Ein PICNIC gefällig?


Die OMD ist gerade überstanden, da steht schon das nächste Ereignis ins Haus: Am Mittwoch beginnt in Amsterdam die PICNIC. Ich war im letzten Jahr dort und kann die Konferenz nur wärmstens weiterempfehlen.
Deshalb freut es mich auch ganz besonders, dass ich den Fischmarktlesern einen speziellen Discountcode anbieten kann. Mit dem Code 272127 erhalten Sie immerhin 10 Prozent Nachlass auf den Ticketpreis (und ich ein Freiticket im Falle einer Buchung, das soll nicht verschwiegen werden).
Im letzten Jahr hatte mir vor allem eine Keynote von David Weinberger und die anschließende Debatte mit Andrew Keene zugesagt. In diesem Jahr freue ich mich besonders auf Charles Leadbeater (We Think) und Clay Shirky (Here Comes Everybody), die am Mittwoch die PICNIC eröffnen werden.
Besonders spannend wird es auch am Freitagnachmittag, wenn Gisel Hiscock, Director Business Development EMEA von Google sprechen wird: „What will Google do?“
Die Sprecherliste der PICNIC kann sich definitiv sehen lassen, die Westergasfabriek ist ein großartiger Veranstaltungsort und Amsterdam ohnehin eine attraktive Stadt. Sehen wir uns dort?

Olli Kahn ging, Chrome kam

Gestern auf der Couch. Im TV das Abschiedsspiel des Titanen, auf dem MacBook startet das virtuelle Windows. Denn der neue Google-Browser Chrome läuft bis jetzt nur auf Microsoft-Betriebssystemen.
Fix heruntergeladen und installiert, beeindruckt Chrome sofort durch seine Geschwindigkeit. Google Mail, Google Reader und Google Docs fühlen sich an wie Anwendungen, die auf dem lokalen Rechner laufen. Und genau das ist ein strategischer Zweck des neuen Browsers: Er soll den letzten Flaschenhals beseitigen, der zwischen Googles geballter Rechenkapazität und dem Anwender liegt.
Denn die Bandbreiten sind mittlerweile groß genug, um die Rechenleistung in die Wolke zu verlegen. Doch dadurch sind die Schwächen der heutigen Browsergeneration deutlich sichtbar geworden. Allerlei Haken und Ösen stehen dem flüssigen Arbeiten mit webbasierten Anwendungen im Weg.
Nicht so mit Chrome. Google Reader und Google Docs haben jetzt eigene Icons in der Schnellstartleiste. Google Reader läuft in einem eigenen Fenster, das den Browser fast unsichtbar macht. Dank Google Gears kann ich die letzten 2.000 Artikel auch offline lesen. Bei Google Docs gibt es Synchronisierungsprobleme.
Chrome ist unglaublich simpel. Das liegt auch daran, dass wichtige oder wenigstens bislang gewohnte Funktionen wie Lesezeichenverwaltung praktisch nicht vorhanden sind. Doch die Einfachheit ist Konzept. Chrome verzichtet auf alles, was auch und besser im Web laufen kann. Der Browser macht sich unsichtbar, wo er nur kann.
Die Eingabezeile, im Chrome-Jargon Omnibox genannt, dient zugleich der Adress- und der Sucheingabe. Sie schlägt Adressen und Suchbegriffe vor, ergänzt häufig besuchte Adressen und greift auf Suchmaschinen zu. Für Liebhaber von Kommandozeile und Tastatureingabe ein Eldorado.
Dieser Text entsteht in Chrome. Zum ersten Mal überlege ich ernsthaft, für die nächsten Monate, bis die angekündigte Mac-Version fertig ist, wieder Windows zu benutzen. Wer viel mit Google Mail, Reader und Docs arbeitet, für den ist Chrome jetzt schon die Killerapplikation. Die gleichen Anwendungen auf Firefox bringen regelmäßig das MacBook zum Schmelzen.
Chrome ist definitiv der Anfang von etwas Großem. Und deshalb ist die überbordende Berichterstattung vollkommen gerechtfertigt.
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Chrome war gestern in den Tagesthemen, ist heute Titelgeschichte der FTD und füllt die ersten beiden Innenseiten komplett.

