Matthias Schrader

Co-Founder & CEO of SinnerSchrader, now part of Accenture Interactive. Founder & Host of NEXT Conference.

Werbeirrsinn bei Media Markt, Teil 2

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Das war’s. Aus und vorbei. Finito. Nur 6 Wochen nach dem spektakulären Start der neuen Media Markt Kampagne heisst es „Zurück auf Los“.
Der unselige Versuch, das veränderte Informations- und Kaufverhalten der Konsumenten zu diskreditieren, war von Anfang an zum Scheitern verurteilt.
Dass mit dem Start der neuen Weihnachtskampagne das Ende so schnell kommt, überrascht dann aber doch. Sie ist natürlich mitnichten eine „konsequente Fortführung der neuen Preisstrategie“ wie es in der Pressmitteilung aus Ingolstadt heisst. Nicht das wir uns missverstehen: der Spot ist wirklich gut gemacht: emotional und mit einem nachprüfbaren Versprechen. Chapeau an Ogilvy & Mather! Und doch ist er eine Kehrwendung um 180 Grad. Jeder Verweis auf Preisparität mit dem Internetkanal wurde konsequent entfernt: im Spot, in den Prospekten, auf der Website. Die Kernidee, Preisklarheit im stationären Media Markt vs Preisirrsinn im Netz, dahin.
Also, alles wieder gut?
Mitnichten. Alle Daten weisen darauf hin, dass dieses Jahr das Weihnachtsgeschäft der Internet-Retailer explodieren wird. Und weil der Konsument sein Geld nur einmal ausgeben kann, wird der Umsatz in der Fläche sinken. Wir erleben im Handel gerade die Ruhe vor dem Sturm. Ab der 2. Januarwoche geht der Preisirrsinn wieder los. Meine Wette: der Media Markt wird an vorderster Front dabei sein.

Warum wir Google+ für Google Apps wieder abschalten – und Google das auch tun sollte

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Gleich vorweg: wir bei SinnerSchrader lieben Google Apps!
Daher haben wir uns auch gefreut, als Google vor rund drei Wochen Google+ für Google Apps freigeschaltet hat. Die gute Integration von Google+ macht wirklich Spaß und ist durch das Circlen von Domain-Nutzern eine sehr schöne Ergänzung unseres Intranets. Auf den ersten Blick. Allerdings beschlich mich schon bei der Einführung ein seltsames Gefühl.
Nach drei Wochen ausführlichen Testens werden wir diese Woche unseren 400 Kollegen die Google+ Accounts wieder entziehen. Google hat mit der überstürzten Einführung von G+ für Google Apps nach meiner Meinung massive Architekturfehler macht, die eine Nutzung unmöglich machen:

  1. Durch die Klarnamen-Policy sind Nutzer quasi gezwungen, ihre privaten Google+ Accounts aufzugeben. Tun sie es nicht, gibt es doppelte Geister-Accounts, die zur kompletten Verwirrung führen und ein persönliches Netzwerk in die Schizophrenie treiben. Beispiel: Mein Profil und das meines alter ego – oder war es umgekehrt?
  2. Der Admin einer Google App Domain (zum Beispiel auch sinnerschrader.com) hat vollen Zugriff auf alle G+ Profile, damit ist eine private Nutzung von G+ für alle unsere Kollegen faktisch ausgeschlossen (umgekehrt: man stelle sich vor, unsere Admins hätten Zugriff auf alle Facebook-Accounts unserer Mitarbeiter…)

Zudem ist noch völlig unklar, wie ein angekündigtes Migrations-Tool funktionieren soll. Wie und welchen Content kann und darf der Nutzer, wenn er beispielsweise das Unternehmen wechselt, in einen privaten Google oder neuen Domain-Account transferieren? Gar keinen? Alles? Wie werden „private“ und „berufliche“ Inhalte unterschieden? Meine Vermutung: an diesem Problem beisst sich Google gerade selbst die Zähne aus. Das Problem scheint mir nicht lösbar.
Fazit: Google+ für Google Apps ist undurchdacht und die Einführung durch Google, wohlwollend formuliert, schlecht kommuniziert. Man könnte auch sagen: wer so ein Produkt für 30+ Millionen Google Apps Nutzer freischaltet handelt leichtsinnig und gefährlich. Beim aktuellen Stand des Produktes, sollte Google G+ für GApps besser heute denn morgen wieder abschalten.

