Der 11. September 2001 war mein zweiter Arbeitstag bei SinnerSchrader. Das Wetter war ähnlich wie heute in Hamburg: sonnig und spätsommerlich warm. Ich war dabei, mich mit meinem neuen Arbeitgeber bekannt zu machen. Alles war neu und aufregend.
Mein Schreibtisch stand in einem Großraumbüro im ersten Stock der Planckstraße 13 in Hamburg-Ottensen, nur wenige Schritte vom heutigen SinnerSchrader-Büro entfernt. Außer Mark Pohlmann, damals mein Chef, und mir saß dort die Online-Redaktion – ein entfernter Vorläufer unserer heutigen Konzeptioner, wenn man so will.
Im alten Industriebau herrschte eine stille und konzentrierte Atmosphäre wie im Skriptorium einer Abtei. Gegen drei Uhr am Nachmittag unterbrach ein Redakteur, mit dem ich Rücken an Rücken saß, unser aller Arbeit. Ein Flugzeug sei ins World Trade Center geflogen, meldete Spiegel Online. Wir waren irritiert.
Es dauerte noch einige Zeit und mehrere Updates bei Spiegel Online, bis die Nachrichtenlage sich verdichtete. Ein Attentat. Es gab damals einen kleinen Aufenthaltsraum mit Fernseher, auf dem wir die ersten Bilder aus New York sahen. Die brennenden Türme, das zweite Flugzeug.
An Arbeit war nun nicht mehr zu denken. Das Fernsehen zeigte Katastrophenbilder, auf dem Rechner stieß das Web 1.0 an seine Grenzen. Spiegel Online, CNN.com & Co. waren nur schwer erreichbar oder reduzierten ihre Präsenz auf das eine Thema, das es jetzt noch gab.
Dass der erste Turm eingestürzt war, begriffen wir zuerst gar nicht. Die Bilder im Fernsehen erschienen uns irreal wie aus einem Katastrophenfilm. Gigantische Staubwolken. Und das Web war noch schwach und konnte kaum zur Aufklärung beitragen. Dann brach der zweite Turm zusammen.
Der Kollege, der die Meldung zuerst gesehen hatte, nahm an jenem 10. September seinen Abschied von SinnerSchrader. Nach Feierabend saßen wir auf dem Hof der Planckstraße 13 beim Bier. Er wollte in die USA, ob im Urlaub oder für länger, weiß ich nicht mehr. Es war, vorsichtig gesagt, ein mulmiges Gefühl.
Der 11. September 2001 war ein Meilenstein beim Niedergang der Internetwirtschaft. Vielen Start-ups war schon zuvor die Luft ausgegangen. Ich selbst kam gerade von einem Start-up, das in jenen Septembertagen Insolvenz anmelden musste. Nach dem 11. September strichen viele große Unternehmen ihre E-Commerce- und Internet-Budgets zusammen. Das traf Dienstleister und Agenturen. Die Internetwirtschaft fiel in einen Winterschlaf, der fast drei Jahre andauern sollte.
SinnerSchrader zog Ende September in eine große Halle nach Bahrenfeld und blieb dort für knapp fünf Jahre. Aus 270 Mitarbeitern, die im September 2001 bei uns arbeiteten, wurden bis Ende 2003 nur noch 130. In der Halle war genug Platz, um 2006 mit 1.000 Gästen unser Zehnjähriges zu feiern und eine Konferenz zu veranstalten. Nur wenige Kollegen mussten dafür ihren Schreibtisch verrücken.
2006 war das Jahr des Web 2.0 und der neuen Aufbruchstimmung. SinnerSchrader zog zurück nach Ottensen. Die Internetwirtschaft hatte sich seit 2004 wieder vom Schlafe erhoben. Es gab wieder Start-ups und neue Projekte in den Unternehmen. Der zweite Aufschwung läuft weniger stürmisch als zu Zeiten der New Economy, aber nachhaltiger. Und er hält nun schon vier Jahre an.
Der 11. September 2001 war der Moment der größtmöglichen Verunsicherung. Die Folgen des 11. September wirken auch in der Internetwirtschaft bis heute nach. Wenige Wochen später meldete Popnet Insolvenz an. Kabel New Media war schon im Sommer pleite gewesen. Die Agenturszene war im Umbruch, und SinnerSchrader mittendrin.