Hier geht es zum 1. Teil des Artikel.
Google+ und die Schwierigkeit der Relevanzrelevanz
Nach dem ersten Teil, folgt jetzt der zweite Teil des Blogposts „Google Plus – Zugpferd oder störrischer Esel für Marken?“.
Die Konsequenz daraus ist, dass Marken relevant sein müssen. Sie müssen etwas zu erzählen haben, was den Konsumenten interessiert. So platt es auch klingt, es findet bis heute bei deutschen Marken noch zu selten statt. Marken sollten inhaltlich aus dem Produkt heraus das Potential von Social Media dafür nutzen, gemeinsam mit dem Konsumenten eine gleichberechtigte Beziehung aufzubauen. Als Positivbeispiel kann hier Red Bull genannt werden. Red Bull hat mit dem Shared Value „Körperliche Grenzen überwinden“ das Feld der Extremsportarten für sich besetzt und interagiert allein auf Facebook mit über 21 Millionen Usern.
Ein weiterer Grund für Marken auf Google+ besonderen Wert auf relevanten Content und Customer Care zu legen, ist die Kernkompetenz von Google. Google ist in erster Linie eine Suchmaschine und wird sein Netzwerk sicher auch auf öffentliche Posts und Diskussionen durchsuchen und in seine Suchergebnisse integrieren. Alles, was eine Marke schreibt oder über eine Marke geschrieben wird, geht anders als bei Facebook nicht auf einer Wall unter, sondern ist durch eine einfache Suchanfrage bei Google wieder auffindbar. Bis heute reagieren Marken mit Zensur auf ihrer Fanpage, wenn sie mit negativem Feedback konfrontiert werden. Dies ist in Google+ nicht möglich, da ein Post nur vom Absender gelöscht oder geändert werden kann.
Kontrollverlust als Chance
Photo by humbert15 via Flickr
Die Marke hat also kein Hoheitsrecht mehr. Darin liegt für Marken natürlich ein großes Risiko, wenn zu unbedacht oder zu plump an Google+ herangegangen wird. Gleichzeitig besteht hier aber auch eine große Chance. „Was interessiert Dich?“, so formulierte Sascha Lobo den Kerngedanken hinter Google+. Um bei dem Beispiel von Red Bull zu bleiben, bedeutet das, dass die Marke in einem Mikrokosmos (lies: Circle) „Extremsport“ gemeinsam auf einer Hierarchieebene mit Extremsportlern, Fans und anderen Marken interagieren und diskutieren kann. Die Marke ist also „Mittendrin statt nur dabei“.
Durch die höhere Relevanz für den Konsumenten, ist die Wahrnehmung deutlich höher als in einer überfüllten Timeline zwischen Katzenfotos und den Wochenendplanungen von Freunden. Um sich erfolgreich in den Circles der User etablieren zu können ist spätestens wegen Google+ eine gut durchdachte Strategie notwendig. Was soll das Gesicht der Marke im Social Web sein? Was soll erzählt werden? Was sind die Ziele? Social Media bekommt durch Google+ keine neue Ausrichtung oder Aufgabe im Marketing. Google+ zwingt Marken und Agenturen aber komplexer zu denken. Reichweite brachte noch nie etwas, wenn das Erzählte niemanden interessiert. Ein Klick auf ein „Like“ des Users ist nur eine Bereitschaftserklärung, sich etwas von der Marken erzählen zu lassen – ein Vertrauensvorschuss, der genauso schnell aufgebraucht sein kann.
Heute Sparks, morgen Circle
Neben den von Usern und Marken generierten Content hat Google+ den Nachrichten Aggregator Google News tief integriert. Die so genannten Sparks dienen dem User als Contentquelle für redaktionelle Inhalte. Interessant ist hier, dass Google keine gezielte Suchbegriffe vom User fordert, sondern auch hier aus der Sicht des Konsumenten gedacht hat. Der User sucht nach Informationen, die seinen Interessen entsprechen (z.B.: Mode, Film, Fußball oder Android). Über diese Sparks dürfte sich Google erhoffen, einige Diskussionen zu befeuern. Für Marken dürften diese Sparks auch interessant sein, da so der Weg von PR und anderen Maßnahmen in die Circles der User sehr kurz ist. Somit sollte der Markenname „Red Bull“ über die Sparks beispielsweise den Weg in die Circles von Usern mit Interessen wie Formel 1, Fallschirmspringen, Fußball, Motocross oder Luftrennen finden.