Warum das Siri Business-Modell Android röstet – und auch für Apple eine riskante Wette ist

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Die letzten zwei Tage, habe ich mir die Frage gestellt, warum Siri für das iPhone 4S limitiert ist. Auf den ersten Blick scheint es Willkür zu sein. An den Hardware-Voraussetzungen kann es nicht liegen: das iPad 2 hat alles, was das neue iPhone ausmacht. Eine mögliche Erklärung: Apple will die für Siri notwendige Serverfarm mit der schrittweisen Markteinführung der Devices kontrolliert hochfahren.
Meine Vermutung ist allerdings eine andere: es sind die Kosten.
Wie ich bereits vor einigen Tagen beschrieben habe, ist der Kern von Siri keinesfalls die (erstaunlich gut funktionierende) Spracherkennung. Der Clou ist die dahinter liegende AI-Maschine. Bei jeder Frage an Siri findet im Hintergrund eine Kommunikation zwischen dem iPhone 4S und Apples zentraler Cloud statt.
Was kostet nun ein Siri-Dialog? Das weiss natürlich niemand außer Apple. Ich halte es aber für fair anzunehmen, dass ein Siri-Dialog ungefähr in der Kostenregion einer Google-Abfrage liegt. Hierfür gibt es einigermaßen plausible Schätzungen, welche die Kosten bei rund 1 ct sehen. Gegenprobe: Unternehmen, die Google als Onsite-Service nutzen wollen, zahlen 2 ct.
Ich halte also die Kosten von 1 ct für eine Siri-Anfrage eher für eine untere Schranke (vor allem wenn man bedenkt, dass Google 10 Jahre darin geübt ist, seine zentralen Data Center kostenseitig zu optimieren).
Und jetzt wird’s spannend. Wie viele Siri-Dialoge macht ein durchschnittlicher iPhone-Nutzer? Das wüsste Apple wohl auch gerne. Eine Modellrechnung: bei 10 Dialogen täglich ergeben sich 3.650 Dialoge im Jahr. Multipliziert mit 1ct macht das einen Kostenblock von $36 per anno. Bei einer Marge von 70% für das aktuelle iPhone über eine Nutzungsperiode von 3 Jahren kann das Apple locker wegstecken.
Und das ist ein Problem für Google und sein Android Eco-System. Google refinanziert Android mit seinen Mobile-Search-Einnahmen. Die belaufen sich aktuell bei rund $10 pro Jahr und Device. Weitere Erträge durch Lizenzen oder Hardware gibt es (bislang) nicht. Das ist am Ende durch die schiere Anzahl der Android-Devices eine Menge Geld – reicht aber bei Weitem nicht, einen Cloud-basierten Assistenz-Dienst wie Siri wirtschaftlich zu betreiben. Würde Google einen Siri-Clone starten, würde Google das mehr als $20 pro Endgerät und Jahr an Verlust einbringen und gleichzeitig verlieren sie textbasierten Adword-Umsatz. Auch hier macht’s wieder die Menge – nur mit umgekehrten Vorzeichen.
Wenn die Konsumenten Siri lieben werden, schafft es neben einem extrem starken Lock-in auch ein großes Problem für das Mobile-Geschäft von Google. Ein Cloud-basierter Assistenz-Dienst ist heute ohne die gigantische Hardware-Margen nicht finanzierbar. Und welcher Anbieter besitzt diese heute außer Apple?
Einen zu großen Erfolg für Siri kann Apple sich paradoxerweise aber auch nicht leisten. So lange die Serverkosten nicht wesentlich unter 1ct/Dialog sinken, würde Apple in arge Bedrängnis kommen, wenn statt 10 beispielsweise 100 Dialoge täglich zwischen iPhone und der Siri-Maschine stattfinden: die schönen Margen wären im Nu verzehrt. In diesem Fall müsste Apple sehr schnell beginnen, selbst ein eigenständiges Business-Modell für die Siri-Nutzung zu entwickeln.

