Das Web ist das einflussreichste Medium

Für den europäischen Konsumenten ist das Internet inzwischen das wichtigste Medium, das er bei Kaufentscheidungen konsultiert. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie von Harris Interactive im Auftrag der Agentur Fleishman-Hillard. Untersucht wurden die drei großen Märkte Großbritannien, Deutschland und Frankreich.

Across all three countries addressed by the study, the Internet has roughly double the influence of the second strongest medium — television — and roughly eight times the influence of traditional print media. This indicates a need and an opportunity for companies to reprioritise their communications to address the media shift in consumer influence.

Enterprise 1.0 und Bildausfall aus Basel

Am Vorabend der reboot10 geschah der größte für die TV-Übertragung einer Fußball-EM anzunehmende Unfall: Das Bild vom Halbfinale Deutschland-Türkei fiel aus. Wie unter der Lupe zeigt dieser Ausfall die Schwäche zentralisierter und zentral kontrollierter kommerzieller Systeme.
Denn erstmals bei einer Sportveranstaltung hat die Uefa sämtliche TV-Sender dazu verpflichtet, das von ihr und damit dem Veranstalter selbst produzierte Fernsehsignal zu übernehmen. Das zentrale Sendezentrum in Wien war offensichtlich unzureichend mit Notstrom versorgt, sodass ein Gewitter durch kurze Stromunterbrechungen den sofortigen Reboot der Sendesysteme auslöste.
Der Trend zur Zentralisierung und Kommerzialisierung der Fußballübertragung ist nicht neu. Doch noch bei der WM 2006 durften ARD und ZDF das zentral produzierte Signal um eigene Bilder ergänzen. In diesem Jahr liefen auch diese Bilder über das Wiener Sendezentrum.
Free ist anders. Das Leitthema der diesjährigen reboot wird, auf den ersten Blick überraschend, sehr stark auf Unternehmen bezogen. Enterprise 2.0, so weit das Auge reicht. Kein Wunder: Nach der Webzwonullszene und den interaktiven Konsumenten, die sich mit Social Networks angefreundet haben, sind die Unternehmen die letzte Bastion des einsnulligen Webs.
Wenn Web 1.0 das nach überlieferten Prinzipen wie zentraler Kontrolle und und beschränktem Zugang organisierte Web war, dann ist das heutige Web free im Sinne der reboot10. Hier in Kopenhagen trifft sich heute und morgen eine Szene, die sich auf den Marsch durch die Institutionen Unternehmen vorbereitet.
Der Sendeausfall gestern hat die Verwundbarkeit hochprofessionalisierter, kommerziell betriebener Mediensysteme gezeigt. Trotz aller Unzulänglichkeiten sind Twitter, Qik & Co. heute schon schneller und emotional stärker als das sich selbst zu Tode hochgerüstete TV.
Wir werden sehen, ob heute wenigstens das TV-Bild stabil bleibt. Das Konferenz-WLAN hat bislang jedenfalls funktioniert.

Danke, liebe Pressekonzerne!

Gespenstig mutet an, wie deutsche Ministerpräsidenten mit Medienlobbyisten und Pressekonzernen um die Zukunft öffentlich-rechtlicher Internetangebote ringen. Michael Hanfeld malt in der heutigen FAZ, ganz Lobbyist in eigener Sache, Horrorszenarien einer öffentlich-rechtlichen, gebührenfinanzierten Presse (im Internet) an die Wand.
Dabei ist es doch so, liebe Pressekonzerne: Im Internet kann und darf jeder publizieren. Und viele tun es auch. Die klassische Pressefreiheit, wie Ihr sie zu verteidigen versucht, ist war die Freiheit des Besitzers einer Druckpresse, seine Meinung ungehindert zu Papier bringen und verbreiten zu lassen. Im Internet hat jeder seine Wörterpresse.
Sind Eure Internetangebote wirklich so schlecht, dass Ihr jede Konkurrenz, insbesondere aus öffentlich-rechtlichen Häusern, fürchten müsst? Sodass deren Angebote unter Eurem Druck und durch politischen Beschluss verkrüppelt werden müssen?
Danke, liebe Pressekonzerne! Wir werden nicht vergessen, dass wir es Euch zu verdanken haben, wenn die von unseren Gebühren finanzierten TV-Sendungen nur sieben Tage lang im Web abrufbar sind und die öffentlich-rechtlichen Websites voll sendungsbegleitender Langeweile vor sich hin dümpeln.
Ihr glaubt, das nutzt Euch? Weit gefehlt! Dann gehen wir eben woanders hin.

