Martin Recke

Co-Founder @nextconf, corporate editor @AccentureSong, PR guy, blogger, journalistic background, political scientist, theology, singer, father, landlord, roman-catholic.

Was das Jahr so bringt

Auch wenn 2015 fast schon wieder rum ist, jedenfalls was Prognosen angeht, so lohnt doch sicher noch ein Blick auf dieselben. Beginnen wir – Ehre, wem Ehre gebührt – mit Wolfgang Lünenbürgers fünf großen Trends in der Kommunikation.

  1. Digitale Transformation
  2. Content Marketing
  3. PR vs. Werbung
  4. 3D-Drucker
  5. Ephemeral Media

Digitale Transformation: Haken dran. Das Thema wird uns alle in diesem Jahr (oder sollte ich schreiben: in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren?) massiv beschäftigen.
Content Marketing: Ja, wird weiter wichtig bleiben, egal wie es gerade heißt und wo das Pendel gerade steht.
Trend No. 3 ist eigentlich kein Trend, deshalb gleich weiter zu Trend No. 4: Ja, 3D-Druck ist spannend und hat ein Riesenpotential, das jeder erahnen kann, der noch die DTP-Revolution in den 80ern erlebt hat. Nur diesmal noch viel größer, weil ja drei Dimensionen und nicht nur zwei. Aber: Kampagnen mit 3D-Druckern in den Haushalten – damit wünsche ich @luebue schon heute viel Spaß! 😉
Wearables hingegen abzuschreiben in einem Jahr, in dem Apple sein diesbezügliches Produkt auf den Markt bringen wird, ist mutig, ja geradezu antizyklisch. Da halte ich es eher mit Adam Tinworth, aber dazu später mehr.
Und last, but not least: Ephemeral Media ist mir als Buzzword etwas zu sperrig, aber meinetwegen. Das nächste große Ding, wie Wolfgang meint? Vielleicht für die Kommunikation. Ob das groß genug wird, um es in eine Reihe mit Google (Web 1.0) und Facebook (Web 2.0) zu stellen?
Kommen wir zu Adam Tinworth, der auf dem NEXT-Blog seine Trends für 2015 benannt hat.

  1. Internet of Things
  2. Social Business
  3. Ruhe im Bereich Consumer Tech
  4. Privacy

Das Internet der Dinge gehört – wie 3D-Drucker und Wearables – zu den großen Themen der Digitalen Transformation im Konsumentenbereich. Daher eine sichere Wette. Außerdem: Apple Watch und sonst nicht viel Neues.
Beim Thema Social Business rechnet Adam mit einem neuen Anlauf im Prozess der Business Transformation. Das ist sozusagen die andere, businessorientierte Seite der Medaille Digitale Transformation. Und klar, Privacy wird die Debatte der nächsten Jahre bleiben, denn das ist einer der Bereiche unseres Lebens, die durch die Digitale Transformation massiv verändert wird.
NEXT Year!
Noch einen weiteren Blick auf die Trends des Jahres 2015 wirft unser kleines Büchlein mit dem programmatischen Titel #NEXT Year!. Zehn Experten beschreiben darin ihre Sicht auf Marketinginnovationen und deren Treiber. Lesestoff für den Jahresstart!