Der Anti-IE: Was Google Chrome für das Web bedeutet

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Google publiziert heute seinen eigenen Browser namens Chrome. Der seit langem antizipierte Schachzug richtet sich direkt gegen Microsoft und dessen kommenden Internet Explorer 8. Chrome ist so etwas wie der Anti-IE:

  1. Zehn Jahre nach der Kapitulation Netscapes im ersten Browserkrieg und dem Entwicklungsstart des Firefox-Vorgängers Mozilla kommt ein völlig neu entwickelter Browser auf den Markt. Mit der Neuentwicklung will Google auf die gestiegenen Anforderungen des heutigen Web reagieren. Chrome soll ein Browser werden, wie man ihn heute bauen würde – eine klare Kampfansage an den Marktführer IE, der etwa Dreiviertel des gesamten Browsermarktes auf sich vereint.
  2. Dabei widersteht Google der Versuchung, das Rad neu zu erfinden. So verwendet Chrome Webkit als Rendering Engine – quasi der Motor unter der Haube. Für den geplagten Frontend-Ingenieur (vulgo HTMLer) eine Erleichterung: Was im Safari funktioniert, sollte auch mit Chrome laufen. Was man vom Internet Explorer 8 wieder einmal nicht behaupten kann. Immerhin wird der IE8 auf die Rendering Engine des IE7 umschalten können.
  3. Chrome ist innovativ. Eine virtuelle Maschine für Javascript namens V8 soll für Tempo sorgen. Jedes Browsertab wird komplett separat laufen und damit Tabbed Browsing erst wirklich perfekt machen. Das Interface ist neu gedacht und vom Kopf auf die Füße gestellt. Und am hinteren Ende ist Google Gears und damit Offline-Funktionalität schon eingebaut.
  4. Chrome ist Open Source. Dadurch werden die Innovationen, soweit sie sich bewähren, relativ schnell ihren Weg in andere Browser finden und damit die Chance haben, zu Webstandards zu werden.

Mit dem Start von Chrome, soviel ist sicher, hat eine neue Runde im zweiten Browserkrieg begonnen. Es bleibt spannend.

