Lawrence Lessig hat es schon 2004 getan, Fred Wilson im April 2007: Sie erklärten ihren E-Mail-Bankrott (e-mail bankruptcy) und löschten den gesamten Posteingangskorb.
Ähnlich wie der finanzielle Bankrott bleibt die Pleite der Elektropost der einzige Ausweg, wenn die schiere Menge rückständiger Mail nicht mehr beherrschbar erscheint. Früher oder später kommt der Punkt, an dem allein die Mail alle verfügbare Aufmerksamkeit und Arbeitskraft beansprucht. Dann ist Schluss mit lustig.
E-Mail hat längst den Punkt überschritten, bis zu dem ihr Beitrag zur Wertschöpfung noch positiv war. Heute frisst sie mehr, als sie einbringt. Schuld daran ist die Inflation. Das Mailaufkommen hat sich dermaßen ins Astronomische erhöht, dass der Wert einer einzelnen Mail ins Bodenlose gesunken ist.
In den Posteingangsfächern (und für die besser Organisierten: in Zillionen von Ordnern) sammelt sich ein enormer Berg an Mailschulden an. Ähnlich wie bei der Staatsverschuldung ist kein Ansatz in Sicht, wie diese Schulden jemals zurückgezahlt werden könnten.
Die Summe der ungelesenen, unbearbeiteten, unbeantworteten oder ungelöschten Mails ist das exakte Maß für die Differenz zwischen Aufwand und Ertrag des Mediums Mail insgesamt. Je geringer der Nutzen, desto geringer sinnvollerweise die für die Bearbeitung aufgewendete Zeit – und desto größer der Mail-Rückstand.
Die gute, alte E-Mail ist das älteste aller interaktiven, sozialen und kollaborativen Werkzeuge und hat schon den weitesten Weg im Technology Adoption Lifecycle zurückgelegt. Während der spätere Teil der Mehrheit das Medium gerade erst für sich entdeckt, ist das Signal-Stör-Verhältnis bereits denkbar schlecht.
Auf dem Fischmarkt werden wir uns in dieser Woche ausführlich mit dem Phänomen Mail und den Ursachen der Krise befassen. Ob es auch zu Lösungen reicht, das werden wir sehen. Ich möchte nicht zuviel versprechen. Klar scheint mir aber:
E-Mail wird überbewertet. Und wird sich nicht durchsetzen.
Aktueller Stand in meinem Posteingang: 1384 Elemente, davon 568 ungelesen.