Social-Media-Strategie +1 = Unternehmensstrategie
Google+ mit seinen Circles und Sparks bringt also einige neue Herausforderungen für Marken mit. Eine Social Media Strategie (lies: Mehrwert statt Gewinnspiele) wird also spätestens nach Erreichen der kritischen Masse bei Google+ Pflicht. Wenn die Vorteile der Sparks genutzt werden wollen, wird aus der Social Media Strategie ganz schnell eine Unternehmensstrategie. Was soll das Gesicht der Marke sein? Durchgehend, in allen Kanälen gleich.
Wie es mit Google+ in weitergeht und was vom aktuellen Hype in ein paar Wochen und Monaten übrig ist, bleibt abzuwarten. Es sieht aber ganz danach aus, dass sich Google+ nicht zu Orkut, Google Wave und Google Buzz einreihen wird. Für Marken kann das nur bedeuten, die Strategie für Social Media als Teil der Unternehmensstrategie zu sehen. Das dies nicht unmöglich ist, zeigen die bereits sehr erfolgreichen Marken auf Facebook. Reichweite zu generieren ist das eine, diese dann auch zu nutzen die große Herausforderung des Digitalen Zeitalters.
Der Konsument jedenfalls kann daraus nur gewinnen.
Jan-Philipp Jacobsen ist Digital Planner bei SinnerSchrader
Google Plus – Zugpferd für Marken oder störrischer Esel?
Kann Google Social? In der Vergangenheit musste man diese Frage verneinen. Nach Orkut, Google Wave und Google Buzz, haftete Google der Ruf an, einfach nicht „social“ zu sein. Es galt: „Schuster bleib bei deinen Leisten“ – soll heißen: Mach weiter Search, denn darin bist du brilliant!
Nun ist dem Internetgiganten mit Google+ ein echter Coup gelungen. Viel Gutes ist darüber schon geschrieben worden. Daher möchte ich die Details des neuen Dienstes an dieser Stelle nicht weiter ausführen, sondern stattdessen die Frage behandeln, was Google+ für Marken bedeutet:
Muss eine Marke dabei sein? Und wenn sie dabei sein muss, was soll sie dort machen? Ist Social Media gleich Social Media und lässt sich die vielleicht schon existierende Facebook Strategie übertragen?
New kid on the block
Das Bewundernswerte an diesem Megakonzern Google ist: Die Bereitschaft Fehler zu machen und daraus zu lernen. Mit Google Plus oder „Google+“ hat Google diese Unternehmenskultur erneut unter Beweis gestellt. Denn seit dem Start der Beta-Phase wird die Fachwelt nicht müde, vergleiche mit den bisherigen Schwergewichten der „Social-Branche“ anzustellen. Wem macht Google+ Konkurrenz – ja wen „killt“ Googles Netzwerk gar? Was sind die Unterschiede zu Facebook, Twitter und Co?
„Point of no return“ für Marken
Bei uns im Planning von SinnerSchrader sprechen wir im Bezug auf Social Media seit einigen Monaten von einem „Point of no return“. Point of no return deshalb, weil der Konsument gelernt hat, dass Marken auf Facebook oder Twitter präsent sind und mit ihm interagieren. Für Marken ist es also Pflicht, Präsenz in diesen Kanälen zu zeigen. Einmal gestartet, gibt es keinen Weg mehr zurück. Die Notwendigkeit einer Strategie für die verschiedenen Social Media Kanäle wird immer größer.
Dass viele deutsche Marken im Bereich Social Media Strategie noch Nachholbedarf haben, zeigt sich daran, dass die verfolgte Strategie oft nur darauf ausgelegt ist, Reichweite zu generieren – also Follower oder Fans. Der einfachste Weg dahin führt über Gewinnspiele und kurzweilige Kampagnen. Ob ein „like“ eines Konsumenten wegen eines Gewinnspiels oder einer Kampagne in Facebook aber eine höhere Verbundenheit mit einer Marke bewirkt, darf auf Grund der austauschbaren Gewinnspielflut bezweifelt werden. Die Erwartungen des Konsumenten enden auch nicht mit dem Ende einer solchen Kampagne. Ein weiteres Problem, dass noch aus den gelernten, klassischen Werbezyklen wie TV seinen Ursprung hat. Es mangelt an einer Strategie oder auch an einer Content-Strategie.