Apples Siri und die Post-PC Welt

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Disruptive Innovationen passieren nicht über Nacht. Ganz langsam schleichen sie sich in unser Leben, verändern unser Verhalten und erst in der Rückschau wird uns bewusst, dass sich unsere Welt verändert hat.
So war es mit dem PC, dem WWW, dem Smartphone. Das Ziel, die Post-PC Welt zu dominieren, könnte Apple mit dem iPhone 4S erreichen.
Wie das? Der Schlüssel hierfür, ist Siri. Der neue Service ist wesentlich mehr als eine Spracherkennung, hinter dem Projekt steckt harte AI und $150 Mio aus dem amerikanischen Verteidigungsetat. Siri „versteht“ nicht nur die Syntax, sondern die Semantik hinter den Worten. Apple spricht daher auch von einem „Personal Assistant“.
Der wesentliche Punkt ist aber, dass Siri lernt. In den Demos sieht man es sehr schön: „Schreibe Tom, dass ich unterwegs bin“, „Erinnere mich an den Zahnarzttermin, wenn ich im Büro bin“ oder „Ruf mir ein Taxi“. Dass funktioniert nur, wenn die AI-Engine mein persönliches Lebensumfeld mit der Zeit lernt. Und das passiert nicht auf dem Gerät selber, sondern in der zentralen iCloud. Ohne WLAN und 3G geht nichts. Die Konsequenzen lassen sich erst grob skizzieren:

  1. Siri wird auf allen meinen IOS-Devices laufen. Mein Persönlicher Assistent wird mich unterwegs kennen (via iPhone), auf dem Sofa (via Apple TV), im Bett (via iPad) und am Schreibtisch (mit der nächsten OS X Generation).
  2. Die Software ist Beta. Aber die Integration von Yelp und Wolframs Alpha zeigt, dass Siri immer mehr Services im Alltag aufsaugen wird. Apple wird mich besser kennen als Google und Facebook. Damit greift Cupertino die zentralen Werbeerlösmodelle der beiden an.
  3. Es ist der perfekte Lock-in. Wenn ich aus der Apple-Welt aussteige, verliere ich auch mein über Jahre personalisiertes AI-Modell, welches in den Rechenzentren von Apple mit meinem Account verbunden ist. Wer kündigt seiner langjährigen PA?