Das Ende der gedruckten Zeitung

Es ist schon oft beschworen worden. Was mir ernsthaft Sorgen macht, ist eine kleine Anekdote aus den letzten Wochen. Ich hatte Gelegenheit, alte Freunde zu besuchen. Beide Akademiker, er verbeamtet, zwei Kinder auf dem Gymnasium, beide lernen Instrumente.
Besagte Familie hat ihr Tageszeitungsabo abbestellt.
Dabei gibt es dort, wo sie wohnen, sogar zwei Lokalzeitungen: Das Einzugsgebiet des Bonner General-Anzeigers und des Kölner Stadt-Anzeigers überschneiden sich dort nämlich. Doch ist offensichtlich die Tageszeitung aus der täglichen Routine dieser Familie verschwunden.
Nun wird noch regelmäßig die Wochenendausgabe erworben – und die Ausgabe, mit der die Programmbeilage Prisma geliefert wird. Die Familie, man merkt es schon, ist nicht einmal übermäßig internet-affin.
Wenn schon Akademiker jenseits der 40 glauben, auf eine Tageszeitung verzichten zu können – wer soll dann künftig noch Abonnent werden? Wenn schon Akademikerkinder keine Tageszeitung im Hause mehr vorfinden – wie sollen sie später Zugang zu diesem Medium finden?
Bleibt die Frage, ob sich diese anekdotische Beobachtung verallgemeinern lässt. Tatsächlich ist dieser Trend auch an den offiziellen Zahlen des BDZV abzulesen. Nur noch in der Zielgruppe 50+ liegt die Reichweite der Tageszeitung über 70 Prozent, und je jünger die Altersgruppe, desto geringer die Reichweite. Bei den 14- bis 19-Jährigen erreichte die Tageszeitung 2013 gerade noch ein gutes Drittel.
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Reichweiten der Tageszeitungen 2013 nach Alter
Leser pro Ausgabe (LpA), Angaben in Prozent
Basis: Deutschsprachige Bevölkerung ab 14 Jahre
Quelle: Media-Analyse 2013 Tageszeitungen, BDZV

Die Talfahrt hält schon lange an. 1993 erreichte die Tageszeitung noch gut 60 Prozent der 14- bis 19-Jährigen, 2003 waren es immerhin noch über 50 Prozent. Und in den übrigen Alterskohorten zeigt sich das gleiche Bild – ein kontinuierlicher Abwärtstrend.
Geht es weiterhin um einen bis zwei Prozentpunkte pro Jahr bergab mit der Reichweite, dann könnte schon in weniger als zwanzig Jahren der letzte Zeitungsleser unter 20 das Blatt aus der Hand legen. Wann das Geschäftsmodell Tageszeitung kollabieren wird, bleibt abzuwarten – möglicherweise hat die Tageszeitung auch als Nischenprodukt für die ältere Generation noch eine Zukunft. Doch ganz ohne Reichweite geht die Chose nicht.
In 20 Jahren sind die heutigen Mittvierziger auch schon 65 Jahre alt. Und warum sollte, wer mit Mitte 40 sein Abo kündigt und nichts vermisst, später wieder eine gedruckte Zeitung abonnieren? Tatsächlich deutet der kontinuierliche Sinkflug der Reichweite in allen Altersgruppen darauf hin, dass einmal verlorene Zeitungsleser auch nicht zurückkehren.
Die Tageszeitung hat schon länger das Problem, die jungen Leser zu verlieren. Und auch diese Leser werden älter, ohne wieder zur Zeitung zu greifen. Inzwischen sehen wir den Schwund schon in der zweiten Generation: Die Kinder von Nichtlesern werden offensichtlich nur in den seltensten Fällen zu Lesern.
Trübe Aussichten für das Medium Zeitung. Und dabei war von der Unfähigkeit, tragfähige digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln, noch gar keine Rede.

Oettinger. Oder: Warum die wohlfeile Kritik in die Irre geht

Am kommenden Wochenende tritt die neue EU-Kommission ihr Amt an. Und damit Günther Oettinger die Nachfolge von Neelie Kroes als Kommissar für die Digitalwirtschaft. Diese Personalie hat insbesondere in der Szene viel Spott und heftige Kritik geerntet.
Meistens geht es dabei um die vorgeblich mangelnde oder angeblich notwendige Fachkompetenz des künftigen Digitalkommissars. Dass Günther Oettinger nach eigenem Bekunden „täglich online“ ist und sich via iPhone selbst Termine in den Kalender schreibt, solche Petitessen dienen dann als Nachweis fehlender Kompetenz.


