Es ist, zumal in Deutschland, nicht leicht, den Menschen die Wahrheit zu sagen. Es gibt einen Weg, wie ihn vor allem Harald Schmidt perfektioniert hat, der unter dem Deckmantel von Ironie und Doppelbödigkeit seinem Publikum den Spiegel vorhält. Das Publikum weiß dabei nie genau, ob er es nun ernst meint oder nicht. Das kann dann jeder selbst entscheiden, wie es ihm gerade in den Kram passt.
Auf der re:publica habe ich zwei Vorträge verfolgt, die sich beide des gleichen Mechanismus bedienten. Der eine stammte von Sascha Lobo, der unter dem Vorwand, über Trollforschung sprechen zu wollen, dem Publikum eine fast zwölfminütige Strafpredigt hielt (im Video die ersten zwölf Minuten).
Werdet endlich erwachsen, war seine Aufforderung an eine Szene, die zwar fast 3.000 Menschen für drei Tage an einem Ort versammeln kann, aber es dabei nicht schafft, über den eigenen Tellerrand hinauszublicken. Eine Szene, der kaum ein Sprecher etwas Neues erzählen kann, weil sie alles schon besser weiß. Und eine Szene, die sich für nichts interessiert, was sie nicht ohnehin schon kennt.
Täusche ich mich oder nimmt unter den Teilnehmern der Anteil jenes Typus zu, der wirkt wie ein Junge vom Land, der heimlich zum Schwulenkongress nach Köln fährt? Der sich für die drei Tage Berlin Urlaub nehmen muss und das auch gerne tut, weil er so wenigstens einmal im Jahr rauskommt aus dem analogen Elend der Provinz? Der sich zwar brennend für alles Digitale interessiert, aber damit kein Geld verdient (und das wahrscheinlich auch gar nicht will)?
Was ihn dann mit einem großen Teil der Berliner Szene verbindet, die sich irgendwie durchschlägt, ihr Hobby zum Beruf gemacht hat, letztlich aber nicht wirklich professionell arbeiten will oder kann. Womit ich beim zweiten Vortrag wäre, der von Gunter Dueck stammt. Seine zentrale These, vorgetragen im lockeren Plauderton, war weitaus radikaler.
Wir müssen künftig mehr können als nur das zu wissen, was ohnehin schon im Internet steht. Meint Dueck. Sonst werden wir durch das Internet überflüssig gemacht. Gerade dem Publikum der re:publica, das sein Wissen vor allem aus dem Internet bezieht, müssen angesichts dieser Botschaft die Ohren klingeln.
Wobei sich hier der Kreis wieder schließt. Denn wer gar nicht professionell ist und es auch gar nicht sein will, dem kann das Internet als Wettbewerber schließlich nur wenig anhaben. Möchte man meinen. Was dabei leider übersehen wird, ist die Tatsache, dass diese Entwicklung alle Berufe betrifft, die mit Wissen zu tun haben. Also wahrscheinlich auch die Zivilberufe jener digitalen Bohème vom Lande, wie sie sich jedes Frühjahr in Berlin versammelt.
So ein Pech aber auch.