Interaktive Trends

Heute früh verstopfte ein dicker Polsterumschlag mein Postfach. Darin zwei Exemplare des neuen Jahrbuchs Interaktive Trends. Beim Auspacken habe ich gleich den papiernen Schutzumschlag zerrissen, super. Ich frage mich ja immer, wer solche Schinken wirklich liest. Aber vielleicht darf ich hier nicht von mir auf andere schließen, denn

  1. wollen alle da rein und
  2. ergibt schon ein erster flüchtiger Blick auf gute 200 Seiten Stoff, dass die Lektüre vermutlich lohnen würde.

Es ist eine Art jährlicher Wasserstandsmeldung aus der Branche. Der erste, redaktionelle Teil liefert in einer Reihe erfreulich knapp gehaltener Stücke einen ersten Überblick über die Themen des Jahres. (Als Leseprobe gibt es übrigens den Beitrag von Matthias Schrader.)

Leseprobe

Dann folgen die Preisträger des diesjährigen DMMA – der eigentliche Gegenstand der Begierde. Neu scheint mir zu sein (oder war das im letzten Jahr schon so?) Zum Umfang des Werkes trägt bei, dass auch die gesamte Shortlist präsentiert wird.

Am Ende folgen die Agenturportraits, die streckenweise ehrlicherweise gleich als Anzeigen gestaltet sind. Sie gibt es übrigens auch online (hier das der SinnerSchrader Studios).

Interessant wäre jetzt nur noch zu wissen, ob potenzielle Auftraggeber tatsächlich das Jahrbuch zur Hand nehmen, bevor sie ihre Shortlist zwecks Pitch erstellen.

Vom Handelsblatt zu Bertelsmann

Zwar nicht gerade brandneu, aber interessant: Thomas Nonnast, bis vor kurzem Handelsblatt-Wirtschaftsredakteur in Frankfurt, geht ab 1. Oktober bei Bertelsmann in Gütersloh zum Dienst. Dort wird er Pressesprecher.
Mal sehen, ob der andere Thomas auch irgendwann die Schreibtischseite wechselt. Genug Erfahrung mit PR hat er ja.

in PR | 46 Wörter

Pitch Fever

Böse Zungen behaupten, der Pitch sei eine Unart, die unsere Branche von den Werbern übernommen hat. (Dem branchenfremden Leser sei zunächst kurz erklärt, dass ein Pitch eine Wettbewerbspräsentation ist, zu der potentielle Auftraggeber mehrere Agenturen einladen, um am Ende mit einer von ihnen eine mehr oder weniger dauerhafte Zusammenarbeit zu beginnen.)
Erik Spiekermann, einer der ganz Großen, ist kein Freund solcher Veranstaltungen. Er schreibt:

Das englische Verb bezeichnet das Werfen mit dem Baseball, das englische Substantiv bedeutet schlicht Pech, und zwar das Zeug, das mit Schwefel untrennbar zusammenhält. Pech haben auch die Teilnehmer eines solchen Zufallswurfes, die leer ausgehen. Wer zum Pitch einlädt, bei dem es gewöhnlich ein Anerkennungshonorar gibt, das kaum die Kosten für die Farbdrucke deckt, meint Entscheidungshilfen zu bekommen für eine Kommunikationsaufgabe. In Wirklichkeit ist es aber so, als ginge der Auftraggeber nacheinander in mehrere Restaurants, esse von jedem Tellerchen ein wenig und erkläre anschließend, er habe jetzt keinen Hunger mehr und bezahle nichts, weil ja kein Gericht seinem Geschmack entsprach.

Besser lässt sich das alte Problem nicht auf den Punkt bringen. Gescheitert sind alle Versuche, mit Hilfe von Regularien wenigstens die schlimmsten Übel abzustellen. Die Agenturen fügen sich ins Unvermeidliche und werfen weiter ihren Baseball, um die Chance auf einen Treffer zu wahren. Noch einmal Spiekermann:

Warum meinen aber immer mehr Auftraggeber, sie müssten „pitchen“ lassen und viele Designer, sie müssten teilnehmen? Weil Dummheit, Faulheit, Eitelkeit und Feigheit – die vier apokalyptischen Reiter des Gewerbes – so heftig mit den Hufen trampeln, dass der Vernunft schwarz vor Augen wird, pechschwarz.

