OpenSocial in Deutschland?

„Facebooks FBML/FQL wird der Standard für Social Networks werden“, prophezeite Nico Lumma im Sommer. So kann man sich irren. Mit einem über Monate hinweg vorbereiteten Coup hat Google die Networkingbranche geeint und mit OpenSocial einen anbieterübergreifenden Standard etabliert. Oder wenigstens ins Leben gerufen. Ob zum Schaden für Facebook, darüber sind die Auguren noch uneins.

Aus Deutschland sind immerhin zwei Anbieter gleich zum Start dabei. Mit Xing war zu rechnen, kündigt doch Lars Hinrichs seit Jahren Monaten eine Programmierschnittstelle an, mit der Dritte kontrolliert auf Xing-Daten zugreifen können. Bezeichnend ist jedoch für den traurigen Zustand des Reichweitenkönigs StudiVZ, dass dort weder das Vorbild Facebook kopiert noch OpenSocial adaptiert wird.

Stattdessen ist der Eventplattform amiando eine echte Überraschung gelungen: Das Münchner Startup ist beim Start dabei. „In wenigen Wochen“ will amiando eine eigene Anwendung vorstellen. Für die Eventorganisation bietet OpenSocial einiges Potential. Denn das Thema Events ist für die meisten Nutzer zu schmal, um dafür ein Profil auf einer separaten Plattform zu pflegen.

Mit OpenSocial bieten sich nun zwei Wege für die weitere Expansion an: amiando kann sich Präsenz auf anderen Plattformen verschaffen oder Daten von anderswo integrieren, zum Beispiel um die Nutzerprofile aufzuhübschen. Zunächst geht amiando den ersten Weg, aber prinzipiell sind beide Wege sind möglich und sinnvoll.

In der neuen Welt von OpenSocial zeichnet sich eine gewisse Arbeitsteilung ab. Auf der einen Seite stehen die großen Plattformen, auf denen sich die Nutzer registriert haben. Hier liegen die Profildaten und die Adressbücher mit den Kontakten der Nutzer. Auf der anderen Seite befinden sich die Anwendungsentwickler. Dort liegt der Fokus bei Funktionen, Unterhaltung oder Information.

OpenSocial ist der Marktplatz, auf dem sich beide Gruppen treffen. Hier tauschen sie Profil- und Kontaktdaten gegen Funktionen, Unterhaltungs- und Informationsformate. Plattformen wie MySpace oder Xing bereichern sich nach dem erfolgreichen Vorbild von Facebook um zusätzliche Funktionen, ohne sie selbst entwickeln zu müssen. Entwickler bekommen Zugang zu großen Nutzergruppen, ohne sie selbst rekrutieren zu müssen.

Das Web 2.0 steht vor einer Konsolidierungswelle. Wenn ich heute meinen Firefox starte, gehören die ersten zehn bis 15 Karteireiter nur den sozialen Netzwerken, angefangen von Google Mail und Reader über Twitter, Jaiku, Pownce und Brabblr bis zu Facebook, StudiVZ, Plaxo und Xing sowie upcoming.org und wevent. Einige davon sind bereits auf Facebook präsent, auch wenn die Einbindung im Detail häufig noch zu wünschen übrig lässt.

Meine Adressbücher sind heute auf diversen Systemen verteilt, von Outlook und Mobiltelefon über Google Mail und Xing bis zu Facebook, Twitter und Plaxo. Auf keinem einzigen System habe ich ein wirklich vollständiges Adressbuch.

Mit OpenSocial beginnt nun eine neue Runde, die das Gesicht des Web stark verändern wird. Was TCP/IP für Computernetze und XML/RSS für Nachrichten, Informationen und Konversationen waren, kann OpenSocial für Profildaten, Kontakte und Funktionen werden – ein universelles Austauschformat. OpenSocial kann es dem Nutzer ersparen, die immer gleichen oder wenigstens ähnlichen Daten über Profil und Kontakte wieder und wieder in neue Umgebungen einzupflegen, nur um sich für einfachste Funktionen bei der hundertfünfzigsten Plattform zu registrieren.