Let’s talk business
Warum jetzt also dieser große Rundumschlag? Google hat angekündigt, dass Google+ in absehbarer Zeit um Businessprofile erweitert wird – also dem Pendant zu den facebook’schen Fanpages. Mit diesem nächsten, notwendigen Schritt hin zu noch mehr Relevanz im Markt der sozialen Netzwerke, stellt Google die Marken dieser Welt vor eine weitere Herausforderung. Was ist anders und was bedeutet das für eine Marke? Da Google sich mit Informationen zu den Businessprofilen noch zurückhält, lässt sich über Details nur sehr vage spekulieren.
Google+ macht aber schon von der Struktur einiges anders als Facebook (für Details empfiehlt sich der Spiegel Artikel von Sascha Lobo). Die offensichtlichsten Unterschiede sind „Circles“ und „Sparks“. In genau diesen beiden Unterschieden liegen auch die größten Herausforderungen für Marken, wenn sie auf Google+ erfolgreich sein wollen.
Plus ist nicht Facebook
Betrachten wir zuerst die Besonderheiten der Circles. Anders als bei Facebook, steht es jedem User frei, einem anderen User zu folgen ohne dass dieser zurückfolgen muss. Freunde bei Google+ sind also weniger Freunde im klassischen Sinne, sondern vielmehr relevante Informationsquellen, sortiert in verschiedene (Themen-) Circles. Ist ein User nicht mehr relevant, kann dieser aus dem Circle gelöscht werden, ohne das es ihm auffällt (mehr Infos dazu).
Wie auch immer die Businessprofile aussehen werden, es ist davon auszugehen, dass sie nach dem System der Circles funktionieren werden. Für Marken geht es also darum, in die Circles der User zu kommen und dort zu bleiben. „Bei Facebook ist es doch das Gleiche!“ könnte man jetzt sagen. Denn auch dort geht es schließlich darum, nicht entfolgt oder ausgeblendet zu werden. Die unangenehme Wahrheit bei Google+ ist jedoch, dass der User auf Gewinnspiele und Kampagnen reagiert, in dem er sich einfach einen Circle nur für eben diese anlegt und die enthaltenen Marken in der Bedeutungslosigkeit verschwinden. Der Kontakt zwischen Marke und Konsument ist also vergleichbar mit dem eines Schaufensters in der Einkaufsstraße, voll mit Werbung für den Winterschlussverkauf. Der Konsument kommt vorbei, wird im besten Fall zu einer Interaktion bewegt und geht zum nächsten Schaufenster. Letztlich bleibt die Erinnerung an das große, gelbe Schild mit roter Schrift im Schaufenster, und nicht unbedingt an die Marke selbst. Erst recht nicht, wenn die gesamte Straße voll damit ist.
Was für Konsequenzen sich für Marken daraus ergeben, können Sie im zweiten Teil lesen.
Jan-Philipp Jacobsen ist Digital Planner bei SinnerSchrader.
„Wir müssen reden…“
Der Kampf um Talente wird immer intensiver. Auch wir bei SinnerSchrader merken das jeden Tag. An den Telefonen unserer Kollegen melden sich Headhunter, Mitbewerber schreiben ihnen Mails oder schicken Freundschaftsanfragen. Hier in der Agentur wird damit offen umgegangen. Auch wenn es mitunter nervt: Letztlich freut es alle natürlich, dass die Kollegen so begehrt sind. So entstand die Idee zu diesem Film, der einmal Danke sagen möchte.
NEXT Finance in Frankfurt
Die NEXT Conference wächst, gedeiht und bekommt jetzt sogar Nachwuchs. Eine kleine Schwester: Die NEXT Finance, die am 8. September 2011 in Frankfurt/M. stattfindet. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie Banken und Versicherungen auf die Digitalisierung reagieren sollen.
Wie verändert sich die Beziehung zum virtuellen Kunden?
Bedrohen neue Zahlungssysteme Kredikartenanbieter und Banken?
Revolutionieren Peer-to-Peer-Ansätze nach der Musik- auch die Versicherungsbranche?