Die Zukunft des Musikgeschäfts

Dr. Stefan Glänzer, Gründungsinvestor und früherer Executive Chairman von last.fm spricht nach seinem next08-Vortrag über Musik als Bestandteil von Kommunikation und stellt die These auf, dass Musik in Zukunft für jedermann frei zur Verfügung stehen wird. Die Musikindustrie müsse sich neue Einnahmequellen neben dem klassischen CD-Geschäft erschließen, so die nicht ganz neue Schlussfolgerung Glänzers.
Er verweist auf den einzelnen Musiker als kreative Quelle des Musikgeschäfts und spricht über eine neu entstehende Kultur des Musikschaffens durch die neuen Möglichkeiten rückkanaliger mobiler Aufnahme- und Distributionsgeräte. last.fm basiere auf dem Motto „get realtime“, so Glänzer.

Bereits zur next07 sprach Glänzer über individualisiertes Radiohören.

Wie ich das Web lese

Das Live Web hat meine Lesegewohnheiten, mindestens was Nachrichten betrifft, deutlich verändert. Seit der Erfindung von RSS & Co. kommen die Neuigkeiten im Web zu mir. Ich muss nicht mehr zahllose Websites abklappern, der Google Reader reicht. Und Twitter. Beides ging vor allem zu Lasten der Mail.
Was hat sich im Detail verändert?
Ich lese nur noch Feeds. Mein Webmedienkonsum findet inzwischen zum größten Teil im mobilen Google Reader auf dem E61i statt. Was auch bedeutet: Ohne RSS-Feed geht gar nichts mehr. Wer heute keinen Feed anbietet, ist per definitionem irrelevant.
Ich lese viele Feeds. Google Reader zeigt sie in letzter Zeit nicht mehr an, es müssen aber inzwischen mehr als 1.000 sein zählt derzeit 1.199 Stück. Denn ich abonniere einfach jeden Feed, der mich interessiert. Feeds fressen kein Brot, und selbstverständlich lese ich nicht alles, noch nicht einmal die Überschriften.
Ich bestelle Feeds nur selten wieder ab. Viele Feeds sind längst tot, weil das Blog inzwischen gestorben oder umgezogen ist, seinen Dienst eingestellt oder die Plattform gewechselt hat. Egal. Die Abonnements zu verwalten lohnt sich nicht.
Jeder Feed bekommt mindestens einen Tag. Naja, im Idealfall. Denn leider kann der mobile Google Reader keine Feeds mit Tags versehen, und so sammeln sich immer mehr Feeds ohne Tags in meiner Liste. Und da es sich nicht lohnt, sie zu verwalten, bekommen sie auch später nur ausnahmsweise einen Tag nachgereicht.
Ich lese keine Blogs, sondern Tags. Also Gruppen von Blogs. Wie auch immer sich diese Gruppen zusammensetzen. Hier zum Beispiel sind alle Beiträge aus Blogs mit dem Tag Fischmarkt. Im Idealfall sollten das die Blogs sein, die ich für den Fischmarkt lese.
Ich abonniere Meta-Feeds: Suchfeeds von Technorati oder Google zu diversen Suchbegriffen, Dienste wie Techmeme, Rivva oder Digg. Das erhöht die Chance, nichts Wichtiges zu verpassen.
Ich lese immer nur das Neueste. Denn ich habe ja nicht unbegrenzt Zeit. Also schaue ich in der Listenansicht – im mobilen Google Reader gibt es ohnehin keine andere Möglichkeit – die jeweils jüngsten Überschriften durch und klicke auf das, was mich interessiert.
Alles Empfehlenswerte empfehle ich. Das geht mit einem Klick. Die Liste der von mir empfohlenen Links gibt Google Reader wieder als Feed aus. Diesen Feed lasse ich per Twitterfeed an meinen Twitter verfüttern. Die fünf jüngsten Empfehlungen stehen in der rechten Spalte unter „Anderswo aufgelesen“.
Ich recherchiere in der Suche von Google Reader. Meine mehr als 1.000 Feeds sind eine hervorragende Datenbasis – es sind meine bevorzugten Quellen. Die Suche von Google Reader ist eine personalisierte Suchmaschine.
Was noch fehlt, sind lokale Nachrichten. Der mobile Google Reader auf dem E61i steht morgens am Frühstückstisch im harten Wettbewerb mit der Lokalzeitung. Zwar war das Altländer Tageblatt seinerzeit plietsch genug, die Domain tageblatt.de zu registrieren. Aber damit endete dann auch die Innovation.
Als Abonnent könnte ich zwar Zugang zu irgendwelchen Premium-Nachrichten bekommen, aber das war mir bis jetzt immer zu kompliziert. Außerdem gibt es dort keinen RSS-Feed. Und der RSS-Feed liefert nur Nachrichten für Abonnenten. Damit hat sich das Thema wohl erledigt.
Starke Konkurrenz ist dem Google Reader inzwischen mit dem mobilen Twitter erwachsen. Dort lese ich nun auch schon 292 Twitterati, also etwa ein Viertel 557, also fast die Hälfte meiner RSS-Feeds.
Bei Twitter liegt zwar der Fokus eher auf den Menschen als auf den Nachrichten. Doch die wirklich wichtigen Nachrichten kommen mittlerweile schneller über Twitter als über RSS-Feeds herein.
Den kontinuierlichen Nachrichtentakt in meinem Twitter schlägt die Tagesschau. Dazu kommen Rivva, Techmeme und vermutlich noch weitere eher nachrichtenorientierte Tweeter, die ich jetzt vergessen habe.
Nachtrag: Diesen Text habe ich im März 2008 geschrieben. Inzwischen hat Friendfeed Einzug in meine tägliche Mediennutzung gehalten, zu Lasten von Twitter und Google Reader. Doch dazu später mehr.

