Werbeirrsinn bei Media Markt, Teil 2

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Das war’s. Aus und vorbei. Finito. Nur 6 Wochen nach dem spektakulären Start der neuen Media Markt Kampagne heisst es „Zurück auf Los“.
Der unselige Versuch, das veränderte Informations- und Kaufverhalten der Konsumenten zu diskreditieren, war von Anfang an zum Scheitern verurteilt.
Dass mit dem Start der neuen Weihnachtskampagne das Ende so schnell kommt, überrascht dann aber doch. Sie ist natürlich mitnichten eine „konsequente Fortführung der neuen Preisstrategie“ wie es in der Pressmitteilung aus Ingolstadt heisst. Nicht das wir uns missverstehen: der Spot ist wirklich gut gemacht: emotional und mit einem nachprüfbaren Versprechen. Chapeau an Ogilvy & Mather! Und doch ist er eine Kehrwendung um 180 Grad. Jeder Verweis auf Preisparität mit dem Internetkanal wurde konsequent entfernt: im Spot, in den Prospekten, auf der Website. Die Kernidee, Preisklarheit im stationären Media Markt vs Preisirrsinn im Netz, dahin.
Also, alles wieder gut?
Mitnichten. Alle Daten weisen darauf hin, dass dieses Jahr das Weihnachtsgeschäft der Internet-Retailer explodieren wird. Und weil der Konsument sein Geld nur einmal ausgeben kann, wird der Umsatz in der Fläche sinken. Wir erleben im Handel gerade die Ruhe vor dem Sturm. Ab der 2. Januarwoche geht der Preisirrsinn wieder los. Meine Wette: der Media Markt wird an vorderster Front dabei sein.

Warum wir Google+ für Google Apps wieder abschalten – und Google das auch tun sollte

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Gleich vorweg: wir bei SinnerSchrader lieben Google Apps!
Daher haben wir uns auch gefreut, als Google vor rund drei Wochen Google+ für Google Apps freigeschaltet hat. Die gute Integration von Google+ macht wirklich Spaß und ist durch das Circlen von Domain-Nutzern eine sehr schöne Ergänzung unseres Intranets. Auf den ersten Blick. Allerdings beschlich mich schon bei der Einführung ein seltsames Gefühl.
Nach drei Wochen ausführlichen Testens werden wir diese Woche unseren 400 Kollegen die Google+ Accounts wieder entziehen. Google hat mit der überstürzten Einführung von G+ für Google Apps nach meiner Meinung massive Architekturfehler macht, die eine Nutzung unmöglich machen:

  1. Durch die Klarnamen-Policy sind Nutzer quasi gezwungen, ihre privaten Google+ Accounts aufzugeben. Tun sie es nicht, gibt es doppelte Geister-Accounts, die zur kompletten Verwirrung führen und ein persönliches Netzwerk in die Schizophrenie treiben. Beispiel: Mein Profil und das meines alter ego – oder war es umgekehrt?
  2. Der Admin einer Google App Domain (zum Beispiel auch sinnerschrader.com) hat vollen Zugriff auf alle G+ Profile, damit ist eine private Nutzung von G+ für alle unsere Kollegen faktisch ausgeschlossen (umgekehrt: man stelle sich vor, unsere Admins hätten Zugriff auf alle Facebook-Accounts unserer Mitarbeiter…)

Zudem ist noch völlig unklar, wie ein angekündigtes Migrations-Tool funktionieren soll. Wie und welchen Content kann und darf der Nutzer, wenn er beispielsweise das Unternehmen wechselt, in einen privaten Google oder neuen Domain-Account transferieren? Gar keinen? Alles? Wie werden „private“ und „berufliche“ Inhalte unterschieden? Meine Vermutung: an diesem Problem beisst sich Google gerade selbst die Zähne aus. Das Problem scheint mir nicht lösbar.
Fazit: Google+ für Google Apps ist undurchdacht und die Einführung durch Google, wohlwollend formuliert, schlecht kommuniziert. Man könnte auch sagen: wer so ein Produkt für 30+ Millionen Google Apps Nutzer freischaltet handelt leichtsinnig und gefährlich. Beim aktuellen Stand des Produktes, sollte Google G+ für GApps besser heute denn morgen wieder abschalten.