In dieser Konsolidierungswelle werden wir weniger spektakuläre Unternehmensübernahmen sehen als vielmehr fluide Nutzungsszenarien auf den großen Plattformen und schnelle Karrieren kleiner, aber wendiger Startups mit lustigen Nischenthemen.

Doch zuvor muss OpenSocial erst einmal ausgerollt werden. Derzeit scheint es da noch ein paar kleinere Sicherheitsprobleme zu geben.

In der Zwischenzeit interessiert mich eine Frage, auf die ich noch keine Antwort gefunden habe: Wer ist, neben Xing und amiando, in Deutschland sonst noch an Bord? Welche Pläne gibt es? Wer kündigt was an? Bitte Kommentar oder Trackback hinterlassen.

Es ist alles dabei

Das Thema auf dem Fischmarkt: Micropublishing. Heute: Wie finde ich Freunde? Und was schreiben die da?

Bis vor kurzem war es bei Twitter praktisch unmöglich, irgendjemanden zu finden. Jetzt gibt es immerhin eine einfache Suchfunktion und einen Adressbuchabgleich, wenn auch bis jetzt nur mit Gmail. Doch die Suchfunktion hat ihre Tücken bei Leuten, die statt ihres echten Namens ein Kürzel, einen Spitznamen oder einen nom de guerre verwenden.

Der Adressbuchabgleich wird immer mehr zum Standard für Social Software. Die meisten Dienste beschränken sich allerdings auf einen simplen Import mit anschließender Einladungsmassenmail – social spam, sozusagen. Twitter hingegen sagt mir, wie übrigens auch Facebook, wer aus meinem Adressbuch bereits dort ist. Diese Menschen muss ich nicht erst überzeugen, und zudem kann ich direkt sehen, was sie schreiben.

Micropublishing

Denn das ist ohnehin die große Frage: Was gibt es bei Twitter & Co. eigentlich zu lesen? Wenn context king ist, was ist dann mit dem content? Klare Sache – der Inhalt ist genauso alpha oder bestenfalls beta wie die Plattformen, auf denen er publiziert wird. Wir erleben gerade einen übergroßen Betatest.

Das inhaltliche Spektrum reicht vom persönlichen Befinden über Hinweise auf Blogeinträge oder aktuelle Ereignisse bis zur Live-Berichterstattung und Mitteilungen über die Verrichtung der Notdurft. Es ist alles dabei. Was ist daran spannend? David Berlind vergleicht Twitter mit Bloomberg oder Reuters:

Investors subscribe to these services and sit in front of giant consoles as editors from these organizations spit out one-liners at them — one-liners with material information to investors — in near real-time. In other words, if there’s a reporter at a financial briefing for some public company and an executive of that company makes an important forward looking statement, that statement will appear on the consoles of thousands of investors within seconds of it being uttered.

On the investor side, there’s a stream of these one-liners about everything that’s important to them flowing by their consoles like a river. The secret sauce is not just in the business process (a chain of talented writers and editors who feed the system), but also in the infrastructure that facilitates that process: a proprietary infrastructure that, as far as I can tell, has been completely cloned by the likes of Twitter and Twitter-competitor Pownce.

Publishing one-liners takes only as long as it takes to type the one-liner. Subscribing to a source of one-liners the way an investor might subscribe to Bloomberg’s information services takes only seconds as well. Whereas Bloomberg puts a sophisticated system in the hands of an exclusive group of people on a private network, Twitter and Pownce make such a system available to everyone on the Web.

Dieses Potential von Twitter, Pownce & Co. wird bis dato nicht annähernd ausgeschöpft. Wie sollte es auch? Es hat einige Jahre gebraucht, bis Blogging so weit war, wie es heute ist. (Und der deutsche Sprachraum hinkt dem angelsächsischen immer noch und mit immer größerem Abstand hinterher.)

Micropublishing bringt neue Möglichkeiten für den Einzelnen, aber auch für Gruppen, Projekte, Unternehmen und Institutionen. Welche das sind, dazu demnächst mehr an dieser Stelle.