Welche Bedeutung hat Social Media als Kommunikationskanal?
Die NEXT Finance wird das diskutierten,
am 8. September 2011, 14.00 Uhr,
in den Räumen des Frankfurter Office von SinnerSchrader.
Die Keynote hält Chris Skinner (The Finanser), Pelle Braendgaard (PicoMoney) spricht über Agile Banking, Salvatore Pennino (Google) stellt Google Wallet vor und Sebastian Herfurth (Friendsurance) den Versicherungsmarktplatz Friendsurance uvm.
Die Konferenz ist nur auf Einladung zugänglich.
Wer teilnehmen möchte, kann sich bewerben unter:
http://www.nextfinance.de/
Whitepaper – Data Driven Culture
Data Driven Culture – die Unternehmenskultur, in der Entscheidungen datenbasiert gefällt werden – wird im Moment intensiv diskutiert. Sie beschreibt einen radikalen Wechsel im Entscheidungsprozess: Anders als früher bestimmen nicht mehr Geschmack oder jahrelange Erfahrung, was der Konsument im Web zu sehen bekommt, welche Produkte angeboten werden oder wie die Nutzerschnittstelle gestaltet wird.
Vielmehr sind Daten der entscheidende Faktor: Daten aus Webanalytics-Systemen, die das Verhalten von Konsumenten im Netz und speziell auf Websites messen.
Aus dem Verhalten der Konsumenten werden wertvolle Informationen über deren Wünsche und Vorlieben gewonnen. Diese Informationen bilden die Grundlage für Entscheidungen über Veränderung und Weiterentwicklung der Website. Der Konsument bestimmt mit seinem Verhalten letztendlich selbst diese Entwicklung.
Das SinnerSchrader-Whitepaper beschreibt die notwendigen Schritte, um diese Kultur in Unternehmen zu etablieren.
Source Code des digitalen Kickers online
Das Warten hat ein Ende. Jetzt endlich ist es soweit. Ab sofort steht der Source Code für den Digitalen Kicker online. Unter http://digitalfoosball.com kann ihn jeder kostenlos herunterladen und den eigenen Tisch ins digitale Zeitalter beamen.
Das Software-Paket enthält:
– Software für Kicker-Hardware
– mobile Webapp für den Spielstand
– Liga-Software auf Basis von CouchDB
Die genaue Installationsanleitung liegt hier: https://github.com/sinnerschrader/digitalfoosball/wiki/Installation-Instructions
Viel Spaß! Wir sind gespannt auf Eure Kicker!
Google ist plötzlich wieder cool, und Facebook sieht aus wie MySpace
Faszinierend, wie schnell sich die Wahrnehmung ändern kann. Noch vor kurzem war Google der Suchmaschinengigant, der das Social Web wohl niemals verstehen wird. Und Facebook galt trotz seiner inzwischen 750 Millionen Nutzer immer noch als cool.
Auftritt Google+. Jetzt sehen wir das genaue Gegenteil. Google hat mindestens die Zuneigung der Digerati zurückgewonnen, und Facebook sieht plötzlich so alt aus wie seinerzeit MySpace, als es immer noch größer war als Facebook, der jugendfrische Wettbewerber, der zügig seinen Rückstand aufholte.
Was das bedeutet und wie es dazu kam, steht im NEXT-Blog (englisch).
Is Google Finally Getting Social? Versteht Google endlich das soziale Web?
Eines ist klar: Der Launch von Google Plus ist gelungen. Es gibt jede Menge Buzz. Das noch unfertige Produkt erzeugt einen Sog. Die Nachfrage nach Einladungen ist mindestens zeitweilig höher als das Angebot.
Und es war eine kluge Entscheidung, den Apple-Pionier Andy Hertzfeld am Design zu beteiligen. So ist Google Plus für Google-Verhältnisse überaus gelungen gestaltet. Apropos Gestaltung – mit dem jüngsten Launch geht ein generelles Redesign von Google einher.
Was angesichts des ungeheuren Wildwuchses in der Markenarchitektur dringend erforderlich war und zugleich eine Herkulesaufgabe ist. Das neue Design soll in den kommenden Monaten schrittweise ausgerollt werden.