NEXT Berlin 2012 ruft zur Teilnahme auf!

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Es ist Anfang November, und wir haben Halbzeit. Seit der NEXT11 ist fast ein halbes Jahr vergangen, und bis zur NEXT12 am 8./9. Mai 2012 sind es noch sechs Monate. Höchste Zeit für den Startschuss zur Programmplanung! Nachdem wir 2011 unter dem Motto „Data Love“ unsere ganze Liebe den Daten gewidmet haben, stellen wir uns 2012 dem Thema „Post-Digital“.
Die digitale Revolution ist vorbei, digital hat gewonnen. Die Nutzung digitaler Technologien ist unser Alltag und selbstverständlich für uns geworden. Was jenseits der digitalen Revolution im post-digitalen Zeitalter auf uns wartet, wollen wir auf der NEXT Berlin 2012 mit Ihnen ergründen.
Die Community ist auch für 2012 wieder zum Mitmachen aufgerufen: Unter nextberlin.eu können Sie bis zum 29. November Vorschläge für Sprecher einreichen sowie die Vorschläge anderer bewerten. Dabei kann ein Bezug zu „Post-Digital“ sicher nicht schaden. Nach der Abstimmungsphase, die am 20. Dezember endet, werden unsere Kuratoren die Einreichungen mit den meisten Stimmen sichten und entscheiden, wer die Chance bekommt, auf der NEXT12 zu sprechen. Zusätzlich wird es noch eine Bühne geben, die ausschließlich den Community-Vorschlägen gewidmet ist. Kuratiert wird diese von Igor Schwarzmann.
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Das Programm bietet wie gewohnt sechs vertikale Thementracks, die jeweils von ausgewiesenen Branchenexperten kuratiert werden. Im Einzelnen sind das „Technology“, kuratiert von Holger Blank, „Fashion“, betreut von Anitra Eggler, „Mobile“ mit dem Kurator Laurent Burdin, „Experience“, geleitet durch Peter Bihr, sowie „Creative“, um den sich Elisabeth Stangl kümmert. Zudem wird es auch bei der NEXT12 wieder einen übergreifenden „International Keynote Track“ geben, den Monique van Dusseldorp als internationale Programmdirektorin kuratieren wird. Den Kurator für den Track „Start-ups“ geben wir in Kürze bekannt.

Zu Hause ist es doch am schönsten!

