Wozu wir noch Journalisten brauchen

Meine leicht polemisch gefärbte Analyse, warum Journalisten das Web nicht mögen, hat eine Reihe von interessanten Repliken erzeugt. Eines der wiederkehrenden Gegenargumente ist der Glaube, dass wir Journalisten auch weiterhin brauchen. Das stimmt wahrscheinlich sogar. Die Frage ist aber, wozu eigentlich.

Die Einordnung und „Reduktion von Komplexität“, wie die Medienwissenschaftler sagen, kann durchaus auch eine Aufgabe für Journalisten im Web darstellen. Hunderte abonnierter Feeds, aber keiner sagt mir, welcher wichtig ist.

Doch. Allerdings sind es keine Journalisten, die mir das sagen. Es sind Techmeme, Rivva, Digg, Friendfeed und Twitter (z.B. Twitlinks). Es sind Maschinen, die von Menschen gefüttert werden, wie immer, wenn wir von Medien sprechen. Sie sind dabei, den Journalisten ihre Selektionsfunktion abzunehmen. Es wird noch dauern, bis es flächendeckend soweit ist. Aber der Trend ist klar.

Der menschliche Faktor ist das, was den Journalismus interessant macht.

Wenn ich mich recht entsinne, dann hatte der Journalismus einst einen Objektivitätsanspruch – an dem er freilich vielfach scheiterte, was verständlich ist, da Menschen involviert sind. Im Unterschied zum Journalismus war das Blogging mit einem Subjektivitätsanspruch angetreten – und auch damit oftmals grandios gescheitert.
Objektivität ist veraltet. Sie wird nur in Medien gebraucht, die den Gesetzen der physischen Knappheit unterworfen sind. Wenn es nur ein Fernsehprogramm gibt, muss das furchtbar objektiv sein, weil es ja außerhalb des eigenen Kanals keine Gegenstimme gibt.
Schon der Versuch, die Regelungsmechanismen aus öffentlich-rechtlichen Monopolzeiten auf das privat-kommerzielle Fernsehen zu übertragen, ist völlig zu Recht weitgehend gescheitert. Stefan Niggemeier schreibt Romane darüber. Wenn er nicht gerade im Urlaub ist.
Im Web können wir uns Subjektivität leisten, weil Objektivität, sofern sie gebraucht wird, aus der Summe der Subjektivitäten entsteht. Wie in der Wikipedia. Habermas müsste jubeln, aber er versteht das Web nicht.
Das journalistische Produktionsmonopol ist aufgebrochen, heute kann jeder publizieren. Das Selektionsmonopol bricht jetzt ebenfalls auf, Maschinen und kollaborative Systeme sind heute schon besser als es Journalisten je waren. Was bleibt dann noch? Ganz zu schweigen davon, dass die Zahlungsbereitschaft für journalistische Produkte sowohl bei den Konsumenten als auch bei den Werbungtreibenden dramatisch gesunken ist.
Es bleiben PR und Corporate Publishing. Journalisten werden sich als Kommunikatoren und Lohnschreiber für Unternehmen verdingen.
Selbstverständlich werden die klassischen Medien überleben. Sie bewegen sich aber längst in einem schrumpfenden Markt, und dort gelten andere Gesetze als in Wachstumsmärkten. Medienobjekte werden zu Melkkühen umgebaut und auf Rendite getrimmt, Stellen gestrichen und das gesamte Niveau abgesenkt.
Dagegen ist kein Kraut gewachsen. Dass eine Redaktion wie die der Berliner Zeitung nur im Web und ohne gedrucktes Blatt überleben könnte, ist eine wohlfeile Illusion.

Alles oder nichts

matt_twitter.JPGUnd genau das wird Twitter zum Verhängnis, meint Don Reisinger. How twitter could be worth nothing in a year vs. how twitter could be worth a billion in a year.

Twitter doing anything is fun. Aber auch der fliegende Wal kann einen nicht mehr aufheitern. Der häufige Ausfall der Seite hält sich kontinuierlich, dennoch verlieren treue Anhänger nicht den Mut. Selbst Zweifler sind mittlerweile fleißig am twittern. Ein Vorteil, der sich auszahlen kann, so der Silicon Alley Insider:

Twitter should take full advantage of their messaging platform, user base and user disposition to lead in the P2P mobile payments space.