Charakteristisch für das neue Google ist die schwarze Kopfleiste, die dem Nutzer das Google-Universum erschließt (und die übrigens stark an Twitter erinnert). Google Plus bekommt hier nicht nur den prominentesten Platz ganz oben links. Auch oben rechts macht ein rotes Feld auf Neuigkeiten aus Google Plus aufmerksam.
Das zeigt die enorme Bedeutung, die das jüngste Kind für Google hat. Der frühere CEO und heutige Chairman Eric Schmidt hatte jüngst eingestanden, das Thema Social vermasselt zu haben. Frühere Anläufe wie Google Buzz oder Google Wave kamen nicht über das Experimentierstadium hinaus.
Auch beim heißen Thema Privatsphäre setzt Google Plus jetzt Maßstäbe. Mit den Circles öffnen sich verschiedene Sphären von Teilöffentlichkeit und Semiprivatheit – und damit neue Möglichkeiten der Kommunikation jenseits der klassischen Dichotomie von „öffentlich“ oder „privat“. Jedenfalls in der Theorie.
Zudem zeigt sich in Google Plus das Werk der Data Liberation Front. So nennt sich nicht ganz ironiefrei eine Gruppe von Google-Ingenieuren, die an der Befreiung der Daten aus den Silos des Konzerns arbeitet. Google Plus bietet die Möglichkeit, alle nutzereigenen Daten herunterzuladen. Die Frage ist dann nur noch, was damit anzufangen wäre.
Datenportabilität (oder auch die Tragbarkeit von Daten) ist bis dato alles andere als selbstverständlich. Konsumenten sehen den allergrößten Teil der Daten, die sie heute im Netz hinterlassen, niemals wieder. Auch wenn das in vielen Fällen überaus nützlich wäre.
Is Google Finally Getting Social? Wird Google endlich sozial? Versteht Google endlich das soziale Web? Ich bin nicht sicher. Google Plus sieht gut aus, bietet ein paar nette, neue Features und lässt das immerhin möglich erscheinen. Der Wettbewerb mit Facebook tritt damit in eine neue Phase.
Sascha Lobo und die weltverbessernde Wirkung der digitalen Sache
Sascha Lobo hat noch lange nicht fertig. Schon auf der diesjährigen re:publica hielt er dem verdutzten Publikum eine zwölfminütige Strafpredigt. Heute nun legt er in seiner wöchentlichen Kolumne bei Spiegel Online noch einmal nach.
Viel zu oft transportieren wir in Diskussionen: „Wer nicht meiner Meinung ist, hat nicht nur unrecht, sondern muss dumm sein.“ Wir sind so sehr von der weltverbessernden Wirkung der digitalen Sache überzeugt, für die wir kämpfen, dass uns der Sinn für Diplomatie und Überzeugungskunst nicht nur abgeht, sondern von vielen für überflüssig gehalten wird. Selten würden wir uns mit weniger als der Maximallösung einverstanden erklären. Und das Schlimmste: Es kommt uns eigentlich viel eher darauf an, unsere Überlegenheit zu beweisen als eine Wirkung zu erzielen.
Ich für meinen Teil heiße diese Szene, der Sascha hier so fulminant den Spiegel vorhält, schon seit geraumer Zeit „digitale Besserwisser“. In die gleiche Kerbe haut die Beraterin Martina Pickhardt, wenn sie konstatiert:
Wir sind ein Volk der Berater geworden, die zwar super Vorschläge machen, wie es denn alles viel besser aussehen könnte im digitalen Deutschland, aber nicht die Verantwortung übernehmen wollen, es selbst umzusetzen.
Professionalitätsverweigerung. Ein anderes Wort fällt mir dafür nicht ein. Es wimmelt nur so von digitalen Statlers und Waldorfs. Leider aber nicht besonders witzig.
Zehn Jahre Wired zu verschenken!
Unter Buzz-Gesichtspunkten war es wahrscheinlich eine kluge Entscheidung, Thomas Knüwer zum Entwicklungsredakteur der deutschen Wired zu machen. Das hat Olaf Kolbrück schon am Mittwochfrüh geahnt und angedeutet.