Werbeirrsinn beim Media Markt

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Anfang des Jahres kündigte Media Markt seiner langjährigen Werbeagentur kempertrautmann. Für die Agentur offensichtlich überraschend per Pressemitteilung und mit einem Dank, der eher an einen Tritt in den Allerwertesten klang. Eins war jedoch klar, man wolle sich jetzt endlich der Herausforderung Internet stellen und suche eine Agentur, die das Netz verstehe.
Naja.
Seit dem Wochenende nun ist die neue Kampagne draußen. Und leider ist irgendetwas zwischen Kunde und Agentur grundlegend schief gegangen. Neben den vielen kleinen handwerklichen Mängeln, hat das Konzept folgende vier massiven Bugs:
1. Falscher Consumer Insight: Das Netz ist kein Jahrmarkt
Das Netz wird deshalb im Kaufentscheidungsprozess als Anlaufstelle Nr 1 vom Konsumenten genutzt, weil es Transparenz schafft und ordnet. Insbesondere die erfolgreichsten E-Commerce Destinationen wie Amazon schaffen dies seit Jahren extrem erfolgreich und gewinnen von Jahr zu Jahr massiv an Zuspruch. Kunden haben sich an Auswahl, Preistranspararenz, Produktinformationen, Verkaufsränge und Bewertungen gewöhnt und nutzen sie. Im Netz finden die rationalen Kaufentscheidungen statt, der Jahrmarkt findet immer noch auf und im Boulevard statt („Geiz ist geil“). Die Grundidee der gesamten Kampagne läuft daher ins Leere.
2. Falscher Claim
Erst einmal vom Wege abgekommen, kann man dann auch schon mal abheben. „Der neue Media Markt Preis ist der klarste Preis“. „Ohne Preis-Irrsinn“. Oder so ähnlich. Meine Güte! Wer soll das verstehen? Hier kämpft die Kommunikation Schattenboxen mit der Ramba-Zamba-Werbung der letzten Jahre. Die war wenigstens unterhaltsam. Die neue Ansage bleibt klar Dada.
3. Falsches Versprechen
Media Markt verspricht künftig den „klarsten“ Preis zu liefern, da täglich alle maßgeblichen Online-Wettbewerber geprüft werden und die Preise angepasst werden. Wie soll das gehen? Bis auf ein absolut reduziertes Angebotssortiment von vielleicht 100 Artikeln, ist es nicht möglich, tausende Artikel mehrmals auszuzeichnen — und schon gar nicht täglich. Das wird den Märkten und den lokalen Geschäftsführern täglich um die Ohren fliegen. Denn ihre Kunden kennen die Internetpreise.
4. Falsche Angebotsartikel
Und dann die Angebotsartikel – die alte Achillesferse vom Mediamarkt! Zwei, drei Klicks bei Amazon und schon entpuppt sich der Waschvollautomat von Bosch aus dem Kampagnenprospekt als Altware, die noch schnell vom Hof muss. Spätestens hier ist die Glaubwürdigkeit dahin.
Man kann den Verantwortlichen bei Media Markt nur raten, schnell wieder zur Besinnung zu kommen und die Kampagne sofort zu stoppen. Und noch einmal in Ruhe nachzudenken.

