Korrigiert

Das Statistische Bundesamt hat seine Einzelhandelsbilanz für 2004 und 2005 korrigiert. Nach dem neuen Zahlen fiel das Minus im Dezember mit 0,5 Prozent nominal und 0,9 Prozent real (=preisbereinigt, also um die Inflationsrate korrigiert) geringer aus als Anfang Februar gemeldet (-1,2/-1,6). Das Plus im Gesamtjahr lag mit 1,5 Prozent nominal und 1,1 Prozent real entsprechend höher (1,2/0,7).

Besonders auffällig: Der Versandhandel wuchs im Dezember mit 6,3 Prozent nominal und 7,2 Prozent real noch erheblich stärker als zunächst gemeldet (3,4/4,2). Der schon Anfang Februar zu sehende Trend, nach dem sich die Abhängigkeit des Versandhandels vom Weihnachtsgeschäft erhöht, ist noch stärker als bislang zu erkennen war.

Der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE) und das Statistische Bundesamt liegen übrigens in Sachen Umsatzstatistik nach wie vor über Kreuz. Zwar stellt Verbandspräsident Hermann Franzen nun konziliant fest:

Die nun vorliegenden Daten kommen den Ergebnissen deutlich näher, die der HDE auf Basis einer eigenen Umfrage ermittelt hat.

Anfang Februar hatte der HDE jedoch noch „fest mit einer Korrektur“ gerechnet.

Man könnte den Eindruck haben, dass sich das Statistische Bundesamt mit den Vorzeichen vertan hat“, hatte HDE-Sprecher Hubertus Pellengahr erklärt. Das gelte sowohl für die Einschätzung zum Gesamtjahr wie zu den Dezember-Ergebnissen.

Der HDE gehe nach wie vor davon aus, dass das Ergebnis für den Dezember positiv ausfallen wird. Das Geschäft sei im Dezember zwar wechselhaft verlaufen, in einigen Wochen besser als in anderen, aber „es besteht gar kein Zweifel daran“, dass das Ergebnis positiv sein werde, sagte Pellengahr. [Dow Jones]

Wer nicht vertikalisiert…

..verliert! Das Credo des Fischmarktes, wissenschaftlich fundiert und ausführlich dargelegt in der FAZ vom Montag (leider nicht online). Was BWL-Professor Joachim Zentes und sein Mitarbeiter Michael Neidhart in zähem Wissenschaftsdeutsch vortragen, fasst der Vorspann wie folgt zusammen:

Die gestiegene Macht des Handels führt dazu, daß Hersteller verstärkt neue Vertriebswege und Distributionskanäle aufbauen. Die starke Einkaufsmacht des Handels wirkt damit als Katalysator der Vertikalisierung. Während Handelsunternehmen zunehmend Vorstufen des Wertschöpfungsprozesses im Sinne einer beschaffungsmarktorientierten Vertikalisierung an sich binden, suchen Konsumgüterhersteller in einem verstärkten Ausmaß den direkten Konsumentenkontakt.

Vertikalisierung
Vorreiterbranchen dieser Entwicklung sind die Textilindustrie, aber auch die Automobilindustrie und die Glas-, Porzellan- und Keramikbranche. Und auch der gute, alte Multichannel-Vertrieb ist wieder da:

Konsumgüterhersteller gehen ferner verstärkt dazu über, parallel mehrere Absatzkanäle einzuschalten. […] Beispielhaft kann hier der Sportartikelhersteller Nike erwähnt werden, der sowohl den selbständigen Fachhandel beliefert (traditionelle Distribution) als auch über eigene Flagship-Stores, Offprice-Stores und das Internet in Eigenregie seine Markenartikel distribuiert.

Lesen! Kostet im FAZ-Archiv 2,50 Euro.

Goodbye Duttenhofer – hello Media Markt

Duttenhofer
"Media-Saturn kauft Duttenhofer", titelt die Main-Post nicht ganz zutreffend. Zwar gibt Duttenhofer sein Stammgeschäft in der Würzburger Innenstadt und seine drei unter der Zweitmarke Top 3 betriebenen Standorte in Bad Neustadt, Würzburg und Schweinfurt ab – dort allerdings erzielt Duttenhofer nur noch zehn Prozent seines Umsatzes.

Das Gros ihrer über 300 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet die "Traditionsfirma" (Main-Post) im europäischen Versandhandel unter sechs Marken, von denen Technikdirekt.de als Endkundenmarke die bekannteste sein dürfte. "Die größte Expansion", vermerkt lapidar die Website, "fand in den letzten zehn Jahren in diesem Bereich statt". Und:

Eng verbunden mit dem Erfolg des Versandhandels ist der professionelle
Auftritt im Internet. Jeder der sechs Versender präsentiert sich in
einem eigenen Internetshop mit zukunftsweisender Shoptechnik.