Ist ein ganzheitlich integrierter Facebook-Shop mit kompletter Verkaufsfunktion das digitale Ei des Kolumbus oder doch das Weiterleitungsmodell auf den eigenen Webshop?
Die Zeiten, in denen Social-Media als Nischenphänomen tituliert wurde, sind längst Geschichte. Aktuell sind 76 % der deutschen Internet-Nutzer in einem sozialen Netzwerk registriert, und gut 90 % von ihnen gehören der werberelevanten Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen an*. Diese Zahlen belegen, dass Facebook & Co. absolut massenfähige Relevanz haben.
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Heute haben viele Unternehmen erkannt, dass die sozialen Netzwerke einen nicht ausklammerbaren Kommunikationskanal darstellen, da sie von einer breiten Masse aktiv genutzt werden. Dass auch das Kaufverhalten von sozialen Elementen geprägt ist, zeigen zahlreiche etablierte Social-Shopping-Konzepte wie DaWanda oder Groupon ebenso wie Kundenbewertungen á la HolidayCheck oder Ciao. Social-Commerce hat sich längst als werthaltige Bereicherung etabliert. Doch wie könnte die Konsequenz aussehen? Wie lässt sich dieses Potential am besten nutzen?
Zunächst stellt sich die Frage nach der Wahl des optimalen Social-Media-Kanals, um mit den Vertriebsaktivitäten zu beginnen bzw. sie zu erweitern. Da gab es Plattformen wie die VZs, Myspace oder Second Life… Alles Projekte die mit großem Enthusiasmus starteten und zeitweise stattliche Nutzerzahlen erreichten – meist aber nur für einen überschaubaren Zeitraum. Glück hatten jene Marketeers und Shop-Betreiber, die in diesen Umfeldern ihre Spendings durch die Erhöhung der Brand-Experience bzw. Brand-Loyality wieder einspielen konnten. Bei vielen stellt sich jedoch die Frage, ob der ROI aus diesen Investitionen erreicht wurde.
Aufgrund der heute vorliegenden Erfahrungswerte halten sich viele Shop-Betreiber bei ihren Social-Commerce-Aktivitäten lieber an den aktuellen Reichweiten-Primus Facebook. Da bei E-Commerce-getriebenen Marken und Anbietern die Monetarisierung ihrer Social-Media-Aktivitäten im Vordergrund steht, ist der Schritt von der Fanpage zum Facebook-Shop naheliegend. Doch damit tut sich bereits die nächste Frage auf: Ist ein ganzheitlich integrierter Facebook-Shop mit kompletter Verkaufsfunktion das digitale Ei des Kolumbus oder doch das Weiterleitungsmodell auf den eigenen Webshop?
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Aus meiner Sicht gibt es darauf eine klare Antwort: Der Umsatz sollte bei Ihnen zu Hause im eigenen Shop erfolgen. Dies berücksichtigt dennoch den Umstand, dass Käufe auf unterschiedlichsten Plattformen und Kanälen initiiert werden sollten, denn die dortige Frequenz kann kostengünstig, effizient und reichweitenstark abgeholt werden – der idealtypische Prozess eines effizienten E-Commerce-Modells. Das eigene Ökosystem, in dem der Betreiber die volle Hoheit über Funktionen und Rahmenbedingungen hat, ist jedoch die beste Umgebung für die optimale Kundenbetreuung.
Weitere Argumente: Usability, Kundenbindungselemente und das Zusammenspiel einzelner Tools wie Analytics, Retargeting und E-Mail-Marketing, sind in vollem Funktionsumfang nur auf der eigenen Plattform zu gewährleisten. Und nur hier kann der Kunde durch eine größere Sortimentstiefe bzw. -breite geführt werden, wodurch sich größere, profitablere Warenkörbe generieren lassen.
Es gilt also eine Verknüpfung von Social-Media-Kanälen bzw. -Elementen mit der eigenen Shop-Plattform anzustreben und damit die Leadqualität und persönliche Weiterempfehlung der sozialen Netzwerke zu nutzen. Durch die Anbindung und Nutzung externer sozialer Mehrwerte gewinnt der eigene Shop an Attraktivität und Frequenz, was sich letztlich in der Conversion widerspiegelt.
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Diese Symbiose ermöglicht eine optimale Customer-Journey und das oft zu reduzierten Produktionskosten, da bestehende Funktionen der Social-Plattformen effizient eingebunden werden können und nicht selbst entwickelt werden müssen.
Im Idealfall wird also das Beste aus beiden Welten kombiniert. Leider fehlt bis dato meist die Überzeugung, um ein solches Konzept mit aller Konsequenz zu realisieren. Ein positives Beispiel einer solchen Social-Shopping-Umsetzung, wenn auch nicht mehr ganz frisch, ist der Friends-Store von Levis.
Oliver Elbert ist Vorstand Marketing & Vertrieb der Online-Agentur spot-media, die zur SinnerSchrader-Gruppe gehört.

Warum das Siri Business-Modell Android röstet – und auch für Apple eine riskante Wette ist