So schwarz sehen wir hier nicht. Matt Balara aus den SinnerSchrader Studios sieht die Dinge eher pragmatisch:

There’s no point in complaining about the pitch process. It’s the standard way to win new clients in our industry, as well as in advertising, architecture and others. However, since I’ve been pitching quite a lot in the last couple of years, I’d like to take a look at how they work, and how they could work better.

Matt hat eine Reihe von Lehren aus seiner jahrelangen Pitcherfahrung gezogen. Hier seine Empfehlungen an Unternehmen, die zum Pitch einladen.

Übrigens

  • Die Netzpiloten wollen im September Blogpiloten.de starten, „eine zentrale Umschau über die wichtigsten deutschen Weblogs“. Die Kreation der Website übernimmt Fork Unstable Media.
  • Die Website arena.tv hat es in den Netzfrühling geschafft. Was bedeutet, dass sie standardkonform ist (worauf die Studios generell größten Wert legen).
  • Aus ibusiness – inklusive Joachim Graf wirklich ein Urgestein der Branche – wird im September ibusiness 3.0, „ein Wissenportal und Trendscouting für New Media Manager“. Und webzwonullig wird’s auch. Wir sind gespannt.

Mit diesen drei Informationshäppchen entlässt der Fischmarkt seine geneigte Leserschaft ins verdiente Wochenende.

Zahltag bei Neue Digitale

Wir kurz schon erwähnt, geht die Frankfurter Interactive-Agentur Neue Digitale zu 100 Prozent an Anenue A/Razorfish. In der aktuellen W&V (Print) steht jetzt, was es für die 4,25 Mio. Euro Honorarumsatz und 39 Prozent Umsatzwachstum gibt: mindestens 4,4 Mio. Euro. Der genaue Kaufpreis hängt davon ab, wie viel Gewinn die Akquisition innerhalb der nächsten drei Jahre abwirft. Wie profitabel Neue Digitale arbeitet, ist leider nicht bekannt. Die Dreijahresklausel ist wohl auch der Grund, warum die Vertragspartner auf die Wiedereinführung der Marke Razorfish in Deutschland verzichten. Schließlich werden die Gründer, Inhaber und Geschäftsführer Andreas Gahlert und Olaf Czeschner nur für das garantieren, was sie selbst in den Händen halten. Und das ist nunmal ihre Marke, nicht die der Amis.
Clark Kokish, Chef der Agentur mit dem komplizierten Namen, beantwortet w&v-Redakteur Markus Weber auch noch ein paar Fragen. Viel rum kommt dabei allerdings nicht:

„Wir haben uns viele Agenturen angeschaut. Aber Neue Digitale war für uns die einzige Wahl. Ehrlich gesagt: Wenn wir nicht zusammengekommen wären, ich wüßte nicht, was wir gemacht hätten.“ (Anm.: Die Ärmsten aber auch.)

„Die Agentur wird hier in Frankfurt weiterhin völlig eigenständig weitergeführt.“

„Was in drei oder fünf Jahren sein wird, kann ich nicht sagen.“
„Das Web ist ja nicht einfach ein Werbemedium, sondern ein Verkaufskanal und ein CRM-Tool. Das hierfür erforderliche technische Know-how und die Datenanalyse sind nicht die Kernkompetenz traditioneller Häuser.“

Wir fassen zusammen: Den 30. Juli 2009 als (möglichen) letzten Arbeitstag von Olav Czeschner und Andreas Gahlert rot im Kalender markieren.

Neue Digitale wird an US-Agentur verkauft

Wow. Der zweite Übernahme-Hammer in nur wenigen Tagen. Der US-Dienstleister Avenue A Razorfish übernimmt mit Neue Digitale die aktuell kreativste Internetagentur in Europa. Gründer und Geschäftsführer Andreas Gahlert und Olaf Czeschner veräußern ihre Unternehmensanteile, bleiben aber in ihren Positionen. Auch der Agenturname bleibt wie er ist. (Quelle: Horizont) Vor zwei Wochen haben Elephant Seven und Pixelpark ihre Fusion bekanntgegeben.