Wie ich das Web lese

Das Live Web hat meine Lesegewohnheiten, mindestens was Nachrichten betrifft, deutlich verändert. Seit der Erfindung von RSS & Co. kommen die Neuigkeiten im Web zu mir. Ich muss nicht mehr zahllose Websites abklappern, der Google Reader reicht. Und Twitter. Beides ging vor allem zu Lasten der Mail.
Was hat sich im Detail verändert?
Ich lese nur noch Feeds. Mein Webmedienkonsum findet inzwischen zum größten Teil im mobilen Google Reader auf dem E61i statt. Was auch bedeutet: Ohne RSS-Feed geht gar nichts mehr. Wer heute keinen Feed anbietet, ist per definitionem irrelevant.
Ich lese viele Feeds. Google Reader zeigt sie in letzter Zeit nicht mehr an, es müssen aber inzwischen mehr als 1.000 sein zählt derzeit 1.199 Stück. Denn ich abonniere einfach jeden Feed, der mich interessiert. Feeds fressen kein Brot, und selbstverständlich lese ich nicht alles, noch nicht einmal die Überschriften.
Ich bestelle Feeds nur selten wieder ab. Viele Feeds sind längst tot, weil das Blog inzwischen gestorben oder umgezogen ist, seinen Dienst eingestellt oder die Plattform gewechselt hat. Egal. Die Abonnements zu verwalten lohnt sich nicht.
Jeder Feed bekommt mindestens einen Tag. Naja, im Idealfall. Denn leider kann der mobile Google Reader keine Feeds mit Tags versehen, und so sammeln sich immer mehr Feeds ohne Tags in meiner Liste. Und da es sich nicht lohnt, sie zu verwalten, bekommen sie auch später nur ausnahmsweise einen Tag nachgereicht.
Ich lese keine Blogs, sondern Tags. Also Gruppen von Blogs. Wie auch immer sich diese Gruppen zusammensetzen. Hier zum Beispiel sind alle Beiträge aus Blogs mit dem Tag Fischmarkt. Im Idealfall sollten das die Blogs sein, die ich für den Fischmarkt lese.
Ich abonniere Meta-Feeds: Suchfeeds von Technorati oder Google zu diversen Suchbegriffen, Dienste wie Techmeme, Rivva oder Digg. Das erhöht die Chance, nichts Wichtiges zu verpassen.
Ich lese immer nur das Neueste. Denn ich habe ja nicht unbegrenzt Zeit. Also schaue ich in der Listenansicht – im mobilen Google Reader gibt es ohnehin keine andere Möglichkeit – die jeweils jüngsten Überschriften durch und klicke auf das, was mich interessiert.
Alles Empfehlenswerte empfehle ich. Das geht mit einem Klick. Die Liste der von mir empfohlenen Links gibt Google Reader wieder als Feed aus. Diesen Feed lasse ich per Twitterfeed an meinen Twitter verfüttern. Die fünf jüngsten Empfehlungen stehen in der rechten Spalte unter „Anderswo aufgelesen“.
Ich recherchiere in der Suche von Google Reader. Meine mehr als 1.000 Feeds sind eine hervorragende Datenbasis – es sind meine bevorzugten Quellen. Die Suche von Google Reader ist eine personalisierte Suchmaschine.
Was noch fehlt, sind lokale Nachrichten. Der mobile Google Reader auf dem E61i steht morgens am Frühstückstisch im harten Wettbewerb mit der Lokalzeitung. Zwar war das Altländer Tageblatt seinerzeit plietsch genug, die Domain tageblatt.de zu registrieren. Aber damit endete dann auch die Innovation.
Als Abonnent könnte ich zwar Zugang zu irgendwelchen Premium-Nachrichten bekommen, aber das war mir bis jetzt immer zu kompliziert. Außerdem gibt es dort keinen RSS-Feed. Und der RSS-Feed liefert nur Nachrichten für Abonnenten. Damit hat sich das Thema wohl erledigt.
Starke Konkurrenz ist dem Google Reader inzwischen mit dem mobilen Twitter erwachsen. Dort lese ich nun auch schon 292 Twitterati, also etwa ein Viertel 557, also fast die Hälfte meiner RSS-Feeds.
Bei Twitter liegt zwar der Fokus eher auf den Menschen als auf den Nachrichten. Doch die wirklich wichtigen Nachrichten kommen mittlerweile schneller über Twitter als über RSS-Feeds herein.
Den kontinuierlichen Nachrichtentakt in meinem Twitter schlägt die Tagesschau. Dazu kommen Rivva, Techmeme und vermutlich noch weitere eher nachrichtenorientierte Tweeter, die ich jetzt vergessen habe.
Nachtrag: Diesen Text habe ich im März 2008 geschrieben. Inzwischen hat Friendfeed Einzug in meine tägliche Mediennutzung gehalten, zu Lasten von Twitter und Google Reader. Doch dazu später mehr.

Fünf Mythen über Facebook und StudiVZ

Dieser Tage werden jede Menge Fakten über Facebook und StudiVZ bekannt. Mark Zuckerberg selbst sprach gestern über den für 2008 geplanten Umsatz (300 bis 350 Mio. US-Dollar), das erwartete Ergebnis (50 Mio. EBITDA) und die vorgesehenen Investitionen (200 Mio.). Anlass genug, einige der gängigen Mythen auf ihren Realitätsgehalt hin zu untersuchen.