Tagesschau schlägt Spiegel Online

Wie Emma bis jetzt war, wollte ich heute früh wissen. Und von wem habe ich es erfahren? Weder aus dem Radio noch aus dem Fernsehen und erst recht nicht aus der druckfrischen Tageszeitung. Radio und Fernsehen hatte ich gar nicht erst eingeschaltet, die Zeitung blieb draußen im Briefkasten.
Nein, ich habe auf dem E61i meine Feeds im mobilen Google Reader gelesen. Einer der unzähligen Feeds dort ist mein Twitter mit den Tweets aller 277 Twitterati, die ich derzeit lese. Und eine davon ist die gute, alte Tagesschau.
Die Tagesschau zwitschert heute um 6.19 Uhr:

Orkantief „Emma“ bislang schwächer als erwartet

Diese Diagnose deckt sich auch mit meinen eigenen Beobachtungen: kräftiger Wind, stürmische Böen, aber kein Orkan.
Die Tagesschau twittert leider keine Links, deshalb rufe ich als nächstes den mobilen Spiegel auf. Nichts! Bei Spiegel Online ist auch um 8.52 Uhr noch die Orkanwarnung von gestern aktuell. Keine neuen Nachrichten.
Doch auch die Tagesschau hat eine exzellente mobile Version. Hier lese ich den aktuellen Bericht über die erste Nacht mit Emma. Vorbildlich ist auch der Hinweis am Fuß auf den Stand:

01.03.2008 05:43 Uhr

Ich weiß nicht, wann Spiegel Online wieder die Arbeit aufnimmt, aber dieser Punkt geht ganz klar an die Tagesschau.

Nachtrag:
Um 9.34 Uhr lese ich den aktualisierten Orkanbericht bei Spiegel Online.