Doch halt – welche Kompetenzen braucht ein Spitzenpolitiker tatsächlich? Muss ein Verteidigungsminister selbst in der Bundeswehr gedient haben? Muss ein Wirtschaftsminister selbst ein Unternehmen geführt haben? Offensichtlich nicht.
Für das Fachliche halten Ministerien und EU-Behörden ganze Stäbe von Mitarbeitern vor. Minister und Kommissare sind hingegen Experten der Macht. Ihre Aufgabe ist es, dort zu entscheiden, wo die Grenzen der Fachkenntnis erreicht sind, wo Fragen der politischen Macht und der gesellschaftlichen Werte beginnen.
Jeder Spitzenpolitiker wird schon aus Gründen der Machterhaltung auf die Fachkenntnis seines Stabes vertrauen. Sein Job ist nicht, es besser zu wissen als die Experten in seinem Hause. Er muss dort entscheiden, wo die Experten mit ihrem Latein am Ende sind, wo es mehrere fachlich gut begründete Meinungen gibt, wo es auch unter Fachleuten schließlich heißt: Das muss politisch entschieden werden.
Das ist das Geschäft der Politik, dafür brauchen wir Politiker. Ob sie nun einen guten Ruf haben oder nicht, einer muss den Job halt machen. Und manchmal ist es dafür sogar vorteilhaft, sich nicht allzu tief in den Niederungen des Fachlichen verstrickt zu haben.

Kleiner Denkanstoß für die Musikindustrie

Liebe Musikindustrie,
auf dem Reeperbahn Festival habe ich dieser Tage wieder jede Menge Gejammer über die Folgen der digitalen Transformation für Musiker, Labels und die Musik insgesamt gehört. Es fing an mit Herbert Grönemeyer, der es offensichtlich in seinem Alter und auf seinem Level nicht mehr für nötig hält, die jüngsten Entwicklungen des Konsumentenverhaltens und der Konsumentenwünsche auch nur zur Kenntnis zu nehmen. Und es hörte, leider, damit nicht auf.
Folgendes würde ich Euch gern auf den Weg mitgeben, nachdem Ihr nun aus Hamburg wieder in Euren Alltag zurückkehrt: Es hat keinen Sinn, gegen Streaming zu kämpfen, wenn es das ist, was der Konsument möchte. Der Konsument entscheidet, wofür er sein Geld ausgibt. Macht ihm attraktive Angebote, und der Umsatz wird kommen.
Seit Spotify in Deutschland auf dem Markt ist, zahle ich jeden Monat knapp zehn Euro für Musik. Das sind 120 Euro im Jahr. Vielleicht etwa die gleiche Summe habe ich in den letzten zehn (!) Jahren für CDs ausgegeben. Plus eventuell etwas mehr bei iTunes. Aber erst Spotify hat mich dazu gebracht, Musik im Abo zu beziehen. Man sieht schon: Ich bin kein hartgesottener Fan, der sein frei verfügbares Einkommen für Musik und Merchandising ausgibt.
Doch noch mal zum Mitschreiben: Dank Streaming im Allgemeinen und Spotify im Besonderen gebe ich nun erheblich mehr Geld für Musik aus als zuvor. Mehr Umsatz für Euch, liebe Musikindustrie! Wie Ihr jetzt das Geld verteilt, was die Künstler bekommen und was für den Rest draufgeht, das macht bitte unter Euch aus. Das kann ich nicht lösen.
Ich höre nun aber mehr Musik und vor allem eine größere Vielfalt an Musik als zuvor. Und zahle dafür mehr als zuvor. Das kann so schlecht für Euch nicht sein.

Zug in Richtung Digitaler Handel schneller als erwartet

Business Insider hat vor einigen Tagen einen umfangreichen Foliensatz veröffentlicht, der sehr viel Zahlen- und Datenmaterial zum aktuellen Stand des E-Commerce und der Zukunft des Handels enthält. Die Kernthese:

The shift away from physical retail toward digital retail is happening faster than many observers expected.

