Bei Durchsicht meines Feuerfuchses

Matthias Schrader meinte neulich, das Tabbrowsing sei eigens für uns Fischmarktbeschicker erfunden worden, damals in der schlechten Zeit, als es den Fischmarkt noch nicht gab und kein Mensch draußen in der Welt etwas vom Web wissen wollte. Womöglich hat er Recht.

Seit zwei Tagen weiß ich, dass ich mit dem Mausrad durch die Tiefen unzähliger Karteireiter navigieren kann. So findet sich die eine oder andere Preziose wieder, die ich der Leserschaft nicht vorenthalten möchte. Oder anders gesagt: Mangels Alternativen zumuten muss.

  • Warum das mobile Web nicht so recht in Gang kommt, aber es vielleicht doch noch Hoffnung gibt, erläutert die Technoloy Review in einem längeren Aufsatz (9.650 Zeichen).
  • Längere Suaden, gern auch zu Fischmarktthemen, schreibt André Schuster, ein Kollege aus dem dritten Stock, bei pixelschubsen.de.
  • iBusiness wird 3.0. Der Hightext Verlag wird 15 und feiert deshalb heute die Party 3.0. Herzlichen Glückwunsch! Ich bin schon fast auf dem Weg nach München.
  • Wer mit Web 2.0 so langsam durch ist und sich schon einmal auf Web 3.0 vorbereiten möchte, dem sei Dan Farber ans Herz gelegt: Web 2.0 isn’t dead, but Web 3.0 is bubbling up

Tim von Törne über seinen Wechsel zu Cellity

Tim von Törne (offizielles Pressefoto)

Tim von Törne (35) verlässt Skype und steigt bei Cellity ein. Cellity will im November eine neue Lösung für ein altes Problem auf den Markt bringen: hohe Mobilfunkrechnungen.

In Gummistiefeln standen Tim von Törne und Sarik Weber heute früh auf dem überfluteten Fischmarkt Rede und Antwort.

Welchen Grund hatten Sie, Skype zu verlassen und zu einem Startup zu wechseln?

Tim von Törne: Ich bin ein unternehmerisch geprägter Mensch. Meine bisherigen Aufgaben waren immer sehr unternehmerisch geprägt. So war es bei Skype, und so ist es nun bei Cellity.

Und Skype bietet nicht mehr genug unternehmerisches Potenzial?

Cellity gibt mir die Möglichkeit, mich noch stärker in die Geschäftsführung einzubringen und eben tatsächlich als Unternehmer tätig zu werden. Ich glaube an das Team und das Konzept.

Worin unterscheidet sich Cellity von herkömmlichen Callthrough-Angeboten?

Cellity ist intelligentes, vollautomatisiertes und eben einfach zu bedienendes Least Cost Routing vom Handy. Das haben wir so in der Form am Markt nicht gesehen und sehen einen Bedarf dafür.

Wenn mich nicht alles täuscht, hatte die Telekom mal etwas Ähnliches am Start. Das hieß easyisicall-by-call, war aber nicht übermäßig erfolgreich.

Im Mobilfunk haben wir ähnliche Lösungen noch nicht gesehen. Wir glauben daran, dass die meisten Handynutzer grundsätzlich mit der Höhe ihrer Handyrechnung nicht zufrieden sind, und somit glauben wir, dass es für unsere Lösung einen echten Markt gibt.

Wie sieht das Preismodell aus – gibt es fixe Minutenpreise, weiß ich als Kunde, was ich zahle?

Ja, der Nutzer weiß, was er zahlt. Aber noch wichtiger: Er kann sicher sein, dass es mit uns entweder günstiger ist, oder der Call läuft über seinen bisherigen Tarif. Also zusammengefasst: An uns zahlt er nur, wenn er wirklich spart.

Cellity startet als Beta im November – wie viele Kunden wollen Sie im ersten Jahr gewinnen?

Wir wollen den Betatest mit 5000 Lauten Leuten durchführen.