Webwirtschaftsforum

Die drei tollen Tage vor dem Weltwirtschaftsforum in Davos gehören Burda und der DLD-Konferenz in München. Die Mischung von Themen und Teilnehmern stimmt, für jeden ist etwas dabei. Der Veranstaltungsort platzt aus allen Nähten und wäre mit der Hälfte der Teilnehmer auch schon gut ausgelastet.
Auf den ersten Blick überraschte, wie wenig der Börsencrash am Montag in München zur allgemeinen Kenntnis genommen wurde. Ich habe erst über Twitter davon erfahren. Auf Panels und Fluren spielte er keine große Rolle. Das lässt zwei Deutungen zu: Entweder ist die Szene bereits wieder so abgehoben, dass der Rest der Welt für sie keinerlei Bedeutung hat. Oder der Aufschwung der Webwirtschaft hat mit der Börse nur wenig zu tun.
Letzteres halte ich für wahrscheinlicher. Anders als 1999/2000 speist sich der jüngste Boom nicht aus spektakulären Börsengängen und den Ersparnissen unvorsichtiger Kleinanleger. Im Web wird heute echtes Geld verdient und wieder investiert. Zudem steht Risikokapital hinreichend zur Verfügung, auch für Projekte ohne offensichtliches Geschäftsmodell. Doch Gründer und Startups halten das Geld zusammen und sich an die Vorgaben in den Geschäftsplänen. Wer Geld aufnimmt, weiß ziemlich genau, was er damit bezahlen und erreichen will.
Insofern hat das Münchner Webwirtschaftsforum das Web nicht neu erfunden und auch keine neue Versionsnummer erteilt. Der thematische Blick reicht über die Grenzen der eigenen Szene hinaus. Namen wie Craig Venter und Richard Dawkins, um nur zwei zu nennen, stehen für relevante und streitbare Themen jenseits des Webtellerrands.

Eine Erkenntnis aus München: An vielen Stellen, bei vielen Themen zeichnet sich inzwischen ab, wie sich die small pieces des Web zu neuen Medienerlebnissen für die Konsumenten und Geschäftsmodellen für Unternehmen und Startups formieren könnten. Wir haben den inzwischen fast ein Jahrzehnt währenden Niedergang der Musikindustrie gesehen und die jüngsten Meilensteine. Wir sehen ähnliche Trends in Sachen TV: Neben Google/YouTube und Joost/Zennström saßen in München Vertreter von blip.tv und blinkx.com.

Und in der ersten Reihe WPP-Chef Sir Martin Sorrell, der die Bewegtbildpioniere des Web ungerührt nach solch trivialen Dingen wie Umsatz, Kosten, Gewinn und Cashflow fragte und damit Moderatorin Christiane zu Salm blass aussehen ließ. Solche Momente sind es, aus denen die Gesamtinszenierung DLD ihren Zauber zieht.
Wer nicht in München war oder zwar dort war, aber die Sessions verpasst hat, für den gibt es die Videos einige Appetithäppchen bei Sevenload. Bei iTunes sind sie noch nicht, aber das dürfte nur eine Frage der Zeit sein.

Drei Unikate in der Post

Cicero: Drei Unikate
Gestern waren bei uns drei Unikate in der Post. Insgesamt 160.000 Stück davon hat das Magazin Cicero für seine Jahresendausgabe produziert. Auf jeder Titelseite ist ein anderes Foto aus dem Archiv der Nachrichtenagentur Reuters zu sehen. Auch die kleinen Hintergrundbilder sind unterschiedlich. Und:

Am Donnerstag finden über 20.000 Entscheider aus Politik, Wirtschaft, Medien und Marketing ein Cicero-Exemplar in ihrem Briefkasten. Knapp 11.000 davon sind mit dem eigenen Bild auf der Titelseite ausgestattet. Damit wird die Idee der Individualisierung des Magazins auf die Spitze getrieben.

Drei dieser 11.000 Exemplare zeigt das Bild oben.

Das Web als Leitmedium

Coca-Cola macht das Web zum Leitmedium. Auf den Münchner Medientagen erklärte Marketingdirektor Thomas Gries:

„Wir brauchen TV für die Reichweite. Für unsere Kernzielgruppe der 12- bis 19-Jährigen entwickelt sich allerdings zunehmend das Internet zum Werbeleitmedium.“ Das heiße allerdings nicht, dass TV tot ist.

TV is not dead, it just smells funny.

Neue Horizonte

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Ein netter Effekt, mit dem horizont.net seine Leser auf den heutigen Relaunch aufmerksam macht. Wenn auch nicht unerhört und nie dagewesen.
Das Blatt aus Frankfurt, unserem zweiten Agenturstandort übrigens, hat sich gedruckt wie digital gehäutet und die Aufgaben zwischen Druck und Web neu verteilt:

Die Zeiten, in denen professionelle Journalisten die alleinige Deutungshoheit über Markt- und Weltgeschehen hatten, sind vorbei. Genauso wie die Zeiten, in denen ein nachrichtenorientiertes Netzangebot bloß der digitale Appendix der Print-Mutter ist.

Agentur: BippesBrandão, Offenbach