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Ein Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung in den USA, die zum Teil schon weiter fortgeschritten ist als in Europa. In den USA wird das Wachstum des Handels bereits fast ausschließlich online generiert, während Offline stagniert oder schrumpft. Amazon hat in den USA bereits 2011 Best Buy überholt und war 2013 schon 1,7-mal so groß wie Best Buy.
Walmart hingegen ist immer noch erheblich größer als Amazon, bei weiterhin wachsendem Umsatz. Nur zwei Prozent seines Umsatzes generiert Walmart online. Doch während der Onlineumsatz 2013 nach BI-Schätzungen um 30 Prozent wuchs, ist das Wachstum offline fast zum Erliegen gekommen.
Mehr hier.

Studie: Marketing für digitale Herausforderungen nicht gut aufgestellt

Nur eine Minderheit (23 %) der Marketingverantwortlichen in den Unternehmen glaubt, dass die Marketing-/Kommunikationsabteilung in ihrer jetzigen Form gut für die Zukunft aufgestellt sei. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Trendforscher von BathenJelden, die der Deutsche Marketing Verband herausgegeben hat. Ein niederschmetterndes Ergebnis? Immerhin knapp die Hälfte (48 %) ist der Ansicht, das kleinere Korrekturen schon viel bewirken könnten. Bei den ebenfalls befragten Agenturen und Externen zeigt sich ein anderes Bild. Hier meinen zwei Drittel, dass sich die Marketingabteilungen grundlegend neu aufstellen müssen.
Um welche Herausforderungen geht es? Hier nennen die insgesamt 810 Befragten (siehe Grafik) vorrangig Themen, die sich dem Megatrend Digitalisierung zuordnen lassen, wie die Explosion der Kommunikationskanäle, Big Data und die höhere Geschwindigkeit – die Stichworte lauten Echtzeit, kürze Produktlebenszyklen und schnell veraltendes Wissen. Aber auch die Einsicht, dass der digitale Konsument das Marketing revolutioniert, ist inzwischen bei den Marketingverantwortlichen angekommen: Die steigende Konsumentenmacht durch anspruchsvollere, vernetzte Bürger, der Vertrauensverlust gegenüber Unternehmen und Marken sowie größere Transparenz und damit überprüfbare Leistungsversprechen nennen 71 % als eine der größten Herausforderungen.
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Ein klarer Weg, wie das Marketing diesen Herausforderungen zu begegnen gedenkt, zeichnet sich indes noch nicht ab. Weshalb der Marketingverband betont, eher Denkanstöße als Patentrezepte liefern zu wollen. Erschreckend für altgediente Marketingkoryphäen ist nicht zuletzt eine ausgesprochen niedrige Zahl: Nur 14 % sind der Ansicht, dass der Chief Marketing Officer (CMO) oder die Marketingabteilung die nötige Neuausrichtung vorantreiben kann. Fast jeder Dritte erwartet, dass es bis 2020 einen Chief Digital Officer (CDO) geben wird. Interessant: Von den heutigen Marketingleitern erwarten dies nur 24 Prozent, während es in der Unternehmensführung immerhin 39 Prozent sind.

Bereits heute zeigt sich in einigen Unternehmen, dass Chief Digital Officer das Mandat der Unternehmensleitung haben, quer zu bisherigen Strukturen zu arbeiten, um schneller Innovationen voranzutreiben, Geschäftsmodelle zu entwickeln oder die eigenen Kunden anhand von Verhaltensdaten besser zu verstehen. Derzeit schaffen es viele Marketingorganisationen aber offensichtlich noch nicht gut genug, die Herausforderungen rund um das Thema Digitalisierung in entsprechende Kompetenzprofile umzusetzen, denn nur 23 % aller Befragten, die die offene Frage zu den Zukunftskompetenzen ausgefüllt haben, sind der Meinung, das Technologiekompetenz – also Technologieaffinität, Datenverständnis oder IT-Wissen – zukünftig eine wichtige Kompetenz für Marketingmitarbeiter darstellt.