Aber macht sich Twitter, gerade weil es kein Person-to-Person Bezahlsystem hat, nicht unbezahlbar? Anstatt nur auf die Haben-Seite zu schauen, argumentiert Reisinger, sollte Twitter viel mehr investieren, um die Messaging-Plattform stabil zu halten und damit auch ihre Community. Ansonsten werden viele flügge und Friendfeed wird den Markt verändern.

flexughh-Meeting zu Zoomflex

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Die Adobe Flex User Group Hamburg trifft sich regelmäßig und organisiert kostenlose Vorträge über Flex, AIR und Flash. Beim kommenden Treffen am 14. Juli 2008 im Hause SinnerSchrader präsentiert David Sowerby Grant Straker von Straker Interactive „ZoomFlex and UM Cairngorm Extensions“. ZoomFlex ist ein browserbasiertes Tool, mit dem kleine bis große Flex-Applikationen erstellt werden können. Dabei kann bis zu 30 Prozent der Entwicklungszeit gespart werden.

Gregory Jacob, Head of Flash bei SinnerSchrader, koordiniert dieses flexughh-Meeting. Zur Registrierung für die Veranstaltung geht es hier.

Warum Journalisten das Web nicht mögen

Die Antwort ist einfach: Weil es sie arbeitslos macht. Die Journalisten sind die schlesischen Weber des Webs.
Diese These kann ich auch ausführlicher formulieren.

  1. Seit Gutenberg (und vor Gutenberg erst recht) waren Medien den Gesetzen physischer Knappheit unterworfen. Es gab niemals unbegrenzt viele Druckerpressen, Frequenzen oder Sendeplätze. Deshalb konnte nicht jedermann publizieren – vor der Publikation fand eine Auswahl statt. Redakteure wählten aus, was ins Blatt kommt. Frequenzen wurden für bestimmte Zwecke an bestimmte Nutzer vergeben. Im Kampf um Sendeplätze setzten sich aufmerksamkeitsstarke Programme gegen schwächere durch.
  2. Der Auswahlprozess konzentrierte die öffentliche Aufmerksamkeit auf vergleichsweise wenige, dafür aber reichweitenstarke Blätter, Sender und Programme. Mangels Alternativen waren Leser sogar bereit, für bedrucktes Papier Geld zu bezahlen. Außerdem zahlte die werbungtreibende Industrie dafür, ihre Botschaften über die gleichen Medien transportieren zu lassen.
  3. Dieses Mediensystem brauchte verhältnismäßig wenig Texte, Töne und Bilder, um verhältnismäßig viele Medienkonsumenten zu erreichen. Journalisten schufen Wert, indem sie genau diese Texte, Töne und Bilder anfertigten. Das werden sie auch weiterhin tun, aber…
  4. Im Web findet die Auswahl erst nach der Publikation statt. Ökonomen würden sagen, dass die Markteintrittsbarrieren niedrig sind. Wer möchte, kann publizieren, und viele tun das auch. Dadurch wächst das Angebot der publizierten Texte, Töne und Bilder sehr viel schneller als die Nachfrage.
  5. Dies hat zwei für die Einkommen von Journalisten fatale Folgen: Die Aufmerksamkeit der Medienkonsumenten verteilt sich auf immer mehr Medienprodukte, die Reichweiten sinken, und damit schrumpfen auch die Erlöse aus Werbung und Verkauf. Geringere Erlöse führen zu Stellenstreichungen und Einkommenseinbußen. Das wachsende Angebot erhöht den Preisdruck für journalistische Arbeit zusätzlich.
  6. Nun ist das Angebot am Arbeitsmarkt der Medienwirtschaft traditionell höher als die Nachfrage, was den Löhnen und Preisen für journalistische Tätigkeit noch nie besonders gut getan hat. Medienhäuser können daher den Preisdruck relativ einfach an ihre Mitarbeiter und Lieferanten weitergeben: Gehälter und Honorare sinken.

Wie die schlesischen Weber durch die Industrialisierung verlieren die Journalisten durch das Web ihr Einkommen. Zwar nicht alle, nicht alles und auch nicht sofort, aber der Trend ist klar. Und deshalb ist auch klar, warum Journalisten das Web nicht mögen.