Man mag das Ende (und es ist ja eines, auch wenn Rolf Duttenhofer in der Main-Post erklärt, in Media-Saturn "einen Partner gefunden zu haben,
der die vier Märkte erfolgreich weiter betreiben wird und allen
Mitarbeitern eine Perspektive bietet") eines Lokalmatadors bedauern und die fortschreitende Uniformierung der Innenstädte beklagen. Doch es scheint eng zu werden für stationären Einzelhandel, der sich den Maximen "Ich bin doch nicht blöd" und "Geiz ist geil" verweigert. Und umgekehrt betrachtet: Duttenhofer ist auch nicht der erste Versandhändler, der seine Wurzeln im stationären Handel hat.

[Danke für den Hinweis an Björn Schotte!]

Der Restbestand der Woche

Schon wieder Freitag. Also schnell weg mit allem, was weg muss hier auf dem Fischmarkt. Was habe ich da in meiner Kiste?

  • The End of Shopping The End of Shopping beschwor Walter Kirn am vergangenen Wochenende im Magazin der New York Times. Er beschreibt die denkbaren Konsequenzen einer einfachen Technologie: Mobilfunkgeräte mit eingebauten Barcode-Scannern, die einen Echtzeit-Preisvergleich via Internet erlauben. Das wahrscheinliche Resultat: Preisunterschiede und damit die Jagd nach dem Schnäppchen gehören der Vergangenheit an. Händler müssen andere Differenzierungsmerkmale suchen – oder gnadenlos den billigsten Preis anbieten. [Exciting Commerce]
  • Keyword Prices Tumble
    Um satte elf Prozent sind die Keyword-Preise im Suchmaschinenmarketing im November gegenüber dem Vorjahresmonat gefallen. Sagen jedenfalls die Zahlen von Fathom Online und berichtet Online Media Daily. Am stärksten gesunken sind die Preise in den Sparten Einzelhandel, Dienstleistungen für private Verbraucher und Finanzen. [Adverblog]
  • Combots
    "Bloß keine alten Pappen verbrennen!" So spottet Andreas Rodenheber über eine Präsentation von Combots, die ihn stark an die späten 90er erinnert. Bubble 2.0? [Werbeblogger]
  • Milliondollarhomepage
    Man kann es aber auch untertreiben. Meint Wolfgang Sommergut und liest der "trostlosen deutschen Debatte über Web 2.0" die Leviten. Als Anlass und abschreckendes Beispiel dient ihm ein Spiegel-Online-Stück mit dem programmatischen Titel "Ich wär so gern Pixelmillionär". Sein Fazit, trocken aber wahr: "Während in den USA grundlegende Aufsätze wie jener von O’Reilly, zu AJAX oder Folksonomies den Boden für das Social Web bereiteten, gab es bei uns keine eigenständige Auseinandersetzung mit den neuen Entwicklungen im Web. Mit einiger Verspätung wurde schließlich hier die amerikanische Diskussion bruchstückhaft rezipiert. Um sich Vorurteile bilden zu können, reicht das aber offenbar." [Wolfgang Sommergut]

Und nächste Woche erzähle ich, wie ich Snarf finde, den Social Network and Relationship Finder von Microsoft Research. Gerade installiert.

Dringender Hinweis

Jochen Krisch liest auch Abseitiges. Zum Beispiel die Pressemitteilungen des Bundesverbandes des Deutschen Textileinzelhandels (BTE). Eine dringende Warnung vom 27. September:

"Der BTE appelliert deshalb eindringlich an alle
Hersteller, keine eigenen Online-Shops zu installieren und zu
betreiben, sondern die Internet-Surfer auf die eigenen Handelspartner
zu verweisen bzw. zu verlinken. Es darf nicht sein, dass der Hersteller durch seinen virtuellen Shop dem Einzelhandel praktisch "vor Ort" Konkurrenz macht.

Absolut unakzeptabel wäre es darüber hinaus, wenn …"

Hier mehr.

Höchst erfreulich, dass der Verband in eigener Sache Klartext spricht. Es gibt ja durchaus historische Beispiele dafür, dass es etablierten Spielern gelingen kann, ein neues Medium zu monopolisieren. Zum Beispiel das kommerzielle Radio: Es wird praktisch flächendeckend von Zeitungsverlegern beherrscht und zur banalen Musikmaschine bar jedes publizistischen Anspruchs erniedrigt. RTL muss da schon als Beitrag zur Vielfalt gelten.

Frage an Radio Eriwan: Wäre ein solches Monopol auch im E-Commerce denkbar? Antwort: Im Prinzip nicht, aber die Profitrate der Ebay-Powerseller ist schon drastisch gesunken…

Luxus per Mausklick

VuittonLouis Vuitton nimmt den Kampf mit Ebay auf. Der Luxusmodehersteller will, so kündete gestern die FTD, künftig seine Produkte selbst über das Internet verkaufen. Das ist natürlich Wasser auf die Gebetsmühlen des Fischmarktes. Denn diese absehbare Entwicklung hat Matthias Schrader als eine treibende Kraft für den neuen Rock’n’Roll-Faktor des E-Commerce ausgemacht. Seine These:

Weil die stationären Vertriebsformen in Deutschland mächtiger
als anderswo erscheinen, zögern viele Hersteller in den Direktvertrieb
einzusteigen. Ein folgenschwerer Fehler. Der mündige Konsument von
heute will direkt kaufen, kann er dieses nicht, weicht er aus – zum
Beispiel auf Ebay. Die Hersteller treiben durch ihre Angst vor dem
Direktvertrieb Ebay die Kunden in Scharen zu. In keinem Land weltweit
gibt es eine so hohe Penetration von Ebay-Accounts wie in Deutschland.
Und über keinen anderen Mittler gerät die Marke so unter die Räder.