Sarik Weber: lauter Kunden 😉

Zahlenden Kunden, nehme ich an 🙂

Tim von Törne: Ja, das ist richtig.

Und dann? Keine Zahl für November 2007?

Auf jeden Fall sechsstellig, aber genauer können wir das leider noch nicht quantifizieren.

Jetzt gibt es drei Köpfe bei Cellity – wie sieht die Aufgabenverteilung aus?

  • Nils Weitemeyer, CEO (Strategie und Operations)
  • Sarik Weber, Vorstand Marketing und Vertrieb
  • Tim von Törne, VP Business Development (insbesondere Kooperationen)
  • Matthias Lanz, VP Engineering
  • Ben Körber, VP Produkt

Wir sind z.Zt. ca. zehn Leute fest und fünf Freelancer.

Sarik Weber: Matthias Lanz hat bereits über 10 Jahre mit Nils Weitemeyer erfolgreich zusammengearbeitet.

Tim von Törne: Benjamin Körber war Partner bei der Unternehmensberatung bpc intelligence, die sich auf die Beratung von Telko und Energieversorgern spezialisiert haben.

Wie ist Cellity finanziert?

Sarik Weber: Die cellity AG ist momentan ausschließlich mit Eigenmitteln finanziert.

Momentan heißt, es gibt Gespräche?

Tim von Törne: Ja, natürlich.

Wenn man die Presse so liest, dann ist da eine gewisse Skepsis zu vernehmen, was das Geschäftsmodell angeht. Ist nicht womöglich bald schon die Luft raus, weil Handytarife sinken?

Sarik Weber: Ist doch recht positiv 😉

Tim von Törne: Wir glauben, dass die großen Carrier noch lange versuchen werden, ihre Preise hoch zu halten. Somit wird es ein längeres Fenster für uns geben.

Waren die kritischen Stimmen also nur die üblichen Miesmacher?

Sarik Weber: Eine gesunde Skepsis zum Start ist immer gut. Als Lars openBC 2003 gegründet hat, wollte zunächst auch niemand an ihn glauben. Niklas Zennström hat bei der Gründung von Skype ein Jahr lang Geld gesucht.

Wie seht Ihr das – sitzt das Geld heute wieder lockerer?

Tim von Törne: Ich glaube, für gesunde Geschäftsmodelle war es immer möglich, Investoren zu finden. Aber sicher, die Zeiten sind definitiv wieder etwas positiver – wenn Team, Konzept und Timing stimmen.

Bis hierhin vielen Dank!

Foto: Cellity

Tim von Törne auf der Next 10 Years im Mai

mix06: Einfach nur crazy

Bevor sich unser Sonderkorrespondent in Vegas dem wohlverdienten Nachtschlaf hingab, übermittelte er uns noch einige erste Eindrücke, „schnell & dreckig aber frisch!“

Ich verstehe immer noch nicht, wie es Microsoft schafft, so viele Menschen mit Zukunftsthemen zu beschäftigen, die keinen Cent Umsatz machen, und trotzdem wirtschaftlich so erfolgreich zu sein. Dafür bewundere ich den Laden zutiefst.

Bill Gates ist ein schlechter Sprecher. Bill Gates ist ein sympathischer, irgendwie rein und jung wirkender Mensch.

Las Vegas ist einfach nur crazy (diplomatisch ausgedrückt). Bis jetzt hatte ich nicht eine Stunde Zeit, neben der Konferenz, dem Versuch zu arbeiten, dem Kampf mit 12 Stunden Zeitverschiebung (wenn ich wach sein muss, bin ich müde – wenn ich schlafen soll, bin ich hellwach) Las Vegas zu bewundern.

Mit der Adaption des Vernetzungs-Gedankens in die neuen Microsoft-Technologien ergeben sich in den nächsten Jahren sehr, sehr spannende Möglichkeiten. Auf einer reichweitenstarken Basis, weil halt Microsoft. Die gezeigten Beispiele sind hier sehr technisch geprägt („schau mal, das funktioniert“). Aus Business-Sicht noch nicht so sehr überzeugend.

