Die digitale Revolution frisst ihre Kinder. Dieser abgegriffene Satz liegt nahe angesichts der allgemeinen Aufregung über einen YouTube-Fake namens lonelygirl15.
Diese Aufregung speist sich aus einer gewissen Naivität im Umgang mit digitalen Medien – aus der unausgesprochenen Voraussetzung, die dort präsentierten Menschen und Geschichten seien authentisch. Warum sollten sie das sein?
Seit der Erfindung des Buchdrucks mussten wir lernen, dass nicht alles wahr, gut und schön ist, nur weil es gedruckt oder gesendet wird. Wir wissen, dass ein Roman oder eine tägliche Seifenoper fiktiv sind.
Wir können auch wissen, dass journalistische Nachrichtengebung und Hintergrundberichterstattung nicht die Realität im Verhältnis 1:1 abbilden – und das auch gar nicht können, denn jedenfalls ist die abgebildete Realität größer als der im Medium zur Verfügung stehende Raum.
Das Internet hat an dieser Diskrepanz nichts geändert. Auch das Web bildet eine größere Realität ab und schafft selbst eine neue (aber das hat auch schon der Roman geleistet, ist insofern also nichts Neues). Warum sollte das im nutzergenerierten Web 2.0 nicht gelten? Im Prinzip ist jeder Blogger eine Kunstfigur, selbst wenn er sich nicht als solche versteht.
Insofern schlage ich vor, die Beweislast umzukehren und bis zum Beweis des Gegenteils keine Authentizität zu unterstellen. Zuallererst ist es Unterhaltung, die das Web antreibt. Ob uns etwas gefällt, uns bei Laune hält und also unterhält – das jedenfalls können wir sofort erkennen. Ob es echt ist oder nicht, das hingegen wird im Web nicht mehr so leicht zu unterscheiden sein wie in den alten Medien.
Nils Jacobsen erzählt die (ganze?) Geschichte von lonelygirl15 nach.
Nachtrag: Lonelygirl 15 is Jessica Rose
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