Reinhard Springer

reinhardspringer.pngAuf einer ganzen Doppelseite in der Horizont erklärt Reinhard Springer die Welt des Marketings. Köstlich. Muss ich erklären, wer Reinhard Springer ist? Sein legendäres Interview in der w&v sagt alles. Das hängt ihm bis heute nach, wie er jetzt bekennt:

Dank einer Schlagzeile, in der es hieß, dass ich die Abschaffung der Marketingabteilungen fordere, mussten mich diese Leute fürchten wie der Teufel das Weihwasser. Mein Statement wurde nicht als konstruktive Provokation angesehen, sondern hat Angst geschürt. Daran sehen Sie, wie dünnhäutig das Marketing heutzutage ist.

Seinen Rückzug aus der Markenberatung reinhards erklärt er mit fehlender Energie:

Wir erleben gerade eine Eiszeit der Innovation. Um dieses Eis zu schmelzen, brauchst du jede Menge jugendliche Hitze. Die habe ich aber nicht mehr.

Springer hat den Innovationsantrieb lokalisiert: Die Inspiration der Zukunft wird aus dem Online-Business kommen, sagt er. Und:

Klassische Werbeagenturen werden aussterben wie die Postkutschen. Darum finde ich die Symbiose von S&J und E7 auch so wichtig. Ansonsten sehe ich zwei Kategorien von Dienstleistern: Zum einen die echten Partner in der Markenführung, die mit Fachwissen, Erfahrung und Überzeugung für den Erfolg einer Marke kämpfen. Zum anderen die Helfer, die von der Regalnase über Events bis hin zu Direct-Mails an der Umsetzung des Markenauftritts mitarbeiten.

Branded Entertainment by Pirelli

Pirelli tritt in die Fußstapfen von BMW. Am 23. März startet ein Internet-Kurzfilm („The Call“) mit John Malkovich und Naomi Campbell in den Hauptrollen. Das Projekt stammt von Leo Burnett Italy und spielt das alte, ewig neue Thema vom Kampf zwischen Gut und Böse. Ort der Handlung ist der Vatikan, Protagonisten sind ein päpstlicher Exorzist (Malkovich) und das personifizierte Böse (Campbell). Ein Trailer ist auf der Website bereits zu sehen.

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Pirelli will damit eine neue Generation von Internet-Kurzfilmen starten, die mit den gleichen Mitteln produziert werden wie die großen Hollywood-Filme – anders als die BMW-Filmreihe:

Pirelli says its project, developed by the Leo Burnett advertising agency, goes several steps further. For one, the branding will be unusually subtle, with more Christian crosses than Pirelli P’s in the frame. The other automakers‘ films have featured lingering, loving shots of cars.

„The Call“ will be the centerpiece of Pirelli’s marketing for several years; and advertising in other media, including print and television, will be built around the Internet film. Pirelli said „The Call“ and its associated advertising would account for 60 percent of the company’s marketing budget — a Hollywood-style gamble on one production.

„We’re talking about a very important project, not just an ‚Internet‘ project,“ said Nicola Novellone, chief operating officer at Leo Burnett Italy, a subsidiary of Publicis Groupe. [E-Commerce Times]

Production.com zitiert AdAge mit weiteren Details. Demnach plant Pirelli einen Film pro Jahr.

Was macht eigentlich Gerd Gerken?

Werbung generiert keine Wirklichkeit – das Internet generiert die Wirklichkeit.

Ein Satz, vermutlich von Gerd Gerken, der gestern seinen 663. Geburtstag feierte. Der einstige Star-Zukunftsberater und -Trendforscher ist offensichtlich unter die Esoteriker gegangen. Auf noesa.com verkauft er Produkte der Alchemie samt der zugehörigen Philosophie. Fulfilness.com ist laut Selbstbeschreibung „eine neue Art der Prävention, ganz ohne Medizin und Arznei“. Und Noeterik ist „die Lehre von der Verbesserung des Lebens durch die Nutzung desjenigen Geistes, der das Werden verursacht“.
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Bis Anfang des Jahrtausends befasste sich Gerken noch mit vergleichsweise handfesten Themen. 2001 erschienen die drei Bände Cyber-Branding, Cyber-Selling und Cyber-Manipulation. Der Metropolitan-Verlag hat seinen früheren Autor inzwischen von der Website entfernt.