Nachweisbarkeit, Effizienz und KPIs hingegen kommen in den Zukunftsszenarien prominent vor: So halten es 81 % der Unternehmensvertreter für (sehr) wahrscheinlich, dass Marketing und Vertrieb im Jahr 2020 näher aneinandergerückt sein werden. Und 60 % glauben, dass der Return-on-Marketing-Invest bis dahin ganzheitlich messbar sein wird.

Diese Marketingeinheiten werden sich stärker an messbarem Mikroverhalten von Kunden ausrichten und versuchen, die kleinen Stellschrauben zu identifizieren, die den Absatz erhöhen. Dafür entwickeln sie eine deutlich höhere Kompetenz in der Analyse von Kundendaten und dem schnellen Testen von Kommunikationsmaßnahmen. Das Thema Marke spielt in diesem Szenario eine untergeordnete Rolle. Strategische Fragestellungen sind keine Aufgabe der Marketingorganisation (mehr). Auffällig ist jedoch auch hier, dass eine solche Effizienzorientierung nur von wenigen als Zukunftskompetenz angesehen wird. Nur 11 % aller Befragten haben in der offenen Frage zu den Zukunftskompetenzen Aspekte der Effizienzorientierung genannt.

Die Studie Marketingorganisation der Zukunft ist komplett kostenlos im Netz erhältlich oder als Druckwerk für 40 EUR (netto) zu beziehen. Disclaimer: Wir haben in der Vergangenheit bereits mit Jörg Jelden zusammengearbeitet, allerdings nicht im Rahmen des vorliegenden Projekts.