Eine andere Strategie für StudiVZ

Ein Nachtrag zur StudiVZ-Testwoche. Der Vollständigkeit halber. Bis jetzt erschienen:

Welche Alternativen hätte StudiVZ zu seiner derzeitigen Strategie, die auf schnelle Expansion in neue Märkte, Profitabilität und minimale Investitionen in Technik und Produkt setzt? Der Schlüssel liegt bei den Investitionen und erfordert eine 180-Grad-Wende weg von kurzfristiger Profitabilität. Was wäre zu tun?

Fischmarkt testet StudiVZ

  1. Markenwechsel: StudiVZ braucht einen neuen Namen, um in neue Nutzersegmente (Schüler, Alumni) und andere europäische Märkte expandieren zu können, ohne jeweils unter einer anderen Marke auftreten zu müssen. StudiVZ muss zu einer Marke werden – und die studentische Subkultur zurückdrängen, um neue Nutzergruppen anzusprechen.
  2. Technik und Produkt: StudiVZ muss den Rückstand zu Facebook aufholen, die fehlenden Features nachbauen und das Produkt auf den heutigen Stand bringen. Und sei es nur, um sich für den noch für 2007 angekündigten Start eines deutschsprachigen Facebooks zu wappnen.
  3. Offene Plattform/API: StudiVZ muss seine Plattform nach dem Vorbild von Facebook öffnen. StudiVZ muss die von Facebook gesetzten Standards Facebook API, Facebook Query Language (FQL) und Facebook Markup Language (FBML) implementieren.

Und warum? Um dem Schicksal zu entgehen, das droht, falls die heutige Strategie beibehalten würde: dem Weg vom Star zur Cash Cow eines Medienkonzerns – oder zum Exit*.

* Exit im Sinne von Ausstieg aus einer Beteiligung, nicht im Sinne von Exitus.

Eine Strategie für StudiVZ

StudiVZ-Testwoche beim Fischmarkt. Letzter Tag und vorläufiges Fazit.

Die Erfolgsgeschichte des StudiVZ handelt von atemberaubend schneller Expansion in einer genau umrissenen Zielgruppe. In etwa 18 Monaten gelang es, so gut wie alle deutschsprachigen Studenten auf der Plattform zu verzeichnen. Heute sind 2,9 Millionen Mitglieder registriert – mehr als es Studenten in Deutschland gibt.

Die Zielgruppe ist also ausgeschöpft, und folglich richtet sich der Expansionsdrang nun in jene europäischen Länder, die noch nicht von einer anderen Studentenplattform besetzt sind. Und für die Schüler gibt es den Ableger SchülerVZ mit über einer Million Nutzern.

Fischmarkt testet StudiVZ

Seit der Übernahme durch Holtzbrinck ist neben die schnelle Expansion ein zweites Ziel getreten: das schnelle Geld. Der neue StudiVZ-Chef Marcus Riecke ist angetreten, um für den Medienkonzern endlich Geld zu verdienen. Am Ende dieses Jahres oder Anfang des nächsten soll es soweit sein.

Technisch und funktional liegt StudiVZ mittlerweile um Lichtjahre hinter Facebook zurück. Doch das scheint für das Management kein Problem zu sein: „Wir glauben nicht, dass für die Nutzer automatisch mehr Wert entsteht, wenn man die Seite mit noch mehr Technik belädt“, sagt Marcus Riecke.

Und Technik-Chef Dennis Bemmann meint: „Für Facebook gibt es inzwischen Tausende neue Applikationen. Aber eine, die richtig praktisch ist und einen Mehrwert bietet, habe ich noch nicht gesehen.“ Was nur bedeuten kann, dass er entweder nicht richtig hingeschaut hat oder leugnet, was er gesehen haben muss.

Die heutige Strategie von StudiVZ lautet also:

  • Schnelle Expansion in neue Märkte mit jeweils anderen Marken.
  • Schnelle Profitabilität in Märkten mit De-facto-Monopolstellung.
  • Keine Investitionen in Technik und Produkt, die zu Lasten der Profitabilität gehen würden.