Myspace ist auch hier. Unglaublich, die haben eine Server-Farm von „nur“ 150 Stück und sind die reichweitenzweitstärkste Seite im Internet. Besonders im Bereich Personalisierung entwickeln sie zur Zeit mit Atlas & Ajax. Hier geht es um Drag & Drop für personalisierten Content. Sehr überzeugend.

Microsoft baut an einem Ad-Center, was wohl eine Full-Service-Plattform für Werbung (noch online) werden soll. Theoretisch sehr spannend, praktisch wird es wohl noch dauern, bis es so einfach ist wie Aktien kaufen: mal eben Zielgruppe auswählen, Preislimits fürs SEM einstellen, etc. und fertig 😉

Wichtige Stichworte sind: Beyond the Browser, Vernetzung von Applikationen und Services, Ajax & Atlas, sehr viel Mobile!

Einige Einblicke in Smartclients für Endkunden konnte ich z.B. von BBC und North Face sehen. Ich bin auf weitere sehr gespannt.

Schnell sitzt man in einer Session, in der über APIs und Workflows philosophiert wird… 😉 Wenn es dann eigentlich 5 Uhr AM in Old Europe ist, werden die Augenlider sehr, sehr schwer.

Mobilfunkmarkt: Wer rettet hier wen?

Noch bevor UMTS überhaupt ins Laufen kommt, gibt es schon den Nachfolger HSDPA, der viermal schneller ist und – welch ein Durchbruch – den Musikdownload in Echtzeit ermöglichen soll. Die FAZ schreibt bewundernd:

Einmal eingeschaltet, sollen die Netze dazu taugen, zum Beispiel große Mengen Musik auf die Handys zu laden. Die Systeme und Musikbibliotheken dafür haben fast alle deutschen Netzbetreiber schon installiert. Entsprechend diesem Trend verändern sich aber auch die Endgeräte. Die Handys werden zu mobilen Musikplayern und können dank einer hohen Speicherkapazität auch größere Musiksammlungen problemlos speichern.

Verstehe ich das jetzt richtig? Reden wir von derselben Musikindustrie? Die mit rund 18 Mrd. Dollar Umsatz weltweit und den seit etwa zehn Jahren rückläufigen Zahlen? Sie soll der Heilsbringer der heißesten Boombranche überhaupt sein? Der Musikmarkt, der seit Jahren kaum noch Stars produziert, sich mit Themen wie illegalen Downloads verzettelt und ansonsten damit beschäftigt ist, den goldenen 90ern nachzujammern; damals, als die CD konkurrenzlos war und, für Pfennige produziert, alle, die im Geschäft waren, fett, faul und zufrieden machte? Die Branche, die genau weiß, daß die jetzt so hoffnungsvoll propagierten legalen Downloads die Abschiedsschmerzen nur abmildern, aber niemals vergessen machen können? Reden wir über dieselben Jungs, die seit etwa drei Jahren paralyisiert sind von einem einzigen Musikabspielgerät eines PC-Herstellers und noch nicht einmal eine Antwort darauf gefunden haben?
Nur damit wir wirklich über das gleiche reden: Der Mobilfunkmarkt machte 2005 etwa 580 Mrd. Dollar Umsatz weltweit. Das Wachstum wird noch viele Jahre weitergehen. Wie Gartner glauben viele, daß durch den Mobilfunk der Festnetzanschluß vollkommen überflüssig wird. Letzterer hält aktuell noch immer rund 90 Prozent Umsatzanteil am gesamten Telekommunikationsmarkt. Eine hohe mobile Datenrate ermöglicht schon heute neue personalisierte Internetdienste und verkleinert die Grenze zwischen digitaler und realer Welt noch einmal entscheidend. Im mobilen Internet liegt die Zukunft.
Für mich läßt der hilflose Schulterschluß mit der Musikindustire nur die Einsicht zu, daß die Netzbetreiber ohnmächtig vor Sorge sind, von der Wertschöpfung der eigenen Infrastruktur abermals abgekoppelt zu werden. Offensichtlich haben die Nokias, T-Mobiles und AOLs dieser Welt noch immer nicht verstanden, daß aus einem Kabelleger – und jetzt eben Funkmastaufsteller – kein Medienkonzern werden kann. Die Mentalität gibt diese Mutation einfach nicht her. Daß die Betreiber auf mobile Musikdienste setzen, zeigt nur, daß sie selbst nicht an die Möglichkeiten ihres Mediums glauben.