Das digitale Reiseerlebnis hat noch jede Menge Potential

Seit rund 20 Jahren gibt es nun das kommerzielle Internet. Und noch immer ist die Planung einer Reise ein echtes Abenteuer. Ich frage mich, ob das so sein muss.
Nehmen wir als praktisches Beispiel unseren kürzlich abgeschlossenen Familienurlaub in Schweden. An sich war das kein besonders komplexes Projekt. Über Airbnb hatten wir schnell ein wunderbares Ferienhaus mit einem phantastischen Blick über den Klarälven gefunden und gebucht.
Was wir jedoch hätten optimieren können, war die Lage. Das Haus befindet sich fast am nördlichen Ende des schönen Värmlandes. Die dortige Hauptstraße Nr. 62, nach dem sie begleitenden Fluss Klarälvsvägen genannt, verbindet Norwegen im Norden mit Karlstad im Süden.
Das Flusstal des Klarälven verläuft in jener Gegend zwischen Norwegen im Westen und Dalarna im Osten. Die bis zu 700 Meter hohen Bergketten rechts und links des Flusses sind hauptsächlich durch Schotterwege und nur selten durch schmale Straßen erschlossen.
So fanden wir uns für jeden größeren Ausflug auf der 62 wieder, fuhren 30, 60, 80 oder gar 120 Kilometer gen Süden. Das ist nicht weiter schlimm, doch vielleicht hätten wir ein Haus woanders gebucht, wenn wir die Lage hätten realistisch einschätzen können.
Aber wie? Google Maps und dergleichen sind hier nur von begrenztem Nutzen. Die meisten lokalen Informationen bekamen wir erst, als wir schon die rund 1.100 Kilometer zu unserem Feriendomizil zurückgelegt hatten.
Auch die Planung der An- und Abreise war komplizierter als gedacht. Google Maps hält die Fähre von Kiel nach Göteborg, für die wir uns letztlich entschieden haben und die uns fast 700 Kilometer Autofahrt pro Strecke, also über 1.300 Kilometer insgesamt erspart hat, offensichtlich für nicht der Rede wert.
Da half uns ein persönlicher Tipp, ganz wie in alten Zeiten, nur diesmal per Mail und nicht wie früher per Telefon oder im persönlichen Gespräch. Noch besser wäre eventuell die Fähre von Kiel nach Oslo gewesen, aber auch die hat Google Maps nicht so richtig auf dem Schirm, und unser Tippgeber aus Schweden verständlicherweise auch nicht.
Ferienhaus gebucht, Fähre ebenfalls – damit waren die Eckpunkte der Reise definiert. Bleibt nur noch das Programm für eine vierköpfige Familie. Sich via Netz über das nähere Umfeld eines bestimmten Landstriches in Mittelschweden nahe der Grenze zu Norwegen zu informieren ist so gut wie aussichtslos.
Schwedischkenntnisse würden vermutlich helfen, aber generell ist das Informationsangebot recht überschaubar. Jedenfalls soweit ich es finden konnte. Bücher sind übrigens erst recht keine Option. Die behandeln mindestens gleich ganz Mittelschweden und damit ein Gebiet, das zum größten Teil außer Reichweite liegt.
Dabei gibt es durchaus genügend Freizeitgestaltungsmöglichkeiten für Urlauber wie uns. Einmal am Ort, erschließt sich das Angebot auch recht problemlos. Wandern, Mountain Bike, Kanu fahren, Elche gucken, einen Park besuchen – alles kein Problem. Schwimmen wäre auch möglich gewesen, wenn wir etwas besser geplant hätten.
Das Netz allerdings brauchten wir dazu kaum. Eigentlich nur, um die Routen für unsere Tagestouren zu planen. Waze und Google Maps auf iOS kommen inzwischen auch ganz gut ohne dauernd aktive Datenverbindung zurecht. Weshalb ich in der zweiten Woche auch noch auf die durchaus brauchbaren Datenroamingpakete von Vodafone Business verzichtet habe.
Das Ferienhaus war mit brauchbarem Wifi ausgestattet, was für den Urlaub völlig ausreichte. Wer sonst etwas von mir gewollt hätte, der hätte vielleicht ganz klassisch anrufen müssen. Oder eine SMS schicken.
Wenn ich nicht gerade im Funkloch war. Das nördliche Värmland ist nicht so dicht besiedelt, das dort wirklich auf jedem Berg und in jedem Tal Mobilfunk vorhanden wäre. Weshalb mich in der Summe das alljährliche Lummasche Lamento über Datenroaming diesmal ziemlich kalt lässt.
Liebe Touristiker, da geht doch noch was. Airbnb ist schon ein Schritt in die richtige Richtung, aber was ist mit der Routenplanung über verschiedene Verkehrsmittel? Was ist mit der Detailinformation über schöne Urlaubsgegenden, die vielleicht etwas abseits von den ausgetretenen Pfaden des Massentourismus liegen? Was ist mit Filtern nach verschiedenen Interessensbereichen und Aktivitäten?
Oder vielleicht gibt es das alles längst, aber ich konnte es nicht finden? SEO, anyone? Wer weiß?
Wie gesagt: Das digitale Reiseerlebnis hat noch jede Menge Potential.

TEDxHamburg und die digitale City 2.0

tl;dr: 1×2 Tickets für die TEDxHamburg am 4. Juni zu gewinnen!


So kann man sich irren. Auch wenn man Walter Scheuerl heißt und Mitglieder der Hamburgischen Bürgerschaft ist. Auch ohne Scheuerls Zutun frisst sich die digitale Revolution unverdrossen durch alle Bereiche des Lebens und Arbeitens. Wie Städte sich dadurch verändern, wie sie digital werden, für diese Frage steht das Schlagwort City 2.0.
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Unter diesem Motto steht in der kommenden Woche die dritte TEDxHamburg. Einer der für mich spannendsten Sprecher dort ist David Zahle, Partner des dänischen Architekturbüros Bjarke Ingels Group. Vor einiger Zeit habe ich einen Vortrag des Namensgebers Bjarke Ingels gehört, der mich sehr begeistert hat.
Außerdem freue ich mich auf Raul Krauthausen, Gründer von wheelmap.org, auf das er inzwischen den überwiegenden Teil seiner Zeit verwendet. Raul spricht regelmäßig auf Konferenzen wie TEDx und NEXT.
Für die TEDxHamburg gibt es noch Tickets. Außerdem verlosen wir hier 1×2 Tickets für die Konferenz. Bei Interesse hinterlasst bitte einfach unten einen intelligenten Kommentar und gebt eine brauchbare Mailadresse an. Viel Erfolg!