Ist diese Strategie richtig, verspricht sie Erfolg? Es kommt auf die Definition an. Wenn Erfolg heißt, die gewonnene Nutzerbasis früher oder später für teures Geld an Facebook zu verkaufen und bis dahin kleine operative Gewinne zu erwirtschaften, dann ist die Strategie vielleicht richtig. Vielleicht, weil es keine Garantie gibt, dass Facebook nicht aus eigener Kraft den europäischen Markt erobern wird.

Die Strategie von Facebook ist eine diametral andere:

  • Schnelle Expansion in neue Märkte mit der eigenen Marke.
  • Keine Profitabilität zu Lasten der Investitionen in Technik und Produkt.
  • Schnelle Weiterentwicklung von Technik und Produkt durch die Öffnung der Plattform für Drittanwendungen.

Schon der Name gibt Facebook einen enormen strategischen Vorteil gegenüber StudiVZ, denn er lässt Raum für eine weltweite Expansion. StudiVZ müsste sich erst umbenennen, was zwar möglich ist (siehe Xing), aber den Charakter der Plattform stark verändern würde.

Facebook ist ein Markenprodukt, StudiVZ hingegen auf dem besten Wege vom Star zur Cash Cow eines Medienkonzerns – oder zum Exit.

Gruppendynamik

StudiVZ-Testwoche beim Fischmarkt. Der vierte Tag.

Wer wie ich als Neuling durch StudiVZ irrt, dem fällt schnell auf, welch überragende Bedeutung die Gruppen haben. Es gibt je nach Quelle fast oder mehr als eine Million davon.

Und weil StudiVZ im Vergleich zu Facebook außer Unmengen von Profilen und Fotoalben nicht viel zu bieten hat, drückt sich in den Gruppen der kollektive Spieltrieb der verzeichneten Studenten am kräftigsten aus. So war es auch kein Zufall, dass Aimaq Rapp Stolle Interactive mit den Namen von drei skurrilen und relativ mitgliederstarken Gruppen Werbung für StudiVZ zu machen versuchte.

Fischmarkt testet StudiVZ

„Meine Gruppenliste sagt mehr über mich aus als mein Profil“, heißt eine Gruppe mit 21.451 Mitgliedern. Und recht hat sie, schließlich lässt sich per Beitritt zu einer Gruppe das eigene Profil am schnellsten und einfachsten individualisieren. Bei Facebook kann ich unzählige Anwendungen hinzufügen und mein Profil per Drag & Drop umbauen – nichts davon bietet StudiVZ. Außer eben – Gruppen.

Eine Gruppe ist schnell angelegt. Da gibt es kaum Unterschiede zwischen Facebook und StudiVZ. Es überrascht nicht, dass Facebook auch diesen Vorgang inzwischen elegant weiterentwickelt hat. Ich kann dort sehr einfach meine Friends einladen und damit die Gruppe bevölkern. Der gleiche Prozess bei StudiVZ ist kompliziert und langsam.

Meine neue Facebook-Gruppe hat schon 20 Members. Bei StudiVZ sind wir bis jetzt erst zu viert. Aber das wird sich wohl noch ändern.

Facebook hat übrigens, nur am Rande bemerkt, echte Links nach außen. Das ist irgendwie praktischer als die toten, nicht klickbaren URLs im StudiVZ.

Die Fischmarkt-Gruppen bei Facebook und im StudiVZ

Das offene Verzeichnis

StudiVZ-Testwoche auf dem Fischmarkt. Der dritte Tag.

Warum ist denn Dein Profil privat, wurde ich gestern gefragt. Das kannte ich so von Facebook, war meine Antwort.

Mein Profil dort ist nur für meine 66 Friends und meine beiden Networks sichtbar, also für die immerhin 54.536 Mitglieder im Network Germany und die 571 Mitglieder im Network FU Berlin. StudiVZ kennt gar keine Networks, wie ich sie von Facebook kenne. Die Suche nach „FU Berlin“ liefert ungefähr 299 Treffer, aber das können ja nicht alle sein. Oder?