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Die letzten zwei Tage, habe ich mir die Frage gestellt, warum Siri für das iPhone 4S limitiert ist. Auf den ersten Blick scheint es Willkür zu sein. An den Hardware-Voraussetzungen kann es nicht liegen: das iPad 2 hat alles, was das neue iPhone ausmacht. Eine mögliche Erklärung: Apple will die für Siri notwendige Serverfarm mit der schrittweisen Markteinführung der Devices kontrolliert hochfahren.
Meine Vermutung ist allerdings eine andere: es sind die Kosten.
Wie ich bereits vor einigen Tagen beschrieben habe, ist der Kern von Siri keinesfalls die (erstaunlich gut funktionierende) Spracherkennung. Der Clou ist die dahinter liegende AI-Maschine. Bei jeder Frage an Siri findet im Hintergrund eine Kommunikation zwischen dem iPhone 4S und Apples zentraler Cloud statt.
Was kostet nun ein Siri-Dialog? Das weiss natürlich niemand außer Apple. Ich halte es aber für fair anzunehmen, dass ein Siri-Dialog ungefähr in der Kostenregion einer Google-Abfrage liegt. Hierfür gibt es einigermaßen plausible Schätzungen, welche die Kosten bei rund 1 ct sehen. Gegenprobe: Unternehmen, die Google als Onsite-Service nutzen wollen, zahlen 2 ct.
Ich halte also die Kosten von 1 ct für eine Siri-Anfrage eher für eine untere Schranke (vor allem wenn man bedenkt, dass Google 10 Jahre darin geübt ist, seine zentralen Data Center kostenseitig zu optimieren).
Und jetzt wird’s spannend. Wie viele Siri-Dialoge macht ein durchschnittlicher iPhone-Nutzer? Das wüsste Apple wohl auch gerne. Eine Modellrechnung: bei 10 Dialogen täglich ergeben sich 3.650 Dialoge im Jahr. Multipliziert mit 1ct macht das einen Kostenblock von $36 per anno. Bei einer Marge von 70% für das aktuelle iPhone über eine Nutzungsperiode von 3 Jahren kann das Apple locker wegstecken.
Und das ist ein Problem für Google und sein Android Eco-System. Google refinanziert Android mit seinen Mobile-Search-Einnahmen. Die belaufen sich aktuell bei rund $10 pro Jahr und Device. Weitere Erträge durch Lizenzen oder Hardware gibt es (bislang) nicht. Das ist am Ende durch die schiere Anzahl der Android-Devices eine Menge Geld – reicht aber bei Weitem nicht, einen Cloud-basierten Assistenz-Dienst wie Siri wirtschaftlich zu betreiben. Würde Google einen Siri-Clone starten, würde Google das mehr als $20 pro Endgerät und Jahr an Verlust einbringen und gleichzeitig verlieren sie textbasierten Adword-Umsatz. Auch hier macht’s wieder die Menge – nur mit umgekehrten Vorzeichen.
Wenn die Konsumenten Siri lieben werden, schafft es neben einem extrem starken Lock-in auch ein großes Problem für das Mobile-Geschäft von Google. Ein Cloud-basierter Assistenz-Dienst ist heute ohne die gigantische Hardware-Margen nicht finanzierbar. Und welcher Anbieter besitzt diese heute außer Apple?
Einen zu großen Erfolg für Siri kann Apple sich paradoxerweise aber auch nicht leisten. So lange die Serverkosten nicht wesentlich unter 1ct/Dialog sinken, würde Apple in arge Bedrängnis kommen, wenn statt 10 beispielsweise 100 Dialoge täglich zwischen iPhone und der Siri-Maschine stattfinden: die schönen Margen wären im Nu verzehrt. In diesem Fall müsste Apple sehr schnell beginnen, selbst ein eigenständiges Business-Modell für die Siri-Nutzung zu entwickeln.

Apples Siri und die Post-PC Welt

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Disruptive Innovationen passieren nicht über Nacht. Ganz langsam schleichen sie sich in unser Leben, verändern unser Verhalten und erst in der Rückschau wird uns bewusst, dass sich unsere Welt verändert hat.
So war es mit dem PC, dem WWW, dem Smartphone. Das Ziel, die Post-PC Welt zu dominieren, könnte Apple mit dem iPhone 4S erreichen.
Wie das? Der Schlüssel hierfür, ist Siri. Der neue Service ist wesentlich mehr als eine Spracherkennung, hinter dem Projekt steckt harte AI und $150 Mio aus dem amerikanischen Verteidigungsetat. Siri „versteht“ nicht nur die Syntax, sondern die Semantik hinter den Worten. Apple spricht daher auch von einem „Personal Assistant“.
Der wesentliche Punkt ist aber, dass Siri lernt. In den Demos sieht man es sehr schön: „Schreibe Tom, dass ich unterwegs bin“, „Erinnere mich an den Zahnarzttermin, wenn ich im Büro bin“ oder „Ruf mir ein Taxi“. Dass funktioniert nur, wenn die AI-Engine mein persönliches Lebensumfeld mit der Zeit lernt. Und das passiert nicht auf dem Gerät selber, sondern in der zentralen iCloud. Ohne WLAN und 3G geht nichts. Die Konsequenzen lassen sich erst grob skizzieren:

  1. Siri wird auf allen meinen IOS-Devices laufen. Mein Persönlicher Assistent wird mich unterwegs kennen (via iPhone), auf dem Sofa (via Apple TV), im Bett (via iPad) und am Schreibtisch (mit der nächsten OS X Generation).
  2. Die Software ist Beta. Aber die Integration von Yelp und Wolframs Alpha zeigt, dass Siri immer mehr Services im Alltag aufsaugen wird. Apple wird mich besser kennen als Google und Facebook. Damit greift Cupertino die zentralen Werbeerlösmodelle der beiden an.
  3. Es ist der perfekte Lock-in. Wenn ich aus der Apple-Welt aussteige, verliere ich auch mein über Jahre personalisiertes AI-Modell, welches in den Rechenzentren von Apple mit meinem Account verbunden ist. Wer kündigt seiner langjährigen PA?

Werbeirrsinn beim Media Markt

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Anfang des Jahres kündigte Media Markt seiner langjährigen Werbeagentur kempertrautmann. Für die Agentur offensichtlich überraschend per Pressemitteilung und mit einem Dank, der eher an einen Tritt in den Allerwertesten klang. Eins war jedoch klar, man wolle sich jetzt endlich der Herausforderung Internet stellen und suche eine Agentur, die das Netz verstehe.
Naja.
Seit dem Wochenende nun ist die neue Kampagne draußen. Und leider ist irgendetwas zwischen Kunde und Agentur grundlegend schief gegangen. Neben den vielen kleinen handwerklichen Mängeln, hat das Konzept folgende vier massiven Bugs:
1. Falscher Consumer Insight: Das Netz ist kein Jahrmarkt
Das Netz wird deshalb im Kaufentscheidungsprozess als Anlaufstelle Nr 1 vom Konsumenten genutzt, weil es Transparenz schafft und ordnet. Insbesondere die erfolgreichsten E-Commerce Destinationen wie Amazon schaffen dies seit Jahren extrem erfolgreich und gewinnen von Jahr zu Jahr massiv an Zuspruch. Kunden haben sich an Auswahl, Preistranspararenz, Produktinformationen, Verkaufsränge und Bewertungen gewöhnt und nutzen sie. Im Netz finden die rationalen Kaufentscheidungen statt, der Jahrmarkt findet immer noch auf und im Boulevard statt („Geiz ist geil“). Die Grundidee der gesamten Kampagne läuft daher ins Leere.
2. Falscher Claim
Erst einmal vom Wege abgekommen, kann man dann auch schon mal abheben. „Der neue Media Markt Preis ist der klarste Preis“. „Ohne Preis-Irrsinn“. Oder so ähnlich. Meine Güte! Wer soll das verstehen? Hier kämpft die Kommunikation Schattenboxen mit der Ramba-Zamba-Werbung der letzten Jahre. Die war wenigstens unterhaltsam. Die neue Ansage bleibt klar Dada.
3. Falsches Versprechen
Media Markt verspricht künftig den „klarsten“ Preis zu liefern, da täglich alle maßgeblichen Online-Wettbewerber geprüft werden und die Preise angepasst werden. Wie soll das gehen? Bis auf ein absolut reduziertes Angebotssortiment von vielleicht 100 Artikeln, ist es nicht möglich, tausende Artikel mehrmals auszuzeichnen — und schon gar nicht täglich. Das wird den Märkten und den lokalen Geschäftsführern täglich um die Ohren fliegen. Denn ihre Kunden kennen die Internetpreise.
4. Falsche Angebotsartikel
Und dann die Angebotsartikel – die alte Achillesferse vom Mediamarkt! Zwei, drei Klicks bei Amazon und schon entpuppt sich der Waschvollautomat von Bosch aus dem Kampagnenprospekt als Altware, die noch schnell vom Hof muss. Spätestens hier ist die Glaubwürdigkeit dahin.
Man kann den Verantwortlichen bei Media Markt nur raten, schnell wieder zur Besinnung zu kommen und die Kampagne sofort zu stoppen. Und noch einmal in Ruhe nachzudenken.