Multimedia programmiert das Gehirn der Menschen entscheidend um. Bisher herrscht das Primat der aktuellsten Information. Multimedia tötet Information durch zu viele Information. Es entsteht ein Multiversum, dessen einzige Sprache Magie ist. Wer also in den elektronischen Datenräumen mitreden will, muß Exformation, definiert als „gesagtes Geheimnis“, anbieten – und das ist, Magie pur. Dazu braucht man ein völlig anderes Instrumentarium – das der angewandten Spiritualität. Das bedeutet: Wer in den Netzen kommunizieren will, darf keine logischen Botschaften anbieten – keine Information – , sonst redet man an der Realität von Multimedia vorbei.
Gerd Gerken [Telepolis]

Markenstärke

Skype

"Dafür also hat Ebay 4 Mrd. Dollar gezahlt", schreibt Andreas Göldi.

In der Elektronikabteilung gibt es jetzt eine eigene Produktabteilung "Skype". Nicht "Voice over IP" oder so, sondern eben "Skype". Gleich gewichtet wie "USB-Stick", "Playstation" oder "MP3". Viel mehr muss man zur Markenstärke von Skype wohl nicht mehr sagen. [Beobachtungen zur Medienkonvergenz]

Abgesang

Martin Röll rechnet ab. Es klingt ein bisschen wie der Abgesang auf die klassische Werbung.

Es ist eben nicht die zentrale Frage, lieber
Andrew Robertson
, von welcher Qualität dein content und Deine
creativity sind, wie Du vorgestern in München vorgetragen hast. Das ist
zwar nett, aber bloß ein Wettrüsten in einem Bereich, der nicht mehr interessant
ist. Pack ein. Geh doch mal wirklich nachrechnen, welches Verhältnis
noch zwischen Deinen Werbeausgaben und dem Marketingerfolg steht. Das ist doch
Unfug, und tief drinnen weißt Du das auch.

Ich denke, das ist etwas voreilig. Auch klassische Werbung wird künftig an Effizienz zulegen, und zwar durch Automatisierung in einem Bereich, der zu Unrecht wenig Beachtung genießt: der Mediaplanung. Und dadurch werden Mittel frei, die in Kreativität investiert werden können. Allerdings nur dann, wenn diese Investition ihre Effizienz nachweisen kann.

Für den klassischen Markenartikler, der Reichweite braucht, führt an klassischer Werbung kein Weg vorbei. Ob sie nun stört oder nicht. Früher oder später wird auch über Google gebuchte Werbung stören. Und trotzdem gebucht werden, solange das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt.

Die Automatisierung der Werbung (2)

Heißt Automatisierung der Werbung, das Kreativität und Marken in der Werbung keine Rolle mehr spielen werden? Könnte man meinen, erwarte ich aber nicht. Im Gegenteil: Effizientere Werbung heißt, dass der (traditionell auf 50 Prozent geschätzte) Anteil der Werbung schrumpft, der nicht mehr ist als hinausgeworfenes Geld.

Der Werbekunde erreicht die gleichen Ziele mit geringerem Mediaeinsatz. Ist das eine schlechte Nachricht für die Werbeträger? Nicht unbedingt. Womöglich können auch sie von steigender Effizienz profitieren, weil effizientere Werbung für ganz neue Einsatzzwecke attraktiv wird. Wenn AdWords etwas bewiesen hat, dann doch dies: Auch Microbudgets können effektiv sein.

Vermutlich wird aber auch der Anteil des Werbebudgets steigen, der in kreative Leistung und Markenbildung investiert werden kann. Zumindest dann, wenn Kreativität und Marken tatsächlich ein Wettbewerbsvorteil sind. Wenn nicht – dann haben die Kreativen halt Pech gehabt.

Was bleibt unter dem Strich? Auch Kreativleistung muss künftig ihre Effizienz nachweisen. Das ist doch einen Effie wert.

Steampunker

Espressoporn Weil mir so ein Espresso-Fex gegenübersitzt, ein Steampunker und Kaffeemaschinist reinsten Wassers, sei der Hinweis auf den Artikel zur Espressomaschinenmanie (Perlentaucher) in der SZ vom Wochenende gestattet.

"Kaffee ist eine wässrige Lösung, Espresso ist eine Emulsion."

Eine echte Wachstumsbranche: Branchenführer Jura, betreut durch Jung von Matt, hat seinen Deutschland-Umsatz im letzten Jahr verzwanzigfacht (!).

Immer mehr Geld stecken die Hersteller ins Marketing, um ihre Geschäftsinteressen mit der entsprechend zelebrierten italianitá kulturell zu überhöhen. So bietet etwa die Firma Nespresso neben ihren Geräten dem Connaisseur im Internet auch so genannte Grand Crus an, Kaffeesorten in verschiedenfarbig eloxierten Vakuumkapseln. Verschickt werden sie wie handverlesene Preziosen in edlen Holzschatullen. Aber auch im nichtkommerziellen Bereich ist das Internet die Plattform der Kaffee-Kultisten. „Steamtalks“ oder „Männerblog“ heißen die Foren, auf denen die boys with toys über Aufschäumdüsen und Wasserhärten fachsimpeln.

