Online-Umsatz noch vor den reinen Internetversendern (knapp 3 Mrd. Euro) und den Ebay-Powersellern (knapp 2 Mrd. Euro) halten. Zusammen mit den Teleshopping-Versendern (fast 1,3 Mrd. Euro), so analysiert Jochen Krisch,

überkompensieren sie weitaus stärker als bisher eingestanden die Umsatzeinbrüche des klassischen Versandhandels.

Die über Internet an Verbraucher verkauften Waren machen nur einen kleinen Teil des gesamten E-Commerce-Volumens aus. Der Umsatz mit Waren und Dienstleistungen betrug im vergangenen Jahr 32 Milliarden Euro. 90 Prozent des Online-Handels spielt sich zwischen Unternehmen ab. Der gesamte Umsatz im elektronischen Handel betrug 2005 nach Angaben des Bitkom 321 Milliarden Euro.

Verknüpfungen

Ein Nachtrag zum DMMK (Live-Blogging Teil 1, Teil 2 und Teil 3)
Der Kommunikationswissenschaftler Norbert Bolz kam gestern in seiner Keynote zur Verleihung des Deutschen Multimedia Awards auf ein Thema zu sprechen, das uns auf dem Fischmarkt auch schon beschäfigt hat: die Konvergenz der Geschäftsmodelle von Amazon, Ebay und Google. Irgendwann, so war unsere These, werden die drei großen Internetunternehmen mehr oder weniger das Gleiche tun.
Mit Bolz können wir nun sagen: Sie tun bereits heute das Gleiche – sie stellen Verbindungen her. (Man kann das auch Networking nennen.) Bolz beruft sich auf den Soziologen Mark Granovetter („The Strenght of Weak Ties“). Anhand der Stärke der schwachen Verbindungen erklärt er die Netzwerklogik mit ihren beiden Basisoperationen Embedding (Verknüpfen) und Decoupling (Auflösen). Beides ist nötig, damit Netzwerke aller Art funktionieren und sich entwickeln können.
Nun kommt die AEG-Troika ins Spiel. Bolz fragt, worin der eigentliche Mehrwert liegt, den Amazon, Ebay und Google schaffen (und damit Geld verdienen).

  • Google stellt Verknüpfungen zwischen Daten (Informationen) her. Google automatisiert die Netzwerkarbeit durch Algorithmen. Maschinen machen die Arbeit, Menschen arbeiten nur daran, die Algorithmen zu verbessern.
  • Ebay verkauft keine Produkte, hat keine Lager und keine Logistik. Ebay stellt Verknüpfungen zwischen Menschen her, die den Austausch von Ware gegen Geld erleichtern oder erst möglich machen.
  • Amazon verkauft zwar reale Dinge, schafft aber den eigentlichen Mehrwert mit automatisch generierten Empfehlungen und dergleichen. Bolz nennt dies „Marketing der Präferenzen“. Auch hier geht es um Verknüpfungen – zwischen Produkten.

Alle drei schaffen Linking Value. Man kann natürlich zu Recht einwenden, dass auf dieser Abstraktionsebene fast jedes Geschäftsmodell identisch scheint.

  • Massenmedien verbinden die Realität mit ihrem medialen Abbild und umgekehrt. Journalisten stellen Verknüpfungen zwischen Nicht-Medien her.
  • Rechtsanwälte stellen Verknüpfungen zwischen Konfliktparteien und den Instanzen der Konfliktbeilegung her.
  • Supermärkte stellen Verknüpfungen zwischen Produzenten und Konsumenten her. Sie verknüpfen Konsum mit Absatz.
  • Keltereien stellen Verknüpfungen zwischen landwirtschaftlichen Produkten und ihrer saftförmigen Vermarktung her.

Dennoch gibt es ein Differenzierungsmerkmal: Die AEG-Troika schafft Mehrwert auf digitale Art und Weise. Und zwar vollständig. Das unterscheidet sie von Massenmedien (bis auf weiteres schaffen dort Menschen den Mehrwert, nicht Algorithmen), Rechtsanwälten, Supermärkten und Keltereien.

Apropos Ebay Live


Guy Kawasaki war dort und ist begeistert:

Quite an experience. Talk about evangelistic people—I haven’t seen this kind of evangelism since the early Macworld Expos.

Seine Rede gibt es als MP3. Die Bilderserie oben ist auch von ihm.

in Ebay | 40 Wörter

Google Drive, Amazon S3 – wann kommt Ebay Storage?

Das Google Drive ist bestenfalls Alpha, da kommt Amazon schon mit einem ähnlich gelagerten Angebot auf den Markt: Amazon S3 – Simple Storage Service definiert den Webspace neu. Fast ohne Grenzen: Dort gespeicherte Datenobjekte können bis zu 5 Gigabyte groß sein. Kein Grundpreis, kein Einrichtungspreis. 15 US-Cent pro gespeichertes GB und Monat, 20 US-Cent pro GB Datentransfer.

aws.pngAmazon S3 richtet sich an Entwickler, nicht an Endkunden. Vermutlich werden wir in Bälde Speicherdienste sehen, die auf der Amazon-Plattform aufsetzen und das entsprechende Preisniveau an den Endkunden weitergeben. Man vergleiche zum Beispiel mit box.net: Dort gibt es 1 GB Speicherplatz inkl. Traffic kostenlos, 5 GB kosten 4,99 Dollar im Monat. Das gleiche Volumen würde bei Amazon S3 mit 75 US-Cent berechnet und könnte für die übrigen 4,24 Dollar gut 21 Mal herauf- oder heruntergeladen werden.

Für Michael Arrington von Techcrunch würde ein Traum wahr: Better and Cheaper Online File Storage war im letzten Jahr die Nummer Eins auf seiner Wunschliste Companies I’d like to Profile (but don’t exist). Sein Urteil:

S3 changes the game entirely.

Netzspeicherplatz ist definitiv eines der nächsten heißen Themen für die AEG-Troika. Bleibt nur die Frage, wann Ebay mit einem vergleichbaren Angebot auf den Markt kommt – dann wahrscheinlich für Endkunden und Powerseller.

Nachtrag: John Battelle kommentiert:

Anyone who thinks Bezos and Google are not on a collision course is just not paying attention.

Und Pete Cashmore meint:

Amazon’s S3 is a real game changer. […] The revolutionary element here is that the cost of starting a web-based company is continuing to plummet.