  1. Ist Facebook 15 Mrd. US-Dollar wert? Schon möglich, aber worauf stützt sich diese Bewertung? Microsoft hat im Oktober 2007 zwar zu dieser Bewertung einen Minderheitsanteil erworben, wurde aber gleichzeitig exklusiver Werbevermarktungspartner für Facebook, und zwar weltweit. Diese Tatsache dürfte bei der Preisfindung eine Rolle gespielt haben.

    Der Handel sieht in etwa so aus: Microsoft stellt große Teile des für die weitere Expansion nötigen Kapitals bereit und sorgt gleichzeitig für zusätzliche Einnahmen, an denen Microsoft wiederum direkt (aus der Vermarktung) und indirekt (als Miteigentümer von Facebook) partizipiert. Ob sich das Geschäft für Microsoft lohnt, hängt viel stärker von den direkten Mittelrückflüssen ab als von den indirekten.

    Mit anderen Worten: Die Bewertung von Facebook kann Microsoft weitgehend kalt lassen. Als exklusiver Werbevermarktungspartner sitzt Steve Ballmer am Drücker. Alles andere ist eine Wette für den Fall eines Börsengangs, der nicht vor 2009 zu erwarten ist. Hier winken Microsoft weitere Erlöschancen. Ob Facebook also 15 Mrd. US-Dollar wert ist, wird sich erst beim Börsengang zeigen. In diesem Punkt hat WPP-Chef Martin Sorrell völlig Recht.

  2. Mögen die Nutzer keine Werbung? Schon möglich, aber welche Rolle spielt das? Es gibt in der ganzen Medienlandschaft ja nur zweieinhalb Finanzierungsmodelle: Werbung oder Abonnements, letztere auch in Form von Gebühren für öffentlich-rechtliche Anstalten. Im Web hat sich das Abomodell bis jetzt nur in Nischen (Xing, Singlebörsen, Porno) durchsetzen können. Bleibt also Werbung als Geschäftsmodell, und dagegen ist in einer kapitalistischen Marktwirtschaft auch nur wenig einzuwenden.

    Die Nutzer werden im Zweifel mit den Füßen abstimmen, aber mir ist bis jetzt kein Fall bekannt, in dem dies tatsächlich zu Schwierigkeiten geführt hätte. Der übliche ZwergenNutzeraufstand anlässlich der Einführung irgendwelcher neuer Features gehört zum Ritual und muss durchgestanden werden. Wir haben ihn bei der Einführung des Newsfeed gesehen (bei Facebook wie auch bei Xing) oder bei der Einführung neuer Werbeformen, -formate und -bedingungen (bei Facebook, StudiVZ und Xing).

    Am Ende wird etwas modifiziert, reformuliert, hier und da ein neuer Konfigurationsknopf eingeführt oder die Voreinstellungen angepasst – und am Ende läuft die Sache. Plattformbetreiber haben nur die Wahl, sich etwas geschickter (Facebook), weniger geschickt (Xing) oder total ungeschickt (StudiVZ) anzustellen. Der Rest wird im weltweiten Dialog entschieden, und die Presse hat was zu schreiben. In diesem Punkt hat GWP-Chef Harald Wahls völlig Recht, wenn er in Horizont 5/2008 feststellt:

    Die Frage ist, wie groß die Protestwelle der Mitglieder wirklich war. Kritik an einem so großen Portal, das Studenten als Zielgruppe hat, ist anscheinend vor allem für die Journalisten interessant.

  3. Erfindet Facebook die Werbung neu? Schon möglich, aber bislang spielt das keine große Rolle. Facebook Beacon hat seine Bedeutung innerhalb der Eigenvermarktung von Facebook. Microsoft setzt für die Vermarktung zunächst einmal auf herkömmliche Instrumente. Targeting wird erst nach dem Abschluss der aQuantive-Übernahme durch Microsoft relevant, wenn Atlas zum Einsatz kommt. Wie ernst es Microsoft mit dem Thema Webwerbung ist, zeigt nach aQuantive und Facebook der dritte Schritt – Yahoo.