Attacke, Amazon – ein Buchhändler kämpft Judo mit Google

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„Amazon bringt ‚Volks-Tablet’… Kampfpreis 200 Dollar… Erster richtiger iPad-Rivale“ – so oder ähnlich liest man es hunderfach, seit Jeff Bezos den Kindle Fire vorstellte. Solche Analysen sind nicht falsch, gehen aber am Kern vorbei. Denn mit seinem Tablet wagt Amazon eine ambitionierte Kampfansage: Das Unternehmen will nicht weniger als den gesamten Internetverkehr seiner Kunden in seiner Cloud EC2 zwischenspeichern. Damit erklärt Amazon nicht nur Apple den Krieg, sondern auch Google, Facebook und vielen mehr.
Warum?
Zweifellos hat Amazon mit dem Fire eine Duftmarke gesetzt. Konkurrenzfähige Hardware, günstiger Preis und – zumindest in den USA – attraktive Inhalte: von Büchern, Musik bis zu Filmen und TV-Serien. Samsung und Blackberry, denen es ohne iTunes-Store oder Amazons Angebot „Prime“ an Content mangelt, sollten angesichts dieser Konkurrenz warme Schutzhüllen überstreifen.
Im Vergleich dazu kann Apple (noch) gelassen bleiben. Wie bei Mobiltelefonen setzt es auf das Hochpreissegment mit entsprechenden Margen. „Hat’s den Papst gestört, dass Luther kam?“ sagte Harald Schmidt mal über die Konkurrenz mit Stefan Raab. Das gilt vorerst auch für das Verhältnis iPad und Fire.
Bei Google sieht es da schon anders. Um im Luther-Bild zu bleiben, schlägt Amazon hier nicht nur Thesen an die Tür, sondern tritt sie kurzerhand einfach ein. Der weltgrößte Versandhändler greift den Werbe- und Suchmaschinenkonzern gleich auf mehreren Fronten an.
Zunächst einmal betreibt Amazon kostenschonendes Cherrypicking. Als Betriebssystem für den Fire setzt es auf Android. Konkret: auf den kostenlosen Open-Source-Kern ohne die Komponenten Browser und Mail, für die Abgaben an Google gezahlt werden müssten.
Stattdessen vertraut Amazon beim Browser auf die Eigenentwicklung „Silk“. Dieser erlaube Surfen mit nie gesehenen Geschwindigkeiten, egal mit welchem Gerät, egal mit welcher Bandbreite, reklamieren seine Entwickler. Das möglich machen soll die „Split Browser“-Technologie, die den gesamten Internetverkehr über die Amazon-Cloud EC2 abwickelt. Sie lädt die Website (vorausschauend) und liefert diese dann neu-gerendert und ressourcenschonend an den Nutzer aus.
Kindle Fire
EC2 geht also viel weiter als ein Proxyserver. Dahinter steht zudem die extrem robuste Netz-Infrastruktur Amazons, auf der bereits jetzt viele Unternehmen ihre gesamten Online-Aktivitäten hosten.
Wollte man bislang herausfinden, was die Nutzer im Netz tun, musste man ihr Verhalten mühsam über Webanalytics-Tools tracken. Etabliert sich das Surfen via EC2, kommt quasi der permanente Blick über die Schulter. Amazon weiß so, was Silk-Nutzer online tun, was sie klicken, was sie suchen und was sie kaufen. Kombiniert mit den persönlichen Informationen – Amazon ist angeblich der größte Inhaber von Kreditkarten-Daten – wird daraus pures Gold.
Auf einen Schlag wäre Amazon in der Lage, besser zielgerichtete Werbung zu schalten als die bisherigen Platzhirschen Google und Facebook. Bislang kamen Werbungtreibende um die beiden nicht herum.
Nun macht Amazon „Meta-Werbung“ möglich: die Werbung um die Werbung. Schon einmal gab es einen solchen Versuch, der schon ein Jahrzehnt zurückliegt: germany.net. Als das Internet laufen lernte, bot der Call-by-Call-Provider Internetzugänge an, die bis auf die Telefongebühren kostenlos waren – finanziert durch eingeblendete Werbeanzeigen. Ein Modell, das sich nie so richtig durchsetzte.
Damals jedoch waren die Analyticsmethoden noch nicht entwickelt, Targeting so gut wie unmöglich. Aktuelle Technologien erlauben jedoch die Bildung trennschärfster Segmente.
Google und Facebook könnten hier ihre Dominanz eines Tages einbüßen, weil ihr Informationsvorsprung in Gefahr ist. Setzt sich „Split-Browsing“ durch, gäbe es nichts, was Amazon nicht wüsste – ein mächtiges Drohmittel. Es könnte seiner Konkurrenz wichtige Daten vorenthalten, indem sie beim Weg durch die Amazon-Cloud herausgefiltert würden.
Im Gegenzug wäre es natürlich denkbar, dass Webseitenbetreiber das Caching durch Amazon untersagen, um den direkten Draht zum Surfer nicht zu verlieren.
Noch ist das alles nicht entschieden. Fest jedoch steht: Im Spiel der Giganten hat sich Amazon machtvoll zu Wort gemeldet.
Das Internet kann dadurch nur noch besser werden.