Auch Louis Vuitton verkauft schon seit fünf Jahren online – aber nur in den USA. Und das hat die Edelmarke mit vielen ihrer Wettbewerber gemeinsam. Insofern könnte von dieser Ankündigung eine Signalwirkung ausgehen. Also, liebe Dienstleister: Geht auf die Straße Roadshow! Verkündet die frohe Botschaft allen Markenartiklern. Wer glaubt und sich gute und edle Shops bauen lässt, wird gerettet; wer aber nicht glaubt, wird von den Konsumenten verdammt werden…

Der Garantiefall im Online-Shop

Siemens_gigasets445_01Wie das so ist: Einerseits lockt der billige Preis, andererseits wünscht man sich alles, nur keinen Garantiefall. Aber egal, mit den gesparten Euros lassen sich die Bedenken gegen den Kauf bei einem mir bis dato völlig unbekannten Online-Shop gut wegschieben.

Die Lieferung war schnell, das Gerät gefiel – jedenfalls, bis der Lautsprecher an meinem Siemens Gigaset 445 ausfiel. Seit Wochen leiden private Telefonate darunter, daß ich nicht antworte, weil ich nichts höre oder damit beschäftigt bin, den Wackelkontakt durch sanftes Schlagen auf die Tischkante zu beheben. Weil ich Arges ahnte, schob ich die Reklamation lange vor mir her.

Die E-Mail-Anfrage beim Shopbetreiber führte zur ersten Überraschung: Die Antwort kam umgehend; Siemens übernimmt den Fall. Daß die Versender diesen Service an den Hersteller abgeben, finde ich sehr geschickt. (Für welchen Preis?) Das Ergebnis des rund dreiminütigen Telefonates mit Siemens: Ein Kurier holt das Gerät morgen ab, und ich erhalte es innerhalb von sieben Werktagen repariert zurück. So einfach kann E-Commerce sein.

Gratulation für diese (freiwillige?) Kooperation vor allem an die Hersteller. Gute Preise und echter Service sind überzeugende Argumente. Was jetzt noch fehlt, ist ein agiler Verband, der die Botschaft in die Welt trägt, daß E-Commerce auch dann Service kann, wenn es sich nicht um Tchibo oder Otto dreht.

Über die Fernbedienung in den Fernseher durch den Media-PC zum Internet

"Ist der Media-Center-PC mit dem Internet und dem Fernseher verbunden, hat der Nutzer über die Fernbedienung Zugriff auf den Warenbestand des Otto- Shops … Kunden sollen auf diesem Weg direkt vor dem Fernseher Waren aus einem Bestand von über 100 000 Artikeln des Versandhändlers per Fernbedienung bestellen können." (Quelle: Handelsblatt)

Der Otto-Shop  – das ist ja wohl weniger ein Shoppingkanal als das bestehende Online-Angebot. Wäre es da nicht einfacher gewesen, den Fernseher gleich ganz aus dem Spiel zu lassen und lieber direkt über PC-Monitor und Tastatur zu gehen? Vielleicht muß man es tatsächlich gesehen haben, um überzeugt zu sein.

Netzträume

HandelsblattWas die FAZ kann, kann das Handelsblatt schon lange: Und was dem einen sein zweites Web-Wunder, ist dem anderen die Serie Neue Netzträume. (Nebenbei bemerkt, liebes Handelsblatt: Ist eine auch online auffindbare Startseite für die Serie wirklich zuviel verlangt? Wie das geht, zeigen die Kollegen bei der FAZ. Die Popup-Grafik bei Euch rockt wirklich nicht. Die Adresse musste ich aus dem gedruckten Blatt abschreiben.)

In der heutigen 4. Folge befasst sich Tanja Kewes mit dem Einzelhandel. Zentrale Botschaft: Immer mehr Umsatz wandert vom stationären Handel und dem klassischen Versandgeschäft ins Web. Von dieser Entwicklung profitieren vor allem die großen Handelsunternehmen (Otto, KarstadtQuelle, Tchibo). Für alle anderen bleiben Ebay und das Amazon-Partnerprogramm. Lebensmittel gehen im Web gar nicht. Wachstum findet derzeit bei Software und digitaler Musik statt.

Otto trägt mit 2,2 Mrd. Euro Online-Umsatz im Jahr 2004 rund ein Viertel zum gesamten Umsatzvolumen bei. In ähnlicher Höhe bewegen sich übrigens die Zahlen von KarstadtQuelle: Bis Ende Juli erreichten die Internet-Portale aus dem Reich des Thomas Middelhoff ein Bestellvolumen von 1,03 Mrd. Euro.