Landlord oder: Gamification 2.0

Aufmerksame Leser meiner Kurznachrichten bei Twitter wissen bereits, dass ich mich seit geraumer Zeit mit Landlord beschäftige. Es handelt sich um eine Art Monopoly auf Basis von Foursquare für das iPhone, eine Android-Version ist derzeit in der Beta-Phase.
Nun bin ich ja normalerweise eher zurückhaltend, was digitale Spiele betrifft. Doch Landlord ist eine Ausnahme, und die Gründe haben viel mit dem zu tun, was ich Gamification 2.0 nennen möchte. Foursquare bereits hat erfolgreich Gamification eingesetzt, um die Nutzer zu vermehrter Nutzung zu bewegen.
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Das Urbild von Landlord: The Landlord’s Game von 1904/1924 (Abb.: Lucius Kwok, Lizenz)

Landlord setzt noch eins drauf und nutzt neben der Datenbasis von Foursquare auch die Aktivitäten der dortigen Nutzer. Das Spiel hat also zwei Verbindungen zur physischen Welt: Als Spieler kann ich auf Landlord alle Orte erwerben, in deren physischer Nähe ich mich befinde (und die noch keinem anderen Spieler gehören).
Das ist wie bei Monopoly, nur mit sehr viel mehr möglichen Spielfeldern und ohne Würfel. Bei Landlord kassiere ich aber auch Miete, wenn andere Nutzer bei Foursquare einchecken – sie müssen nicht bei Landlord sein. Auf diese Weise hat Landlord von Anfang an sehr viel Aktivität, es fühlt sich nicht wie eine Geisterstadt an.
Kommen wir zu den Schwächen des Spielkonzepts. Landlord hat neben den virtuellen Dollar, Pfund oder Euro (die Währung ist frei wählbar, der Umrechnungskurs ist immer 1:1) noch eine Zweitwährung namens Coins. Die gibt es zum Beispiel dafür, andere Nutzer auf Foursquare, Facebook oder Twitter mit Nachrichten zu belästigen („I just bought Bahnhof Neukloster (S) on Landlord!“).
Für Coins kann ich Upgrades erwerben, um damit meine Besitztümer mit zusätzlichen Features (Wifi, Car Rental, Banana Boating, um nur einige zu nennen) auszustatten. Diese wiederum erhöhen die Miete, die ich für jedes Check-in kassiere. Coins machen das Spiel etwas unübersichtlich. Sie sind relativ knapp, während Cash nach einiger Zeit fast im Übermaß vorhanden ist.
Und ein Übermaß an Bargeld führt, da ist Landlord keine Ausnahme, relativ schnell zu Inflation. Orte mit hoher Fluktuation bei Foursquare kosten bald ein kleines Vermögen. Attraktiv sind, wie bei Monopoly, zum Beispiel Bahnhöfe. Oder auch Büros von Internetbutzen mit einer gewissen Population aktiver Foursquare-Nutzer.
Landlord schöpft einen großen Teil des virtuellen Profits wieder ab, da jedes Besitztum auch tägliche Kosten verursacht, die grob geschätzt bei etwa zwei Drittel der erwarteten Tagesmieteinnahmen liegen. Dieser Mechanismus ist bisweilen etwas träge, was durchaus zu höheren Kosten und sinkenden Einnahmen führen kann.
Deshalb ist ein aktives Portfoliomanagement nötig, um Verlustbringer rechtzeitig abstoßen zu können. Außerdem wird das Portfolio nach einiger Zeit recht unübersichtlich, und die Ladezeiten werden immer länger. Ohnehin hat die App eine Reihe von Schwächen, sie hängt öfter mal und verhält sich gelegentlich inkonsistent.
Das Spiel selbst ist kostenlos. Es gibt aber die Möglichkeit, innerhalb des Spiels zusätzliches Bargeld (zum Kurs von 1,79 Euro für 10.000 Spielgeld) und weitere Coins zu erwerben. Mit anderen Worten: Jeder Landlord-Tweet ist auch eine Aussage, welchen Wert ich meinen Followern beimesse – schließlich könnte ich die Coins auch kaufen.