Und nicht zu vergessen: Espressoporn.

Abenteuerspielplatz Ebay

Peter Turi – die Älteren unter uns werden sich erinnern: der frühere Chef des kress report – hat Anfang September für das Werberblatt w&v die Lage der Powerseller bei Ebay beschrieben. Jetzt steht der Text auch im Web zur Verfügung. Auszug:

Mathias Schrader von der Agentur SinnerSchrader analysiert kühl: „Powerseller verkaufen zunehmend zu Grenzkosten.“ […] Weil Joop, Samsung, Sony und Co. den Online-Vertrieb „nur mit der
Kneifzange“ anfassen, die Nachfrage nach diesen Marken bei Ebay aber
hoch ist, stärken Hersteller, „die mit verschränkten Armen
danebenstehen“, nur Händler, die auf Re-Importe, den Graumarkt und
Fälschungen setzen. Und genau diese „Kistenschieber“ machen die Preise
und die Marke kaputt. Der Kunde laufe mit den unseriösen Ebay-Preisen
zum Händler, um sich dort zu beschweren. Nur mit einer „offensiven
Online-Strategie“, so Schrader, bekommen die Marken das Heft des
Handelns wieder in die Hand.

Denn bei allen Stärken von Ebay,
zu denen Schrader zählt, dass pfiffige, kreative Kleinunternehmer immer
wieder mit frischen Ideen und Nischenprodukten für Innovationen sorgen
und Trends auslösen können: Eines schafft Ebay nicht – eine dauerhafte,
personalisierte Kundenbindung. Der reife Konsument sucht „auch online
Bindung“, glaubt Schrader. Ebay bleibe ein „wundervoller
Abenteuer-Spielplatz“, Convenience, Bindung und Verlässlichkeit könnten
aber nur Marken bieten. „Irgendwann möchte man seinen PC nicht mehr
ersteigern, sondern bequem bei Apple oder Dell kaufen und nachordern“,
sagt Schrader.

Der Restbestand der Woche

Es ist Freitag. Und damit höchste Zeit, ein paar Dinge wegzubloggen, die mir hier den Firefox verstopfen.

  • Sony_bmg
    Schon etwas älter ist das Welt-Interview mit Maarten Steinkamp, dem Europachef von Sony BMG, und der dringenden Aufforderung an die Musikindustrie, endlich das Jammern einzustellen und statt Rechtsanwälten wieder die Entrepreneure nach vorn zu schieben. [Exciting Commerce]
  • Adsense
    Google hat sein Adsense-Programm um eine Kleinigkeit ergänzt, die erkennen lässt, wohin die Reise geht – zum Abschied von lieb gewonnenen, aber ineffizienten Mediagepflogenheiten und hin zu einem von A bis Z in Echtzeit optimierbaren Werbegeschäft. Erst die Abschaffung der AE, dann Google Analytics und jetzt die  Promotion von TKP-Anzeigen in Adsense ("Auf dieser Website werben"). Was kommt als nächstes? [Zielpublikum]
  • Productwiki
    Vernünftige Produktbeschreibungen sind ein knappes Gut. Amazon musste die stetige Sortimentserweiterung mit abnehmender Qualität der Produkttexte bezahlen. Auch die legendären Kundenrezensionen halfen da nicht unbedingt. Doch jetzt kommt Hilfe: Das ProductWiki ist gestartet (selbstverständlich beta), und Amazon selbst experimentiert seit kurzem ebenfalls mit einem gleichnamigen neuen Feature. [Companice]
  • Nano
    Ebay ist gut für die Marke. Oder nicht? Kommt auf die Marke an. Starke Marken werden durch Ebay stärker, schwache Marken schwächer. Zu erkennen, wie so oft, am Preis: Wer kann seine Preise durch alle Kanäle drücken? Na, wer wohl? Apple natürlich. [Companice]
  • Sellonfroogle
    Je nach Grad der Phantasie kann sich der eine mehr, der andere weniger darunter vorstellen, was Google Base in Kombination mit Froogle und Google Local eigentlich soll, kann und wird. Dazu gibt es jetzt einen neuen Hinweis: Sell on Froogle. Man nehme Google Base als Backend, um über Froogle zu verkaufen. Ebay und Amazon Marketplace waren gestern? [Basic Thinking]
  • Tuifly
    Wer wie die TUI mehr als ein halbes Dutzend Fluglinien betreibt, der schafft gewisse Unübersichtlichkeit im eigenen Angebot. Etwas Linderung verschafft seit dieser Woche TUIfly.com. Dort sind alle Airlines unter einer Adresse vereint. Schlichter Mechanismus: Start- und Zielflughafen eingeben – und weg. Zwar keine Offenbarung, aber ein nettes Werkzeug.