    Google ist so groß und so wertvoll geworden, weil Google die Onlinewerbung um eine bis dahin praktisch unbekannte Dimension erweitert hat – höchst zielgerichtet eingespielte Textanzeigen. Werbung wird besser, je genauer sie gezielt wird. Perfekt gezielte Werbung ist gar keine Werbung mehr, sondern Information.

    Facebook könnte die Onlinewerbung um eine weitere Dimension erweitern, wie auch immer das im Detail aussehen wird. Auf diese Möglichkeit stützt sich die oben diskutierte Unternehmensbewertung. Da sie die Zukunft betrifft, bleibt uns nur abzuwarten, wie weit Facebook kommt.

  4. Wird das deutschsprachige Facebook zuerst StudiVZ angreifen? Schon möglich, aber wozu sollte das gut sein? Facebook ist längst viel breiter positioniert als zu jener Zeit, da StudiVZ eine billige Kopie vom großen Original zog. Studenten stehen nicht mehr im Vordergrund. Erst recht nicht in Deutschland, da unter den 600.000 hiesigen Nutzern nur relativ wenig Studenten zu finden sind. Und siehe da: Facebook setzt vor allem auf die vielen viralen Effekte seiner Plattform. (Mit Viren kenne ich mich jetzt aus, die können ganz schon hartnäckig sein.)

  5. Wird Facebook StudiVZ kaufen? Schon möglich, aber wozu sollte das gut sein? Um die Investition Holtzbrincks am Ende doch noch mit einem schönen Ausstieg zu krönen? Um eine Zielgruppe an Land zu ziehen, die Facebook gar nicht braucht? Um eine Plattform zu übernehmen, die sich nach allen Regeln der Kunst selbst demontiert hat? Um Geld auszugeben, dass Facebook anderswo viel besser investieren kann?

OpenSocial in Deutschland?

„Facebooks FBML/FQL wird der Standard für Social Networks werden“, prophezeite Nico Lumma im Sommer. So kann man sich irren. Mit einem über Monate hinweg vorbereiteten Coup hat Google die Networkingbranche geeint und mit OpenSocial einen anbieterübergreifenden Standard etabliert. Oder wenigstens ins Leben gerufen. Ob zum Schaden für Facebook, darüber sind die Auguren noch uneins.

Aus Deutschland sind immerhin zwei Anbieter gleich zum Start dabei. Mit Xing war zu rechnen, kündigt doch Lars Hinrichs seit Jahren Monaten eine Programmierschnittstelle an, mit der Dritte kontrolliert auf Xing-Daten zugreifen können. Bezeichnend ist jedoch für den traurigen Zustand des Reichweitenkönigs StudiVZ, dass dort weder das Vorbild Facebook kopiert noch OpenSocial adaptiert wird.

Stattdessen ist der Eventplattform amiando eine echte Überraschung gelungen: Das Münchner Startup ist beim Start dabei. „In wenigen Wochen“ will amiando eine eigene Anwendung vorstellen. Für die Eventorganisation bietet OpenSocial einiges Potential. Denn das Thema Events ist für die meisten Nutzer zu schmal, um dafür ein Profil auf einer separaten Plattform zu pflegen.

Mit OpenSocial bieten sich nun zwei Wege für die weitere Expansion an: amiando kann sich Präsenz auf anderen Plattformen verschaffen oder Daten von anderswo integrieren, zum Beispiel um die Nutzerprofile aufzuhübschen. Zunächst geht amiando den ersten Weg, aber prinzipiell sind beide Wege sind möglich und sinnvoll.