Doch als Blattmacher ist Thomas Knüwer bislang nicht in Erscheinung getreten. Und er ist keinesfalls der erste Journalist, der sich daran versucht, das Zentralorgan des Cyberspace nach Deutschland zu transportieren. In den Kommentaren bei Felix Schwenzel kolportiert ein hjg:
Mitte der 90er hatte Andreas Schmidt, damals Chefredakteur von TV Today (G+J) auf meine Anregung hin G+J-Geld zur Verfügung gestellt und im unserem Hamburger Redaktionsbüro machte sich eine externe Mannschaft unter der wohlwollenden Aufsicht von Klaus Liedtke an die Arbeit. Gedieh bis zur Nullnummer, die auch die ersten Copy-Tests bestand und von der Original-WIRED-Mannschaft, damals mit deutschem Art Director, akzeptiert wurde. Letztendlich aber scheiterte das Projekt, weil sich die beteiligten Verlage (G+J / SPIEGEL / Conde Nast) nicht einig wurden. Genaueres haben wir nie erfahren.
Und Lorenz Lorenz-Meyer ergänzt:
An dem Mitte-der-90er-Jahre-Experiment mit Wired war neben G+J auch die Spiegel-Gruppe beteiligt, unter der Leitung von Dieter Degler. Art Director war glaube ich Uwe C. Beyer. Ich hab damals (Anfang 96 muss das gewesen sein) ein Bewerbungsgespräch gehabt mit Klaus Madzia, der Deglers rechte Hand war. Bin dann bei SpOn gelandet, und Degler und Madzia wurden, nach dem Scheitern des Wired-Projekts, meine Chefs. (Madzia wechselte kurz darauf zu Econy.)
Ich kann mich dunkel erinnern. Auf meinem persönlichen Radar erschien Wired mit der Zeit-Ausgabe 40/1994 vom 30. September 1994. Darin schrieb Aaron Koenig eine Hymne auf das Zentralorgan des Cyberspace. Trotzdem dauerte es offensichtlich noch bis Frühjahr 1995, dass ich Abonnent des Blattes wurde. In meiner bis heute erhaltenen Sammlung ist das Heft 3.03 vom März 1995 das erste.
Das lag auch an den Mondpreisen an deutschen Kiosken und daran, dass für ein (deutlich günstigeres) Abo eine Kreditkarte nötig war. Die bekam ich irgendwann kostenlos von der Deutschen Bahn in Form einer Bahncard mit Kreditkartenfunktion. Bahn und Citibank gaben das Projekt schnell wieder auf, meine Kreditkarte jedoch habe ich bis heute. Inzwischen kommt sie von der Targobank, nachdem die Citibank ihr hiesiges Privatkundengeschäft an Crédit Mutuel verkauft und diese den Kunstnamen Targobank eingeführt hat.
Wie die deutlich erkennbaren Gebrauchsspuren zeigen, habe ich das Heft damals intensiv gelesen. Ich war noch Student in Berlin und nebenbei freier Radiojournalist, hatte also genug Zeit für die Lektüre. Das Studium endete, die Jobs wechselten, schließlich auch die Stadt. Nur Wired blieb.
Die Sammlung wuchs, zog mehrfach mit mir um und verstaubt heute im Regal. Mit Heft 13.08 war nach gut zehn Jahren im Sommer 2005 schließlich Schluss. Ich habe mein Abo damals nicht mehr erneuert. Übrigens ein schöner Brauch in den USA – dort laufen Zeitschriftenabos nach einem Jahr aus und müssen erneuert werden, anders als bei uns, wo es einer Kündigung bedarf, um ein Abo zu beenden.
Warum habe ich damals nicht wieder verlängert? Von den Krisenjahren 2001ff. blieb auch Wired nicht verschont. Ich hatte inzwischen zu bloggen begonnen, und mein Leseverhalten verschob sich mehr und mehr von Print weg in Richtung Digital. Ob daran die deutsche Wired viel ändern wird?
PS: Meine Wired-Sammlung (3.03 bis 13.08, die Hefte 13.04 und 13.05 scheinen zu fehlen, mindestens ein weiteres Heft vermisse ich leider auch, dafür ist ein anderes doppelt vorhanden) würde ich gern abgeben. Entweder an Selbstabholer oder gegen Erstattung der Versandkosten. Sonst geht sie demnächst ins Altpapier.
PS2: Die Frage, warum es eigentlich keine deutsche Wired gibt, hat uns hier auf dem Fischmarkt schon vor ziemlich genau fünf Jahren beschäftigt.