Attacke, Amazon – ein Buchhändler kämpft Judo mit Google

Kindle Fire
„Amazon bringt ‚Volks-Tablet’… Kampfpreis 200 Dollar… Erster richtiger iPad-Rivale“ – so oder ähnlich liest man es hunderfach, seit Jeff Bezos den Kindle Fire vorstellte. Solche Analysen sind nicht falsch, gehen aber am Kern vorbei. Denn mit seinem Tablet wagt Amazon eine ambitionierte Kampfansage: Das Unternehmen will nicht weniger als den gesamten Internetverkehr seiner Kunden in seiner Cloud EC2 zwischenspeichern. Damit erklärt Amazon nicht nur Apple den Krieg, sondern auch Google, Facebook und vielen mehr.
Warum?
Zweifellos hat Amazon mit dem Fire eine Duftmarke gesetzt. Konkurrenzfähige Hardware, günstiger Preis und – zumindest in den USA – attraktive Inhalte: von Büchern, Musik bis zu Filmen und TV-Serien. Samsung und Blackberry, denen es ohne iTunes-Store oder Amazons Angebot „Prime“ an Content mangelt, sollten angesichts dieser Konkurrenz warme Schutzhüllen überstreifen.
Im Vergleich dazu kann Apple (noch) gelassen bleiben. Wie bei Mobiltelefonen setzt es auf das Hochpreissegment mit entsprechenden Margen. „Hat’s den Papst gestört, dass Luther kam?“ sagte Harald Schmidt mal über die Konkurrenz mit Stefan Raab. Das gilt vorerst auch für das Verhältnis iPad und Fire.
Bei Google sieht es da schon anders. Um im Luther-Bild zu bleiben, schlägt Amazon hier nicht nur Thesen an die Tür, sondern tritt sie kurzerhand einfach ein. Der weltgrößte Versandhändler greift den Werbe- und Suchmaschinenkonzern gleich auf mehreren Fronten an.
Zunächst einmal betreibt Amazon kostenschonendes Cherrypicking. Als Betriebssystem für den Fire setzt es auf Android. Konkret: auf den kostenlosen Open-Source-Kern ohne die Komponenten Browser und Mail, für die Abgaben an Google gezahlt werden müssten.
Stattdessen vertraut Amazon beim Browser auf die Eigenentwicklung „Silk“. Dieser erlaube Surfen mit nie gesehenen Geschwindigkeiten, egal mit welchem Gerät, egal mit welcher Bandbreite, reklamieren seine Entwickler. Das möglich machen soll die „Split Browser“-Technologie, die den gesamten Internetverkehr über die Amazon-Cloud EC2 abwickelt. Sie lädt die Website (vorausschauend) und liefert diese dann neu-gerendert und ressourcenschonend an den Nutzer aus.
Kindle Fire
EC2 geht also viel weiter als ein Proxyserver. Dahinter steht zudem die extrem robuste Netz-Infrastruktur Amazons, auf der bereits jetzt viele Unternehmen ihre gesamten Online-Aktivitäten hosten.
Wollte man bislang herausfinden, was die Nutzer im Netz tun, musste man ihr Verhalten mühsam über Webanalytics-Tools tracken. Etabliert sich das Surfen via EC2, kommt quasi der permanente Blick über die Schulter. Amazon weiß so, was Silk-Nutzer online tun, was sie klicken, was sie suchen und was sie kaufen. Kombiniert mit den persönlichen Informationen – Amazon ist angeblich der größte Inhaber von Kreditkarten-Daten – wird daraus pures Gold.
Auf einen Schlag wäre Amazon in der Lage, besser zielgerichtete Werbung zu schalten als die bisherigen Platzhirschen Google und Facebook. Bislang kamen Werbungtreibende um die beiden nicht herum.
Nun macht Amazon „Meta-Werbung“ möglich: die Werbung um die Werbung. Schon einmal gab es einen solchen Versuch, der schon ein Jahrzehnt zurückliegt: germany.net. Als das Internet laufen lernte, bot der Call-by-Call-Provider Internetzugänge an, die bis auf die Telefongebühren kostenlos waren – finanziert durch eingeblendete Werbeanzeigen. Ein Modell, das sich nie so richtig durchsetzte.
Damals jedoch waren die Analyticsmethoden noch nicht entwickelt, Targeting so gut wie unmöglich. Aktuelle Technologien erlauben jedoch die Bildung trennschärfster Segmente.
Google und Facebook könnten hier ihre Dominanz eines Tages einbüßen, weil ihr Informationsvorsprung in Gefahr ist. Setzt sich „Split-Browsing“ durch, gäbe es nichts, was Amazon nicht wüsste – ein mächtiges Drohmittel. Es könnte seiner Konkurrenz wichtige Daten vorenthalten, indem sie beim Weg durch die Amazon-Cloud herausgefiltert würden.
Im Gegenzug wäre es natürlich denkbar, dass Webseitenbetreiber das Caching durch Amazon untersagen, um den direkten Draht zum Surfer nicht zu verlieren.
Noch ist das alles nicht entschieden. Fest jedoch steht: Im Spiel der Giganten hat sich Amazon machtvoll zu Wort gemeldet.
Das Internet kann dadurch nur noch besser werden.

Die Zahlen der United Digital Group

Michael Riese hat es mal wieder geschafft – zumindest wenn es nach Michael Riese geht.
Neun Digital- und Media-Agenturen hat er zur „United Digital Group“ zusammengefasst und mit EQT einen Investor gefunden. „Um es kurz zu machen: Sie kommen leider an uns nicht vorbei“, kündigt die United Digital Group auf ihrer Website selbstbewusst an. Das Unternehmen sieht sich als „neuer deutscher Marktführer für digitales Marktmanagement und Kommunikation“ (Quelle: Horizont) und beziffert den jährlichen Gesamtumsatz auf 89 Millionen Euro (Quelle: Pressemitteilung – PDF).
Das klingt imposant. Es stellt sich nur die Frage, wie Herr Riese auf solche Zahlen kommt. Für mich sieht es so aus, als habe er mal wieder Brutto mit Netto verwechselt. Wenn ich die Honorarumsätze der Gruppenagenturen gemäß den Eigenmeldungen in den Rankings summiere, bleibt nach meiner Mathematik nicht einmal die Hälfte übrig. Der Rest könnten Media-Umsätze sein, die laut Ranking-Regeln jedoch nicht eingerechnet werden dürften.
Die postulierte Marktführerschaft ist also bestenfalls heiße Luft. Man könnte es aber auch anders ausdrücken.
So habe ich gerechnet. Ergänzungen und Korrekturen bitte als Kommentar.