In der neuen Welt von OpenSocial zeichnet sich eine gewisse Arbeitsteilung ab. Auf der einen Seite stehen die großen Plattformen, auf denen sich die Nutzer registriert haben. Hier liegen die Profildaten und die Adressbücher mit den Kontakten der Nutzer. Auf der anderen Seite befinden sich die Anwendungsentwickler. Dort liegt der Fokus bei Funktionen, Unterhaltung oder Information.

OpenSocial ist der Marktplatz, auf dem sich beide Gruppen treffen. Hier tauschen sie Profil- und Kontaktdaten gegen Funktionen, Unterhaltungs- und Informationsformate. Plattformen wie MySpace oder Xing bereichern sich nach dem erfolgreichen Vorbild von Facebook um zusätzliche Funktionen, ohne sie selbst entwickeln zu müssen. Entwickler bekommen Zugang zu großen Nutzergruppen, ohne sie selbst rekrutieren zu müssen.

Das Web 2.0 steht vor einer Konsolidierungswelle. Wenn ich heute meinen Firefox starte, gehören die ersten zehn bis 15 Karteireiter nur den sozialen Netzwerken, angefangen von Google Mail und Reader über Twitter, Jaiku, Pownce und Brabblr bis zu Facebook, StudiVZ, Plaxo und Xing sowie upcoming.org und wevent. Einige davon sind bereits auf Facebook präsent, auch wenn die Einbindung im Detail häufig noch zu wünschen übrig lässt.

Meine Adressbücher sind heute auf diversen Systemen verteilt, von Outlook und Mobiltelefon über Google Mail und Xing bis zu Facebook, Twitter und Plaxo. Auf keinem einzigen System habe ich ein wirklich vollständiges Adressbuch.

Mit OpenSocial beginnt nun eine neue Runde, die das Gesicht des Web stark verändern wird. Was TCP/IP für Computernetze und XML/RSS für Nachrichten, Informationen und Konversationen waren, kann OpenSocial für Profildaten, Kontakte und Funktionen werden – ein universelles Austauschformat. OpenSocial kann es dem Nutzer ersparen, die immer gleichen oder wenigstens ähnlichen Daten über Profil und Kontakte wieder und wieder in neue Umgebungen einzupflegen, nur um sich für einfachste Funktionen bei der hundertfünfzigsten Plattform zu registrieren.

In dieser Konsolidierungswelle werden wir weniger spektakuläre Unternehmensübernahmen sehen als vielmehr fluide Nutzungsszenarien auf den großen Plattformen und schnelle Karrieren kleiner, aber wendiger Startups mit lustigen Nischenthemen.

Doch zuvor muss OpenSocial erst einmal ausgerollt werden. Derzeit scheint es da noch ein paar kleinere Sicherheitsprobleme zu geben.

In der Zwischenzeit interessiert mich eine Frage, auf die ich noch keine Antwort gefunden habe: Wer ist, neben Xing und amiando, in Deutschland sonst noch an Bord? Welche Pläne gibt es? Wer kündigt was an? Bitte Kommentar oder Trackback hinterlassen.

Es geht um Präsenz

Wenn Forrester-Analyst Peter Kim in Unternehmen über Twitter spricht, ist die häufigste Reaktion: „I just don’t get it.“ Twitter erschließt sich nur durch aktives Ausprobieren. Dieses Phänomen haben die Micropublishingdienste mit vielen Internetanwendungen gemeinsam.

Laut Forrester Research nutzen bereits sechs Prozent der erwachsenen Internetnutzer in den USA Twitter. Auch wenn sich diese Zahl auf den weitesten Nutzerkreis bezieht und keinesfalls auf tägliche Nutzer oder Inhaber eines Twitterkontos, bezweifeln sie selbst Nerds wie Robert Scoble. Und das mit Fug und Recht. Dennoch stimmt vermutlich, was Forrester über das Twitter-Publikum schreibt:

If you want to reach an affluent, well educated, and early adopter audience, there might not be a better communication channel out there.