Post-Digital: Ist die digitale Revolution vorbei oder hat sie gerade erst begonnen?

1998 überschrieb Nicholas Negroponte seine letzte Kolumne für Wired mit der programmatischen Zeile: Beyond Digital. Seine Zeitdiagnose damals lautete knapp: „Face it – the Digital Revolution is over.“
Wenn erst einmal alles digital ist, dann ist „digital“ kein sinnvolles Kriterium mehr. Wie Luft und Trinkwasser wird das Digitale nur durch seine Abwesenheit wahrgenommen, nicht durch seine Gegenwart. So fällt nur auf, wenn der Zugang zum Internet versperrt oder nicht vorhanden ist. Das Vorhandensein ist der nicht registrierte Normalfall.
Wie so oft waren es zunächst Künstler, die das Konzept aufgriffen. Den Begriff Post-Digital prägte Kim Cascone in seinem bereits 2000 im Computer Music Journal erschienenen Aufsatz „The Aesthetics of Failure: ‚Post-Digital‘ Tendencies in Contemporary Computer Music“.
Schnell mal neun Jahre vorgespult, und schon ist das Thema in der Agenturwelt angekommen. Russell Davies, heute Head of Planning bei R/GA London, stellte Anfang 2009 in seinem Blog die folgende Diagnose:

1. Screens are getting boring. It’s really hard to impress anyone with stuff on a screen any more. However clever you’ve been. However much thought you’ve put in. However good the tech is. No-one’s impressed. They’ve all seen better stuff in ads and movies anyway – when will onscreen stuff be as good as that? Whereas doing stuff in the real world still seems to delight and impress people. Really simple stuff with objects looks like magic. Really hard stuff with screens still just looks like media.

2. There are a lot of people around now who have thoroughly integrated ‚digitalness‘ into their lives. To the extent that it makes as much sense to define them as digital as it does to define them as air-breathing. ie it’s true but not useful or interesting.

3. The stuff that digital technologies have catalysed online and on screens is starting to migrate into the real world of objects. Ideas and possibilities to do with community, conversation, collaboration and creativity are turning out real things, real events, real places, real objects. I’m not saying that this means that these things are therefore inately better, or that the internet has ‚come of age‘ or any of that nonsense. I just mean that there are new, interesting things going on IRL and that they have some advantages (and penalties) that don’t apply online.