Fischmarkt testet StudiVZ

Heute morgen habe ich mein StudiVZ-Profil wieder geöffnet. Das scheint dort die Grunderwartung zu sein – alles ist offen. StudiVZ bietet sehr viel geringere Möglichkeiten für die Konfiguration der Privatsphäre als Facebook:

  • Die Kontaktdaten sind immer nur für Freunde sichtbar. Nicht einstellbar.
  • Ich kann einstellen, ob ich als Besucher auf den Seiten anderer Leute sichtbar sein will oder nicht. Das kann ich bei Facebook gar nicht sehen und also auch nicht einstellen.
  • Will ich auf der Startseite anderer Nutzer mit meinem Profil vorgestellt werden?
  • Und wird mein Onlinestatus angezeigt oder nicht, können also andere sehen, ob ich gerade im StudiVZ unterwegs bin?
  • Außerdem kann ich andere Nutzer ignorieren.

Das ist alles. Verglichen damit habe ich bei Facebook detaillierte Möglichkeiten, den Grad meiner Öffentlichkeit zu bestimmen. Facebook ist auch in diesem Punkt sehr viel komplexer und weiter fortgeschritten als StudiVZ.

StudiVZ gibt mir mit einer simplen Anmeldung im Prinzip fast uneingeschränkten Zugriff auf alle Profile. Es ist also eher eine Art Telefonbuch, eben ein Verzeichnis im Wortsinn, und ein Micropublishing-Werkzeug für eine definierte Zielgruppe.

Mich erstaunt, dass StudiVZ nach den Debatten der letzten zehn Monate in Sachen Privatsphäre nicht sehr viel von Facebook gelernt hat. Die Plattform fasst sich auch in diesem Punkt sehr viel gröber an als ihr großes Vorbild. Das mag Gründe haben, die ich noch nicht kenne. Aber es bleibt doch bemerkenswert.

Mein erster Tag im StudiVZ

StudiVZ-Testwoche auf dem Fischmarkt. Heute der zweite Teil.

Meine Immatrikulation – ja, so witzig sind die Jungs – bei StudiVZ war kein Problem. Eine Matrikelnummer wird nicht gefordert, noch nicht einmal eine universitäre Mailadresse. Facebook hat immerhin eine Mailadresse meiner ehemaligen Hochschule abgefragt, um jenem Uni-Network beitreten zu können.

Die ersten Freunde sind schnell gefunden. Trotz meines fortgeschrittenen Alters kenne ich den einen oder anderen Studenten, und selbst Freunde und Bekannte aus der Schulzeit sind schon vereinzelt auf StudiVZ vertreten. Schmerzlich vermisse ich sofort den sagenhaften Mini-Feed von Facebook, der mich über das Tun und Lassen meiner Friends dort auf dem Laufenden hält.

Fischmarkt testet StudiVZ

Die Basisfunktionen sind mir allesamt von Facebook vertraut. Sie sehen auch genauso aus, vom im Vergleich zum ruhigen Blau etwas penetranten Rot einmal abgesehen. „Poke“ heißt hier „Gruscheln“, sonst ändert sich nix. Der bemüht studentische Jargon von StudiVZ macht mir klar, dass ich auf StudiVZ nichts zu suchen habe.

Die Plattform fühlt sich insgesamt eher hakelig an. Zum Beispiel liefern „Zurück“-Buttons häufiger mal nicht die erwartete vorige Seite, sondern springen irgendwohin zurück. Und die Popups mit Hinweisen wie „Nachricht wurde verschickt!“ nerven auch.

Der Adressbuch-Abgleich, in meinem Fall mit Gmail, funktioniert zwar und meldet mir auch zehn Bekannte bei StudiVZ – sagt aber nicht, welche das sind. Ich kann dann immerhin Masseneinladungsmails an mein gesamtes Adressbuch verschicken. Gut, eine Erklärung für die rasante Verbreitung wäre damit gefunden: user-generated spam.

StudiVZ fehlt alles, was Facebook in jüngster Zeit interessant und spannend gemacht hat: ein aussagekräftiger Newsfeed auf der persönlichen Startseite und zahllose Anwendungen von Dritten.