iPhone 5: Prächtige Hardware, veraltetes Interface und verschlechterte Services?

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Heute ist der alljährliche iPhone-Gedenktag. Millionen von Menschen weltweit bekommen ihre neuen, glänzenden Geräte. Designed by Apple in California, assembled in China. Der Verkaufsstart eines neuen iPhones hat sich zu einem Phänomen der Popkultur ausgewachsen.
Doch worum geht es bei dem ganzen Getöse? Ist immer noch die Hardware das Wichtigste? Nein, sagt Chris Gardner:

What Apple has failed to understand, but its competitors have banked on, is that the smartphone market is not about swish hardware any more, but the device’s software and how easy it is to both use and customise to make the phone yours.

Die Hardware des iPhones folgt offensichtlich dem Trend zu leichteren, dünneren und schnelleren Geräten – infinitesimal werden all diese Gadgets irgendwann unsichtbar. Doch der Schlüssel dafür, diesem Ziel so nah wie möglich zu kommen, ist längst nicht mehr die Hardware, sondern die Software, das Interface.
iOS 6, die jüngste Iteration von Apples mobilem Betriebssystem, startete diese Woche, brachte aber nicht sehr viel Innovation auf diesem Gebiet – das Interface sieht immer noch mehr oder weniger genauso aus wie damals im Jahre 2007, als das erste iPhone auf den Markt kam. Die Nutzer haben nur wenige Möglichkeiten, das Interface zu personalisieren, beklagt Owen Williams:

Apple has not addressed the one thing that’s always bothered me about iOS. The iPhone just isn’t personal. It doesn’t know me and allow me to adjust it to make it my personal phone. I don’t think they understand that their end users aren’t a big faceless group of people.

Owen propagiert Windows Phone 8 und dessen Interface („Live Tiles“) als aktuelles Musterbeispiel.

The thing is, Microsoft gets it. They’re completely right. Live tiles actually do make the technology disappear.

Das heißt, wenn wir Owen folgen wollen, dass es ein Beispiel für ein Interface gibt, das dem hübschen Ziel einer unsichtbaren Technologie zumindest nahekommt. Und es stammt nicht von Apple.
Fügen wir nun noch das Desaster mit dem Umstieg von Google Maps auf Apples eigene Landkarten hinzu. Jetzt haben wir ein Bild mit prächtiger Hardware, einem zunehmend veralteten Interface und einem Serviceerlebnis, das sogar schlechter wird.
Allerdings denke ich, dass dies die Sicht der Technologieexperten ist. Auf Seiten der Konsumenten sehen die Dinge völlig anders aus. Heutzutage sehen Konsumenten Apple-Produkte als klaren Kauf an, mit der Gewissheit, keinen Fehler zu machen.
Der durchschnittliche Konsument vertraut darauf, dass Apple für ihn die Dinge ins Reine bringt. Er erwartet aus Cupertino ein aktualisiertes Interface und bessere Services erst dann, wenn sie fertig sind, und keine Minute früher. Oder, im Falle von Services, überlässt er das Problem dem (App-)Markt.
Google Maps dürfte schon bald wieder auf das iPhone zurückkehren.
Foto: Blake Patterson, Lizenz