SinnerSchrader gründet Kreativagentur Haasenstein

Ferdinand Haasenstein gründete 1855 in Steinwurfweite unseres Büros in der Völckersstraße die erste Werbeagentur Europas. Ein echter Pionier, der seinerzeit das neue Medium Tageszeitung und den Kommunikationsbedarf von Unternehmen mit einer innovativen Agenturdienstleistung verknüpfte.
Heute erblickt wieder eine innovative Werbeagentur in Altona mit gleichem Namen das Licht der Welt: SinnerSchrader gründet Haasenstein neu – als Werbeagentur für das digitale Zeitalter, die als erste konsequent Kommunikation zuerst aus dem digitalen Kanal Richtung Offline denkt.
Wir reagieren damit auf ein Bedürfnis vieler unserer heutigen Kunden, die zunehmend unzufriedener mit der Betreuung ihrer klassischen Leadagenturen sind. Wir freuen uns sehr, mit tuifly.com den ersten Kunden gewonnen zu haben, der von Jung von Matt zu Haasenstein gewechselt ist!
Haasenstein startet mit acht Mitarbeitern. Geleitet wird die Werbeagentur von Timm Hanebeck (zuletzt Jung von Matt) und Matthias Wagener, der bislang Account Director bei SinnerSchrader war.
vlnr-Timm-Hanebeck-Matthias Wagener-.jpgTimm Hanebeck und Matthias Wagener, Haasenstein

2010: Werbung ist tot. Kreation lebt.