Facebook kann damit sehr einfach und sehr stark personalisiert und zugleich mit anderen Webdiensten verbunden werden. Der umzäunte Garten von Facebook ist dadurch in einer Richtung (von außen nach innen) sehr offen. In der Gegenrichtung (von innen nach außen) gibt es bislang erst wenige RSS-Feeds und die klassische Nachricht per Mail.

Bei StudiVZ: Fehlanzeige. Keine Anwendungen, keine RSS-Feeds. Dafür aber Leute in Hülle und Fülle. Die Stärke von StudiVZ ist die unglaublich hohe Durchdringung der Zielgruppe. Wer mit Studenten zu tun hat oder kommunizieren will, der kommt in Deutschland nur schwer an StudiVZ vorbei.

Mein Profil bei StudiVZ ist hier.

StudiVZ im Selbstversuch

Fischmarkt testet StudiVZ

Kann das sein? Es ist die nach (von der IVW gemessenen) Seitenabrufen größte Website in Deutschland, und ich kenne sie nicht von innen? Ist die Tatsache schon hinreichend gewürdigt, dass diese gewaltige Menge an Seitenabrufen hinter Schloss und Riegel einer digitalen Gartenmauer stattfindet? Und was ist überhaupt so spannend an StudiVZ?

Zuerst gehört habe ich von StudiVZ aus dem Munde von Lukasz Gadowski, einem der frühen Investoren, im zeitigen Frühjahr 2006. Von phänomenalem Wachstum war damals die Rede, vom US-Vorbild Facebook und vom ominösen Gruscheln, einem der eingebauten viralen Effekte von StudiVZ. Auf dem T-Shirt der next10years vom Mai 2006 steht „studivz“ in der zweiten Reihe von oben.

Skandale und Skandälchen pflastern den Weg vom Startup zum Holtzbrinck-Unternehmen und Seitenabrufmilliardär. StudiVZ ist ein Facebook-Klon, kämpfte zeitweise mit technischen Unzulänglichkeiten und geriet im Herbst 2006 ins Visier eines gewissen Don. Und erst jüngst machte StudiVZ Schlagzeilen mit wenig geschmackssicheren Werbevideos.

Heute hat Marcus Riecke, zuvor bei Ebay, Bertelsmann und Lycos tätig, den Chefposten bei StudiVZ übernommen. Zeit also für eine Bestandsaufnahme: Was kann StudiVZ, wo sind die Stärken und Schwächen? Und vor allem: Wie sieht StudiVZ im direkten Vergleich mit Facebook aus?

Und Zeit für einen Selbstversuch: Ich werde mich bei StudiVZ immatrikulieren, mein Profil einrichten und mir Freunde suchen. Zu bemerken ist schon ein erster Unterschied zu Facebook – die Sprache. StudiVZ pflegt schon vor dem Zauntor einen eigenen Jargon. Ich gehöre nicht zur Zielgruppe, das steht wohl fest.

Bei Facebook bin ich übrigens hier zu finden. Falls Sie dort Kontakt aufnehmen möchten. Und bei StudiVZ? Dazu morgen mehr an dieser Stelle.

Mal Vorbild sein?

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Was rät man der 16jährigen Nichte, die nicht weiß, was jobtechnisch aus ihr werden soll? Soll sie doch mal Fellowweb in den Browser eingeben und auf einer Internetplattform für Berufsanfänger landen. Die will der beruflichen Orientierungslosigkeit von Jugendlichen entgegenwirken und bei Berufs- und Studienwahl helfen.
Und man selbst kann als Berufstätiger auch gleich noch Vorbild sein, eine Mentorenfunktion übernehmen nämlich und bei Fellowweb das eigene Profil „spenden“ – das den eigenen Bildungsweg samt Zufriedenheit aufzeigt.
Vielleicht hilft das tatsächlich beim Finden von Interessen und Stärken – was das Anfänger-Hauptproblem zu sein scheint. Ich geh‘ jedenfalls spenden.