Der Restbestand der Woche

Schon wieder Freitag. Also schnell weg mit allem, was weg muss hier auf dem Fischmarkt. Was habe ich da in meiner Kiste?

  • The End of Shopping The End of Shopping beschwor Walter Kirn am vergangenen Wochenende im Magazin der New York Times. Er beschreibt die denkbaren Konsequenzen einer einfachen Technologie: Mobilfunkgeräte mit eingebauten Barcode-Scannern, die einen Echtzeit-Preisvergleich via Internet erlauben. Das wahrscheinliche Resultat: Preisunterschiede und damit die Jagd nach dem Schnäppchen gehören der Vergangenheit an. Händler müssen andere Differenzierungsmerkmale suchen – oder gnadenlos den billigsten Preis anbieten. [Exciting Commerce]
  • Keyword Prices Tumble
    Um satte elf Prozent sind die Keyword-Preise im Suchmaschinenmarketing im November gegenüber dem Vorjahresmonat gefallen. Sagen jedenfalls die Zahlen von Fathom Online und berichtet Online Media Daily. Am stärksten gesunken sind die Preise in den Sparten Einzelhandel, Dienstleistungen für private Verbraucher und Finanzen. [Adverblog]
  • Combots
    "Bloß keine alten Pappen verbrennen!" So spottet Andreas Rodenheber über eine Präsentation von Combots, die ihn stark an die späten 90er erinnert. Bubble 2.0? [Werbeblogger]
  • Milliondollarhomepage
    Man kann es aber auch untertreiben. Meint Wolfgang Sommergut und liest der "trostlosen deutschen Debatte über Web 2.0" die Leviten. Als Anlass und abschreckendes Beispiel dient ihm ein Spiegel-Online-Stück mit dem programmatischen Titel "Ich wär so gern Pixelmillionär". Sein Fazit, trocken aber wahr: "Während in den USA grundlegende Aufsätze wie jener von O’Reilly, zu AJAX oder Folksonomies den Boden für das Social Web bereiteten, gab es bei uns keine eigenständige Auseinandersetzung mit den neuen Entwicklungen im Web. Mit einiger Verspätung wurde schließlich hier die amerikanische Diskussion bruchstückhaft rezipiert. Um sich Vorurteile bilden zu können, reicht das aber offenbar." [Wolfgang Sommergut]

Und nächste Woche erzähle ich, wie ich Snarf finde, den Social Network and Relationship Finder von Microsoft Research. Gerade installiert.

Ist Berlin die webbigste Stadt der Republik?

PlazesDurch ein Anekdötchen von Martin Röll beschäftigte ich mich heute – nach langer Pause – mal wieder mit Plazes . Und wieder bin ich unsicher, ob es sich durchsetzen wird. Der "harte" Nutzen ist nicht richtig offenkundig und für das spielerische Element, ist mir das Interface zu sperrig. No "Joy of use" (mehr diesem Thema). Aber vielleicht irre ich mich. Das Wachstum von Plazes macht mich zumindestens nachdenklich: 20% Wachstum — pro Monat. Berichtet futuregeek. Und noch was bringt mich ins grübeln: in Berlin breitet sich die Nutzung geradezu epidemisch aus. Ist unsere Hauptstadt also doch am webbigsten — oder haben die Berliner einfach nur zuviel Zeit?