Beim Supermarkt um die Ecke ist es die Milch, bei den europäischen Mobilfunkanbietern die Inlandsfestnetzminute, oft sogar noch irrationaler der Preis für ein neues Handy. Was die Verkaufspsychologie unter einem „Eckpreis“ versteht, wissen wir spätestens seit die Milchbauern auf die Straße gingen, um faire Verträge mit den Molkereien zu erstreiten.
Der durchschnittliche Discounterkunde nimmt sich nicht die Zeit, den Preis für jedes Stück Käse oder die Dose Erbsen mit denen bei Aldi, Lidl oder Plus zu vergleichen – das hat etwas mit Transaktionskosten zu tun und macht auch intuitiv viel Sinn. Also signalisiert der Supermarkt um die Ecke dem Konsumenten mit seinem günstigen Milchpreis: Hier kannst Du was sparen.
Während die Discounter dafür bei den Molkereien und Milchbauern günstige Einkaufspreise durchsetzen müssen, haben es die Mobilfunkanbieter noch viel einfacher: deren Kostenstruktur ist geprägt von Fixkosten. Ob ich zehn oder 30 Minuten am Tag telefoniere, interessiert E-Plus, o2 & Co. höchstens langfristig, wenn das Netz überlastet ist und ausgebaut werden muss. Also können sie die Preise für eine Minute Telefonieren ins eigene Netz oder ins Festnetz (fast) beliebig senken, solange sie woanders ausreichende Deckungsbeiträge erwirtschaften: zum Beispiel bei absurd hohen Gebühren für Leistungen, die nur selten in Anspruch genommen und noch seltener vorher im Preis verglichen werden. Und vor allem: beim Roaming – dem Goldesel oder um im Bild zu bleiben: der Melkkuh der Mobilfunkindustrie.
Wer schon einmal im Ausland telefoniert hat, weiß: ein Telefonat, das im Inland in der Grundgebühr enthalten ist, kann an der Côte d’Azur, in der Toskana oder in Kopenhagen schon mal ein bis zwei Euro die Minute kosten. Noch härter trifft es den, der mobil ins Netz geht: gerne werden da sechs oder sieben Euro pro MB abgerechnet.
Ein Wochenende im Ausland mit ein paar Mails, ein wenig Surfen und Google Maps kostet also genauso viel wie mehrere Monate Datennutzung in Deutschland mit einem passenden Paket. Aber: es gibt überhaupt keinen Grund dafür. Na gut, den gibt es schon: niemand achtet bei der Wahl des Mobilfunktarifs auf einen günstigen Datentarif im Ausland, sondern auf den Minutenpreis im Inland – das ist auf den ersten Blick ja auch viel relevanter. T-Mobile, Vodafone und die anderen kassieren diese Preise nicht, weil die Nutzung entsprechende Kosten verursacht, sondern einfach weil sie es können. Die Konkurrenz verlangt dasselbe und den Kunden interessiert es bei der Kaufentscheidung nicht – er ärgert sich erst hinterher und hat ja doch keine Alternative.
Für die Mobilfunkanbieter machen die Roaminggebühren einen großen Brocken ihres Umsatzes aus, deswegen stehen sie fest zusammen. Aber wir werden eine ähnliche Entwicklung wie bei den Inlandstarifen erleben: irgendwann wird einer zucken und dann purzeln die Preise.
Und spätestens dann ist das mobile Web auch außerhalb der eigenen Landesgrenzen nicht mehr aufzuhalten.
Ursprünglich veröffentlicht auf staysynced.com.