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In den letzten zwölf Monaten hat sich die Welt der Werbung mehr verändert als in den zwölf Jahren zuvor. Die Weltwirtschaftkrise war 2009 allerdings lediglich der Katalysator für eine Entwicklung, die seit einem Jahrzehnt an Dynamik gewinnt – das Internet verändert das Konsumentenverhalten radikal. Beide Entwicklungen bildeten 2009 einen perfekten Sturm, der neue Spielregeln für die Marketingwelt und die Agenturen diktierte.
Das Wichtigste zuerst: Kreation ist und bleibt das Kernprodukt jeder Agentur. Allerdings verändert sich das Spielfeld für die Kreation fundamental. In der alten Welt der Unterbrecherwerbung – ob als Plakat, 2/1-Anzeige, Radio- oder TV-Spot – lag der Fokus der Kreation auf dem Storytelling. Wie erzähle ich meine Botschaft möglichst charmant und effizient? Die Metapher: das trojanische Pferd. Heute funktionieren die gelernten Kampagnenmechaniken immer seltener, die Konsumenten suchen über das Internet die direkte Beziehung zur Marke. Lean forward statt lean back: Wenn der Konsument sich vor dem TV-Schirm zurücklehnt, akzeptiert er keine unaufgeforderte Markenkommunikation mehr. Will er was von den Marken, lehnt er sich vor und bestimmt den nächsten Klick wo, wann und wie er es wünscht.
In der Tat stellen sich immer mehr Unternehmen auf dieses neue Konsumentenverhalten ein. Sie öffnen sich, schleifen die Silos zwischen Produktentwicklung, Marketing, Vertrieb, Kundenservice – und verlangen von ihren Kreativpartnern auf Agenturseite mehr als Kampagnen. Nicht wenige Marketingentscheider entwickeln sogar eine zunehmende Aversion dagegen, durch ihre Kommunikationsmaßnahmen Medienunternehmen am Leben zu erhalten, wo es ihnen doch darum geht, Beziehungen zum Konsumenten aufzubauen.
So wie sich die Konsumenten und die Unternehmen wandeln, verändert sich auch die Agenturarbeit massiv. Die wichtigste Agenturleistung ist immer seltener die Kampagne, sondern vielmehr die Kreation von Plattformen, die Konsumenten langfristig an die Marke binden. Das ist ein ungeheurer Bruch: Statt zyklischer Kampagnen gilt es Plattformen zu entwickeln, die Magnetwirkung für die Nutzer besitzen. Plattformen aus Software!
Ist diese Erkenntnis verdaut, liegt in diesem Wandel eine riesige Chance für die Agenturen: Je mehr Produkt, Kundenservice und Internet verschmelzen, desto wichtiger wird es, Marketinginnovationen als erfolgskritischen Bestandteil in die Produktentwicklung zu integrieren. Kreative werden künftig weniger visuelles Design und Text, dafür aber mehr Produktdesign betreiben und Serviceprozesse gestalten. Die Unternehmen suchen kreativen Input, um ihre Produkte mit digitalen Zusatzleistungen aufzuladen, die sie im Markt differenzieren und im Alltag der Konsumenten relevanter machen.
Der Konsumentenalltag selbst wird auch 2010 durch eine weitere dramatische Zunahme digitaler Interaktionen geprägt sein. Im Web ist der Treiber der neue Standard HTML5, der das Nutzererlebnis schneller und komfortabler macht. Vor allem sind es aber die boomenden Smartphones (und wohl auch Tablets), welche den Konsumenten jederzeit und überall Zugriff auf Informationen und Services geben. Nach dem Web und dem Point of Sale wird Mobile zum drittwichtigsten Touchpoint zwischen Marke und Mensch. Die relevantesten Apps werden nicht hastig entwickelte Gimmicks sein, sondern Applikationen, die auf den bestehenden Marketing- und E-Commerce-Plattformen der Marken aufsetzen und diese mit anlass- und ortsbezogenen Zusatzservices erweitern.
In dieser neuen Marketingwelt brauchen Agenturen auch ein neues Agenturmodell. Um Produkt- und Service-Innovationen auf Augenhöhe gemeinsam mit den Marken entwickeln zu können, benötigen sie massive technologische Kompetenzen. Erfolgreiche Interaktivagenturen wie R/GA (jüngst erst von AdAge zur Agentur des Jahrzehnts gekürt), AKQA oder eben auch SinnerSchrader haben einen Entwickleranteil von 30 bis 50 Prozent. In diesen Agenturen arbeiten Kreative und Softwaredesigner in gemeinsamen Teams zusammen, um innovative Plattformen mit hoher Konsumentenrelevanz zu kreieren. Gelingt der Brückenschlag zwischen Kreation und Technik, überwinden Agenturen die Umsetzungsrolle – und sind kreativer Businesspartner ihrer Kunden.
Das sind tolle Aussichten für 2010!
Vorwort von Matthias Schrader zum Jahrbuch Hamburgs Kreative, das soeben erschienen ist. Foto: Olaf Ballnus

MySpace.com: deutsche Communities wachsen schneller

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Die Story ist bekannt. Murdoch, der bislang nie in Verdacht stand Web-bullish zu sein, kaufte vor wenigen Monaten die US-Teenie-Community MySpace.com für rund $580 Mio und wurde fortan von nicht Wenigen der Alterssenilität bezichtigt. Das dauerte bis ungefähr diesen Montag. Mit einem befristeten Werbedeal in Höhe von rund $900 Mio schaffte er es, durch Google sein Investment mit einem Schlag zu refinanzieren. Ein weiterer Beleg wie rasant sich zur Zeit das Advertising-Business ändert.
Interessanter als die Dollars finde ich allerdings den Blick auf die Clicks. Laut ComScore generierte MySpace.com in den Monaten April bis Juni diesen Jahres rund 30 Mrd PageViews, das y-t-y Wachstum betrug fast 400%. Also, was tut sich hierzulande? Werfen wir einen Blick auf die Alexa-Zahlen von einigen deutschen Web2.0-Communities: OpenBC, lokalisten.de und studiVZ. Das Wachstum von studiVZ ist atemberaubend und mit jeweils rund 5 Mrd. PageViews im Quartal besitzen studiVZ und die Lokalisten bereits ein nettes Polster für die Vermarktung. Hut ab!