Ein gutes Jahr später, inzwischen ist es Mai 2010, stellen Teresa Iezzi und Ann-Christine Diaz die Frage: Are We Post-Digital Yet?

The most compelling brand ideas of the last decade have had a digital heart but have manifested themselves in meaningful ways in people’s fleshly lives–see Nike+ and Fiat Eco Drive. And, an increasingly digitized world means the internet is already all around you. The internet of things–the growing number of networked, everyday objects from fridges to pill bottles to cars–is a reality. But it seems that the idea that digital has transcended something experienced from beginning to end via a keyboard and on a screen has finally gripped the mainstream brand world.

Die beiden Autorinnen belassen es nicht beim allfälligen Hinweis auf die seit Jahren omnipräsenten Beispiele Nike+ und Fiat Eco Drive – sie bieten eine lange Liste relevanter Beispiele.
Im gleichen Jahr, Ende September 2010, droht Wieden + Kennedy via Blog: post-digital or die! Die post-digitale Welt verlange nach einem neuen Marketingmodell.

What has changed is the nature of ‚digital‘ marketing. We’ve reached a tipping point where the tech and the audience have reached a level of maturity where digital is everyday and normal. Now, what agencies and marketers need to understand is how people behave in relation to content, community, technology and media. This isn’t easy because it’s evolving rapidly and constantly. It used to be that digital shops were far better informed and connected to digital culture. But now that culture is mainstream.

Kurze Zeit später war Russell Davies vom bisherigen Verlauf der Debatte so wenig erfreut, dass er eine Entschuldigung nachschob:

Post-Digital was not intended as a sop for the complacent. It’s not supposed to suggest that ‚digital‘ is a solved problem or yesterday’s fad. It’s not a suggestion that digital* is just another channel. It’s not supposed to be a synonym for integrated, 360, channel-neutral or any of that stuff. Doing some telly AND a website does not make you Post Digital.

The only way to be a Post Digital business is to be a thoroughly, deeply, massively digital one. To be digital in culture not just in capabilities. To know how to iterate in public, to do experiments not research, to recognise that it’s quicker and better to code something than it is to describe it in meetings. You need to be part of the wider digital culture, to have good sharing habits, to give credit where it’s due, and at the very least to know how to do ellipses in Processing.

Post DIgital was supposed, if anything, to be a shout against complacency, to make people realise that we’re not at the end of a digital revolution, we’re at the start of one. The end game was not making a website to go with your TV commercial and it’s not now about making a newspaper out of your website. Post Digital was supposed to be the next exciting phase, not a return to the old order. It’s the bit where the Digital people start to engage in the world beyond the screen, not where the old guard reasserts itself.

If I’d paid more attention in history I’d probably be able to throw in a Russian Revolution analogy at this point – possibly something about the Mensheviks.

Werbe-Tausendsassa Amir Kassaei, inzwischen globaler Kreativchef von DDB, tutet in der aktuellen W&V ins gleiche Horn:

Einer der Gründe, weshalb digitale Kommunikation qualitativ weltweit nicht funktioniert: Digital wird immer noch als Medium und nicht als Infrastruktur angesehen. Auch Facebook und Co. sind keine weiteren Medienkanäle, sondern Netzwerke und Plattformen. Solange dieser Perspektivenwechsel nicht erfolgt ist, werden wir auch keinen Schritt weiterkommen.

In einigen Jahren leben wir in einer Welt, in der alles mit allem verbunden ist. Es gibt dann keine Differenzierung mehr zwischen online und analog. Dadurch sind die Menschen quasi allwissend, und zwar in Echtzeit. Marketing wird eine ganz andere Rolle spielen. Die Digitalisierung gibt den Menschen die Möglichkeit zu teilen, was sie für relevant halten. Aber sie wird keinen traditionellen Kanal ersetzen.

Wenn die Unterscheidung zwischen digital und analog wegfällt – ist dann die digitale Revolution vorüber? Oder fängt sie damit erst an?