Unter Buzz-Gesichtspunkten war es wahrscheinlich eine kluge Entscheidung, Thomas Knüwer zum Entwicklungsredakteur der deutschen Wired zu machen. Das hat Olaf Kolbrück schon am Mittwochfrüh geahnt und angedeutet.
Doch als Blattmacher ist Thomas Knüwer bislang nicht in Erscheinung getreten. Und er ist keinesfalls der erste Journalist, der sich daran versucht, das Zentralorgan des Cyberspace nach Deutschland zu transportieren. In den Kommentaren bei Felix Schwenzel kolportiert ein hjg:
Mitte der 90er hatte Andreas Schmidt, damals Chefredakteur von TV Today (G+J) auf meine Anregung hin G+J-Geld zur Verfügung gestellt und im unserem Hamburger Redaktionsbüro machte sich eine externe Mannschaft unter der wohlwollenden Aufsicht von Klaus Liedtke an die Arbeit. Gedieh bis zur Nullnummer, die auch die ersten Copy-Tests bestand und von der Original-WIRED-Mannschaft, damals mit deutschem Art Director, akzeptiert wurde. Letztendlich aber scheiterte das Projekt, weil sich die beteiligten Verlage (G+J / SPIEGEL / Conde Nast) nicht einig wurden. Genaueres haben wir nie erfahren.
Und Lorenz Lorenz-Meyer ergänzt:
An dem Mitte-der-90er-Jahre-Experiment mit Wired war neben G+J auch die Spiegel-Gruppe beteiligt, unter der Leitung von Dieter Degler. Art Director war glaube ich Uwe C. Beyer. Ich hab damals (Anfang 96 muss das gewesen sein) ein Bewerbungsgespräch gehabt mit Klaus Madzia, der Deglers rechte Hand war. Bin dann bei SpOn gelandet, und Degler und Madzia wurden, nach dem Scheitern des Wired-Projekts, meine Chefs. (Madzia wechselte kurz darauf zu Econy.)
Ich kann mich dunkel erinnern. Auf meinem persönlichen Radar erschien Wired mit der Zeit-Ausgabe 40/1994 vom 30. September 1994. Darin schrieb Aaron Koenig eine Hymne auf das Zentralorgan des Cyberspace. Trotzdem dauerte es offensichtlich noch bis Frühjahr 1995, dass ich Abonnent des Blattes wurde. In meiner bis heute erhaltenen Sammlung ist das Heft 3.03 vom März 1995 das erste.
Das lag auch an den Mondpreisen an deutschen Kiosken und daran, dass für ein (deutlich günstigeres) Abo eine Kreditkarte nötig war. Die bekam ich irgendwann kostenlos von der Deutschen Bahn in Form einer Bahncard mit Kreditkartenfunktion. Bahn und Citibank gaben das Projekt schnell wieder auf, meine Kreditkarte jedoch habe ich bis heute. Inzwischen kommt sie von der Targobank, nachdem die Citibank ihr hiesiges Privatkundengeschäft an Crédit Mutuel verkauft und diese den Kunstnamen Targobank eingeführt hat.
Wie die deutlich erkennbaren Gebrauchsspuren zeigen, habe ich das Heft damals intensiv gelesen. Ich war noch Student in Berlin und nebenbei freier Radiojournalist, hatte also genug Zeit für die Lektüre. Das Studium endete, die Jobs wechselten, schließlich auch die Stadt. Nur Wired blieb.
Die Sammlung wuchs, zog mehrfach mit mir um und verstaubt heute im Regal. Mit Heft 13.08 war nach gut zehn Jahren im Sommer 2005 schließlich Schluss. Ich habe mein Abo damals nicht mehr erneuert. Übrigens ein schöner Brauch in den USA – dort laufen Zeitschriftenabos nach einem Jahr aus und müssen erneuert werden, anders als bei uns, wo es einer Kündigung bedarf, um ein Abo zu beenden.
Warum habe ich damals nicht wieder verlängert? Von den Krisenjahren 2001ff. blieb auch Wired nicht verschont. Ich hatte inzwischen zu bloggen begonnen, und mein Leseverhalten verschob sich mehr und mehr von Print weg in Richtung Digital. Ob daran die deutsche Wired viel ändern wird?
PS: Meine Wired-Sammlung (3.03 bis 13.08, die Hefte 13.04 und 13.05 scheinen zu fehlen, mindestens ein weiteres Heft vermisse ich leider auch, dafür ist ein anderes doppelt vorhanden) würde ich gern abgeben. Entweder an Selbstabholer oder gegen Erstattung der Versandkosten. Sonst geht sie demnächst ins Altpapier.
PS2: Die Frage, warum es eigentlich keine deutsche Wired gibt, hat uns hier auf dem Fischmarkt schon vor ziemlich genau fünf Jahren beschäftigt.