Twitter (und Jaiku & Co.) sind Micropublishingdienste. Doch wer dabei an Dinge wie gedrucktes Wort oder Blogging denkt, der irrt. Es sei denn, er assoziiere James Joyce. Twitter ist ein digitaler Bewusstseinsstrom, gefiltert und über die Schnittstelle Tastatur ausgegeben.

Es geht um Präsenz. Micropublishing ist für Instant Messaging (IM) und Chat, was Blogging für Mail und Usenetforen war: ein Web-Interface, eine einfache Software und ein Ökosystem für die 1:n-Kommunikation, die damit auf eine neue Stufe gehoben wird.

Mit mehr oder minder permanenten Zustandsmeldungen in Echtzeit zeigen Micropublisher Präsenz. Sie liefern Kontext, an den die Kommunikation anknüpfen kann. Ein Beispiel: Kollege Themenblogger erfuhr am vorletzten Freitag aus meinem Twitterstream, dass ich nicht im Büro bin und also deshalb dort nicht ans Telefon gehe.

Twitter bietet bereits mehrere mobile Zugangswege an. Neben dem mobilen Webclient funktioniert auch SMS. Das in der vorletzten Woche von Google übernommene Jaiku hat eine eigene Software für das Mobiltelefon, die weitere Präsenzdaten liefert. Tim O’Reilly sieht darin den eigentlichen Grund für die Google-Übernahme.

Noch ist Jaiku relativ wenig verbreitet, was den Nutzen der Software stark einschränkt. Nützlicher ist Fring, das ich seit einiger Zeit mit Begeisterung auf meinem E61 nutze. Fring kann Skype, Google Talk und weitere Instant Messenger ansprechen. Ich sehe also auf dem Mobiltelefon, welcher meiner Kontakte gerade online ist.

Fring kann aber noch mehr: Auch Sprachanrufe sind möglich, entweder über Fring selbst, über Skype (beides Voice over IP) oder über das herkömmliche Mobilfunknetz. Fring benutzt von sich aus das WLAN und schaltet auf den mobilen Internetzugang des Netzbetreibers um, wenn kein WLAN verfügbar ist. Fring ist die erste mir bekannte Software, die das kann.

Fring kombiniert das Telefonbuch im Mobiltelefon mit den Präsenzinformationen der Instant Messenger. Ich kann also

  • sehen, welcher meiner Kontakte gerade online ist,
  • seine Tweets lesen,
  • daher wissen, womit er sich gerade beschäftigt und
  • ihn anrufen – alles mit einer Software auf einem mobilen Gerät.

Eine weitere Facette der Präsenz zeigt Plazes, das den Zugangsweg zum Internet auswertet und dadurch erkennt, wo ich gerade bin. Plazes, Fring und Jaiku – das wäre eine Kombination, die rockt. Wir werden sehen, welchen Weg Google mit seiner Neuerwerbung einschlägt.

Google kauft Jaiku

Blogs habe ich erstmals entdeckt, als Google seinerzeit Blogger.com übernahm. Jetzt kauft Google Jaiku. Falls noch jemand Zweifel hatte, dass Micropublishing eines der next big things ist – jetzt bitte die Zweifel ablegen. (Twitter war vermutlich zu teuer oder nicht zu haben.)

Eine erste Einschätzung hat der Scobleizer: „a major move against Facebook“. Steve Rubel prognostiziert: „I give Twitter 45 days to be sold. My pick? Yahoo. Reason – Yahoo is focusing on developers and Twitter’s API is attractive.“ Der Haltungsturner macht sich Sorgen: „Should I be scared that another service I use since a long time is sacked by one of the two monoliths?“ Und Dave Winer hebt das Kennedyhafte des Moments hervor: „In any case, our world changed today, while we were in a cab on our way to lunch.“

Mein Jaiku ist hier und ich kann gerne einladen.

Via Loic le Meur